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NORDRHEIN-WESTFALEN/2224: Feuerwehr - meist eine Sache der Freiwilligen (Li)


Landtag intern 1/2016
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

Feuerwehr - meist eine Sache der Freiwilligen

Das Interview führten Michael Zabka und Wibke Busch


Sie sind Helferinnen und Helfer in der Not, und das zumeist ehrenamtlich: In NRW gibt es 14.000 hauptberufliche Feuerwehrmänner und -frauen, 86.000 Menschen engagieren sich bei den Freiwilligen Feuerwehren. Berthold Penkert leitet das Institut der Feuerwehr NRW in Münster - die größte deutsche Feuerwehrausbildungseinrichtung. Landtag Intern sprach mit dem Direktor des Instituts über die Zukunft des Berufs und des Ehrenamts.


Landtag Intern: Herr Penkert, wollten Sie schon als Kind Feuerwehrmann werden?

Berthold Penkert: Nicht ganz. Ich bin mit 15 Jahren in die Jugendfeuerwehr meiner Heimatstadt Hamm eingetreten. Der Weg zur Berufsfeuerwehr hat sich dann nach meinem Maschinenbaustudium ergeben. Ich bin damals darauf aufmerksam geworden, dass es auch im höheren Dienst eine Laufbahn als Führungsbeamter bei der Feuerwehr gibt. Und ich bin heute noch ehrenamtlich bei der Freiwilligen Feuerwehr in Hamm tätig.


Landtag Intern: Feuerwehrmann gehört zu den Berufen, die sehr wertgeschätzt werden. Schlägt sich das auch auf Ihre Nachwuchsrekrutierung nieder?

Berthold Penkert: Das ist ein Thema, das uns auch in unserem Projekt "Feuerwehrensache", das das NRW-Innenministerium zusammen mit dem Verband der Feuerwehren in NRW durchführt (Anmerk. der Redaktion: siehe unten), umtreibt. Da gibt es eine Divergenz: auf der einen Seite die hohe Anerkennung und Wertschätzung für die Tätigkeit. Auf der anderen Seite führt dies nur bei wenigen dazu, dass sie sich selbst engagieren.


Landtag Intern: Haben Sie derzeit schon Nachwuchsprobleme?

Berthold Penkert: Nein, anzahlmäßig zum Glück nicht. Wir haben sogar in den letzten Jahren einen leichten Zuwachs im ehrenamtlichen Bereich in NRW verzeichnen können. Die zentrale Frage für uns ist aber, wen wir gewinnen können. Uns ist wichtig, dass wir einen Querschnitt der Bevölkerung widerspiegeln. Und das ist nicht der Fall. Unsere Analyse zeigt: Frauen, Migranten und Akademiker sind unterdurchschnittlich vertreten.


Landtag Intern: Was sind die Gründe für fehlende Migranten?

Berthold Penkert: Die Feuerwehr hat beispielsweise in vielen Ländern außerhalb Europas eine andere Stellung als in Deutschland. Sie ist dort Teil der Staatsgewalt, die gegen die Bevölkerung interveniert. Daher ist dieses Thema bei Migranten häufig negativ besetzt. Wir wollen Zuwanderern erklären, wie bei uns Feuerwehr als positiver Teil der Gesellschaft funktioniert. In unserem Projekt verfolgen wir zwei Ansätze: einerseits eine Information der Feuerwehren selbst, die oft dieses Thema auch nicht kennen, und andererseits parallel das Zugehen auf Migranten.


Landtag Intern: Wie können sich Frauen engagieren, die oft wahrscheinlich eine körperlich anstrengende Aufgabe erwarten?

Berthold Penkert: Dieser Punkt ist uns sehr wichtig. Die Feuerwehrtätigkeit wird oftmals eindimensional gesehen. Da gibt es das Bild des "Rundum-Sorglos-Feuerwehrmannes", der alles können muss. Es bedarf aber einer Spezialisierung. Daher sind künftig auch im ehrenamtlichen Bereich unterschiedliche Karrieren möglich. Zum 1. Januar 2016 ist das vom Landtag verabschiedete neue Brandschutzgesetz (BHKG) in Kraft getreten. Es ermöglicht, dass es neben der regulären Einsatzlaufbahn auch andere Karrieremöglichkeiten geben kann, vorstellbar wäre dies beispielsweise im Bereich Logistik.


Landtag Intern: Warum ist es überhaupt wichtig, einen gesellschaftlichen Querschnitt abzubilden?

Berthold Penkert: Bei Feuerwehreinsätzen befinden sich Menschen in der Regel in Lebensnot. Das sind Situationen, in denen es häufig kein Patentrezept gibt. Sie erfordern Wissen aus den verschiedenen Bereichen, um schnell richtig handeln zu können. Hier zahlt es sich aus, wenn man über unterschiedliche Kompetenzen verfügt, sei es handwerkliche Befähigungen oder das Wissen eines Ingenieurs. Diese Vielfalt macht die Organisation stark.

Flexible Altersgrenze


Landtag Intern: Bis zu welchem Alter kann man bei der Freiwilligen Feuerwehr aktiv sein?

Berthold Penkert: Bislang gilt eine Altersgrenze von 60 Jahren. Im Ausnahmefall bis 63. Auch hier steuern wir mit unserem Projekt gegen: Wir wollen diese Grenze flexibler machen, den Einsatz von der tatsächlichen Leistungsfähigkeit abhängig machen. So können Lebensältere mit all ihrer Erfahrung noch im wichtigen Bereich der Brandschutzaufklärung tätig sein.


Landtag Intern: Ein Ehrenamt kostet Zeit. Wie viel Zeit muss man in die Feuerwehr investieren?

Berthold Penkert: An meinem Standort der Freiwilligen Feuerwehr in Hamm sind es rund 100 Stunden Fortbildung im Jahr, die neben den inzwischen über 150 Einsätzen pro Jahr anfallen. Das heißt konkret, dass meine Einheit alle zwei bis drei Tage zum Einsatz alarmiert wird. Viele Arbeitgeber haben dafür Verständnis. Aber wir werben auch bei den Unternehmen und informieren, weil es oft ein geringes Wissen gibt von der Struktur der Feuerwehr, die zu fast 90 Prozent ehrenamtlich funktioniert.


Landtag Intern: Ein Ziel Ihres Projektes ist es, die Wertschätzung gegenüber der Feuerwehr weiter zu stärken. Welchen Beitrag kann der Parlamentarische Abend Anfang März im Landtag leisten?

Berthold Penkert: Ich kann dem Innenausschuss nur danken, der sich fraktionsübergreifend dafür stark gemacht hat. Ich sehe es als Dankeschön und als Zeichen der Landespolitik, mit den Praktikern bei der Feuerwehr, die die Probleme vor Ort kennen, ins Gespräch zu kommen.



Landtag würdigt Einsatz der Feuerwehr

Sie kommen, wenn es brennt. Sie helfen bei Verkehrsunfällen, bei Hochwasser. Sie rücken aus, wenn Stürme und Orkane übers Land fegen. Sie retten das Leben anderer Menschen und riskieren dabei oft genug das eigene. Mit einem Parlamentarischen Abend am Mittwoch, 2. März 2016, will der Landtag gemeinsam mit dem Ministerium für Inneres und Kommunales und dem Verband der Feuerwehren in NRW das Engagement der nordrhein-westfälischen Feuerwehren würdigen.

Rund 86.000 Frauen und Männer engagieren sich ehrenamtlich in den 396 Freiwilligen Feuerwehren des Landes. Hinzu kommen 31 Berufsfeuerwehren sowie Werksfeuerwehren mit 14.000 hauptberuflichen Beschäftigten. Bundesweit nimmt die Zahl der ehrenamtlichen Mitglieder jedoch ab. Dieser Trend sei in NRW zwar noch nicht festzustellen, heißt es in einem Bericht des Ministeriums für Inneres und Kommunales. Dennoch: Der Frauenanteil stagniere, jüngere Mitglieder gäben ihr Engagement bei der Feuerwehr in den Jahren der Familiengründung und Berufsplanung häufig auf. Menschen mit Migrationshintergrund seien unterrepräsentiert, ebenso Menschen mit Behinderungen.

An dieser Stelle setzt ein gemeinsames Projekt des Verbandes der Feuerwehren und des Ministeriums für Inneres und Kommunales an: "Förderung des Ehrenamtes in den Feuerwehren - Feuerwehrensache". Der Titel ist Programm. Ziel ist es, das Ehrenamt in der Feuerwehr zu stärken, Mitglieder zu gewinnen und zu halten, aber auch die Stärkung der Freiwilligen Feuerwehren im ländlichen Raum. Dabei werden drei Schwerpunkte gesetzt: "Der Mensch in der Freiwilligen Feuerwehr", "Die Organisation der Freiwilligen Feuerwehr" und "Die Freiwillige Feuerwehr in der Öffentlichkeit". Arbeitsgruppen beschäftigen sich mit den jeweiligen Schwerpunkten. Hinzu kommen u. a. Workshops und Experteninterviews, eine kontinuierliche wissenschaftliche Begleitung. Veränderungsansätze werden in der Praxis vor Ort erprobt.

Im Zentrum des Projekts steht der Mensch in seiner Freiwilligen Feuerwehr. Ziel ist es, die Mitwirkung in der Feuerwehr in unterschiedlichen Ausprägungen in jeder Lebensphase zu ermöglichen und zu fördern - von Kindesbeinen an.

Weitere Informationen im Internet unter
http://www.feuerwehrensache.nrw.de.

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Quelle:
Landtag intern 1 - 47. Jahrgang, 02.02.2016, S. 12-13
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
Carina Gödecke, Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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email@landtag.nrw.de
Internet: www.landtag.nrw.de, www.landtagintern.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2016

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