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NORDRHEIN-WESTFALEN/2193: Sportausschuss diskutiert Gewalt gegen Fußball-Schiedsrichter (Li)


Landtag intern 5/2015
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

Sorgen um den Schiri
Sportausschuss diskutiert Gewalt gegen Fußball-Schiedsrichter

Von Michael Zabka


9. Juni 2015 - Die Hemmschwelle sei gesunken, sagte Dr. Stephan Osnabrügge vom Westdeutschen Fußball- und Leichtathletikverband. Ein flächendeckendes Gewaltproblem gebe es im Amateurfußball aber nicht. Um Konflikte auf dem Platz möglichst zu verhindern, würden Schiris speziell geschult.


"Schiri, wir wissen, wo dein Auto steht!" Es sind nicht nur "nette" Worte, die Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter auf dem Fußballplatz hören. Meist bleibt es bei verbalen Attacken, doch auch tätliche Übergriffe kommen vor. "Die Hemmschwelle ist gesunken", bestätigte Dr. Stephan Osnabrügge, Präsidiumsmitglied im Westdeutschen Fußball- und Leichtathletikverband (WFLV), während einer Sitzung des Sportausschusses. Wo früher geschubst wurde, werde heute geschlagen. Von einem "flächendeckenden Gewaltproblem im Amateurfußball" könne dennoch nicht die Rede sein.

Der Ausschuss hatte sich mit dem Thema "Gewalt gegen Schiedsrichter" befasst. Vorausgegangen war ein Antrag der PIRATEN, die um einen Bericht der Landesregierung gebeten hatten. Man sei sich des Problems bewusst und betrachte entsprechende Vorfälle mit Sorge, hieß es in der Stellungnahme des Sportministeriums. Angriffe auf Schiedsrichter seien gemessen an der Gesamtzahl der Spiele jedoch eher selten. Grundsätzlich sei der Sport selbst für den reibungslosen Ablauf seiner Veranstaltungen verantwortlich. Man habe daher den WFLV um einen Bericht gebeten.


Einzelversagen des Spielers

Dr. Stephan Osnabrügge, der es als Schiedsrichter selbst bis in die zweite Bundesliga geschafft hat, berichtete im Ausschuss von einer Erhebung des Deutschen Fußballbundes (DFB) aus dem vergangenen Jahr. Bei einer Million Spielen sei es zu 3.000 Störungen gekommen, die Schiedsrichter als Gewalt gegen sich empfunden hätten. Es seien also 0,3 Prozent der Begegnungen betroffen gewesen. Angriffe seien in der Regel das "Einzelversagen eines Spielers", Hintergrund meist Probleme aus dessen sozialem Umfeld. Aufgrund des körperlichen Kontaktes könnten Konflikte beim Fußball zudem schneller eskalieren als bei anderen Sportarten. Übergriffe von Spielern seien allerdings nur sehr selten ein Grund dafür, dass Schiedsrichter ihr Hobby aufgeben, berichtete Osnabrügge. Neben beruflichen Gründen und Zeitmangel sei für eine solche Entscheidung meist "fehlende Wertschätzung" ausschlaggebend.

Um Konflikte auf dem Platz möglichst zu vermeiden, würden Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter gezielt in Deeskalationstechniken ausgebildet. "Wir haben auch wieder Rituter ale eingeführt", berichtete Osnabrügge. Dazu gehörten das gemeinsame Auflaufen sowie der Handschlag zu Beginn und möglichst auch am Ende des Spiels. Darüber hinaus schule man Ordner und bilde sogenannte Konflikt-Coaches aus, um Vorfälle aufzuarbeiten und Lehren aus ihnen zu ziehen.

Wünschenswert, so Osnabrügge, seien außerdem ehrenamtliche "Konflikt-Interventionsteams". Die Teams, bestehend aus jeweils einer Frau und einem Mann, könnten bei Vorfällen gleich am Folgetag die Vereine besuchen und mit den betroffenen Spielern sprechen. "NRW bräuchte 20 dieser Teams", sagte er. Die Ausbildungskosten bezifferte das WFLV-Präsidiumsmitglied auf 30.000 bis 40.000 Euro. Etwa so hoch seien auch die laufenden Kosten für die Teams. "Die drei Landesverbände haben dieses Geld aber nicht."

Dem Vortrag schloss sich eine rege Diskussion an. Ob der Spruch "Schiri, wir wissen wo dein Auto steht" schon als Aufruf zur Sachbeschädigung zu verstehen sei, wollte Rainer Bischoff (SPD) wissen. "Schiedsrichter nehmen so etwas eher locker", berichtete Osnabrügge. Josefine Paul (GRÜNE) wies auf die Notwendigkeit hin, neben dem Thema "Gewalt" auch "Diskriminierung und Antidiskriminierung" in die Präventionsarbeit einzubeziehen. Dr. Björn Kerbein (FDP) sprach die Rolle der Eltern an. In der Tat, so Experte Osnabrügge, brächten gerade Eltern oft Unruhe ins Spiel. Der Verband habe deshalb Karten mit Verhaltensregeln drucken lassen, die Kinder vor dem Spiel an die Eltern verteilen. Doch auch das Verhalten von Bundesliga-Trainern sei nicht immer vorbildlich. Deren Ausraster vom Samstag würden am Sonntag auf den Amateurplätzen nachgeahmt. Holger Müller (CDU) wies auf das Projekt "Fair-Play-Liga" hin, bei dem Kinder ihre Fußballspiele ohne Schiedsrichter austragen, bezweifelte jedoch, dass dies auch bei Älteren noch funktioniere. Lukas Lamla (PIRATEN) riet, die Verbände nicht allein zu lassen und zu überlegen, wie sie unterstützt werden könnten.

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Quelle:
Landtag intern 5 - 46. Jahrgang, 29.6.2015, S. 13
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. August 2015

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