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NORDRHEIN-WESTFALEN/2229: Sachverständige äußern sich zum Vorschlag einer Polizeibeschwerdestelle (Li)


Landtag intern 2/2016
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

Wenn zwei sich streiten
Sachverständige äußern sich zum Vorschlag einer Polizeibeschwerdestelle

Von Michael Zabka


16. Februar 2016 - Die PIRATEN-Fraktion regt die Einrichtung einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle in Nordrhein-Westfalen an. Bürgerinnen und Bürger könnten sich an sie wenden, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen. Zugleich sollten dort auch Polizistinnen und Polizisten eine Anlaufstelle haben, um über mögliche Missstände in ihrer Behörde zu berichten. In einer Anhörung des Innenausschusses äußerten sich Sachverständige zu dem Antrag.


Die PIRATEN schlagen in ihrem Antrag (Drs. 16/8974) u. a. vor, zunächst einen "Runden Tisch" mit Vertreterinnen und Vertretern der Landesregierung, der Landtagsfraktionen und der Polizei-Gewerkschaften einzuberufen. Er solle später um Sachverständige aus der Wissenschaft ergänzt werden. Ein erfolgreiches Beispiel für eine unabhängige Beschwerdestelle sei der seit Juli 2014 in Rheinland-Pfalz tätige Beauftragte für die Landespolizei.

Die Polizei-Gewerkschaften lehnten die Einrichtung einer solchen Beschwerdestelle ab. Es sei bereits jetzt problemlos möglich, "sich über tatsächliches oder vermeintliches Fehlverhalten der Polizistinnen und Polizisten zu beschweren", hieß es in der Stellungnahme der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Ein internes Beschwerdemanagement sei ebenfalls vorhanden. Zudem sei eine solche Stelle nicht geeignet, mehr Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei zu schaffen: "Eher wahrscheinlich erscheint uns die Annahme, dass durch die Besonderheit einer Polizeibeschwerdestelle ein Misstrauen gegen die Polizei des Landes geschürt wird."


"Kein Mehrwert"

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) sah ebenfalls keine Notwendigkeit, eine unabhängige Beschwerdestelle einzurichten. Im Januar 2012 sei ein einheitliches Beschwerdemanagement bei der Polizei eingeführt worden, das Zuständigkeiten, Abläufe und Bearbeitungsstandards regle. Ein möglicher Mehrwert durch die von den PIRATEN angeregte Stelle sei nicht erkennbar.

Ähnlich äußerte sich die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG). Beschwerden und Eingaben aus der Bevölkerung würden bereits entgegengenommen und dem Beschwerdemanagement zugeleitet. Darüber hinaus sei sichergestellt, dass auch innerdienstliche Probleme aufgearbeitet würden.

In Rheinland-Pfalz habe man mit der 2014 eingerichteten unabhängigen Beschwerdestelle gute Erfahrungen gemacht, berichtete Dieter Burgard, Bürgerbeauftragter des Landes und zugleich Beauftragter für die dortige Landespolizei. Ziel sei es, "Konflikte mit und in der Polizei einvernehmlich mit den Mitteln der partnerschaftlichen Kommunikation zu bereinigen". Als Beauftragter für die Landespolizei sei er "Ombudsmann für Bürger und Polizisten" und berichte einmal im Jahr dem Landtag. In seinem ersten Amtsjahr seien 54 Bürgerbeschwerden und 29 Eingaben von Polizistinnen und Polizisten an ihn gerichtet worden.

Udo Behrendes, Leitender Polizeidirektor a. D., sah im rheinland- pfälzischen Modell einen "begrüßenswerten Schritt zu einer noch bürgerorientierteren, am Zielbild der Mediation ausgerichteten Beschwerdebearbeitung". Die Polizei sollte "selbstbewusst und offen dafür sein, die vorhandene Vertrauensbasis weiter zu verfestigen". Die Etablierung eines unabhängigen Polizeibeauftragten sei "kein Misstrauensvotum gegen die Polizei, sondern eine weitere vertrauensbildende Maßnahme für das Verhältnis der Gesellschaft zu 'ihrer' Polizei".

Die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle sei aus wissenschaftlicher Perspektive "uneingeschränkt zu begrüßen", befand Prof. Dr. Michael Bäuerle (Hessische Hochschule für Polizei und Verwaltung). Die im Antrag beabsichtigte Ansiedlung beim Landtag und eine entsprechende Berichtspflicht nannte er "zielführend".

Prof. Dr. Hartmut Aden (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin) sprach sich ebenfalls für die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle aus. Zwar hätten die meisten Polizeibehörden in Deutschland ein "mehr oder weniger effektives Verfahren, um mit Beschwerden umzugehen". Allerdings könnten sie nicht alle notwendigen Funktionen effektiv erfüllen. Empirische Untersuchungen hätten gezeigt, "dass Fälle, in denen Polizeieinsätze gegenüber Außenstehenden unangemessen oder gar rechtswidrig verlaufen, oft nicht hinreichend und nicht mit der gebotenen Neutralität aufgeklärt werden".

Als "sinnvolles Instrument" bezeichnete Prof. Dr. Bernhard Frevel (Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW) eine unabhängige Polizeibeschwerdestelle. Sie könne u. a. helfen, das Ansehen der Polizei zu stärken, den Kontakt zur Bevölkerung zu fördern sowie die Fehler- und Lernkultur innerhalb der Organisation zu verbessern.

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Quelle:
Landtag intern 2 - 47. Jahrgang, 22.03.2016, S. 9
Herausgeberin: Die Präsidentin des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. April 2016

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