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SACHSEN-ANHALT/320: ZwischenRuf 1-2014 - Das Magazin des Landtages


ZwischenRuf 1/2014
Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt

"Sexy-Anhalt"

Mitteldeutschland wird zum Filmland. Traumhafte Landschaften sowie mittelalterliche Städte und Burgen sorgen für einen Filmboom in Sachsen-Anhalt.





Inhalt

SACHSEN-ANHALT
Europa braucht jede Stimme
Detlef Gürth, Landtagspräsident und Präsident der Europäischen Bewegung Sachsen-Anhalt e.V., wirbt im Gespräch mit der Redaktion ZwischenRuf für eine hohe Wahlbeteiligung bei den Europawahlen am 25. Mai.

Auf einem guten Weg
Sachsen-Anhalt hat nach Auffassung von Finanzminister Jens Bullerjahn 2013 sein Ziel erreicht und ist auf einem guten Weg, 2020 auf eigenen finanziellen Füßen zu stehen.

Urlaub für Jung und Alt
Die Tourismusbranche in Sachsen-Anhalt steht aufgrund des demographischen Wandels vor neuen Herausforderungen. Die Gäste werden älter, junges Personal bleibt aus. Wohin also geht die Reise?

Die Spuren der Frauen
An 50 Orten in Sachsen-Anhalt wird an die Geschichte und die Geschichten von Frauen erinnert. Das Projekt "FrauenOrte" spannt einen Bogen über rund 1000 Jahre und provoziert eine kritische Auseinandersetzung mit Klischees über Frauen- und Männerrollen.

AUS DEM PLENUM
Weg frei für Energieautobahnen
Der Ausbau der Übertragungsnetze wird als elementarer Bestandteil der Energiewende betrachtet. Doch in welchem Umfang ist im Landtag umstritten.

Freie Hebammen stehen unter Druck
Die Nürnberger Versicherungen wollen aus der Berufshaftpflichtversicherung für Hebammen aussteigen. Ist das Aus der klassischen frei arbeitenden Hebamme damit besiegelt?

Kinder an die Macht
Die Opposition will mit einem Kinder- und Jugendteilhabegesetz das Wahlrecht auf 14 Jahre senken.

BLICKPUNKT
Gedenken im Zeichen der Hoffnung
Sachsen-Anhalt gedachte am Holocaustgedenktag (27. Januar) in der Gedenkstätte KZ Lichtenburg Prettin der Opfer des Nationalsozialismus.

SACHSEN-ANHALT
Spannungsfeld Datenschutz
Der Datenschutzbeauftragte hat seinen XI. Tätigkeitsbericht fertiggestellt. Der Innenausschuss sieht Datenschutz als permanente Aufgabe seiner Beratungen.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

UNGEWÖHNLICHER ORT
Während der Sanierung des Landtages wird die Johanniskirche zum Plenarsaal umgebaut.

"SEXY-ANHALT"
Mitteldeutschland bietet immer häufiger Kulissen für nationale und internationale Filmproduktionen.

WICHTIGE AUFKLÄRUNG
Interview mit der Stasi-Landesbeauftragten Birgit Neumann-Becker zum 20. Jahrestag der Behördengründung.

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LANDTAGSSITZUNGEN IM AUSWEICHQUARTIER

Aufgrund umfangreicher Modernisierungsarbeiten im Parlamentsgebäude finden seit Januar 2014 die Sitzungen des Landtages von Sachsen-Anhalt in der Magdeburger St. Johanniskirche statt. Weitere Termine sind:

15./16. Mai 2014
19./20. Juni 2014

Anschrift:
Johanniskirche
Johannisbergstraße 1
39104 Magdeburg
Tel. 0391 5934-450

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Neuer Parlamentarischer Geschäftsführer: Guido Henke

Die Landtagsfraktion DIE LINKE wählte am 11. Februar 2014 Guido Henke zu ihrem neuen Parlamentarischen Geschäftsführer. Er löst Dr. Frank Thiel, der dieses Amt seit 2004 innehatte, ab. Der gebürtige Haldenslebener ist Jurist, 49 Jahre alt, ledig und gehört dem Landtag seit 2006 an. Seine zentrale Aufgabe besteht darin, die parlamentarische Arbeit der Fraktion zu koordinieren. Gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Fraktionen erarbeitet er u. a. den Vorschlag für die Tagesordnung der Landtagssitzung, legt im Einvernehmen mit dem Vorstand der Fraktion die Tagesordnung der Fraktionssitzung fest und organisiert die Aufgaben der Arbeitsgruppen bzw. -kreise.   Ulrich Grimm



In eigener Sache

Im ZwischenRuf Ausgabe 4/2013 erschien der zweite Teil der Artikelserie, die hinter die Kulissen des Parlaments blickt. In dieser Ausgabe sollte die Arbeit in der Fraktion, vertreten durch Dr. Frank Thiel (DIE LINKE) beleuchtet werden. Durch den Wechsel im Amt des Parlamentarischen Geschäftsführers bitten wir um Verständnis, dass die Fortsetzung erst im nächsten Heft erfolgt.   Ulrich Grimm



Weiterführung der Parlamentsreform

Der Landtag hat im Oktober 2013 den Beschluss zur Einsetzung einer Unterkommission des Ältestenrates zwecks Erarbeitung von Vorschlägen zur Parlamentsreform gefasst. Zwischenzeitlich fand die Konstituierung unter Vorsitz von Landtagspräsident Detlef Gürth statt. Mitglieder sind die Vorsitzenden und Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen. Arbeitsschwerpunkte sind der demographische Wandel und damit einhergehend die Fragen nach Wahlrecht, Parlamentsgröße, effizienter Organisation der Mandatsausübung sowie modernen Transparenzregeln. Im Juli 2014 soll die Kommission einen ersten Arbeitsbericht vorlegen.   Ulrich Grimm

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KOLUMNE

Ich bin ein Sachsen-Anhalter!

Sachsen-Anhalt - die Mitte Deutschland, die Mitte Europas! Ach, was rede ich: die Mitte der Welt!

Von Dr. Stefan Müller

Nee, so wie in der Schweiz machen wir das hier nicht. Das können wir uns auch gar nicht leisten. Mit einem Blick auf die Demographiekurve ist schon klar: Wenn wir unsere Schotten dichtmachen, dann sparen wir nicht etwa, sondern zahlen drauf. Denn Sachsen-Anhalt schrumpft und würde sich doch - denkt man mal an die ohnehin schon fehlenden Fachkräfte - einen Bärendienst erweisen, wenn es Menschen wegen ihres "falschen" Passes einfach vor der Tür stehen ließe.

Abgesehen davon ist die Zeit des Abschottens auch längst abgelaufen! Warum erst eine Mauer einreißen, um dann eine andere aufzubauen? Das Gute an der Geschichte ist ja, dass man aus ihr lernen kann. Mehr denn je sind wir doch heute Weltenbürger, können jede Ecke des Planeten bereisen und uns quasi auch überall niederlassen. Also außer in Nordkorea (aber wer wollte das unter den gegebenen Umständen?). Ach ja, und außer jetzt in der Schweiz natürlich. Nach eidgenössischem Gusto sind da jetzt genug Deutsche und von allen anderen offenbar auch.

Aber warum denn in die Ferne schweifen? Das Gute am Leben in Sachsen-Anhalt ist ja, dass man zuhause und trotzdem Teil von Europa und der großen Welt sein kann. Demnächst wählen wir wieder das Europäische Parlament in Straßburg, da zeigen wir, dass wir alle irgendwie zusammengehören, über die Grenzen, Sprachen und Essgewohnheiten der Nationen hinweg. Freizügig eben, so wie der Arbeitsmarkt jetzt, der jedem ein Leben in persönlicher und materieller Sicherheit gewähren soll. 25 Jahre nach der Wende kommt es uns bisweilen so vor, als hätten wir das nie anders gekannt. Manchmal vergisst man selbst das Naheliegendste ein bisschen. Der eine oder andere europäische Nachbar aus Südost möchte dies dagegen zum ersten Mal in seinem Leben erfahren. Nach zehn Jahren Facebook müssten doch nun auch die Letzten gelernt haben, was es heißt zu "teilen".

Ich sagte es ja schon: Wir Sachsen-Anhalter sind Weltenbürger! Woran man das erkennt? Die einen sagen am HD-Satellitenfernsehen, das uns Sender von around the globe beschert, die anderen an den wirtschaftlichen Kontakten zu allen Kontinenten. Aber es sind auch unsere Sportler, die ihre Heimat im Ausland Vertreten, und es sind die Weltstars, die Sachsen-Anhalt für ihre Arbeit entdecken. Ich denke da sofort an unseren Ministerpräsidenten, der nonchalant ein Schwätzchen mit George Clooney auf dem roten Teppich der Berlinale 2014 hält. Und die britische Schauspielerin Helen Mirren hat es während der Dreharbeiten zum Tolstoi-Film "Ein russischer Sommer" auf den Punkt gebracht: Für sie bleibe Sachsen-Anhalt (Saxony-Anhalt) nach den tollen Dreh-Erfahrungen schlichtweg als "Sexy-Anhalt" in Erinnerung. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

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SACHSEN-ANHALT

Europa braucht jede Stimme

Detlef Gürth, Landtagspräsident und Präsident der Europäischen Bewegung Sachsen-Anhalt e.V., wirbt im Gespräch mit der Redaktion ZwischenRuf für eine hohe Wahlbeteiligung bei den Europawahlen am 25. Mai. Das neue Parlament werde entscheiden, in welche Richtung Europa sich entwickelt.

ZwischenRuf: Herr Präsident, am 25. Mai, dem Tag der Kommunalwahlen, wird auch ein neues Europäisches Parlament gewählt. Worin sehen Sie die Bedeutung dieser Wahl?

Detlef Gürth: Sie wird maßgeblich entscheiden, wohin sich die EU entwickelt und ob es mehr oder weniger Zustimmung gibt. Das Europäische Parlament entscheidet über die nächste Europäische Kommission. Beide werden wachsenden Einfluss auf alle Europäer haben. Da sollten wir als Bürger schon hinschauen und bewusst wählen. Einerseits gibt es Sorgen und Verärgerung hinsichtlich der Lastenverteilung oder der Einmischung Brüsseler Behörden in das Leben hier in Deutschland. Andererseits hat Europa unglaublich viele Vorteile gebracht die kaum jemand benennt. Dieses deutlich zu machen, könnte auch der Wahlkampf leisten.

ZwischenRuf: Welche Sorgen sollten besonders beachtet und welche positiven Entwicklungen besonders benannt werden?

Detlef Gürth: Die Sorge um die Stabilität des Euros, den Lebensstandard im Alter, der Sicherheit für viele Kleinsparer und um die beruflichen Entwicklungschancen sind bei vielen Menschen ganz oben auf der Agenda. Geht es gerecht zu und wird die Zukunft besser oder besorgniserregender? Ich wünschte mir, dass auch mehr über die Friedensdividende, die Freizügigkeit eines visafreien Europas, die Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten im vereinten Europa oder die Stärkung der Verbraucherrechte gesprochen wird. Die vielen Verbesserungen und der Zuwachs an Chancen wird zu wenig wahrgenommen.

ZwischenRuf: Bei der Europawahl im Jahr 2009 lag die Wahlbeteiligung in Sachsen-Anhalt bei nur 37,8 Prozent. Das war unter dem Bundesdurchschnitt (43,2 Prozent). Warum ist es wichtig, dass es diesmal mehr Wähler werden?

Detlef Gürth: Eine höhere Wahlbeteiligung bedeutet auch eine höhere Legitimation des Europaparlaments. Sie stärkt zugleich das Parlament in seinem Verhältnis zur EU-Kommission und zum Europarat, wo die Regierungen der Mitgliedstaaten vertreten sind. Eine höhere Wahlbeteiligung heißt auch, dass sich mehr Menschen für Europathemen interessieren. Das halte ich für sehr wichtig. Ich hoffe, dass eine höhere Wahlbeteiligung signalisiert, dass vor allem wir Deutschen das geeinte Europa mitgestalten wollen. So könnten wir auch die duale Ausbildung stärken, sowie die mittelständische Wirtschaft, den Meisterbrief und die Institute der Sparkassen und Genossenschaftsbanken unterstützen.

ZwischenRuf: Wie kann man eine höhere Wahlbeteiligung erreichen?

Detlef Gürth: Wir haben erstmals Spitzenkandidaten der Parteien, die national, aber auch europaweit aufgestellt werden. Damit bekommt das Programm einer Partei auch ein Gesicht, und der Europawahlkampf wird sicher emotionaler werden. Es ist wichtig, dass sich die Kandidaten bis zum 25. Mai vielerorts öffentlich präsentieren. Da wird es viele Veranstaltungen und Begegnungen geben, die von den Wählern unbedingt genutzt werden sollten. Wir werden zum Beispiel im Rahmen des Vereins Europäische Bewegung am 7. Mai eine Podiumsdiskussion anbieten, bei der die Spitzenkandidaten sich und die Programme ihrer Parteien vorstellen und die Besucher nachfragen können. Entscheidend wird sein, dass auf alle Fragen der Wähler verständlich und erschöpfend Auskunft gegeben wird, um sie so zu bewegen, ihre Stimme für Europa abzugeben.

ZwischenRuf: Sie sind Präsident der Europäischen Bewegung in Sachsen-Anhalt. Welches Ziel verfolgt dieser Verein?

Detlef Gürth: Die Europäische Bewegung Sachsen-Anhalt bietet bereits seit 1995 ein überparteiliches Forum, auf dem aktuelle europäische Themen diskutiert werden. Ziel des gemeinnützigen Vereins ist die Förderung des europäischen Gedankens in unserem Land und das Zusammenwachsen der europäischen Nationen.

ZwischenRuf: Wer kann Mitglied des Vereins werden?

Detlef Gürth: Die Europäische Bewegung steht allen juristischen Personen offen. Zu den Mitgliedern zählen Schulen, Parteien, Gewerkschaften, Verbände, öffentliche Institutionen und private Unternehmen. Der Verein selbst ist Mitglied im Netzwerk Europäische Bewegung Deutschland e.V., welches die Idee eines friedlichen gemeinsamen Europas der Völker unterstützt.

ZwischenRuf: Wie verwirklicht der Verein seine Ziele?

Detlef Gürth: Neben Diskussionsveranstaltungen zu europäischen Themen, die von Politikern sowie Bürgerinnen und Bürgern rege genutzt werden, fördern wir insbesondere auf Europa bezogene Aktivitäten Jugendlicher in Sachsen-Anhalt. So wird neben den Europa-Veranstaltungen mit Jugendlichen die Profilierung der Europaschulen in Sachsen-Anhalt unterstützt. Unsere Themen decken die unterschiedlichsten Politik- und Gesellschaftsbereiche ab, wie die Diskussion um die weitere Entwicklung Europas und der europäischen Verfassung, die Rolle des Europäischen Parlaments und die Inhalte der jeweiligen EU-Ratspräsidentschaften.

ZwischenRuf: Welche Beispiele gibt es dafür?

Detlef Gürth: In den vergangenen Jahren haben wir insbesondere das Landes- und Bundesnetzwerk der Europa-Schulen in seiner Entwicklung begleitet. Jugendthemen, wie "Meine Zukunft in Europa" über Leben, Lernen und Praktika im Ausland oder "Deine Spuren im Web" zur Sicherheit personenbezogener Daten wurden mit Jugendlichen diskutiert. Über den Anspruch und die Wirklichkeit in der Willkommenskultur, die Sachsen-Anhalt Arbeits- und Fachkräften aus dem Ausland bietet, wurde ein Meinungsaustausch geführt. Kompetente und hochrangige Persönlichkeiten standen für die Diskussionen zur Verfügung.

ZwischenRuf: Wie kann eine Mitgliedschaft beantragt werden?

Detlef Gürth: Wer Interesse an einer Mitarbeit in der Europäischen Bewegung Deutschland e.V. hat, und hier richte ich mich besonders auch an die Schulen in unserem Land, kann sich gerne an unsere Geschäftsführerin Katharina Berger in der Geschäftsstelle der Europäischen Bewegung in der IHK Magdeburg, Alter Markt 8, 39104 Magdeburg wenden.
Tel: +49-391-5 69 33 42
E-Mail: info@europaeische-bewegung-sachsen-anhalt.de

Das Gespräch führte Wolfgang Schulz

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EUROPAWOCHE 2014

Seit 19 Jahren wird bundesweit S die Europawoche durchgeführt. In diesem Jahr steht sie vom 3. bis 11. Mai im Zeichen der Europawahlen. Auch wenn die Veranstaltungen der Europawoche nicht der Wahlwerbung oder der Parteinahme für einzelne Kandidaten dienen dürfen, sollten sich alle Beteiligten für eine hohe Wahlbeteiligung am 25. Mai einsetzen. Schwerpunkte der Diskussionen sind u.a. die Rolle des Europäischen Parlaments, die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung am europäischen Politikprozess, die EU-Strategie 2020 und die Mobilitätsprogramme der EU.

Während der Europawoche präsentieren zahlreiche Vereine, Verbände und Organisationen in Kommunen, Schulen und Hochschulen die vielfältigen europäischen Bezüge ihrer Arbeit bei abwechslungsreichen Veranstaltungen. Ein Beispiel dafür ist in der Landeshauptstadt der Europa-Markt, der vom 8. bis 10. Mai bereits zum fünften Mal von der IHK und dem Entprise Europe Network (EEN) durchgeführt wird. Händler und Kunden können dabei im Magdeburger Stadtzentrum europäisches Flair erleben, europäische Spezialitäten genießen sowie persönliche und geschäftliche Kontakte mit Gästen aus mehr als sieben Ländern knüpfen.

Wolfgang Schulz

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Auf einem guten Weg

Sachsen-Anhalt hat nach Auffassung von Finanzminister Jens Bullerjahn 2013 sein Ziel erreicht und ist auf einem guten Weg, 2020 auf eigenen finanziellen Füßen zu stehen. 2014 stehen dem Land im Haushalt 10,7 Milliarden Euro zur Verfügung. Das sind dank des Fluthilfefonds 700 Millionen mehr als im Vorjahr.

Im vergangenen Jahr hat Sachsen-Anhalt seine finanzpolitischen Ziele erreicht und zum Teil übertroffen, die Schulden des Landes um 50 Millionen Euro abgebaut. Laut Finanzminister Jens Bullerjahn zeigen die Ergebnisse 2013, dass Sachsen-Anhalt auf einem guten Weg ist, um 2020 auf eigenen Füßen stehen zu können. Diesem Ziel dient auch der im Dezember 2013 beschlossene Haushaltsplan für das laufende Jahr. Trotz turbulenter Zeiten bei der Diskussion des Regierungsentwurfs lag letztlich ein solider Etat vor, "den wir gemeinsam erstritten haben", sagte der Finanzminister während der letzten Landtagssitzung 2013. Drei Monate zuvor hatte er dem Plenum den Entwurf für Sachsen-Anhalts Haushalt 2014 vorgestellt. In den Fachausschüssen des Parlaments war danach um die Höhe vieler Haushaltsposten gerungen, manche geplante Kürzung abgemildert worden. Die Beschlussempfehlung, die dann vorlag, sei deutlich besser als das, was die Landesregierung ursprünglich plante, stellte in der Aussprache Wulf Gallert, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE, fest, doch sei das Papier "leider immer noch schlecht". Von einer "unseriösen Finanzpolitik" sprach sogar die Fraktionsvorsitzende Prof. Dr. Claudia Dalbert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Die SPD-Finanzexpertin Krimhild Niestädt indes lobte, dass der Landtag den dritten Haushalt in Folge ohne neue Schulden auf den Weg gebracht habe, und Kay Barthel von der CDU sieht "eine finanzpolitische Trendwende".

Rund 10,7 Milliarden Euro kann Sachsen-Anhalt 2014 ausgeben, gut 700 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Die zusätzlichen Gelder wurden hauptsächlich durch das Sommerhochwasser in die Landeskasse gespült - aus dem Fluthilfefonds des Bundes. Dadurch steigt die Investitionsquote auf 17,7 Prozent. Insgesamt sind 2014 aus dem Landeshaushalt 1,88 Milliarden Euro für Investitionen vorgesehen - deutlich mehr als 2013. Der größte Brocken vom Gesamtetat muss nach wie vor für Personal ausgegeben werden - etwa drei Milliarden Euro. Neben diesen und den Kommunalfinanzen kosten das Land vor allen die Zinsen für seine zuvor aufgenommen Kredite - rund 21 Milliarden Euro hoch ist der Schuldenberg - viel Geld.

Mehr als 600 Millionen Euro sind 2014 allein für Zinsen zu zahlen. Das limitiere die politische Gestaltungskraft erheblich, gab der CDU-Abgeordnete Kay Barthel zu bedenken. Für seine Fraktion sei bei Haushaltsberatungen der Dreiklang "Investieren, Konsolidieren, Vorsorgen" eine wesentliche Leitplanke gewesen. "Unsere Vision ist: Sachsen-Anhalt 2020 - selbstbewusst und zukunftsfähig. Wir meinen, dass dieser Entwurf genau diesem Anspruch gerecht wird", sagte er.

2014 keine Neuverschuldung, Tilgung in Höhe von 50 Millionen Euro, 56 Millionen Euro für Rücklage für die Pensionslasten und 10 Millionen Euro für die Steuerschwankungsreserve, zählte Sozialdemokratin Krimhild Niestädt zusammen. "Das sind Haushaltsmittel in Höhe von insgesamt 116 Millionen Euro, die wir zurücklegen, sparen und klug einsetzen." Ausgeglichene Haushalte, die Rückzahlung von Schulden und das Anlegen von Vorsorgeelementen seien Zeichen einer soliden und vorsorgenden Finanzpolitik. Genau dafür stehe der Haushalt 2014.

Obwohl dieser Aufwüchse verzeichne und insofern kein klassischer Sparhaushalt sei, kritisierten Sprecher der Opposition vorgesehene Einsparungen in den Bereichen Kultur, Bildung, Wissenschaft und Soziales. Für besonders problematisch hält die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Kürzungen beim Blindengeld. Den Protesten Betroffener sei es zu verdanken, dass hier deutlich weniger gespart werde als zunächst geplant, erinnerte der Abgeordnete Olaf Meister. Nicht die Koalition, sondern die Menschen auf der Straße hätten dies geleistet, stimmte Wulf Gallert von den Linken zu. Nun soll das Blindengeld monatlich um 3o Euro für Erwachsene auf 320 Euro und nicht wie zuvor vorgesehen auf 266 Euro abgesenkt werden. Gespart wird auch bei der Jugendförderung, bei Hochschulen und Theatern.

Dennoch bleibt die Theaterförderung mit knapp 30 Millionen Euro größter Einzelposten im Kulturhaushalt. Insgesamt lässt sich Sachsen-Anhalt die Kultur in diesem Jahr knapp 90 Millionen Euro kosten.

Finanzminister Bullerjahn würdigte vor dem Parlament den für den Haushaltsplan 2014 gefundenen Kompromiss. "Damit werden wir nicht nur den Anforderungen des kommenden Jahres gerecht", sagte er im Dezember 2013, sondern es wurden zugleich wichtige Strukturentscheidungen getroffen, damit Sachsen-Anhalt weiter vorankomme. "Dieser Haushalt kann sich sehen lassen", betonte er. Es sei wieder ein Haushalt ohne neue Schulden, der die soliden Ansätze der letzten Jahre verstärke.

Gudrun Oelze

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"Zwergenschulen" für die Dörfer

Aktionsbündnis "Grundschulen vor Ort" sammelte 12.000 Unterschriften gegen Grundschulschließungen und stellte im Petitionsausschuss Alternativkonzept vor.

Mehr als 12.000 Unterschriften hatte das Aktionsbündnis "Grundschulen vor Ort" gegen drohende Grundschulschließungen gesammelt und am 11. September 2013 Landtagspräsident Detlef Gürth übergeben.

In einer öffentlichen Anhörung des Petitionsausschusses im Januar 2014 nutzen die Petenten die Gelegenheit, ihr Alternativkonzept den Mitgliedern der Ausschüsse für Bildung und Kultur sowie Finanzen und Vertretern des Kultusministeriums vorzustellen. Mit dem Modell eines Mehrklassenunterrichtes und einer zentralisierten Verwaltung will das Aktionsbündnis die Schließung von zahlreichen Dorfschulen in den nächsten Jahren verhindern.

Anlass zur Petition "Stoppt Grundschulschließungen! - Fördert Landschulen! lieferte die Schulplanungs-Verordnung 2014. Diese fordert unter anderem eine Mindestzahl von 60 Kindern pro Schule bis Juli, und 80 Schülerinnen und Schüler ab August 2017. Außerdem soll die Mindestschülerzahl für Einschulungsklassen künftig zunächst bei 15 und später bei 20 Mädchen und Jungen liegen.

Als Konsequenz dieser Verordnung befürchtet das Aktionsbündnis die Schließung von 80 bis 150 Grundschulen in Sachsen-Anhalt bis zum Jahr 2020. Die neuen Vorgaben könnten nach Einschätzung der Petenten gerade Gemeinden im ländlichen Raum nur schwerlich erfüllen. Deshalb mehrt sich die Angst vor einer kulturellen Verarmung dieser Regionen und unzumutbaren Schulwegen, mit Anfahrtszeiten von bis zu 70 Minuten für Kinder, bereits ab der 1. Klasse.

Walter Helbling, Sprecher des Aktionsbündnisses, plädierte für ein Moratorium der Schulplanungsverordnung und eine Prüfung des vorgelegten Alternativmodells. Angelehnt sei dieses an die gängige Schulpraxis anderer Länder wie Österreich, die in "Zwergenschulen" auf einen klassenstufenübergreifenden Unterricht setzen, erklärte Helbling. So würden in Schulen mit geringer Schülerzahl beispielsweise die erste und zweite Klasse zusammen unterrichtet. Vorteil: Die Klassenstärke nähme faktisch zu, während der Personal- und damit Kostenaufwand sinke.

Inwiefern sich das Modell als gangbarer Weg für Sachsen-Anhalt eignet, wird sich in der inhaltlichen Auseinandersetzung der Fachausschüsse und des Plenums in den nächsten Wochen zeigen.

Annekathrin Barth

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IM BLICKPUNKT

Gesetzgebung im Konzertsaal

Während der Modernisierungsarbeiten im Landtag sind die Abgeordneten in ein Ausweichquartier gezogen. Nun kam der Plenarsaal an die Reihe. Doch ein Ersatz, der unterschiedlichste Anforderungen erfüllen muss, ist nicht leicht zu finden. Die Magdeburger St. Johanniskirche bietet gute Voraussetzungen.

Seit Mitte 2013 wird das Landtagsgebäude am Magdeburger Domplatz modernisiert. Die zum Teil über 20 Jahre alte Kommunikationsstruktur wird grundlegend angepasst und erneuert. Damit einhergehend werden auch feuerpolizeiliche Maßnahmen umgesetzt.

Das finanzielle Volumen beläuft sich auf 9,3 Millionen Euro. Ende Dezember 2013 begann der Sogenannte Vierte Bauabschnitt, der auch den Plenarsaal beinhaltet. Daraus resultiert, dass die einmal im Monat stattfindenden Plenartagungen (in der Regel Donnerstag und Freitag) an einem anderen Ort stattfinden müssen. Die im Magdeburger Stadtzentrum gelegene Johanniskirche bietet gute Voraussetzungen.

Für die öffentlichen Sitzungen des Parlaments wird nicht nur ein großer Raum benötigt. Er muss sehr unterschiedlichen Anforderungen gerecht werden. Zum einen ist es der notwendige Platz für die Sitzordnung im Plenum, wo sich Legislative und Exekutive gegenübersitzen. Zum anderen muss in angemessener Weise die Möglichkeit bestehen, dass die Öffentlichkeit Zugang hat und das Sitzungsgeschehen ungehindert und möglichst auch barrierefrei verfolgen kann.

Damit sind die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Vertreter von Presse, Funk und Fernsehen gemeint. Ausgehend von den 105 Abgeordneten, Regierungsmitgliedern sowie Öffentlichkeit verdoppelt sich die Zahl der notwendigen Sitzplätze auf nahezu 200.

Aber auch die Akustik, die Möglichkeit einer Beschallung und Beleuchtung sowie die Nutzung eines schnellen Internetanschlusses mussten eine Rolle bei der Auswahl spielen. Letzterer ist unabdingbar, um die Landtagssitzungen in gewohnter Weise ins Internet übertragen zu können (www.landtag.sachsen-anhalt.de).

Anhand dieser Kriterien gestaltete es sich sehr schwierig, eine Lösung mit einer garantierten Verfügbarkeit für fünf Sitzungsperioden (Januar bis Juni 2014) und vor allem zu einem bezahlbaren Preis zu finden. Denn: Bei zwei aufeinanderfolgenden Sitzungstagen (jeweils Donnerstag und Freitag) ist mit den notwendigen Umbauarbeiten eine viertägige Zweckbindung gegeben bzw. in dieser Zeit sind für den Eigner keine anderen Veranstaltungen möglich.

Die Johanniskirche wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und in mehreren Etappen bis 1999 wieder hergestellt. Seit dem fungiert das Haus als Kultur- und Kongresszentrum. Dieses wird für den Einsatz als Plenarsaal des Landtages komplett umgerüstet. Beginnend mit der Verlegung von Schall absorbierenden Teppichfliesen, dem Aufbau einer vorgegebenen Sitzordnung, dem Einrichten eines Pressezentrums und einem Zuschauerbereich umfassen die Arbeiten aber auch die Installation einer Mikrofonanlage.

Ulrich Grimm

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SACHSEN-ANHALT

Urlaub für Jung und Alt

Die Tourismusbranche in Sachsen-Anhalt steht aufgrund des demographischen Wandels vor neuen Herausforderungen. Die Gäste werden älter, junges Personal bleibt aus. Wohin also geht die Reise?

Der demographische Wandel geht wie ein Schreckgespenst in Sachsen-Anhalt, Deutschland und Europa umher und macht sich nicht nur im ohnehin traditionell schwächer besiedelten ländlichen Raum, sondern auch mitten im urbanen Leben bemerkbar. Denn diese Entwicklung hat nicht allein etwas mit Abwanderung in die Stadt zu tun, mit deswegen geschlossenen Schulen und ausfallendem ÖPNV, sondern sie trifft die Gesellschaft ins Mark. Die alternde Gesellschaft, sollte man vielleicht erklärenderweise gleich anfügen. Der demographische Wandel ist die Folge und zugleich immer wieder Auslöser eines Teufelskreises aus niedrigen Geburtenzahlen, einer höherer Lebenserwartung, mangelnden beruflichen Perspektiven und steigenden Kosten in allen Lebensbereichen.

Der Landtag von Sachsen-Anhalt beschäftigte sich in den zurückliegenden Monaten, gar Jahren, regelmäßig mit diesem gefürchteten Phänomen, das Land selbst ist innerhalb der bundesdeutschen Grenzen das von ihm am stärksten betroffene Bundesland. Dies ist u.a. eine Folge der politischen Wende, der wirtschaftlichen Schwäche in den 1990er Jahren und der daraus resultierenden Abwanderung der Landeskinder in andere Bundesländer - auf der Suche nach Arbeit. Nun hat sich der Arbeitsmarkt auch in Sachsen-Anhalt entwickelt (die Ansichten über das positive Ausmaß werden von Koalition und Opposition freilich differenziert bewertet), aber dass die Einwohnerzahl Sachsen-Anhalts seit 1990 um gut ein Fünftel gesunken ist und sich dieser Prozess weiterhin fortsetzt, kann keine wirtschaftliche Entwicklung verschönern.

Die Kommunen für die Zukunft fit zu machen, ist also oberstes Gebot - bestenfalls mit individuellen Entwicklungskonzepten. Gesetze und Verordnungen sollten nach Ansicht der SPD - die eine Große Anfrage zum Thema Demographie an die Landesregierung gestellt hatte - zukünftig mit einem Demographie-Check überprüft werden. Dann könne recht schnell festgestellt werden, welchen Einfluss bestimmte Regelungen auf betroffene Landesteile hätten und ob sie den Ist-Zustand verbessern oder verschlimmern würden.

Alle Lebensbereiche sind durch den demographischen Wandel betroffen, auch jene, die erst beim zweiten Hinschauen klar auf die Agenda rutschen. So geschehen in der Januarsitzung des Parlaments, als die Auswirkungen des unleidlichen Wandels auf die Tourismusbranche erörtert wurden. Durch einen Antrag der Fraktionen von CDU und SPD soll die Landesregierung darüber Auskunft geben, inwieweit der demographische Wandel Einfluss auf den Tourismusstandort Sachsen-Anhalt nimmt und wie das Land für junge und alte Menschen attraktiv bleiben kann. Des Weiteren soll der Einfluss auf den touristischen Arbeitsmarkt und auf das Potenzial neuer Zielgruppen analysiert werden.

Hintergrund ist das wachsende Lebensalter der Menschen in Deutschland und Europa und die relative Abnahme der Zahl junger Menschen. Die Tourismusbranche steht also vor vielen Herausforderungen: Einmal muss sie in Zeiten einer älter werdenden Bevölkerung zusehen, die notwendigen Stellen in den Urlaubsarealen (Gastronomie, Freizeit, Hotels) zu besetzen, andererseits müssen die touristischen Angebote so gestaltet werden, dass sie dem älteren Zielpublikum zur Genüge gereichen, ohne jedoch die jungen Menschen, die es trotz allem ja auch noch in den Urlaub zieht (Familienhotels, Abenteuer, Jugendlager), zu vergrämen. Wenn dann auch noch die Großeltern vermehrt mit ihren Enkelkindern verreisen, offenbaren sich die Herausforderungen für die Tourismusbranche in all ihren Facetten.

Das Durchschnittsalter in Sachsen-Anhalt soll bis 2025 von Mitte vierzig auf Mitte fünfzig steigen. Wenn man bedenkt, dass rund 20 Prozent der Übernachtungsgäste aus dem eigenen Bundesland kommen, könne man sich vorstellen, dass diese Entwicklung Einfluss auf das touristische Angebot nehme, erklärte Wirtschaftsminister Hartmut Möllring.

Ähnliche Standpunkte in den vier Landtagsfraktionen

Eine klare Qualitätsorientierung im Tourismus werde unumgänglich sein, so Nadine Hampel (SPD). Barrierefreiheit sei schon jetzt ein generelles Qualitätsmerkmal, das sich bereits bei der Urlaubsrecherche im Internet zuhause anzeige und quasi mit der problemlosen Bezahlung am Tag der Abreise ende. Die SPD spricht sich für eine tourismusrelevante Infrastruktur mit funktionierendem Einzelhandel, Grünanlagen, Kultur und Nahverkehr aus - Einschnitte hätten schwere Folgen für den Tourismus. Nicht zuletzt auch auf den Arbeitsmarkt: 65.000 Beschäftigte seien mittel- und unmittelbar mit Tourismus verknüpft. Blieben die Gäste aus, müssten auch die Beschäftigten um ihre Arbeit bangen.

Die Linken begrüßten den Antrag, da durch ihn neue Informationen zum Thema zu erhalten seien, sagte Harry Czeke. Der Abgeordnete der Linken betonte, dass wirtschaftliches Kalkül und soziale Aspekte im Tourismusbereich Hand in Hand gehen müssten. Die in den Jahren 1991 bis 2010 rund 840 Millionen Euro Förderung für den Tourismus durch das Land hätten immerhin zu einer Auslöse von 1,7 Milliarden Euro geführt.

Die Zahl der Übernachtungen in Sachsen-Anhalt sei enorm angewachsen, aber es gebe immer noch Potenzial nach oben. Hinderlich wirke das unglückliche Zusammenspiel von sinkenden Einwohnerzahlen und Problemen bei der Besetzung von Stellen im gastronomischen Bereich in den Urlaubszentren. Viele Übernachtungen würden von Menschen aus dem Land in Anspruch genommen, erklärte Lars-Jörn Zimmer (CDU). Sinke die Einwohnerzahl, nehme auch die Zahl der "inländischen Übernachtungen" ab.

Zwar sei Sachsen-Anhalt vom demographischen Wandel in besonderer Weise betroffen, aber dies ist für Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) noch lange kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken, nur die rosarote Brille dürfe man nicht aufsetzen: Besonders die negative Bevölkerungsentwicklung im ländlichen Raum werde auch zu Problemen im Tourismusbereich führen. Das Land wolle ein führendes Kulturreiseland werden, kulturelle Schätze sollen bewahrt werden - aber vor dem Hintergrund der Haushaltsentscheidungen im Bereich Kultur stehe das in Frage. Die Infrastruktur (ÖPNV, Schulen, Kinderbetreuung) müsse die Arbeit im ländlichen Bereich möglich machen und nicht im Gegenteil auch noch zur Belastung werden.

Der Antrag von CDU und SPD wurde mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen. Die Landesregierung ist nun aufgefordert, Daten und Fakten für weitere Beratungen vorzulegen.

Dr. Stefan Müller

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Landesfest 2014

Landtag beim Sachsen-Anhalt-Tag mit Informationsangebot vertreten

Vom 18. bis 20. Juli 2014 wird zum achtzehnten Mal der Sachsen-Anhalt-Tag gefeiert. Getreu dem Motto "Bunte Stadt - buntes Land" präsentiert sich das Bundesland in Wernigerode. Dazu werden mehr als 200.000 Gäste erwarte. Wie in jedem Jahr wird auch der Landtag von Sachsen-Anhalt mit einem breiten Informationsangebot vor Ort sein und auf die Arbeit der Landespolitik aufmerksam machen. Für Fragen rund um das parlamentarische Geschehen stehen Abgeordnete aus den im Landtag vertretenen Parteien Rede und Antwort.

Auch werden beim Landesfest rund 11.000 Menschen aus den verschiedenen Regionen Sachsen-Anhalts ihre Heimat in so genannten "Regionaldörfern" vorstellen. Auftritte, Shows und Konzerte von Künstlern aus dem In- und Ausland versprechen ein interessantes und buntes Programm für jede Altersgruppe. Höhepunkt wird der Festumzug mit rund 4.000 Teilnehmern am Sonntag sein.

Das Landesfest hat das Ziel, gegenseitig Verständnis füreinander zu fördern und identitätsstiftende Gedanken zu stärken. Dieses Ziel greifen auch die Abgeordneten des Landtages auf und werden an allen drei Tagen mit einem vielseitigen Informationsangebot in der Themenstraße "Weltoffenes Sachsen-Anhalt" vor dem Bahnhof zu finden sein.

Annekatrin Barth

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REGIONALFENSTER

"Sexy-Anhalt"

Mitteldeutschland bietet immer häufiger Kulissen für nationale und internationale Produktionen. Traumhafte Landschaften sowie mittelalterliche Städte und Burgen sorgen für einen Filmboom im Land. Die Mitteldeutsche Medienförderung unterstützt die Produktionen mit Millionen-Beträgen.

Nicht erst durch "The Monuments Men" präsentiert sich Sachsen-Anhalt der Welt in seiner besten Rolle. Seit Jahren schon geben sich nationale wie internationale Filmemacher und Produzenten zwischen Arendsee und Zeitz die Klinke in die Hand, sodass in den üppig vorhandenen natürlichen Kulissen so manche Klappe für Kino- und Fernsehstreifen fiel.

Kein Wunder, denn bis auf Meeresstrand und Gletscher hat Sachsen-Anhalt hunderte außergewöhnliche Drehorte und unverbrauchte Locations, eine Vielzahl professioneller Filmdienstleister sowie eine vielfältige Förderung sowohl etablierten Medienunternehmen wie auch jungen Filmemachern zu bieten.

Und der Rummel um George Clooney und seine zum Teil hier agierenden "Monuments Men" belegt deutlich: Sachsen-Anhalt gehört zu den Aufsteigern unter den Kreativ- und Medien-Standorten. Damit es weiter "in einer höheren Liga mitspielen" kann, soll die Werbetrommel künftig weit über die Region hinaus von Sachsen-Anhalt als Filmland mit großem Potenzial künden.

Oscar-Preisträger reiste mit Starbesetzung nach Halberstadt

Der Kirchenschatz im Halberstädter Dom ist so einmalig, dass er womöglich zum Unesco-Welterbe erklärt wird. Das Gotteshaus selbst aber reist schon jetzt um die Welt - als einer der Schauplätze in "The Monuments Men". Regisseur George Clooney hatte das Potenzial der edlen gotischen Kathedrale bei einem Blitzbesuch im Spätherbst 2012 sofort erkannt und dem Dom zu Halberstadt eine Starrolle in seinem neuen Streifen gegeben.

Mit Starbesetzung reiste der Oscar-Preisträger vor rund einem Jahr nach Halberstadt, dessen Dom zu nächtlicher Stunde im Kerzenlicht des historischen Radleuchters aus dem Jahre 1516 die Kulisse für eine Schlüsselszene des Kinofilms bot - in dem das Gotteshaus St. Stephanus und St. Sixtus allerdings nicht sich selbst darstellte, sondern die Kathedrale von Gent. Dafür hatte Clooney einfach eine Nachbildung des berühmten Flügelaltars aus Belgien in Halberstadt aufstellen lassen.

Für die Stadt und die Domschatzverwaltung ist dies Grund genug für Werbung in eigener Sache: Mit "The Monuments Men" wird der Halberstädter Dom um die Welt reisen, Kinobesucher in aller Welt mit eindrucksvollen Bildern verzaubern und etliche von ihnen veranlassen, den originalen Drehort zu besuchen, hofft man dort.

Seine "Ungewöhnlichen Helden" - Kunstschützer in US-Uniform, die gegen Ende des Zweiten Weltkriegs von den Nazis geraubte und Versteckte Kulturgüter aufspüren - hat Clooney aber nicht nur in Halberstadt gedreht. Aus Sachsen-Anhalt wurde auch Merseburg gut in Szene gesetzt, der dortige Dorn für den Streifen zur Liebfrauenkirche in Brügge, aus der die Nazis Michelangelos Madonna mit dem Kind raubten. In der Schlussszene von "The Monuments Men" setzt das Merseburger Gotteshaus mit seiner prächtigen Ladegastorgel den strahlenden Schlusspunkt.

Die Hollywood-Story um die wahre Geschichte der Kunstexperten in Uniform ist jüngstes Beispiel für die beeindruckende Kinokarriere Sachsen-Anhalts, das sich in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Standort für nationale wie internationale Filmproduktionen entwickelte.

Ob auf Burg Querfurt, im Harz oder in Halle: Ambitionierte Regisseure fanden und finden in Sachsen-Anhalt oft die richtige Kulisse. Das Land und seine Landschaften bieten auf engstem Raum viele Gesichter und Gegebenheiten, auf denen sich Amerika ebenso wie Schottland oder Russland inszenieren lassen.

"Und weil Kinder wissen wollen, wo etwas gedreht wurde, werden Eltern mit ihren Kinder herkommen und sich das hier anschauen."
Detlev Buck, Regisseur des Films "Bibi und Tina", der unter anderem auf Schloss Falkenstein gedreht wurde.

Zum Beispiel in der Dübener Heide im Südosten Sachsen-Anhalts, nur einen Katzensprung von Halle, Dessau und Leipzig und gerade mal eine Autostunde von Berlin entfernt. Eingebettet in die natürlichen Flusslandschaften von Elbe und Mulde kreisen im größten Mischwald Mitteldeutschlands Kranich und Seeadler über romantischen Teichen und Seen. Ein Urenkel des russischen Schriftstellers Leo Tolstoi (1828-1910) fühlte sich dort beinahe wie zu Hause, als er im Frühsommer 2008 unweit der Lutherstadt Wittenberg den Dreh eines Films über seine berühmten Vorfahren verfolgte. "Am liebsten würde ich 'Guten Morgen, Großmutter, guten Morgen, Großvater' sagen", meinte Maxime Mardoukhaev am Rande der Dreharbeiten zu "Ein russischer Sommer".

Die deutsch-russische Produktion über das letzte Lebensjahr Tolstois wurde zu großen Teilen in Sachsen-Anhalt gedreht, der Bahnhof von Pretzsch wurde zur "Last Station" und damit zum Endpunkt der Reise Tolstois.

Für die Schlussszenen des Films mit Starbesetzung - Oscar-Preisträgerin Helen Mirren als Tolstois Ehefrau Sofia und Hollywood-Legende Christopher Plummer als Leo Tolstoi - wurde die Bahnstation nahe der Elbe, an der normalerweise täglich zehn Regionalzüge halten, für zwei Wochen geschlossen und in einen russischen Bahnhof verwandelt.

Auch die nötige "russische Exotik" bot Sachsen-Anhalt: mit einer Landschaft in der Dübener Heide, die der russischen Region Tula sehr ähnelt, und einen "perfekten" russischen Birkenwald. Zum Kinostart des Streifens vermittelte Helen Mirren der Filmwelt einen Völlig neuen Blick auf Sachsen-Anhalt: Sie sprach von "Sexy-Anhalt" - zum einen, weil es ihr hier wohl besonders gut gefiel, zum anderen auch wegen der schwierigen Aussprache des Landesnamens. Für "Die Päpstin" kam 2008 das Mittelalter nach Querfurt zurück. Bei der Verfilmung des gleichnamigen Bestsellerromans von Donna W. Cross wurde die mittelalterliche Burganlage in das neunte Jahrhundert zurückversetzt.

Die mit ihren drei Türmen, zwei Ringmauern und den starken Befestigungsanlagen imposante Burg ist eine der ältesten und größten Deutschlands. Ihre perfekt erhaltenen Gemäuer in Feldsteinoptik und verschiedene Schauplätze auf einem riesigen Areal ersparen Filmemachern den Bau aufwändiger Kulissen.

Für "Die Päpstin" wurden unter anderem die Wiese vor der Kirche mit Torf, Mist und Erde überzogen, am Dicken Heinrich Holzhütten aufgebaut sowie im Fürstenhaus und im Ottonenkeller eine Wohnung für Johanna eingerichtet. Doch nicht nur für diesen Film war Hollywood zu Gast auf der Burg. Auch für "1 1/2 Ritter", "Der Medicus" oder "Black Death" kamen nationale und internationale Filmstars nach Querfurt.

In der "Schwarzen Pest" waren Schloss Blankenburg und das Bodetal weitere Drehorte in Sachsen-Anhalt. Für den "Medicus" entstand vor allem im Harz das England des 11. Jahrhunderts. Unter anderem Elbingerode und Quedlinburg boten dafür hervorragende mittelalterliche Kulissen.

Quedlinburgs historischer Marktplatz wurde im vergangenen Sommer für die "375-Jahr-Feier der Schweden-Belagerung" auch zum Marktplatz des fiktiven Städtchens "Eulenberg" im Familienkinofilm "Das kleine Gespenst" mit Uwe Ochsenknecht.

Die romantische Komödie "Mann tut was Mann kann" mit Schauspielern wie Jan Josef Liefers, Wotan Wilke Möhring und Oliver Korittke wurde unter anderem auf Schloss Döbbelin bei Stendal gedreht.

Auch für "Bibi und Tina" spielen einige Abenteuer der Junghexe Bibi Blocksberg in Sachsen-Anhalt, wo in der Region Querfurt aus Schloss Vitzenburg vorübergehend Schloss Falkenstein wurde. "Und Schloss Vitzenburg bleibt dann auch Schloss Falkenstein - zumindest für alle Kinder, die den Film sehen.

"Die Region in die Welt und die Welt in die Region bringen."
Manfred Schmidt, Geschäftsführer der Mitteldeutschen Medienförderung

Und weil Kinder wissen wollen, wo etwas gedreht wurde, werden Eltern mit ihren Kindern herkommen und sich das hier anschauen wollen", prophezeit Regisseur Detlev Buck. Wenn die Region durch den Film Werbung bekomme, "würde uns das sehr freuen", sagte Sachsen-Anhalts "Medienminister" Rainer Robra bei einem Besuch am Set. Sachsen-Anhalt erweist sich also immer häufiger als ein ideales Filmkulissenland. Den Filmboom verdankt es aber nicht nur seinen schönen Landschaften und beeindruckenden mittelalterlichen Burgen, sondern auch der Nähe zur Medienstadt Halle, wo Nachproduktionen bei Bildbearbeitung, Ton und Sound erfolgen können.

Im 2004 eröffneten "Mitteldeutschen Multimediazentrum GmbH (MMZ)" haben rund 50 national und international tätige Unternehmen der Kreativ-, Medien- und IT-Wirtschaft ihren Sitz. Das dort beheimatete Animationsfilmstudio MotionWorks GmbH ist eines der größten in Europa.

Natürlich kommen Filmemacher auch wegen finanzieller Unterstützung durch die Mitteldeutsche Medienförderung (MDM) nach Sachsen-Anhalt. In "The Monuments Men - Ungewöhnliche Helden" flossen 400.000 Euro Fördermittel. Staatsminister Rainer Robra sieht darin ein Geschäft, "das auf Gegenseitigkeit beruht". Und MDM-Geschäftsführer Manfred Schmidt weiß, dass solche Großprojekte "die Region in die Welt und die Welt in die Region" bringen. Seit 1998 hat die MDM von den drei mitteldeutschen Ländern, dem MDR und dem ZDF jährlich bis zu 15 Millionen Euro bekommen - davon wurden 188 Millionen für etwa 1.550 Projekte bewilligt.

Sachsen-Anhalt unterstützt die Mitteldeutsche Filmförderung mit jährlich 2,8 Millionen Euro. Bei "Monuments Men" sei die Fördersumme schon vor dem Filmstart wieder eingespielt worden, meint Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff und verweist auf Dienstleistungen vom Caterer bis zum halleschen Multimediazentrum.

"Allein bei Clooney dürfte wohl mindestens das Sechsfache des Fördervolumens in Übernachtungen, Catering, Location-Miete geflossen sein. Hinzu kommt noch das gemietete Equipment", so der Regierungschef. "Wir gehen von einer Rendite von 3,20 Euro je investiertem Euro aus. In manchen Jahren waren es sogar vier Euro."

Gudrun Oelze

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SACHSEN-ANHALT

Die Spuren der Frauen

An 50 Orten in Sachsen-Anhalt wird an die Geschichte und die Geschichten von Frauen erinnert. Das Projekt "FrauenOrte" spannt einen Bogen über rund 1000 Jahre und provoziert eine kritische Auseinandersetzung mit Klischees über Frauen- und Männerrollen.

Sachsen-Anhalt ist stolz auf seine kulturhistorische Bedeutung und sieht sich als Kernland deutscher Geschichte. Neben Männern wie Otto der Große, Martin Luther oder Otto von Bismark haben zwischen Arendsee und Zeitz auch Frauen Spuren hinterlassen, Spuren, die im Laufe der Zeit oft verblassten und verschwanden. Auf Anregung der Sachsen-Anhalt-Frauen-Initiativ-Runde (SAFIR) wurden sie in Vorbereitung auf die Weltausstellung EXPO 2000 wieder aufgespürt.

Das Projekt "FrauenOrte" in Sachsen-Anhalt erzählt an inzwischen 50 Standorten im Land Geschichte und Geschichten von Frauen, stellt ihre Lebensräume und -träume sowie ihr Lebenswerk vor. FrauenOrte spannen im Land einen zeitlichen Bogen über rund eintausend Jahre, erinnern an Vergessenes und provozieren zur kritischen Auseinandersetzung mit Klischees über Frauen- und Männerrollen.

So erinnert ein FrauenOrt auf der Neuenburg in Freyburg an die später heiliggesprochene Elisabeth von Thüringen, die sich als Landgräfin im 13. Jahrhundert um die Ausgestoßenen der mittelalterlichen Gesellschaft kümmerte. Am Kloster St. Marien Helfta wirkten gleich drei herausragende Mystikerinnen: Mechthild von Magdeburg, Mechthild von Hackeborn, die als Heilige verehrt wird, und Gertrud von Helfta.

Die Lutherstadt Wittenberg erinnert an die ehemalige Nonne Katharina von Bora und ein FrauenOrt in Weißenfels an die "Neuberin" Friedericke Caroline Neuber, die bekannteste Prinzipalin des 18. Jahrhunderts. An die mächtigste und einflussreichste Frau des 18. Jahrhunderts überhaupt erinnert das anhaltische Zerbst, wo die russische Zarin Katharina II. als Prinzessin Sophie Auguste Friederike ihre Kindheit verbrachte.

In Quedlinburg kündet das Geburts- und Sterbehaus von Dr. Dorothea Christiane Erxleben von der ersten Frau in Deutschland, die 1754 einen medizinischen Doktortitel erwarb und uneingeschränkt eine medizinische Praxis führen durfte. In Zerben weist ein FrauenOrt am Schloss auf die Jugend der Elisabeth von Plotho, der Fontane in seiner "Effi Briest" ein literarisches Denkmal setzte, hin. In Salzwedel wird auf das Geburtshaus der Johanna Bertha Julie Jenny von Westphalen, die Zeit ihres Lebens die Frau an der Seite des Philosophen, Ökonomen und Politikers Karl Marx war, aufmerksam gemacht. Bollmanns Gaststätte in Halberstadt erinnert an Minna Bollmann, eine von zwei Frauen aus unserer Region, die nach Einführung des Frauenwahlrechts 1919 in die Weimarer Nationalversammlung gewählt wurde.

"Das Projekt FrauenOrte ist aus gleichstellungspolitischer und touristischer Sicht für Sachsen-Anhalt von Bedeutung."
Landtag im Frühjahr 2013

Seit mehr als zehn Jahren erzählen an inzwischen 50 Orten in Sachsen-Anhalt nun schon mit Tafeln gekennzeichnete FrauenOrte über das Wirken von Frauen in den verschiedensten Lebensbereichen. Mit der Installation seiner FrauenOrte, die in Zusammenarbeit mit örtlichen Netzwerken entstanden und in ihrer Gesamtheit ein Netz(werk) bilden, hatte das Land zunächst ein bedeutendes Alleinstellungsmerkmal im Bereich sichtbarer Frauengeschichte und eine Vorreiterrolle, der Niedersachsen, Brandenburg und Thüringen bald nacheiferten.

Doch die Potenzen des Sachsen-Anhalt-Projektes wurden touristisch kaum genutzt, die einst geschaffenen Strukturen vernachlässigt, beklagte der Landtag im Frühjahr 2013, stellte aber fest, "dass das Projekt FrauenOrte, welches Frauen- und Regionalgeschichte verbindet, für das Land Sachsen-Anhalt aus gleichstellungspolitischer und aus touristischer Sicht von Bedeutung ist."

Die Landesregierung wurde per Landtagsbeschluss gebeten, über dieses Projekt im Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft zu berichten und dabei vor allem auf die mögliche Einbindung der FrauenOrte in die Markensäulen und in touristische Schwerpunktthemen einzugehen.

Zu wenig Potenzial mit entsprechender Qualität, um das Thema landesweit zu vermarkten, so das ernüchternde Ergebnis einer Bestandsaufnahme des Wirtschaftsministeriums. Inhaltlich durchaus positiv bewertet, wird aus tourismusfachlicher Sicht bemängelt, dass die wissenschaftlich sorgfältig recherchierte Geschichte nicht in eine touristische Infrastruktur überführt wurde.

Auch wenn das Netz der FrauenOrte "im großen Stil" explizit bisher nicht beworben wurde - Frauenpersönlichkeiten aus Sachsen-Anhalt spielten im Tourismus durchaus eine Rolle. So warb die "Straße der Romanik" 2007 auch mit den Jubiläen "800 Jahre Heilige Elisabeth" und "800 Jahre Mechthild von Magdeburg", waren im Jahr darauf "Frauen im 18. Jahrhundert" ein Schwerpunktthema der Landesinitiative "Sachsen-Anhalt und das 18. Jahrhundert" und wird "Katharina von Bora" als Luthers Ehefrau auf dem Weg zu "Luther 2017 - 500 Jahre Reformation" gewürdigt.

In den Tourist-Informationen "vor Ort" werden Geschichte und Geschichten um FrauenOrte durchaus angeboten, sagt Projektinitiatorin Dr. Elke Stolze. In der Unesco-Welterbestadt Quedlinburg zum Beispiel, in der Frauen wie Königin Mathilde, Kaiserin Adelheid (Gemahlin Ottos I.), Kaiserin Theophano (Gemahlin Ottos II.) und Äbtissin Mathilde Geschichte und Entwicklung der Region mit gestalteten, wurde sowohl eine spezielle Stadtführung "Auf den Spuren starker Frauen" als auch eine zur ersten deutschen Ärztin Dorothea Erxleben entwickelt.

Eine landesweite Vermarktung aber kann die Initiative FrauenOrte selbst nicht bewältigen, das war auch nie Anliegen und Aufgabe des Projektes, betont Dr. Stolze. Anregungen für thematische Zeitreisen gab die Historikerin unter anderem in zwei beim Mitteldeutschen Verlag erschienenen Bänden zu "FrauenOrte - Frauengeschichten in Sachsen-Anhalt" sowie auf der Webseite www.frauenorte.net.

Gudrun Oelze

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AUS DEM PLENUM

Weg frei auf den Energieautobahnen

Der Ausbau der Übertragungsnetze wird als elementarer Bestandteil der Energiewende betrachtet. Die Ansicht darüber, in welchem Umfang dieser Ausbau stattfinden soll, wurde anhand differenzierter Anträge aus den Fraktionen im Landtag deutlich.

Neue Stromtrassen von Nord nach Süd - beispielsweise von Bad Lauchstädt in Sachsen-Anhalt nach Meitingen in Bayern -, über deren Notwendigkeit wird derzeit heftig diskutiert. Nicht nur in Bayern, wo sich Ministerpräsident Horst Seehofer vehement für ein Stromtrassenmoratorium ausspricht, dem Bau der neuen Superleitung in den Süden also eine Absage erteilt.

Alles Kommunalwahlkampf meinen die Befürworter der neuen "Energieautobahn", anderslautende Zweifel hegen die Skeptiker. Einig ist man sich im Plenum nur darüber, dass die Energiewende als nationale Aufgabe betrachtet werden muss und die damit verbundenen Kosten gleichmäßiger, heißt: gerechter zwischen den Bundesländern, die Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen, und denen, die ihn in großem Umfang nutzen, aufgeteilt werden.

Derzeit sind die grünen Strom erzeugenden Länder (darunter Sachsen-Anhalt, das rund 4o Prozent seiner Energie aus nichtfossilen Quellen erzeugt) im Nachteil, weil die Umlagen durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz höher sind als die "traditionellen" Stroms.

"Die Energiewende ist unumgänglich, sie kann aber gestaltet werden", sagte SPD-Fraktionsvorsitzende Katrin Budde und wies darauf hin, dass der Energiebedarf unaufhaltsam zunehme und diese Entwicklung auch nicht abzubrechen scheine. "Atomenergie ist keine Alternative, sie ist lediglich eine Hypothekenenergie, deren Kosten (zum Beispiel für die Endlagerung) die nachfolgenden Generationen zu tragen haben." Die Energiewende habe eine soziale Notwendigkeit, denn der Lebensstandard hänge von bezahlbarer Energie ab. Keine Energiewende zu betreiben, träfe demnach vor allem sozial Schwache und Familien.

Die SPD spricht sich für dezentrale Netze und große Stromtrassen aus, und es sei von gesamtgesellschaftlichem Interesse, diese Vorhaben umzusetzen. "Wer hier auf die Bremse tritt, gefährdet die Wirtschaft von heute und morgen", richtete Budde ihre Kritik in Richtung Bayern.

Wirtschaftsminister Hartmut Möllring bezeichnete den Ausbau der Stromnetze als "Achillesferse der Energiewende". Ein Stromtrassenmoratorium werde es mit Sachsen-Anhalt aber nicht geben, versicherte der Minister. Die Energiewende bedeute nichts weniger als den Komplettumbau eines seit Jahrzehnten gewachsenen Energiesystems in Deutschland. Während es früher kurze Wege zwischen Energieerzeuger und Energiekonsument gegeben habe, seien die großen Erzeugerstandorte jetzt abseits der großen Verbraucher angesiedelt. Der Ausbau der sogenannten Hochspannungsgleichstromübertragungsnetze, kurz HGÜ, sei also notwendig.

Die Energiebilanz des süddeutschen Raums (ergo Bayern) sei relativ gering, so müsste er auch 2023 (Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland) noch 30 Prozent des Stroms aus anderen Bundesländern beziehen. Die Stromnetze seien aber schon am Rande der Belastbarkeit angelangt. Aus diesem Grund seien Pläne für Vorzugstrassen in den Süden aufgestellt worden. Möllring betonte, dass die zügige Überarbeitung der Netzentgelte angestrebt werde, denn diese seien in den neuen Ländern höher als im Westen, was zu einem erheblichen und nicht akzeptablen Standortnachteil für Sachsen-Anhalt führe.

Die Energiewende sei nur mit dem Ausbau der Stromnetze zu bewältigen, erklärte Dorothea Frederking (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Aber die Stromtrassen seien sehr teuer und oft gegen den Willen der Bürger. Frederking warb dafür, das dezentrale Energienetz fit zu machen und neue Stromtrassen auf das absolut notwendige Maß zu beschränken. Erneuerung heiße nämlich auch Optimierung und Verstärkung. In ihrem (später abgelehnten) Änderungsantrag legten die Grünen nahe, die Notwendigkeit der HGÜ von Bad Lauchstädt nach Meitingen für den Abtransport des regenerativen Stroms von einem unabhängigen Expertenkreis nochmals detailliert und zeitnah und unter Berücksichtigung der bereits vorliegenden Gutachten überprüfen zulassen und zu klären, ob die Trasse für die Versorgungssicherheit Bayerns wirklich notwendig ist. Frederking warnte davor, neue HGÜs für die Weiterleitung von Braunkohlestrom zu verwenden und diesem Wirtschaftsbereich wieder die Tür zu öffnen. Der Ausbau des Stromnetzes müsse im Endeffekt so gestaltet sein, dass in Deutschland rund um die Uhr grüne Energie genutzt werde.

"Stromleitungen sind die Adern unserer Energieversorgung", sagte Ulrich Thomas (CDU). Während man Milliarden in Kraftwerkparks investiert habe, sei das Stromleitungssystem in Deutschland aber quasi das alte geblieben. Das bestehende Energienetz sei noch für die nicht regenerativen Energien ausgelegt. Folge: Es müsse zu einer Optimierung der Stromnetze kommen. Dazu gehöre auch der Neubau von Hochspannungstrassen.

Ulrich Thomas geht sicher davon aus, dass es nach dem Abschalten der Atomstromanlagen einen Energiemix werde geben müssen, an dem - in Hinsicht einer sicheren Stromversorgung - zunächst auch die Braunkohle Anteil haben werde. Über die Dauer dieses Übergangsprozesses sei es schwierig, etwas zu sagen, weil man nicht voraussehen könne, wann geeignete Speicher für erneuerbare Energie zur Verfügung stünden. Eines sei für die CDU aber sicher: Ohne neue Stromtrassen werde es nicht gehen, weswegen sich die Fraktion auch zu der neuen Trasse von Bad Lauchstädt nach Bayern bekenne.

Viele kleinere Netzanpassungen fanden meist ohne Beachtung statt, sagte Angelika Hunger (DIE LINKE). Bei den großen Übertragungsnetzen sehe das aber ganz anders aus. Hunger bemängelte den noch relativ hohen Anteil an Energie, der aus Kohle gewonnen wird. Man müsse darauf achten, durch den Netzausbau dem Kohlestrom nicht noch zusätzlichen Platz im Stromnetz zu verschaffen. Dies wäre für die Klimabilanz verheerend, warnte Hunger. Die Linken bevorzugen die verstärkte regionale Nutzung von erneuerbaren Energien und eine Energiewende, die sich weltweit regional gestalte. Ähnlich wie die Grünen wollen sie den Bau der Stromtrasse nach Bayern noch einmal überprüfen lassen.

Das Thema Energie verfolgte die Abgeordneten im Februar noch bei zwei weiteren Debatten. Auf Basis eines mit den Stimmen von CDU und SPD beschlossenen Antrags soll sich das Land Sachsen-Anhalt weiterhin für eine umweltfreundliche, bezahlbare und sichere Energieversorgung aussprechen. Die Energiewende soll im Endeffekt zur Wirtschaftlichkeit der erneuerbaren Energien führen und nicht zur Steigerung der Energiepreise beitragen.

Die Weiterentwicklung des Fördersystems der erneuerbaren Energien soll neue Impulse auf dem Energiebinnenmarkt setzen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft stärken. Der Ausbau der Anlagen für erneuerbare Energien in Sachsen-Anhalt, die Entwicklung leistungsfähiger Speichermedien und die gerechte Kostenverteilung waren die zentralen Punkte der Debatte.

Das Energie-Thema wurde abschließend mit einem klassischen "Energiespar"-Aufruf in den Liegenschaften des Landes beendet. Die Grünen hatten einen entsprechenden Antrag eingebracht, konnten ihr Papier gegen einen Änderungsantrag von CDU/SPD allerdings nicht in allen Punkten behaupten. Alle liegenschaftsnutzenden Landesverwaltungen sind nun aufgefordert, aus dem vorhandenen Personalbestand interessierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu beauftragen, Energieeffizienz und energetisch optimiertes Nutzerverhalten in ihren Dienstgebäuden durchzusetzen. Unterstützung sollen sie dabei von der Landesenergieagentur Sachsen-Anhalt (LENA) erhalten. Des Weiteren soll durch die LENA Informationsmaterial zur Verfügung gestellt werden, das die Möglichkeiten zur Optimierung des Energienutzungsverhaltens in den betroffenen Liegenschaften aufzeigt.

Dr. Stefan Müller

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Freie Hebammen stehen unter Druck

Die Nürnbergerversicherungen wollen mit Stichtag 1. Juli 2015 aus der Berufshaftpflichtversicherung für Hebammen aussteigen. Alternative Anbieter sind nicht in Sicht. Ist das Aus der klassischen frei arbeitenden Hebamme damit besiegelt? Die Politik gerät in Zugzwang.

Steigt eine Versicherung aus der Betreuung einer Berufsgruppe aus, müssen sich die Betroffenen für eine andere Versicherung entscheiden. Was aber, wenn keine andere Versicherung einspringt? "Der Versicherungsmarkt für Hebammen ist nicht nur unattraktiv, sondern praktisch nicht vorhanden", bemängelte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Ihre Fraktion hatte die Debatte zum Problem initiiert. Eine Reaktion auf dieses Marktversagen sei von politischer Seite dringend geboten. Den Grünen schwebt unter anderem die Schaffung eines staatlich finanzierten Haftungsfonds oder eine öffentlich-rechtliche Berufshaftpflichtversicherung vor. Hierfür solle man sich im Rahmen einer Bundesratsinitiative starkmachen.

Bei den Hebammen sind die Versicherungsbeiträge seit 1998 kontinuierlich gestiegen. Mussten sie seinerzeit rund 450 Euro Beiträge pro Jahr zahlen, sind es aktuell rund 5100 Euro.

Hintergrund für die stark angewachsenen Versicherungsbeiträge sind die gestiegenen Kosten der Versicherungen im Falle eines Geburtsschadens. Aufgrund besserer medizinischer Behandlungsmethoden und gestiegener Pflegekosten 'müssen immer höhere Entschädigungsleistungen aufgebracht werden. Viele freiberufliche Hebammen widmeten sich aus Kostengründen nur noch der Vor- und Nachbetreuung von Müttern, aber keinen Geburten mehr.

Sozialminister Nobert Bischoff warnte vor einem nicht zu finanzierenden Haftungsfonds des Landes und sprach sich dafür aus, das Thema Hebammen und deren Versicherung als Thema des Bundes zu erachten und an dieser Stelle zu beraten. Wigbert Schwenke und die CDU erwarten ebenso eine bundeseinheitliche Lösung. Im Koalitionsvertrag sei sie auch vorgesehen. Eine Bundesratsinitiative, wie von Grünen und Linken vorgeschlagen, sei der falsche Weg. Die Linken setzen sich für eine sofortige Bundesratsinitiative hinsichtlich der Haftpflichtversicherung, die Einrichtung eines Haftungsfonds sowie die Einführung einer öffentlich-rechtlichen Haftpflichtversicherung für Hebammen ein. Die kontinuierliche Anhebung der Versicherungsbeiträge treibe die Hebammen an den Rand der Existenz, kritisierte Dagmar Zoschke (DIE LINKE), momentan seien die Hebammen finanziell gesehen auf dem Weg ins Ehrenamt.

Nach Ansicht der SPD sind freiberufliche Hebammen ein unverzichtbarer Bestandteil der geburtsbezogenen Versorgung. Sie seien wichtige und enge Beraterinnen der Eltern. Petra Grimm-Benne (SPD) wies auf den Koalitionsvertrag des Bundes hin, eine dauerhafte verfassungsgerechte Lösung für die Berufshaftpflicht der Hebammen zu entwickeln. Im verabschiedeten Antrag wurde die Landesregierung nun aufgefordert, Lösungsvorschläge zur Hebammen-Frage zu erarbeiten und diese mit dem Bund zu kommunizieren.

Dr. Stefan Müller

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Kinder an die Macht?!

Ein Kinder- und Jugendteilhabegesetz soll jungen Menschen in Sachsen-Anhalt mehr Möglichkeiten einräumen, sich in politische Entscheidungsfindungen einzubringen. Nun heißt es: Kinder an die Macht?! Oder wollen sie das gar nicht?

Das von der Fraktion "DIE LINKE vorgelegte Gesetz soll eine Änderung der Verfassung bewirken und der eigenständigen Persönlichkeit von Kindern und Jugendlichen mehr Beachtung schenken. "Wie kann es gelingen, dass Demokratie und Teilhabe ein tatsächlich gelebtes tägliches Bedürfnis wird?", fragte Birke Bull (DIE LINKE) und versuchte fortan, ihre Kolleginnen und Kollegen von der Notwendigkeit des Gesetzes zu überzeugen.

Junge Menschen bräuchten mehr Handlungsfelder, um sich zu engagieren und an Entscheidungen teilzuhaben, so Birke Bull. Demokratie solle nicht mehr nur geübt, sondern am eigenen Leib erfahren werden. Die Linken plädieren unter anderem für die Herabsenkung des Wahlalters bei Landtagswahlen von 18 auf 16 Jahre. Das Stimmrecht würde so für 16-Jährige auch bei Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide gelten.

Zwar wollten auch Jugendliche, dass ihre Meinung jeden Tag zähle, Sozialminister Norbert Bischoff stellte jedoch infrage, ob es dafür eines eigenen Gesetzes bedürfe. Eduard Jantos (CDU) hegt eine gehörige Skepsis gegenüber jedweder Herabsenkung des Wahlalters. Eine vollständige Entscheidungsfreiheit gebe es erst mit Erreichen der Volljährigkeit. Ein gesenktes Wahlrecht stünde im starken Gegensatz zu anderen P16/18-Beschränkungen für Jugendliche (zum Beispiel Pkw-Führerschein, Kaufverträge, Discothekenbesuch).

"Wir brauchen die verbindliche Teilhabe von Kindern und Jugendlichen und daher auch ein entsprechendes Gesetz", legte sich Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) fest. Ihre Fraktion spricht sich für ein aktives Wahlrecht für Jugendliche ab einem Alter von 14 Jahren aus, dem Alter der Strafmündigkeit. Dem noch ausstehenden Beratungsbedarf soll in den Ausschüssen Genüge geleistet werden.

Die Anerkennung von Kindern und Jugendlichen als eigenständige Persönlichkeiten sei fraktionsübergreifend unstrittig, aber: "Muss das zwangsläufig in einem Gesetz verankert sein?", fragte Norbert Born (SPD). Gesetze gäben meist einen strengen Rahmen vor und seien wenig flexibel - aber gerade bei Kindern und Jugendlichen sei Flexibilität notwendig. Es sei schwer, sich mit der Herabsetzung des Wahlrechts anzufreunden, die jetzige Regelung erscheine angemessen. Im Land sei bisher auch keine jugendliche Stimme für eine Herabsenkung des Wahlalters zu vernehmen gewesen.

Im Anschluss an die Debatte wurden alle zum Tagesordnungspunkt eingereichten Papiere in den Ausschuss für Arbeit und Soziales (federführend) sowie in die Ausschüsse für Bildung und Kultur, für Recht, Verfassung und Gleichstellung, für Finanzen und für Inneres und Sport (mitberatend) überwiesen.

Dr. Stefan Müller

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VORGESTELLT

Beratung und Aufklärung

Vor 20 Jahren wurde die Behörde der Stasi-Landesbeauftragten in Sachsen-Anhalt gegründet. Behördenchefin Birgit Neumann-Becker zieht Bilanz, verweist auf die Aufgaben der nächsten Jahre und zieht Lehren aus einer Schuldiskussion in Stendal.

Mit einer Diskussionsveranstaltung auf Einladung des Landtagspräsidenten wurde am 19. März im Landtag an die Gründung der Behörde der Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik erinnert. Die Landesbeauftragte Birgit Neumann-Becker übergab am selben Tag an Landtagspräsident Detlef Gürth den 20. Tätigkeitsbericht ihrer Behörde. Darin wird deutlich, dass auch 25 Jahre nach dem Mauerfall bei vielen Menschen der Wunsch nach einer fachkundigen und zugleich einfühlsamen Beratung über ihre Erfahrungen mit der DDR-Diktatur und den damit verbundenen Folgen Vorhanden ist.

Insgesamt kamen im vergangenen Jahr zu den Beratungstagen, die in mehr als 40 Orten in Sachsen-Anhalt abgehalten wurden, 1566 Besucher. "Die meisten wollten sich über die Möglichkeiten der Akteneinsicht oder der Rehabilitierung beraten lassen", erklärt Neumann-Becker. 1506 hätten daher auch Erstanträge auf Akteneinsicht gestellt, die nach den Beratungsgesprächen an die Außenstellen des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen (BStU) in Magdeburg und Halle weitergeleitet worden seien.

Bei der landesweiten Beratungskampagne habe es sich als "großer Synergieeffekt" erwiesen, dass sie gemeinsam mit den BStU-Außenstellen durchgeführt wurde. "Durch die logistische, inhaltliche und zum Teil personelle Unterstützung der Außenstellen ist es möglich, jährlich in mehr als 40 größeren Orten an die Einwohner ein Beratungsangebot zu machen", so die Landesbeauftragte. Darüber hinaus werde versucht, für alle Bewohner Sachsen-Anhalts mindestens alle zwei Jahre ein wohnortnahes Angebot (unter 20 Kilometer Fahrtweg) bereitzustellen. Die Erfahrung habe gezeigt, dass längere Anfahrtswege kaum in Kauf genommen werden.

"Es ist mit konstanten, wenn nicht sogar steigenden Antragszahlen zu rechnen."
Birgit Neumann-Becker

In Sachsen-Anhalt haben seit 1992 in den BStU-Außenstellen mehr als 372.000 Bürgerinnen und Bürger Anträge auf Akteneinsicht, Auskunft und Herausgabe von Stasi-Unterlagen gestellt. Rund 34.000 davon befinden sich noch in Bearbeitung. "In Folge der Fristverlängerung der Überprüfung von bestimmten Personen auf eine Stasi-Vergangenheit bis zum 31. Dezember 2019 ist mit konstanten, wenn nicht sogar zunehmenden Antragszahlen zu rechnen", sagt Neumann Becker. Weiterhin stehe für eine große Zahl von Betroffenen die Kontenklärung bei der Deutschen Rentenversicherung noch aus, in deren Verlauf in der Regel der Beratungsbedarf festgestellt werde.

"Die Auseinandersetzung mit der eigenen, belastenden Vergangenheit findet nur in bestimmten Lebensabschnitten statt, zum Beispiel nach Verlust des Arbeitsplatzes oder beim Renteneintritt." Oft seien es die Enkelkinder, die ihre Großeltern nach der Vergangenheit fragen würden und so Anstoß zu Nachforschungen gäben.

Ein weiterer Beratungsbedarf habe sich bei ehemaligen DDR-Bürgern ergeben, die heute in westlichen Bundesländern leben. "Bei unseren Beratungen in Niedersachsen, am Tag der Deutschen Einheit in Stuttgart und am Beispiel von Einzelfällen wurde deutlich, dass bei ehemaligen Häftlingen oft die Nachzahlung zur Kapitalentschädigung und die berufliche Rehabilitierung nicht beantragt wurde."

Die ehemaligen politischen Häftlinge der DDR erfahren die besondere Aufmerksamkeit der Stasi-Landesbeauftragten. Bisher haben in Sachsen-Anhalt 15.471 ehemalige Häftlinge Anträge auf Kapitalentschädigung nach Freiheitsentzug gestellt, von denen 12.666 bewilligt wurden. Die "Opferrente" von 250 Euro monatlich haben im vergangenen Jahr 6.809 ehemalige Häftlinge erhalten, das waren 129 mehr als im Jahr zuvor. Sie erhielten insgesamt 16,9 Millionen Euro, die zu 35 Prozent Vom Land getragen wurden.

Neben der Beratungstätigkeit listet der 20. Tätigkeitsbericht weitere Aufgaben der Behörde der Stasi-Landesbeauftragten auf. So wird auf Publikationen über den 17. Juni 1953 in Halberstadt und anderen Orten Sachsen-Anhalts, auf die Erinnerung an den Magdeburger Ernst Jennrich, der am 20. März vor 60 Jahren wegen der Beteiligung am Volksaufstand hingerichtet wurde, und auf Forschungsthemen verwiesen, die von der Behörde bearbeitet werden.

Zum Letzteren gehört neben der Teilnahme an einer länderübergreifenden Untersuchung von Pharmaversuchen in der DDR das Forschungsprojekt zur Poliklinik Mitte in Halle. In die dortige Klinik für Geschlechtskrankheiten waren Frauen aus politischen Gründen eingeliefert worden.

Ein neues Forschungsthema befasst sich mit den Spezialheimen für Kinder und Jugendliche sowie den Jugendwerkhöfen in den ehemaligen Bezirken Magdeburg und Halle. Davon habe es auf dem Gebiet des heutigen Sachsen-Anhalts 40 bis 45 gegeben. Über die Kinder und Jugendlichen, die in solchen Einrichtungen leben mussten, sei wenig bekannt. Auch solle bis Anfang 2015 die Rolle der Stasi in den Heimen erforscht sein.

Im vergangenen Jahr wurde von der Behörde, so Neumann-Becker, die "Gymnasiums-Initiative" fortgeführt. Dabei seien in Zusammenarbeit mit dem Verein "Gegen Vergessen - für Demokratie" zahlreiche Veranstaltungen an Schulen durchgeführt worden, um über den Unrechtsstaat DDR zu diskutieren.

In diesem Zusammenhang zeigte sich die Landesbeauftragte bestürzt über Aussagen einer Lehrerin an der Comenius-Sekundarschule in Stendal. Diese soll am Ende einer Lesung zum DDR-Unrecht mit dem Autor Roman Grafe den DDR-Alltag verklärt und verharmlost haben.

Grafe, 1968 in der DDR geboren und 1989 ausgereist, zitierte sie in der Wochenzeitung "Die Zeit" unter dem Titel "Die sind noch alle da" mit dem Satz: "Wenn man sich in Diktaturen an Regeln hält, passiert nichts".

Das könne nicht so hingenommen werden, sagt Neumann-Becker. "Darüber muss diskutiert werden, mit Lehrern und mit Schülern, mit Eltern." Es sei gut, dass sich auch der Bildungsausschuss des Landtages damit befasst habe. Sie sprach sich aber auch für einen "Brückenschlag" zu den älteren Lehrern aus, die den DDR-Alltag unbeschwert erlebt hätten und erst später mit dem Unterdrückungsstaat DDR konfrontiert worden seien.

Wolfgang Schulz

Birgit Neumann-Becker wurde 2012 vom Landtag als Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen gewählt. "Ich habe dieses Amt noch keinen Tag bereut", sagt die heute 50-Jährige.

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IM BLICKPUNKT

Gedenken im Zeichen der Hoffnung

Mit einer gemeinsamen Gedenkveranstaltung von Landtag und Landesregierung gedachte Sachsen-Anhalt am Holocaustgedenktag (27. Januar) in der Gedenkstätte KZ Lichtenburg Prettin der Opfer des Nationalsozialismus.

Der Holocaustgedenktag, an dem seit 1996 in Deutschland jedes Jahr der Opfer der Nazi-Diktatur gedacht wird, hat in den zurückliegenden anderthalb Jahrzehnten Zeitzeugen die Möglichkeit gegeben, im öffentlichen Raum auf eigene Erlebnisse hinzuweisen, Rechenschaft abzulegen sowie Staat und Gesellschaft die Gefahren von Extremismus und Fremdenhass ins Bewusstsein zu rücken. 69 Jahre nach dem Kriegsende und der Befreiung der Insassen der Konzentrationslager muss das Gedenken aber Schritt für Schritt andere Formen annehmen. Denn welche Erinnerung folgt, wenn der letzte Überlebende und Zeitzeuge gestorben und für immer Verstummt sein wird?

Im Rahmen der diesjährigen zentralen Gedenkveranstaltung des Landes wurden als Redner Menschen eingeladen, die nicht unmittelbar von den Nazi-Verbrechen betroffen waren, sondern durch Familienmitglieder informiert oder durch die eigene Forschung aufmerksam gemacht worden sind: Franziska Seßler, deren Urgroßmutter Lina Haag unter anderen im KZ Lichtenburg Prettin als politischer Häftling einsaß, und Prof. Dr. Andreas Nachama, der als Direktor der Stiftung Topographie des Terrors (Berlin) für das Informieren der kommenden Generationen verantwortlich zeichnet.

Vor ihren Reden während der offiziellen Gedenkstunde nahmen sich die beiden Zeit, um gemeinsam mit Melanie Engler, der Leiterin der Gedenkstätte KZ Lichtenburg Prettin, mit Schülerinnen und Schülern des Gymnasiums Jessen über die Zeit des Nationalsozialismus und den Holocaust zu sprechen. Das Erinnern war eines der zentralen Themen des Schülergesprächs. Wie erinnert man sich richtig und woran? Um etwas nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, kam es aus den Reihen der Schüler, oder auch um Vergangenes aufzuarbeiten.

Andreas Nachama bestätigte all dies und fügte noch hinzu: "Wir erinnern uns an Dinge auf ganz besondere Weise, wenn wir auch in der Gegenwart auf Ähnliches stoßen. Dann stellen wir Bezüge von der Vergangenheit zum Heute her." Ein Beispiel wäre der immer wieder aufkeimende Fremdenhass, den es nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa gäbe. Das politische System sei aber dieser Tage so gestaltet, dass eine politische Ermächtigung wie zu Zeiten der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten nicht mehr ohne Weiteres möglich sei.

Welche Rolle spielen nun Zeitzeugen, vor allem vor dem Hintergrund, dass nach und nach für die letzten von ihnen die Uhr des Lebens abläuft? "Wir müssen die Zeitzeugen, ihr Wissen und ihre Erfahrungen nutzen, solange sie da sind", erklärte Franziska Seßler. Sie selbst habe immer wieder ausführlich mit ihrer Urgroßmutter über deren politisches Leben und ihre jahrelange Haft gesprochen. Auf die Frage, ob es speziell für Franziska Seßlers Urgroßmutter so etwas wie Vergebung gegeben habe, erwiderte sie: Die Maximen Lina Haags seien gewesen, "am Leben zu lernen", kritisch zu denken und in schwierigen Situationen geradezustehen. In den kommenden Jahren und Jahrzehnten wird den Gedenkstätten als Ort der Erinnerungen eine noch wichtigere Rolle zuteilwerden. Sie werden dann Orte der Information und der Bündelung von Zeitzeugenaussagen sein.

"Am Leben lernen, kritisch denken und in schwierigen Situationen geradestehen."
Lebensmaximen der Widerstandskämpferin Lina Haag

Das menschliche Leid, das unverrückbar mit dem KZ Lichtenburg verbunden ist, können nachgeborene Generationen und Unbeteiligte kaum mehr erahnen. Die Gedenkstätte im alten Schloss hält die Biographien der Opfer und der Täter lebendig. Sie macht die Einrichtung damit zu einem Erinnerungsort, aber auch zu einem Ort des Lernens und Verstehens.

Neben der Dauerausstellung ist unter anderem der Sogenannte Bunker zu besichtigen, der Ort für verschärfte Haftbedingungen, in dem die Opfer einer noch größeren seelischen und körperlichen Pein durch ihre Wärter ausgesetzt waren. Genau hier versammelten sich vor Beginn der Gedenkstunde Abgeordnete, Regierungsmitglieder sowie zahlreiche Vertreter aus Wirtschaft, Gesellschaft und Bürgerschaft, um Kränze niederzulegen und mit einer Schweigeminute der Opfer zu gedenken.

Erinnert wurde an die Geschichte des Leidens und gemahnt gegen das Vergessen. Die Orte der Erinnerung zeugten davon, dass Verfolgung ein Teil der Geschichte unseres Landes sei, ein Umstand, der niemals vergessen werden und sich niemals wiederholen dürfe, so Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff. Die Gedenkveranstaltung stehe im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung der Völker.

Als Teil der dritten Generation nach den direkten Opfern steht Franziska Seßler nicht nur für engagierte junge Leute, die sich mit der Geschichte unseres Staates auseinandersetzen, sondern sie ist Teil eines neuen Prozesses des Erinnerns. Sie hat sich die Geschichte ihrer Urgroßmutter Lina Haag, einer Kommunistin, Widerstandskämpferin und KZ-Insassin, erzählen lassen und Leerstellen recherchiert, sie zeigt die 105 Lebensjahre Lina Haags als eine Biographie von vielen, die es lebendig zu halten gilt.

Auch 69 Jahre nach der Beendigung des Zweiten Weltkriegs müsse man der Verantwortung, die sich aus dem Vermächtnis der deutschen Vergangenheit ergeben habe, gerecht werden und an die Gräueltaten der Nationalsozialisten, aber auch an das Wegschauen und Mitmachen der einfachen Bevölkerung erinnern, erklärte Landtagspräsident Detlef Gürth.

"Die Verfolgung fand ohne Gnade und ohne Zögern statt, es konnte jeden treffen: Politiker, Künstler, Pfarrer, Homosexuelle, Pazifisten."
Detlef Gürth, Landtagspräsident

Die erste Demokratie in Deutschland, die der Weimarer Republik, sei an ihrer mangelnden Unterstützung und an Schwächen in der Verfassung zerbrochen. Durch fehlenden Widerstand sei es später zu millionenfachem Mord gekommen. Der Holocaustgedenktag dürfe kein Tag wie jeder andere sein, sagte Gürth, nicht nur an ihm solle man innehalten, sich an das Vergangene erinnern, an die Zukunft mahnen und sich vor den Opfern des Holocausts verneigen.

Deutschland stehe vor einer neuen Schwelle der Erinnerungskultur, erklärte Andreas Nachama. Nachdem das ganze Land und ganz Europa nach 1945 ein einziger Erinnerungsort gewesen seien (der Kontinent lag in Schutt und Asche, es gab keine Familie, die nicht wenigstens ein Opfer zu beklagen hatte), habe sich die Erinnerungskultur gewandelt. Die letzten Zeitzeugen werden die Welt in absehbarer Zeit verlassen, zurück bleiben dann das kollektive Gedächtnis, Biographien Einzelner und Orte der Erinnerung, an denen biographische und historische Geschichte/n zusammengetragen werden.

Verbunden mit Erinnerungsorten würde Geschichte (auch ohne lebende Zeitzeugen) lebendig bleiben und kritische Fragen aufwerfen. Geschichte am Ort des Geschehens zu vergegenwärtigen helfe enorm dabei, die Mechanismen der Zeit zu begreifen und das Leid der Opfer zu verstehen.

Neben weiterführenden Informationen auf seiner Internetseite hat der Landtag von Sachsen-Anhalt auf seinem You-Tube-Kanal (LSA-Landtag) eine kurze filmische Aufarbeitung der Gedenkveranstaltung online gestellt.

Dr. Stefan Müller

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SACHSEN-ANHALT

Spannungsfeld Datenschutz

Der Landesdatenschutzbeauftragte Dr. Harald von Bose übergab den XI. Tätigkeitsbericht an Landtagspräsident Detlef Gürth und richtete Empfehlungen an Parlament und Regierung. Der Innenausschuss des Landtags sieht Datenschutz als permanente Aufgabe seiner Beratungen.

Eigentlich umfasst der Berichtszeitraum des XI. Tätigkeitsberichtes des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt, Dr. Harald von Bose, die Zeit zwischen April 2011 und März 2013. Doch der im vergangenen Jahr immer weiter ausufernde NSA-Skandal war ihm Anlass, die aktuelle Entwicklung bis zum Herbst 2013 in den Bericht einzubeziehen. In den umfangreichen Spionage- und Überwachungsprogrammen amerikanischer und britischer Geheimdienste sieht von Bose einen beeindruckenden Beleg dafür, dass der "demokratische Überwachungsstaat" den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht mehr wahre und damit die Freiheitsrechte der Bürger verfassungswidrig einschränke. Das gehe auch Sachsen-Anhalt an. "Auch wenn das Land scheinbar eine NSA-freie Zone ist, gehören die Themen auf die öffentliche Tagesordnung", heißt es im Bericht.

In dem Bericht, den der Datenschutzbeauftragte am 3. Dezember 2013 an Landtagspräsident Detlef Gürth übergeben hat, geht es um Konzeptionen und Maßnahmen des Datenschutzes in den Bereichen Recht, Technik, Kontrolle und Medienkompetenz. Er behandelt rechtliche sowie technische Entwicklungen und stellt neben Materialien praxisbezogene Hinweise aus ausgewählten anschaulichen Einzelfällen, Beratungen und Kontrollen zur Verfügung.

Im öffentlichen Bereich sei der Datenschutz weiterhin durch das Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Freiheit geprägt, so von Bose. "Die Balance beider Bereiche ist durch umfangreiche elektronisch unterstützte staatliche Datenerhebungen und -verarbeitungen ständig in Gefahr." Das Gewicht verschiebe sich weiter in Richtung Sicherheit bis hin zur Forderung eines "Supergrundrechtes" auf Sicherheit. Der Präventionsstaat sammele Daten auf Vorrat, anlasslos, jedermann erfassend, im Vorfeld von Gefährdungen. "Typisches Beispiel für entsprechende Vorstöße sind die wiederkehrenden Forderungen nach einer Ausweitung von Videoüberwachungen, so auch in Sachsen-Anhalt, bis hin zu heimlichen großflächigen Überwachungen, obwohl das die Polizeigesetze und die Verfassungen nicht erlauben", betont der Datenschützer.

"Auf Landes- wie auf Bundes- und europäischer Ebene gilt es", so der Bericht, "Balance zu halten und die Freiheitsrechte zu wahren. Rechtsstaat und Demokratie verdienen diesen Freiheitsgedanken, denn ohne ihn, konkret ohne informationelle Selbstbestimmung, leidet das Fundament, das die Gesellschaft trägt." In diesem Sinne enthalte der Tätigkeitsbericht Empfehlungen an die sachsen-anhaltischen Behörden, Unternehmen und Kommunen, ihre Datenschutz- und Datensicherheitskonzepte zu überprüfen. Auf der Landesebene stehe eine Novellierung des Landesdatenschutzgesetzes an.

Erstmals umfasst dieser Tätigkeitsbericht auch die Berichterstattung zum Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich, insbesondere in der Wirtschaft. Durch die zunehmende Digitalisierung sei der Datenschutz in diesem Bereich unter Druck geraten. Hier müsse für den Schutz des Persönlichkeitsrechts der Verbraucher aktiv gestritten werden. "Die Daten der Verbraucher, wie zum Beispiel ihr Konsumverhalten oder die aktuellen Adressdaten, sind selbst zum Wirtschaftsgut geworden." Deshalb werbe der Landesbeauftragte dafür, das notwendige Datenschutzbewusstsein bei den Unternehmen zu schaffen. "Die Unternehmen müssen Datenschutz als Führungsaufgabe Verstehen."

Darüber hinaus müssten die Verbraucher ihre Rechte kennen, um das Persönlichkeitsrecht selbstbestimmt wahrnehmen zu können. Dabei werde deutlich, sagte von Bose mit Blickrichtung auf das Kultusministerium, dass Datenschutz eine Bildungsaufgabe sei. "In der sich rasant entwickelnden Informationsgesellschaft mit ihrer weltweiten Vernetzung und der digitalen Durchdringung mittels neuer Informations- und Kommunikationstechnologien in Wirtschaft und Gesellschaft bildet u.a. die Erlangung von Medienkompetenz breiter Bevölkerungsschichten eine der Grundvoraussetzungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben."

Landtagspräsident Gürth dankte dem Datenschutzbeauftragten für den 280 Seiten umfassenden Tätigkeitsbericht und betonte, dass dieser als Drucksache an die Fraktionen und Ausschüsse des Landtages übergeben werde. Für den Ausschuss für Inneres und Sport beispielsweise ist der Datenschutz, so sein Vorsitzender Dr. Ronald Brachmann (SPD), ständiges Anliegen der Beratungen. Der XI. Tätigkeitsbericht selbst werde voraussichtlich im Mai, wenn die Stellungnahme der Landesregierung dazu vorliege, auf der Tagesordnung stehen.

Der XI. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragte für den Datenschutz liegt als Landtagsdrucksache 6/2602 vor und kann auch telefonisch oder schriftlich bestellt bzw. über die Homepage des Landesbeauftragten unter www.datenschutz.sachsen-anhalt.de bezogen werden.

Wolfgang Schulz

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Schulterschluss im Kulturland

Volksinitiative "Kulturland Sachsen-Anhalt retten!" zielt auf eine Rücknahme der Haushaltskürzungen im kulturellen Bereich ab. Die Vertrauensleute der Volksinitiative erklären im Landtag und im Petitionsausschuss ihre Anliegen.

Laut Volksabstimmungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt ist der Landtag verpflichtet, die Vertreter einer Volksinitiative in einer Anhörung zu Wort kommen zu lassen. Nachdem Olaf Schöder, Sänger an der Oper Halle und eine der Vertrauenspersonen der Volksinitiative, bereits in der Dezembersitzung des Plenums das Anliegen der Initiative hatte darstellen können, waren die Vertreter Anfang Januar zu einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Petitionen eingeladen. Die beiden Vertrauenspersonen Olaf Schöder und Tilmann Schwarz (Landgerichtspräsident a. D.) stellten noch einmal die Schwerpunkte der Volksinitiative vor.

Gründungsabsicht der Volksinitiative ist die Rücknahme der von der Landesregierung angestrebten und. vom Landtag im Dezember verabschiedeten Kürzungen im Kulturbereich, die im Haushaltsplan für 2014 ihren Niederschlag gefunden haben (Beschluss getragen von der Koalition, abgelehnt von der Opposition).

Für die Kulturschaffenden des Landes zu starke Kürzungen, die die Existenz der Mehrspartenhäuser und Landesbühnen gefährden. "Noch immer erreichen uns Unterschriften", erklärte Olaf Schöder vor dem Petitionsausschuss. Die Menschen engagierten sich nach wie vor für den Erhalt der kulturellen Einrichtungen und erteilten der Landesregierung und ihren finanziellen Kürzungen eine Absage. Strukturveränderungen seien nur zu erreichen, wenn sie mit einer gewissen Sinnhaftigkeit ausgestattet würden, erklärte Schöder. Nicht zu vergessen seien die bereits vollzogenen Strukturanpassungen seit den 1990er-Jahren, die zum großen Teil auch auf Eigeninitiativen der verschiedenen Häuser zurückgingen.

Das mediale Echo auf die Arbeit der Volksinitiative ist in der ganzen Republik enorm. Es wurde sehr positiv aufgenommen, dass sich die Menschen für den Erhalt ihres Lebensniveaus und ihres kulturellen Erbes einsetzen. Was wünschen sich die Mitglieder der Volksinitiative, was wünschen sich offensichtlich große Teile der Bevölkerung nun von der Landesregierung und dem Landtag als offizielle Volksvertreter? Die Antwort darauf ist denkbar einfach: Niemand stelle sich gegen die gewünschten Kürzungen, einige von ihnen seien nachvollziehbar. Nur sei der zeitliche Rahmen viel zu eng gesteckt.

"Kultur ist das höchste Gut des Menschen", erinnerte Tilmann Schwarz, "diesen unglaublichen Schatz müssen wir sichern und bewahren." Er forderte die Abgeordneten auf, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass die Kultur mit all ihren Facetten überleben kann. Der Volksinitiative schwebt ein Moratorium vor, sodass die zeitlichen und finanziellen Bedingungen von Einsparungen besser geplant und künstlerisch wie sozial verträglich umgesetzt werden können.

Innerhalb von vier Monaten nach der Übergabe der Petition durch die Volksinitiative muss der Petitionsausschuss aufgrund gesetzlicher Bestimmungen eine Beschlussempfehlung erarbeitet und diese dem Landtag zur Beratung vorgelegt haben. Neben dem federführenden Ausschuss für Petitionen sind mitberatend auch die Ausschüsse für Bildung und Kultur sowie für Finanzen in die Beratungen involviert.

Dr. Stefan Müller

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VORSCHAU

Sachsen-Anhalt wählt

Am 25. Mai werden politische Weichen gestellt. Bei Europa- und Kommunalwahl haben die Sachsen-Anhalter die Möglichkeit, das Geschehen der nächsten Jahre zu beeinflussen. Ab dem 28. April ist der "Wahl-O-Mat" frei geschaltet.

Am Sonntag, dem 25. Mai 2014, ist es wieder so weit. Die Sachsen-Anhalter werden an die Wahlurnen gebeten und haben die Möglichkeit, die Weichen für das politische Geschehen der nächsten Jahre in ihren Kommunen, aber auch in ganz Europa zu stellen.

Bei den Kommunalwahlen, in denen Ortschafts-, Gemeinde- und Verbandsgemeinderäte, die Kreistage der Kommunen und die Landräte gewählt werden, kann jeder ab dem 16. Lebensjahr seine Stimme abgeben. Sein Kreuzchen für die Wahl des Europaparlaments kann man mit Vollendung des 18. Lebensjahres machen. Eine Gelegenheit, die nicht ungenutzt bleiben sollte, immerhin wird das EU-Parlament nur alle fünf Jahre gewählt.

Die Europawahl 2014 wird die achte Europawahl sein, bei der das Europäische Parlament direkt gewählt wird. Die Spitzenkandidaten der Parteien aus Sachsen-Anhalt für Brüssel stehen bereits jetzt fest. Die CDU und die SPD schicken Sven Schulze aus Heteborn und Arne Lietz aus Wittenberg in den Europawahlkampf.

Für DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bewerben sich die Hallenserinnen Cornelia Ernst sowie Imke Duplitzer um einen Platz im EU-Parlament. Die FDP schickt Gerry Kley ins Rennen.

Nach der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gilt bei den Europawahlen keine Dreiprozentregel mehr. Damit können auch kleinere Parteien in das Europaparlament einziehen.

Für alle Unentschlossenen bleibt noch genügend Zeit, sich umfassend zu informieren. Ab dem 28. April wird auf der Internetseite der Bundeszentrale für Politische Bildung der "Wahl-O-Mat" freigeschaltet und gibt, mit individuellen Informationen gefüttert, Auskunft über eine mögliche Entscheidung.

Weitere Informationen sowie den Link zum "Wahl-O-Mat" finden Sie unter wvvw.sachsen-anhalt.de, Stichwort Kommunalwahlen.

Annekatrin Barth

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Landesausscheid im Wettbewerb Jugend debattiert

Mehr als 1.000 Schülerinnen und Schüler aus ganz Sachsen-Anhalt sowie ihre Lehrerinnen und Lehrer nehmen auch in diesem Jahr an dem Wettstreit der gemeinnützigen Hertie-Stiftung teil. Die Sieger der Einzelausscheide auf Ebene der Schulverbünde küren am 12. Mai 2014 im Gesellschaftshaus Magdeburg ihre Jahressieger. Die traditionell im Plenarsaal des Landtages stattfindende Veranstaltung musste aufgrund von Modernisierungsarbeiten erneut verlegt werden.

Landtagspräsident Detlef Gürth eröffnet das Landesfinale. Dazu eingeladen wurden Kultusminister Stephan Dorgerloh und Vertreter der Hertie-Stiftung. Debattiert wird über praktische Fragen, wie z. B.: Sollen Landtagswahlen mit weniger als 50% Wahlbeteiligung wiederholt werden? Eine Jury bewertet Sachkenntnis, Ausdrucksvermögen, Gesprächsfähigkeit und Überzeugungskraft. Die Gewinner werden Sachsen-Anhalt beim Bundesausscheid am 28. Juni 2014 in Berlin vertreten. Der Finalausscheid beginnt um 14.00 Uhr (Gesellschaftshaus Magdeburg, Schönebecker Str. 129).

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IMPRESSUM

Herausgeber: Der Präsident des Landtages von Sachsen-Anhalt

Auflage und Erscheinen: 10.000 Exemplare, vierteljährlich

Redaktion/Bestelladresse: Landtag von Sachsen-Anhalt
Ref. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Besucherdienst
und Protokoll
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Fax: 0391 / 560 1123
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Redaktion: Ursula Lüdkemeier (Ltg.), Annekatrin Barth,
Ulrich Grimm, Julia Hohn, Dr. Stefan Müller,
Gudrun Oelze, Wolfgang Schulz,

Fotos: Titel: picture alliance/AP Photo - Claudette Barius; Seite 2: Ulrich Grimm, Landtag von Sachsen-Anhalt; Seite 4: Foto Klapper Magdeburg; Seite 5: Illustration IdeenGut, Sebastian Bretthauer; Seite 6: Wolfgang Schuz; Seite 8: Heil-Küffner; Seite 9: Kzenon - Fotolia.com; Seite 10/11: Frank Drechsler; Seite 12: Thorsten Pahlke; Seite 14: Klaus Baier; Seite 15: Dana Toschner; Seite 16: Universum; Seite 17: 2013 Twentieth Century Fox; Seite 18/ 19: FrauenOrte Dr. Elke Stolze, Wikimedia Michael Sander; Seite 20: Gina Sanders - fotolia.de: Seite 22: Tyler Olson - Fotolia.com; Seite 23: U18-Netzwerk; Seite 25: Wolfgang Schulz; Seite 26/27: Dr. Stefan Müller; Seite 28: Wolfgang Schulz: Seite 31: Ulrich Grimm, Landtag von Sachsen-Anhalt

Satz & Gestaltung: IdeenGut OHG | www.ideengut.info

Druck: Harzdruckerei GmbH. www.harzdruck.de

Redaktionsschluss: 14. März 2014

Dieses Magazin dient der Öffentlichkeitsarbeit des Landtages von Sachsen-Anhalt. Es wird kostenfrei verteilt. Es darf weder von Wahlbewerbern noch von Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden.

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Quelle:
ZwischenRuf 1/2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Mai 2014