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NORDRHEIN-WESTFALEN/2314: Immer weniger Organspender (Li)


Landtag intern 1/2018
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

PLENUM
Immer weniger Organspender
Fraktionen äußerten sich in Aktueller Stunde besorgt

von Thomas Becker und Michael Zabka


18. Januar 2018 - 146 Menschen haben im vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen 450 Organe gespendet. Das sind die niedrigsten Zahlen seit 1999. In einer Aktuellen Stunde äußerten sich alle Fraktionen besorgt über diese Entwicklung.


Die Fraktionen von CDU und FDP hatten die Aktuelle Stunde beantragt. Rein rechnerisch kämen auf eine Million Menschen in NRW nur 8,2 Organspenderinnen und -spender, heißt es in dem Antrag (Drs. 17/1722). Die Spenderrate liege damit niedriger als in allen anderen Bundesländern. Zum Vergleich: Fürs Jahr 2009 nennen die Fraktionen 259 Spenderinnen und Spender sowie 839 gespendete Organe. Diese Zahlen seien nach Aufklärungs- und Informationskampagnen in der 14. Legislaturperiode sowie der Verpflichtung zur Bestellung von Transplantationsbeauftragten erreicht worden.

Jochen Klenner (CDU) wies darauf hin, dass in Deutschland täglich drei Menschen sterben, weil sie vergeblich auf eine Organspende warteten. Die Gründe für den Rückgang an Spenderinnen und Spendern seien vielfältig: Ängste und Unsicherheiten in der Bevölkerung, zu wenig Wissen, mangelnde Strukturen im Klinikalltag. "Wir sollten deshalb ein Umfeld schaffen, in dem über Organspende gesprochen, nachgedacht und dann aus freien Stücken entschieden wird", sagte Klenner. Wichtig sei zudem, die Rolle von Transplantationsbeauftragten in Krankenhäusern zu stärken. Hier seien auch die Klinikleitungen in der Pflicht.

Susanne Schneider (FDP) sagte, dass aktuell rund 10.000 Patientinnen und Patienten in Deutschland auf ein Spenderorgan warteten. NRW sei "Schlusslicht bei der Organspende". Und das, obwohl laut Umfragen rund 80 Prozent der Deutschen grundsätzlich zu Organspenden nach dem Tod bereit seien. Damit mehr Menschen einen Organspendeausweis ausfüllen, mit dem sie ihre Bereitschaft auch dokumentierten, sei Aufklärungsarbeit nötig. Zudem sei zu überlegen, "ob wir wie in Bayern konkrete Regelungen zur Freistellung, Vergütung und Ausstattung der Transplantationsbeauftragten einführen".

Angela Lück (SPD) wies darauf hin, dass lange Wartezeiten auf ein neues Organ für Patientinnen und Patienten eine immense Belastung bedeuteten. Es sei wichtig, die Bereitschaft für Organspenden zu erhöhen und "bessere Transplantationsmöglichkeiten" zu schaffen. Ein möglicher Ansatz dazu sei, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verändern und sich an Ländern wie Österreich oder Spanien zu orientieren: Dort gelte die sogenannte Widerspruchslösung, nach der Organentnahmen nach dem Tod grundsätzlich möglich seien, solange die Patientin oder der Patient dem zuvor nicht ausdrücklich widersprochen habe.

Er könne alle Menschen nur dazu aufrufen, sich mit dem Thema "sehr intensiv auseinanderzusetzen", sagte Mehrdad Mostofizadeh (Grüne). Organspenden könnten Leben retten. Ziel sei es, gemeinsam für Vertrauen zu werben. Dennoch sei es die "ureigene persönliche Entscheidung", ob ein Mensch Organe spende oder nicht. Mostofizadeh regte an, zum Beispiel in Schulen auf die Möglichkeit der Organspende hinzuweisen. Er sei jedoch erstaunt, dass das Thema im Rahmen einer Aktuellen Stunde diskutiert werde. Seine Fraktion wünsche einen Bericht zur nächsten Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

"Liebesbeweis"

Dass die Organvergabe im europäischen Verbund erfolge, sei "effzient, raffniert und hochsolidarisch", sagte Dr. Martin Vincentz (AfD). Allerdings sei dieses System auch "anfällig", wie Skandale im Jahr 2012 gezeigt hätten. Die AfD hätte sich einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen gewünscht, "um nicht parteipolitische Aufmerksamkeit für das Thema zu generieren". Wichtiger sei, "gemeinsam praktikable Lösungen" für das Problem der rückläufigen Spenderzahlen zu finden. Vincentz regte Gespräche über die Parteigrenzen hinaus an. Zusammen solle man darüber sprechen, was verbessert werden könne.

"So kann es nicht weitergehen", sagte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Für ihn sei eine Organspende "der größte Liebesbeweis eines Menschen". Für die Transplantationsmedizin stünden die Zeiger aber auf "fünf vor zwölf ". Die Identifizierung geeigneter Spenderinnen und Spender erfolge in den Krankenhäusern. Einige Kliniken beschäftigten sich sehr stark mit dem Thema, andere wiederum gar nicht. Laumann regte eine Prüfung an, ob die "gesetzliche Stellung der Transplantationsbeauftragten" gestärkt werden müsse. Bei den Verantwortlichen müsse dafür geworben werden, sich "erheblich stärker um dieses Thema zu kümmern".

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Quelle:
Landtag intern 1 - 49. Jahrgang, 23.01.2018, S. 3
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Februar 2018

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