Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → LANDESPARLAMENTE

RHEINLAND-PFALZ/2847: Zwischenbericht "Bürgerbeteiligung" (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 32/2013 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 9. September 2013

Zwischenbericht "Bürgerbeteiligung"



Zum zweiten Mal legte die Enquete-Kommission "Bürgerbeteiligung" einen Zwischenbericht vor, den der Landtag diskutierte. Uneinigkeit herrscht zwischen Koalition und Opposition vor allem über das Maß der anzustrebenden Angebote.

Mit dem zweiten Zwischenbericht sei die Enquete-Kommission "mit vielen, sehr neuen politischen Handlungsfeldern beschäftigt", sagte Martin Haller (SPD). Vielen Begrifflichkeiten habe man sich nur Schritt für Schritt nähern können. Ihm persönlich seien besonders die Anhörungen zu "Demokratie 2.0", "Open Data" und "Open Government" im Gedächtnis geblieben. Selten habe es eine Enquete-Kommission gegeben, "deren Empfehlungen in dieser großen Vielzahl derart schnell in die parlamentarischen Beratungen kamen und in Regierungshandeln mündeten". So sei die Ankündigung der Ministerpräsidentin zu begrüßen, dass es nach der Sommerpause den Entwurf eines Transparenzgesetzes geben wird "und damit ein weiteres Gesetz, das den Empfehlungen der Enquete-Kommission folgen wird". Die Anhörung zum Thema "Aktivierung und Orientierung durch politische Bildung" habe einmal mehr gezeigt, "welch großen Beitrag die politischen Bildner zu unserer Demokratie und zu ihrem Platz in unserer Gesellschaft beitragen", hob Haller hervor. "Ohne die politische Bildung wäre unsere Arbeit und ihre Akzeptanz um einiges schwieriger." Vollkommen klar sei, dass die politischen Bildner ihre Arbeit nur leisten könnten, wenn sie eine langfristige finanzielle Perspektive haben. "Dies ist in unseren Handlungsempfehlungen ausdrücklich festgehalten." Das Internet sei für die Bürgerinnen und Bürger mehr als Shopping und Entertainment. Es bedeute Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, Nutzung von Bildungs- und kulturellen Angeboten, und damit auch eine Möglichkeit, von der Meinungsvielfalt zu profitieren und an Beteiligungsprozessen zu partizipieren "und diese selbst mitzugestalten".

Leidenschaft sei für das Zusammenleben der Menschen ein guter Treibsatz, sagte Matthias Lammert (CDU). Dies gelte auch für das politische Zusammenleben. "Nur, was geschieht, wenn die Leidenschaft enttäuscht wird?", fragte er. Die Beziehung werde dann weit zurückgeworfen. "Ich denke, wir wollen doch gerade, dass eine solche Beziehung nicht zurückgeworfen wird", betonte Lammert. Deshalb sollten sich die Visionen und der hohe Anspruch nur in vielen kleinen Schritten von der Wirklichkeit entfernen, "damit letztendlich die Frustration bei den Akteuren nicht überhandnimmt". Der erste Schritt müsse vor dem zweiten geschehen, "damit wir solide Ergebnisse aus den Visionen ausfiltern können". Dann müsse man auch nicht wie Jürgen Trittin weniger als 25 Prozent Mitgliederbeteiligung am Grünen-Wahlprogramm als Partizipationserfolg verkünden. "Deshalb weicht unsere realitätsbezogene Meinung ein Stück weit von dem Mehrheitsbericht von Rot-Grün ab", erläuterte der Abgeordnete. In dem stehe nichts Grundfalsches, "deswegen gab es auch eine gemeinsame Presseerklärung". Einiges schieße aber ein Stück weit über das Ziel hinaus. Bürger, die die digitale Verwaltungswelt nicht nutzen wollen oder können, dürfen nicht ausgeschlossen werden. Open Government stelle sicherlich im Augenblick noch eine Vision dar und müsse sich erst noch flächendeckend etablieren. Dies erfordere ein professionelles Veränderungsmanagement, das auch hohe Anforderungen an die politische und administrative Führung stellt. "Diese Führungsaufgabe muss unseres Erachtens die Landesregierung übernehmen", stellte Lammert klar.

Seit der Besprechung des ersten Zwischenberichts seien in der Enquete-Kommission "große Fortschritte erzielt" worden, sagte Gunther Heinisch (Bündnis 90/Die Grünen). Dies betreffe nicht nur die Abarbeitung der Themen, sondern auch den Umgang mit den Themen und das Miteinander in der Kommission. Die dritte Phase werde nun besonders spannend. Es sei eine richtige Entscheidung gewesen, der Aktivierung durch politische Bildung in dieser Kommission ein besonderes Augenmerk zu widmen. "Es wird nämlich weiterhin und zunehmend darum gehen müssen, dass wir im Auge behalten, welche Zielgruppen wir mit der politischen Bildung erreichen", erläuterte der Abgeordnete. Es werde darauf ankommen, weiter für die Möglichkeiten zu sensibilisieren, die es im Bereich der gesellschaftspolitischen Weiterbildung gebe. Dafür seien die berufsbildenden Schulen ein besonders wichtiger Ort. "Dort erreichen wir die jungen Menschen, die sich möglicherweise im Laufe ihres weiteren Lebens für gesellschaftspolitische Weiterbildung interessieren", glaubt Heinisch. In den Empfehlungen der Kommission werde besonders das Lernen von Beteiligung durch eigenes Erleben hervorgehoben. Jugendgemeinderäte, Jugendwahlen und aktive Einbeziehung junger Menschen in die Gestaltung ihres Umfeldes seien sicherlich gute Möglichkeiten früh Beteiligung zu lernen. In den Schulen sei politische Bildung nicht nur Aufgabe des Sozialkundeunterrichts. Dieser habe zweifellos eine wichtige Aufgabe. "Aber es wird immer mehr darauf ankommen, nicht nur abstraktes Wissen über Institutionen oder politische Prozesse, sondern auch Handlungskompetenz zu vermitteln", sagte Heinisch. Ein besonderes Augenmerk verdienten auch breitenwirksame Aktivitäten, wie das Programm "Schule gegen Rassismus" oder auch die Aktivitäten des Netzwerks für Demokratie und Courage.

Von einer "beeindruckenden Bilanz" der Enquetekommission sprach Staatssekretärin Jaqueline Kraege (SPD). Die Bilanz mache deutlich, wie vielschichtig das Thema "Bürgerbeteiligung" und wie groß die Bandbreite ihrer einzelnen Aspekte sei. Sie erlebe die Beratungen in der Kommission als "sehr differenziert und fundiert". Dies gelte nicht nur für alle Fraktionen, sondern auch für alle Sachverständige. "In jeder Sitzung wird deutlich, dass Bürgerbeteiligung mehr ist als ein einfaches Abstimmen mit Ja oder Nein." Die Landesregierung habe schon bei einer Reihe von Punkten die von Lammert gewünschte Führungsrolle in der Kommissionsarbeit eingenommen. Sie sehe die Enquete-Kommission als befruchtende Institution, die Vorschläge und Handlungsanleitungen mitgebe, wenn es um die Umsetzung von konkreten Projekten und Maßnahmen gehe. "Dort, wo wir uns auf den Weg gemacht haben, haben wir ausführliche Berichte und Materialien der Enquete-Kommission vorgelegt", betonte Kraege. Beim Thema "Open Data" stehe Staatssekretärin Raab ganz intensiv mit den Kommunen in Kontakt. Es komme auf eine vernünftige Verzahnung von der kommunalen Ebene und der Landesebene an. "Wir freuen uns sehr, dass wir auch im Reigen der Bundesländer sehr weit vorne sind und einen bedeutenden Schritt machen konnten", sagte Kraege. Es gehe um die Umkehr des Prinzips von der Holschuld der Bürger zur Bringschuld des Staates. Ein besonders wichtiges Anliegen werde das Transparenzgesetz sein. Dabei werde es auch um die Novellierung des Informationsfreiheitsgesetzes und des Umweltinformationsgesetzes gehen. Die Landesregierung verstehe die Stärkung von Bürgerbeteiligung und Transparenz als klares Bekenntnis zur repräsentativen Demokratie. "Wir brauchen mehr Bürgerbeteiligung, mehr Bürgerengagement und auch mehr Transparenz im umfassenden Sinne, um unsere parlamentarische Demokratie auch in Zukunft attraktiv gestalten zu können", zeigte sich Kraege überzeugt.

*

Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 32/2013, Seite 3+4
Der Landtag - Nachrichten und Bericht
Redaktion: Walter Schumacher (verantwortlich)
Redaktionsanschrift:
Peter-Altmeier-Allee 1, 55116 Mainz
Telefon: 06131/16 46 88, Fax: 06131/16 46 91,
E-Mail: staatszeitung@stk.rlp.de
Internet: www.stz.stk.rlp.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. September 2013