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RHEINLAND-PFALZ/2805: Fehler liegt bei Ausländerbehörde (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 15/2013 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 13. Mai 2013

Fehler liegt bei Ausländerbehörde



Die Abschiebung einer kurdischen syrischen Familie nach Polen durch die Kreisverwaltung Westerwald wurde von den Fraktionen in einer Aussprache zur Mündlichen Anfrage näher beleuchtet.

Dr. Tanja Machalet (SPD) schilderte die dramatischen Abläufe am 19. März im Westerwald. Sie sei höchst irritiert gewesen, als klar wurde, dass die Ausländerbehörde große Fehler gemacht habe. Der Verwaltung müsse bei der Festlegung des Abschiebetermins klargewesen sein, dass die Zuleitung des BAMF-Schreibens nicht erfolgen könne und die Acht-Tage-Frist nicht einzuhalten sei. "Eine Entschuldigung der Verwaltung und des Landrats wäre das Mindeste gewesen, was man erwarten könne", betonte Machalet. Die Verwaltung legte stattdessen die Geldleistungen an die Familie offen, "sie wird so an den Pranger gestellt, Sozialneid geschürt", kritisierte die Abgeordnete.

Der Fall aus dem Westerwald sei nur ein Anlass gewesen, das Thema zu diskutieren, sagte Marlies Kohnle-Gros (CDU). Sie wolle "die Debatte auf dem Rücken dieser Menschen hier nicht fortsetzen". Es sei absolut richtig, dass das BAMF das Verfahren wieder an sich gezogen habe. Es werde nun ein Asylverfahren nach Recht und Gesetz durchführen, dabei würden alle offenen Fragen im Zusammenhang mit dem Abschiebeverfahren geprüft. "Da sollten wir uns tunlichst ein Stück zurückhalten." Die betroffene Familie sei schon vor dem Beginn des Bürgerkriegs in Syrien gekommen, trotzdem gelte für sie derzeit der aktuelle Abschiebestopp. Polen scheine inzwischen einen Raum für Schleuser zu bieten. "Solche Banden, die Menschen ausnutzen, verführten und ihnen das Geld abnehmen, müssten verfolgt werden."

Das Plenum rede über eine syrische Familie, deren Verwandten bereits Asyl in Deutschland erhalten haben, sagte Anna Neuhof (Bündnis 90/Die Grünen). Die Familie sei einer außerordentlichen Traumatisierung ausgesetzt gewesen. Der Vater sei in Syrien gefoltert worden, "Folterung eines Elternteils, das traumatisiert auch die Kinder", betonte die Abgeordnete. Die Integration der Familie, besonders auch der Kinder in der Schule, sei gut. Das Vorgehen der Verwaltung sei nicht zu entschuldigen. "Mit welchem Recht können wir überhaupt noch davon reden, Flüchtlinge menschenwürdig zu behandeln, wenn die Praxis in Deutschland nicht der Rechtsprechung des Gerichtshofes für Menschenrechte entspricht?", fragte Neuhof. Sie sei stolz auf die Westerwälder Bürger, die sich für die Familie einsetzten.

"Ein solcher Fall darf sich in unserem Land nicht wiederholen", betonte Integrationsministerin Irene Alt (Bündnis 90/Die Grünen) zum diskutierten Fall. Rheinland-Pfalz wolle die EURückführungs-Richtlinie konsequent umsetzen. Die Betroffenen sollen rechtzeitig über ihre geplante Abschiebung informiert werden, um einen Rechtsbeistand einschalten zu können. Eine freiwillige Rückkehr solle im Vorfeld einer Abschiebung angeboten werden, bei einer Beratung könne den Betroffenen Hilfestellung für den Aufbau einer Existenz im Herkunftsland angeboten werden. Rheinland-Pfalz stehe für einen humanitären Umgang mit Menschen. "Ich hoffe, dass dieser Geist auch ins Land hineingetragen wird", betonte die Ministerin.

Ingeborg Sahler-Fesel (SPD) ärgerte sich darüber, dass die betroffene Kreisverwaltung und der Landrat den Fehler der Behörde nicht einzusehen schienen. Wenn eine Behörde in Rheinland-Pfalz gegen die Anweisung der Landesregierung der Meinung sei, sie müsse die rigide Haltung des Bundes noch toppen, indem zum Beispiel Schreiben zu spät vorgelegt werden und elementare Rechte verletzt wurden, dann sei eine Entschuldigung des Landrats eine angemessene Reaktion. "Wenn dies verweigert wird, zeigt dies, welche Geisteshaltung hier herrscht", sagte Sahler-Fesel.

Die Abschiebung der Familie sei nur deshalb gestoppt worden, weil das Schreiben nicht rechtzeitig zugestellt wurde, betonte Fred Konrad (Bündnis 90/Die Grünen). Es gebe einen politischen Auftrag, sich um die Umstände dieses Vorgangs zu kümmern. Die deutsche Geschichte zeige, dass es Situationen gebe, in denen Menschen einen illegalen Weg in ein anderes Land nehmen müssten. "Die Entscheidung über die Asylgründe muss vom gewählten Weg unabhängig sein", forderte Konrad.

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Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 15/2013, Seite 3
Der Landtag - Nachrichten und Bericht
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juni 2013