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RHEINLAND-PFALZ/2781: Klassenwiederholung beibehalten (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 08/2013 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 18. März 2013

Klassenwiederholung beibehalten



Ein Schul-Modellversuch der Landesregierung, bei dem auf ein Sitzenbleiben verzichtet werden soll, regte die CDU-Fraktion zur Beantragung einer Aktuellen Stunde an, in der sie für die Beibehaltung der Klassenwiederholung eintrat. Die Koalition verteidigte den Versuch.

Würden Überlegungen umgesetzt, das Sitzenbleiben in den rheinlandpfälzischen Schulen abzuschaffen, verlagere dies nach Überzeugung von Guido Ernst (CDU) die Probleme der betroffenen Schüler nur in die Zukunft. Schule müsse auf die Regeln der Gesellschaft vorbereiten - "und an der Werkbank muss ich die Konsequenz meiner Arbeit tragen", sagte Ernst. Der Modellversuch sehe Relativierungen der Noten auch in der Mittelstufe vor. "Noten sind aber immer noch das verständlichste Instrument, um die eigene Leistung einzuschätzen." Die Landesregierung gaukle den Eltern vor, dass jede Fünf durch noch mehr individuelle Förderung kompensiert werden könne. In der Mittelstufe liege die Klassengröße im Mittel bei 30 Schülern, es gebe Unterrichtsausfall und viele Lehrerstellen würden künftig eingespart. Es sei daher die Frage, ob Ministerin Ahnen sich vom Niedersächsischen Model distanziere. "Wie sieht Ihr Ziel aus?", fragte Ernst die Landesregierung.

Im Fach "Lesen und Verstehen" sei der CDU getrost die Note "ungenügend" zu geben, sagte Bettina Brück (SPD). Es gehe der Oppositionsfraktion nicht um die Sache, sondern "um die Schlagzeile". Im Koalitionsvertrag sei der Modellversuch zu mehr Selbstständigkeit der Schulen festgehalten. In dem Rahmen könne die Schule Noten durch Lernentwicklungsberichte ergänzen. Aus einem Modellversuch mache die CDU gleich eine Absicht die Klassenwiederholung abzuschaffen. "Sie versuche es nach dem Muster, wir werfen mal etwas Dreck, davon wird schon etwas hängen blieben", sagte Brück. Der Koalition gehe es um die individuelle Förderung, daher sei der Titel der CDU-Anfrage okay, "nur die Konsequenz ist überhaupt kein Thema für Sie". Die von der CDU angezettelte Sitzenbleiberdebatte sei eine Scheindebatte, "ein kläglicher Versuch falsche Informationen zu setzen". Seit Mai 2011 stehe der Modellversuch in der Koalitionsvereinbarung, "jetzt haben Sie es erst gemerkt, weil eine bundesweite Debatte da ist", kritisierte Brück.

Es sei ein Vorurteil, dass Kinder mit dem richtigen Druck grundsätzlich alles lernen könnten, sagte Ruth Ratter (Bündnis 90/Die Grünen). "Dem ist nicht so, Kinder können nur lernen, was sie interessiert." Kinder, denen es nicht gut gehe, haben keine Chance zu lernen. "Wenn es einem nicht gut geht, lernt man nur um aus dem schlechten Zustand wieder herauszukommen." Einem Teil der Ausführungen Ernsts sei zuzustimmen, so dass es sinnvoll sei individuell zu fördern. "Und dann kann es auch zum Wiederholen einer Klasse kommen". Der Modellversuch "Selbstverantwortliche Schule" habe darauf abgezielt, die Note zu ergänzen und andere Maßnahmen als das Wiederholen zu schaffen. So habe man gute Erfahrungen mit individuellen Nachprüfungen gemacht. Sitzenbleiben traumatisiere Schüler und wirke sich auf das ganze Leben aus. "Die Botschaft ist nicht, Deine Leistung ist schlecht, sie beziehen es auf ihre Person".

Eine "Phantomdebatte" führe die CDU in dieser Frage, sagte Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD). Das Sitzenbleiben werde nicht abgeschafft, aber die Zahl der Wiederholer solle gesenkt werden. Das könne als Ziel kaum umstritten sein und sei in der Koalitionsvereinbarung auch nachzulesen. "Nach zwei Jahren finden Sie das plötzlich aktuell und wollen mal ein Aufregerthema daraus machen", kritisierte Ahnen die CDU. Nicht die durchschnittliche Klassengröße, wie ernst gesagt habe, sondern die Klassenmesszahl liege in der Mittelstufe bei 30 Schülern, "die tatsächliche Zahl liegt weit darunter", sagte Ahnen. Die Entwicklung müsse dahin gehen, dass die Kinder rechtzeitig eingeschult werden und die Wiederholerzahl gesenkt wird. "Es kann nicht strittig sein, dass es die Aufgabe der Schule ist, möglichst alle Schüler durch die Schullaufbahn zu führen", betonte Ahnen. Dass die Lehrerinnen und Lehrer nicht ohne Erfolg daran arbeiteten, zeige sich darin, dass die Anzahl der Klassenwiederholer in den vergangenen zehn Jahren von 2,7 auf 1,7 Prozent reduziert worden sei. Vom neuen Modellversuch erhoffe sie sich weiter Hinweise, wie Schülerinnen und Schüler noch besser gefördert werden könnten, "damit sie die Schullaufbahn planmäßig durchlaufen können".

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Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 08/2013, Seite 4
Der Landtag - Nachrichten und Bericht
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2013