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RHEINLAND-PFALZ/2645: "Multikulturelle Demokratie" fördern (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 10/2012 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 26. März 2012

"Multikulturelle Demokratie" fördern

Enquete-Kommission "Bürgerbeteiligung" hörte Sachverständige



Welche rechtlichen, sozialen, ökonomischen und sonstigen Beteiligungshemmnisse sehen Sie hinsichtlich der politischen Partizipation von Einwohnerinnen und Einwohnern mit Migrationshintergrund? Wie können diese Beteiligungshemmnisse Ihrer Meinung nach aufgelöst bzw. reduziert werden? Diese und andere Fragen der Kommission hatte die Vorsitzende Pia Schellhammer (Bündnis 90/Die Grünen) den geladenen Sachverständigen vorlegen lassen und um ihre Empfehlungen gebeten.

"Die rechtliche Gleichstellung aller Gesellschaftsmitglieder ist eine Voraussetzung für die gesellschaftliche Integration und für eine gelebte Demokratie", stellte Hayat Erten, Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft der Beiräte für Migration und Integration Rheinland-Pfalz (Agarp), gleich zu Beginn ihrer Ausführungen fest. Um das zu erreichen, forderte sie ein "Migration Mainstreaming" analog zur Methode des Gender Mainstreaming, die auf die Gleichstellung der Geschlechter auf allen gesellschaftlichen Ebenen abzielt.

Für Prof. Dr. Karen Schönwälder vom Max Planck Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Vielfalt war es ein "verbreitet beobachtetes Phänomen", dass Einwanderer - zum Teil auch deren Nachkommen - an wichtigen politischen Prozessen in geringerem Maß beteiligt seien als die alteingesessene Bevölkerung. Sie verwies auf eine eigene Untersuchung zu Ratsmitgliedern mit Migrationshintergrund in deutschen Großstädten und empfahl, Beteiligungshemmnisse zu reduzieren und Anteile von Migrantinnen und Migranten in Parteien und Parlamenten zu erhöhen.

Apl. Prof. Dr. Axel Schulte vom Institut für Politische Wissenschaft der Leibniz Universität Hannover spannte danach einen großen historischen Bogen mit den Begriffen der Partizipation, Demokratie und Integration. Anspruch und Wirklichkeit der Partizipation bzw. Beteiligung klafften teilweise auseinander und sollten nach seiner Auffassung künftig durch solche Maßnahmen abgebaut werden, die eine Demokratisierung unter allgemeinen und migranten- bzw. ausländerspezifischen Gesichtspunkten fördern.

Dr. Hanschmann von der Goethe-Universität Frankfurt am Main skizzierte danach den verfassungsrechtlichen Rahmen zur Einführung eines kommunalen Wahlrechts für Drittstaatsangehörige. Er betonte dabei den Zusammenhang zwischen Staatsangehörigkeits- und Wahlrecht. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinen Entscheidungen zum kommunalen Ausländerwahlrecht für den Gesetzgeber mehrere Wege aufgezeigt, wie mit der aus demokratischer Sicht problematischen Unterscheidung von aktiv und passiv wahlberechtigten Staatsbürgern einerseits und Herrschaftsunterworfenen ohne demokratische Partizipationsrechte andererseits umgegangen werden könne. Zudem habe sich seitdem - mit der Einführung des kommunalen Wahlrechts für Unionsbürgerinnen und -bürger - die Rechtslage verändert.

Als letzte Sachverständige berichtete Dr. Sylvie Nantcha, Landeskoordinatorin des Migrantinnen-Netzwerks Baden-Württemberg, über ihre teilweise persönlichen Erfahrungen mit der Vielfalt in der deutschen Gesellschaft und den deutschen Parlamenten. Sie verwies auf eine Studie zur Integration von Migrantinnen und Migranten (MIPEX III), in der Deutschland insgesamt bei Fragen der Partizipation hinter Ländern wie Norwegen und Finnland liege. Sie empfahl eine "Willkommenskultur" und eine insgesamt stärkere Anerkennung und Wertschätzung. Einig waren sich alle Sachverständigen - deren Stellungnahmen übrigens per live-stream auf dem Blog der Enquete zu verfolgen waren - darin, dass es einen "Königsweg" bei der Frage der Beteiligung von Einwohnerinnen und Einwohnern mit Migrationshintergrund nicht gebe.

Staatssekretärin Margit Gottstein betonte im anschließenden Bericht der Landesregierung die Funktion der Beiräte als "Motoren der Integration" in Rheinland-Pfalz. Hemmnisse bei der Beteiligung von Migrantinnen und Migranten seien aus Sicht der Landesregierung insbesondere das fehlende Wahlrecht, die Schranken bei der Einbürgerung und eine mangelnde Offenheit von Institutionen gegenüber Migrantinnen und Migranten. Daher habe sich die Landesregierung in der Vergangenheit immer wieder für die Einführung eines kommunalen Ausländerwahlrechtes eingesetzt und werde dieses auch weiter tun. Zudem werbe sie für den Weg der Einbürgerung, auch unter Hinnahme von Mehrstaatlichkeit und die Abschaffung der Optionspflicht. Die Kommunen wolle die Regierung auf ihrem Weg zur interkulturellen Öffnung ihrer Verwaltung, beispielsweise durch Fortbildungen, unterstützen. Die Auswertung dieser Anhörung soll am 20. April stattfinden.

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Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 10/2012, Seite 3
Der Landtag - Nachrichten und Bericht
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. April 2012