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NORDRHEIN-WESTFALEN/2344: "Wahrheit braucht Zeit" (Li)


Landtag intern 6/2018
Informationen für die Bürgerinnen und Bürger

Forum
"Wahrheit braucht Zeit"
Parlamentsgespräch zum Thema "Medien und Demokratie"

von Wibke Busch


12. Juni 2018 - Beeinflussen Soziale Medien die gesellschaftliche Debatte? Und wenn ja: Verändern sie den Journalismus? Und sind sie eine Bereicherung oder eine Belastung für die Demokratie? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des zweiten "Parlamentsgesprächs", zu dem der Präsident des Landtags, André Kuper, eingeladen hatte.


Nach dem Auftakt der neuen Veranstaltungsreihe im April konnte der Präsident auch diesmal wieder eine hochkarätige Expertenrunde begrüßen. Es diskutierten die Journalistin und Moderatorin Dunja Hayali, der frühere "Tagesthemen"-Moderator und Autor Ulrich Wickert, der Chefredakteur der "Rheinischen Post", Michael Bröcker, sowie Prof. Dr. Bernd Blöbaum vom Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster.

"Zwischen Fake-News und Hate-Speech - Verantwortung der (sozialen) Medien in der Demokratie" - so lautete der Titel der Veranstaltung. Der Präsident mahnte in seinem Grußwort mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen in der Medienwelt, dass Wachsamkeit geboten sei. Denn das Meinungsklima sei insbesondere im Internet rauer geworden.

"Schwemme von Fake-News"

André Kuper betonte: "Damit einher geht die Schwemme von Fake-News, gezielten Falschmeldungen und Lügen. Diese verbreiten sich im Internet und den Sozialen Medien rasend schnell. Desinformation und Verunsicherung der Gesellschaft werden durch teilweise absurde Verschwörungstheorien zur Erosion des Vertrauens in die Institutionen benutzt. Die Flut erfundener Nachrichten zeigt, wie wichtig guter, an Fakten orientierter Journalismus ist, der glaubwürdig informiert, ein möglichst objektives Bild der Wirklichkeit zeichnet und fundierte Meinungsbildung ermöglicht."

Die Social-Media-Beauftragte der Polizei Münster, Katja Rengshausen, schilderte in einem Impulsreferat eindrücklich ihre Erfahrungen nach der Amokfahrt in der Stadt Anfang April mit drei Toten und Dutzenden Verletzten. "Das unglaubliche Bedürfnis nach sofortiger Befriedigung der Neugierde und der Wunsch nach einer Eins-zu-Eins-Kommunikation prägen das Netz, gerade bei solchen Ereignissen", berichtete die Polizeibeamtin. Schnell hätten sich nach der Amokfahrt Gerüchte über die Sozialen Medien verbreitet. Das Problem aus Sicht von Rengshausen: "Wir sind die Polizei, wir liefern Fakten und wir werden und wollen uns nicht an Spekulationen beteiligen." Und sie betonte: "Wahrheit braucht Zeit - Zeit, von der wir uns wünschen, dass man sie uns lässt. Denn gerade bei solchen Ereignissen wie dem vom 7. April in Münster sind Tatsachen am wichtigsten."

Wahrheit braucht Zeit" - dies sei "der Satz des Abends", befand der Chefredakteur der "Rheinischen Post", Michael Bröcker, in der anschließenden Diskussion. Er verwies aber zugleich darauf, dass Journalisten durchaus über gut recherchierte und wahre Informationen verfügen könnten, bevor diese von der Polizei bestätigt seien. Die Berichterstattung in Online-Medien, so seine Erfahrung, sei insgesamt "ruhiger und gelassener" geworden.

Dass Wahrheit Zeit brauche, betonte auch die ZDF-Moderatorin Dunja Hayali. Sie berichtete, dass den Medien diese Zeit oftmals nicht mehr gegeben werde. "Der Druck ist extrem hoch." Strahle man nach einer Katastrophe zügig eine Sondersendung aus, sei oft das Problem, dass noch keine gesicherten Informationen vorlägen. Verzichte man auf die Sondersendung, komme der Vorwurf, die Medien wollten etwas vertuschen. In den Sozialen Medien seien dagegen zu jeder Zeit an jedem Ort Informationen abrufbar - "ungefiltert und ungeprüft". Trotz der derzeitigen Herausforderungen in der Medienwelt müsse aber festgehalten werden, dass Deutschland "den besten Journalismus der Welt" habe, befand Ulrich Wickert und wurde von Prof. Blöbaum unterstützt. Zudem, so der Wissenschaftler, habe sich der Journalismus als "extrem lernfähig" erwiesen. Und Michael Bröcker betonte: "Wir erreichen über Online-Medien mehr Leser mit journalistischen Inhalten als jemals zuvor."


Mit der Veranstaltungsreihe "Parlamentsgespräche" will der Präsident des Landtags gesellschaftlich relevante Themen in den Fokus stellen, die nicht Teil der aktuellen politischen Auseinandersetzung sind, aber dennoch wichtig für die Zukunft des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Das erste Gespräch zur "Zukunft des Föderalismus" fand Ende April statt. Beim nächsten Gespräch am 27. November 2018 geht es um das Thema "Europa". Wenn Sie Interesse an einer Teilnahme haben, melden Sie sich gern.

Die E-Mail-Adresse lautet:
parlamentsgespraech@landtag.nrw.de.

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Quelle:
Landtag intern 6 - 49. Jahrgang, 19.06.2018, S. 18
Herausgeber: Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen
Platz des Landtags 1, 40221 Düsseldorf
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juli 2018

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