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RHEINLAND-PFALZ/2753: Änderung soll Schüler vor sexuellem Missbrauch schützen (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 03/2013 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 4. Februar 2013

Änderung soll Schüler vor sexuellem Missbrauch schützen



Ein Gesetzentwurf der Landesregierung zum Schulgesetz zielt auf einen besseren Schutz von Schülerinnen und Schülern vor sexuellem Missbrauch. Der Entwurf ging nach der ersten Beratung in den Bildungs- und den Rechtsausschuss.

Mit dem Gesetzentwurf wolle die Landesregierung unmissverständlich klarstellen, "dass alle Lehrkräfte einer Schule im Rahmen des Schulverhältnisses Verantwortung für alle Schülerinnen und Schüler haben", sagte Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD). Daher werde das Schulverhältnis als Obhutsverhältnis bezeichnet, "das geprägt ist von Vertrauen, Achtung, Respekt und verantwortungsvollem Umgang mit Nähe und Distanz". Zudem werde klargestellt, dass sexuelle Handlungen zwischen pädagogischem Personal und Schülerinnen und Schülern einer Schule unvereinbar mit dem staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag und daher unzulässig seien. Diese Klarstellung solle auch präventiv in das Bewusstsein aller an Schule Beteiligten gebracht werden. Eine Ergänzung des Privatschulgesetzes stelle sicher, dass die Prüfung der persönlichen Eignung der Lehrkräfte vor Erteilung einer Beschäftigungsgenehmigung auch im Gesetz geregelt sei. "Die persönliche Eignung ist nicht gegeben, wenn schwerwiegende Tatsachen einer unterrichtlichen oder erzieherischen Tätigkeit entgegenstehen. Der fraktionsübergreifende Entschließungsantrag "Schutzbefohlene effektiv vor sexuellem Missbrauch schützen" sei ein wichtiges Signal.

Das Urteil des Oberlandesgerichtes Koblenz hat laut Dr. Axel Wilke (CDU) "Wellen geschlagen wie schon lange vorher kein anderes Urteil eines rheinland-pfälzischen Gerichts". Die Schule sei laut der Elternvertreter kein geschützter Raum mehr, dem sie ihre Kinder bedenkenlos anvertrauen könnten. "Diese Sorge ist unbegründet. Schulrecht und auch Beamtenrecht haben bisher hinreichend Handhabe für disziplinarische Maßnahmen geboten gegen Lehrkräfte, die Grenzen verletzen", widersprach Wilke. Dass sexuelle Beziehungen mit dem Auftrag der Schulen nicht vereinbar seien, junge Menschen dabei zu unterstützen eine eigenständige, frei verantwortliche Persönlichkeit zu entwickeln, sei "99,99 Prozent aller in den Schulen Tätigen bisher auch in jeder Hinsicht bewusst" gewesen. Nur ganz vereinzelte Ausreißerfälle bereiteten Kummer. Dies sei ein strafrechtliches und kein schulrechtliches Thema. "Deswegen war es von Anfang an Position der CDU, den Fokus auf das Strafrechtliche zu legen." Denn egal, was im Schulrecht stehe, "die Strafgerichte haben ausschließlich das Strafgesetz anzuwenden und sind leider an das Schulrecht nicht gebunden", erläuterte Wilke. So sei auch der Bedarf an dem vorliegenden Gesetzentwurf "nicht richtig mit Händen zu greifen". Auch die CDU sehe jedoch einen Mehrwert. "Es ist erstens die präzise Charakterisierung, was eigentlich das Schulverhältnis ausmacht. Zweitens die unmissverständliche Ansage, dass für sexuelle Beziehungen zwischen Lehrkräften oder anderen Beschäftigten in der Schule und Schülerinnen und Schülern null Toleranz besteht."

Es sei "sowohl bei den Fraktionen des Landtags als auch bei der Landesregierung" immer ein großes Anliegen gewesen Schülerinnen und Schüler wirksam vor sexuellem Missbrauch zu schützen, betonte Bettina Brück (SPD). Deshalb hätten Ministerin Doris Ahnen und Minister Jochen Hartloff unmittelbar nach Bekanntwerden des Koblenzer Urteils die Initiative ergriffen. "Für uns alle ist es selbstverständlich, dass sexuelle Handlungen zwischen Lehrkräften und Schülern nicht geduldet werden und dienstrechtlich geahndet werden müssen", sagte die Abgeordnete. Eine Gesetzeslücke im Schulgesetz sei bisher nicht erkennbar gewesen. Nun sollten dazu über den Gesetzentwurf der Landesregierung im Schulgesetz eindeutige Klarstellungen erfolgen. "Alle Schülerinnen und alle Schüler stehen in einem Obhutsverhältnis zu allen Lehrkräften und zu allem sonstigen Personal einer Schule, seien es Vertretungslehrkräfte, pädagogische Fachkräfte oder sonstige Personen, die in einer Schule arbeiten", erläuterte die Abgeordnete. Diese Regelung habe vor allem einen präventiven Charakter.

Sexueller Missbrauch ist laut Ruth Ratter (Bündnis 90/Die Grünen) in unserer Gesellschaft "insgesamt nach wie vor ein Thema". Nicht erst die Studie des Deutschen Jugendinstituts München vom Juli 2011 belege "diese erschreckende Botschaft". Nicht nur Heime und Internate standen im Fokus, sondern auch Schulen seien befragt worden, "und das Ergebnis lässt darauf schließen, dass in jeder zweiten Einrichtung zumindest Verdachtsfälle von Tatbeständen sexuellen Missbrauchs bekannt geworden sind", schilderte Ratter. Die Daten, die auf den Angaben von 1800 Schulleitungen und Lehrkräften basierten, belegten, dass Missbrauch nicht ein Thema der Vergangenheit sei. Unstrittig sei, dass nur selten Lehrpersonen übergriffig werden, "aber jeder einzelne Fall ist einer zu viel", sagte Ratter.

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Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 03/2013, Seite 3
Der Landtag - Nachrichten und Bericht
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Februar 2013