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SACHSEN-ANHALT/321: ZwischenRuf 2-2014 - Das Magazin des Landtages


ZwischenRuf 2/2014
Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt

Transparenter Landtag

Einen Blick hinter die Kulissen bietet das Parlament am 3. Oktober. Am Tag der deutschen Einheit wird ein Informations- und Eventprogramm geboten.





INHALT

SACHSEN-ANHALT
Neue Generation für Europa
Sachsen-Anhalt ist wieder mit zwei Abgeordneten im Europäischen Parlament vertreten. Wahlsieger in Sachsen-Anhalt wurde die CDU vor der Partei DIE LINKE und der SPD.

AUS DEM PLENUM
Menschenwürdige Bedingungen sind gefragt
In einer Großen Anfrage an die Landesregierung forderten die Grünen Daten und Fakten zur Situation der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden. Es folgte eine emotionale Aussprache im Landtag.

Ein wahrer Schatz
Der Landtag hat sich im Juni zu einer nachhaltigen multifunktionalen Forstwirtschaft bekannt.

Zur Stärkung des Ehrenamts
Um die Weiterentwicklung des ehrenamtlichen Engagements zu fördern, brachten die Linken einen Antrag zur Sozialversicherungsfreiheit des Ehrenamts in den Landtag ein.

NACHRUF
Das Land geprägt
Der Landtag trauert um Dr. Reinhard Höppner, der am 9. Juni 2014 im Alter von 65 Jahren verstarb. Als Abgeordneter der ersten Stunde gehörte er 16 Jahre dem Landtag von Sachsen-Anhalt an.

IN KÜRZE
Neue Besucherförderung
Für die Bezuschussung von Fahrtkosten beim Besuch des Landtages gibt es eine neue Förderrichtlinie.

Informativ, transparent und modern
Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat seinen Internetauftritt einem kompletten Relaunch unterzogen.

VORGESTELLT
Halbzeit in der Kommission
Die Enquete-Kommission "Öffentliche Verwaltung konsequent voranbringen - bürgernah und zukunftsfähig gestalten" hat ihre erste Halbzeit geschafft.

GESCHICHTE
Gescheiterte Mission
Zum 70. Mal jährt sich der Tag des Attentats auf Adolf Hitler durch Claus Schenk Graf von Stauffenberg.

Immer auf der Höhe der Zeit
Vor 65 Jahren wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet.

VORSCHAU
Wenn Wasser aus der Erde kommt
13 Landtagsabgeordnete kümmern sich um Vernässungsprobleme in Sachsen-Anhalt.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

TRANSPARENTER LANDTAG
Mit einem Blick hinter die Kulissen begeht der Landtag am 3. Oktober den Tag der Deutschen Einheit.

VOLLZEIT VERMITTLER
Im Fokus: Die Arbeit in den Fraktionen. Teil 3 der Artikelserie über die Arbeitsweise des Landtages.

LEBENDIGES MUSEUM
Die Königin der Blumen blüht und duftet in Sangerhausen in unzähligen Variationen.

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Schülerkalender für Sachsen Anhalt

Der Landtag von Sachsen-Anhalt stellt erstmals einen Schülerkalender für junge Leute zur Verfügung. Das Kalendarium orientiert sich am Schuljahresverlauf 2014/15 und stellt eine Kombination aus Hausaufgabenheft und professionellem Timer dar. Dementsprechend werden als Zielgruppe Schülerinnen und Schüler ab 14 Jahren angesprochen. Ergänzt um eine Vielzahl nützlicher Informationen rund um den Schulalltag sollte dieser Kalender in keiner Schultasche mehr fehlen. Dafür wurde er im praktischen A5-Format produziert. Die durable Ringbindung sorgt außerdem für eine gute Handhabung und Haltbarkeit. Vordrucke für sich ändernde Stundenpläne, Zensurenspiegel, einen Kontakt- und Notizbereich sowie Info-Seiten ergänzen das Kalendarium. So wird in jeder Wochenübersicht ein kleiner Hinweistext angeboten, der über Besonderheiten informiert. So zum Beispiel darüber, dass sich Deutschlands größter künstlicher See in Sachsen-Anhalt befindet. Aber auch gesellschaftliche Anlässe werden erklärt: Warum heißt der 27. Januar Holocaustgedenktag? Gibt es etwas mehr zu erklären, ist eine Info-Seite vorhanden, die in Text und Bild Hilfestellung gibt. Der Schülerkalender wird kostenfrei abgegeben. Bei Bedarf, kann auch ein Klassensatz (30 Stück) zur Verfügung gestellt werden.

Bestellmöglichkeit:
E-Mail: kontakt@lt.sachsen-anhalt.de
Telefon: 0391 / 560 1226
Fax: 0391 560 1123
E-Mail: landtag@lt.sachsen-anhalt.de
per Post: Landtag Sachsen-Anhalt | Domplatz 6-9 | 39104 Magdeburg

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Abgeordnete der Linken wird Landrätin

In sieben Landkreisen Sachsen-Anhalts fanden im Mai neben den Europawahlen auch Landratswahlen statt. Dr. Angelika Klein (DIE LINKE) konnte sich in der Stichwahl am 15. Juni mit 81 Prozent der Wählerstimmen deutlich gegen Amtsinhaber Dirk Schatz durchsetzen und wird nun neue Landrätin in Mansfeld-Südharz. Am 16. Juli wird sie ihre Ernennungsurkunde erhalten und daraufhin ihr Landtagsmandat niederlegen. Für sie rückt in die Reihen der Linken Bianca Görke aus dem Salzlandkreis nach. Mit Klein geht auch die derzeitige Vorsitzende des Finanzausschusses des Landtags. "Ruhe, Geduld und immer eine gute Übersicht, dazu der fortwährende Kontakt zu allen anderen Ausschüssen und nicht zuletzt stets die Haushaltswahrheit im Blick zu behalten", gibt sie ihrem Nachfolger mit auf den Weg.

Dr. Stefan Müller

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KOLUMNE

Mir ist das Wurst!

Über die unterschiedlichen Arten der Mitbestimmung in Europa

Von Dr. Stefan Müller

Nee, nee, nee, mit den Europawahlen im Mai war es längst nicht getan. Da haben wir zwar unser Kreuz gemacht, aber die eigentliche Arbeit fängt doch erst richtig an! Das Europäische Parlament hat sich in den ersten Juli-Tagen konstituiert, wie man so schön sagt und eigentlich meint: seine Arbeit aufgenommen. Wir als Otto Normalverbraucher kriegen davon ja nicht so viel mit, höchstens wenn es mal wieder heißt: Laut neuem EU-Recht ...

Bei Wahlen treffen ja traditionell die verschiedensten Interessengruppen aufeinander - ob nun an der Urne oder am Telefon, mit zum Teil langfristigen Auswirkungen. Eine davon: Europa hat einen Bart! Und das ist jetzt nicht etwa negativ gemeint wie bei alten Witzen, deren Verfallsdatum längst abgelaufen ist. Die Idee vom Einheitskontinent ist im historischen Kontext doch noch allzu jung, um sie in die Aaaalt-und-Laaangweilig-Ecke abzuschieben. Okay, unsere Gesellschaft überaltert - aber dafür werden wir Jungen auch alle älter. Und ja okay, mit der Wirtschaft sah es in den letzten Jahren auch nicht so rosig aus - aber sagen wir es doch mal so: In einer Wirtschaft wurde das letzte Bier erst gezapft, wenn das Fass leer ist. Und da haben wir erfahrungsgemäß und wie sich langsam wieder zeigt noch einige Reserven auf Lager.

Europa hat also etwas von einer Antiquität, deren Wert so langsam man im Begreifen ist. Die Patina wird weggerubbelt und es bleiben Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - und Schwesterlichkeit, so viel Zeit muss sein! Vor dem hier wunderbar passenden Schlachtruf der Französischen Revolution haben die Europäerinnen und Europäer (der EU) sich am letzten Maiwochenende auf den Weg zu den Wahlurnen gemacht und haben für ihr neues Europaparlament in Straßburg ihre Stimme abgegeben. Und auch wenn die Wahlbeteiligung mal wieder nur so lala war, haben wir, denen die Zukunft von Europa am Herzen liegt, doch gezeigt, dass es sich lohnt, seine Stimme abzugeben.

Und apropos Schwesterlichkeit: Der Europawahl ist freilich für viele Fans eine ebenso entscheidende Wahl vorausgegangen! Für diese mussten die Europäer (jedes Alters!) zwar keinen Wahlzettel ausfüllen, durften aber zum Telefon greifen: Die Wahl zum ESC. Sie wissen schon, was ich meine. Was für manche noch immer nur ein Knopf auf der Computertastatur ist (links oben!), ist für rund 200 Millionen Menschen auf dem Kontinent einmal im Jahr das Nonplusultra. Der Eurovision Song Contest (ESC) hat in diesem Jahr ein Vielfaches bewiesen: (a) Europa hat musikalischen Geschmack. (b) Europa hat modischen Geschmack. (c) Europa würdigt den Menschen in all seinen vielfältigen Erscheinungsformen. Conchita Wurst hat nämlich gewonnen und wurde zur Königin der ESC-Nacht gekrönt - ein männlicher Travestiekünstler mit super Stimme, der mit Was-für-einer-Figur! in ein Kleid schlüpfte, dass alle Frauen vor Neid mal kurz den Atem anhielten.

Nun mag eine ESC-Stimmenauszählung nicht in Gänze die tatsächliche politische, kulturelle und gesellschaftliche Stimmung in Europa widerspiegeln, aber eine Wahl zum Europäischen Parlament schafft das auch nicht, deswegen ist mir das an dieser Stelle Wurst! Am wichtigsten ist doch, dass bei beiden Wahlen demokratische Prinzipien zum Einsatz kamen - die Mehrheit macht's eben! Und manchmal hilft auch ein bisschen Wahlkampf. Und das Ergebnis ist doch großartig: Wir haben einen europäischen Kommissionspräsidenten, einen europäischen Parlamentspräsidenten und eine europäische Königin (Conchita Wurst). Was wollen wir mehr, oder?

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SACHSEN-ANHALT

Neue Generation für Europa

Sachsen-Anhalt ist wieder mit zwei Abgeordneten im Europäischen Parlament vertreten. Die Wahlbeteiligung bei der Europawahl im Land stieg um 5,2 Prozentpunkte auf 43 Prozent. Wahlsieger in Sachsen-Anhalt wurde die CDU vor der Partei DIE LINKE und der SPD.


Sachsen-Anhalt ist aus der Europawahl am 25. Mai 2014 gestärkt hervorgegangen. Gegenüber der Wahl 2009 gingen 55.296 Frauen und Männer mehr zu den Urnen, obwohl die Zahl der Wahlberechtigten insgesamt um mehr als 120.000 abgenommen hat. Mit einem Zuwachs von 5,2 Prozentpunkten stieg die Wahlbeteiligung von 37,8 Prozent (2009) auf 43 Prozent. Das ist zwar gegenüber dem Bundesdurchschnitt (48,1 Prozent) immer noch ein Rückstand, aber insgesamt für das Land, so schätzen es Landtag und Landesregierung ein, ein erfreulicher Zuwachs.

Mit 30,7 Prozent (plus 1,6 Prozent) konnte die CDU wieder stärkste Kraft werden. Ihr folgen die Partei DIE LINKE mit 21,8 Prozent (minus 1,8) und die SPD mit 21,7 Prozent (plus 3,6). Die beiden sachsen-anhaltischen Regierungsparteien können damit je einen Abgeordneten ins Europäische Parlament schicken. Die Spitzen der großen Parteien in Sachsen-Anhalt haben sich mit dem Wahlergebnis fast durchweg zufrieden gezeigt. CDU-Chef Thomas Webel sagte, er werte das Ergebnis als Beweis dafür, dass die Europakritiker in Deutschland deutlich in der Minderheit seien. LINKE-Landeschefin Birke Bull (MdL) fand das Abschneiden ihrer Partei zwar "nicht berauschend". Man sei aber dennoch zufrieden, weil das Ergebnis stabil geblieben sei. SPD-Chefin und -Fraktionsvorsitzende Katrin Budde nannte das Resultat einen Lohn für gute Politik.

Als am 1. Juli das Hohe Haus in Straßburg zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentrat, waren Sven Schulze (34 Jahre) für die CDU und Arne Lietz (37 Jahre) für die SPD erstmals dabei. Sachsen-Anhalt ist damit wieder mit zwei Abgeordneten vertreten, die zugleich für einen Generationswechsel stehen. Seit 2009 war Horst Schnellhardt von der CDU alleiniger Repräsentant des Landes in Straßburg und Brüssel. Nach 20 Jahren im EU-Parlament ist der heute 68-Jährige, der auch Abgeordneter des ersten Landtages von Sachsen-Anhalt war, nicht wieder zur Wahl angetreten. Zuvor waren neben Schnellhardt Ulrich Stockmann (SPD) von 1994 bis 2009 und Karsten Knolle (CDU) von 1999 bis 2004 Mitglieder des EU-Parlaments.


Wahl des 8. Europäischen Parlaments am 25. Mai 2014 
 Ergebnisse in Sachsen-Anhalt
CDU 2014
CDU 2009
LINKE 2014
LINKE 2009
SPD 2014
SPD 2009
GRÜNE 2014
GRÜNE 2009
AfD 2014
30,7 %
29,1 %
21,8 %
23,8 %
21,7 %
18,1 %
4,8 %
5,4 %
6,3 %


Durch den Wegfall der Sperrklausel sind im 8. Europäischen Parlament zahlreiche kleine Parteien vertreten, die es ansonsten nicht nach Brüssel geschafft hätten. Für Sachsen-Anhalt hat das jedoch keine Auswirkung, weil auf den Bundeslisten der kleinen Bewerber kaum Sachsen-Anhalter vertreten waren, zumindest nicht auf den vorderen Plätzen. Über eine eventuelle Zusammenarbeit der beiden Abgeordneten aus Sachsen-Anhalt mit Vertretern von Splitterparteien gibt es noch keine eindeutigen Aussagen, dazu sei es noch zu früh. Schulze und Lietz betonten jedoch übereinstimmend, dass sie "mit Sicherheit gut zusammenarbeiten" würden, wenn es sich anbiete. "Schließlich stellen CDU und SPD die Koalitionen so wohl im Bund als auch im Land", sagte Schulze.

Für Sven Schulze sind zwei Dinge vordringlich, die er als Abgeordneter anpacken will: Zunächst möchte er den Sachsen-Anhaltern Europa näher bringen, ihnen die europäischen Zusammenhänge noch besser erklären. Außerdem möchte er Sachsen-Anhalt in Brüssel und Straßburg "noch besser verkaufen", da das Land viel von Europa profitiert habe. "Durch die EU wurden in den vergangenen Jahren viele Projekte in Sachsen-Anhalt gefördert und unterstützt. Seit 1990 sind fast zehn Milliarden Euro nach Sachsen-Anhalt geflossen, so für den Stadtumbau oder auch die Modernisierung von Schulen."

Bis 2020 sollen es weitere 2,86 Milliarden Euro sein. Außerdem will er sich für ein bürgernahes Europa einsetzen. "Nicht jede Aufgabe in Europa ist auch eine Aufgabe für Europa. Regelungen und Beschlüsse müssen vernünftig, angemessen und nachvollziehbar sein. Wir brauchen ein wettbewerbsfähiges Europa. Hierzu müssen wir nachhaltig in Bildung, Forschung und Infrastruktur investieren. Nur so ermöglichen wir Wachstum und sichern unsere gute Stellung im weltweiten Wettbewerb."

Drei Monate vor der Europawahl war Arne Lietz als Nachrücker für die aus persönlichen Gründen zurückgetretene SPD-Spitzenkandidatin Victoria Orioli ins Rennen gegangen. Jetzt ist der Junggeselle glücklich, dass er das Mandat bekommen hat. Für seine Zeit im Parlament hat er schon konkrete Vorstellungen: "Ich will mich dafür einsetzen, dass wir in Deutschland und in ganz Europa keine gentechnisch veränderten Lebensmittel auf den Teller und in unsere Läden bekommen. Derzeit verhandelt die Europäische Union hinter halb verschlossenen Türen ein Freihandelsabkommen mit den USA. Ich trete dafür ein, dass unsere europäischen Standards bei Lebensmitteln, im Verbraucherschutz und im Arbeitsrecht bei diesem Abkommen erhalten bleiben."

Lietz will des Weiteren den 500. Jahrestag des Thesenanschlags von Martin Luther als europäisches kultur- und tourismuspolitisches Thema in Brüssel einbringen. Sachsen-Anhalt dürfte damit für viel Gesprächsstoff in Straßburg und Brüssel sorgen.


Arne Lietz ist Historiker und wurde am 23. Juli 1976 in Güstrow geboren. Er ist ledig. Er studierte Geschichte, Politik und Erziehungswissenschaften in Berlin und Kapstadt, arbeitete danach als Historiker in den USA, in Deutschland und England für eine amerikanische Lehrerorganisation und für die Bundeszentrale für politische Bildung. Seit 2010 war er als Referent des Oberbürgermeisters der Lutherstadt Wittenberg tätig. In die SPD ist er 2008 eingetreten. Er ist Vorsitzender des Kreisverbandes Wittenberg und Sprecher der Fachausschüsse Europa und Kultur in der SPD Sachsen-Anhalts. "Mein Ziel ist es, Sachsen-Anhalt noch besser in Europa zu vernetzen."

Sven Schulze ist Diplom-Wirtschaftsingenieur und war zuletzt als Vertriebsleiter in einem mittelständischen Maschinenbau-Unternehmen im Harz tätig. Er wurde am 31. Juli 1979 in Quedlinburg geboren, ist verheiratet, Vater von zwei Kindern und wohnt in Heteborn. Seit 1997 ist er Mitglied der CDU, gehört deren Landesvorstand an und übt dabei den Vorsitz des Fachausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten aus. Außerdem ist er Landesvorsitzender der Jungen Union. "Die europäische Idee bedeutet Frieden und Freiheit in Wohlstand und Sicherheit. Doch wir müssen Europa wieder mehr Leben einhauchen, denn die hohe Bedeutung der EU für Sachsen-Anhalt darf nicht verkannt werden."

Wolfgang Schulz

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SACHSEN-ANHALT

Transparenter Landtag

Tag der offenen Tür im Landtag! Das Parlament bereitet für den Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2014 ein vielfältiges, interaktives Informations- und Eventprogramm vor. Und nur an diesem Tag gibt es den Blick hinter die Kulissen.


In den Jahren 2005 und 2010 kamen Tausende Besucher zu den Tagen der offenen Tür in den Landtag von Sachsen-Anhalt. Eingebettet in die damaligen Veranstaltungen des Sachsen-Anhalt-Tages in Magdeburg sowie des Bürgerfestes zum 20-jährigen Bestehen des Landes wurden die Möglichkeiten für einen Blick hinter die Kulissen des Landtages sehr gut angenommen. Aufbauend auf diesen Erfahrungen hat der Ältestenrat des Landtages beschlossen, am diesjährigen Tag der Deutschen Einheit (3. Oktober 2014) erneut zu einem Tag der offenen Tür in den Landtag von Sachsen-Anhalt am Magdeburger Domplatz einzuladen.

In Übereinstimmung mit den Landtagsfraktionen soll der Tag der offenen Tür im Landtag "den Bürgerinnen und Bürgern ein vielfältiges, interaktives Informations- und Eventprogramm" bieten. Dazu laufen die Vorbereitungen bereits. Die Besucher sollen den Landtag hautnah und transparent erleben. Sie erhalten die Möglichkeit, Räumlichkeiten, die üblicherweise nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind, kennenzulernen.

So zum Beispiel das Amtszimmer des Landtagspräsidenten, den Sitzungsraum des Ältestenrates sowie die Abgeordnetenbereiche und den Saal der Landespressekonferenz. Außerdem können sie Dienstleistungen rund um die Parlamentsarbeit in Augenschein nehmen, beispielsweise den stenografischen Dienst, die Landtagsbibliothek, das Archiv und die Parlamentsdokumentation. Besonders vielfältige Angebote werden die Abgeordneten in den Geschäftsstellen der Fraktionen präsentieren (siehe Infokasten). Im Plenarsaal können Gäste das Rednerpult ausprobieren. Die Landtagsstenografen werden dabei zeigen, wie das gesprochene Wort digitalisiert und zu einem Sitzungsprotokoll verarbeitet wird. Dabei wird ein Fotograf Aufnahmen machen, die gleich mitgenommen werden können.


Fraktionsangebote zum Tag der offenen Tür

CDU-Fraktion:

  • Informationen über die Arbeit der CDU-Fraktion - Die Landtagsabgeordneten erläutern ihren Arbeitsalltag.
  • Sprechstunde mit dem Fraktionsvorsitzenden - Die Tür zum Büro von André Schröder steht offen.
  • Fotoausstellung/Fotoaktion - Bilderreihe der Fraktion und Fotoerinnerung für die Gäste.
  • Kinderecke - Spiel und Spaß für die kleinsten Besucher.
  • FraktionsTV - CDU-Abgeordnete in Bild und Ton.



Fraktion DIE LINKE:

  • Vorstellung der Geschäftsstelle
  • das Büro des Fraktionsvorsitzenden
  • Ausstellungseröffnung der Künstlervereinigung "Gruppe 90"
  • "Ort für Wortsport": Alle Gäste sind eingeladen, sich im Debattensport auszuprobieren
  • Infoplakate zur Fraktion und ihrer Arbeit
  • Fotos aus dem Fraktionsalltag
  • Ausschank roter Fassbrause



SPD-Fraktion:

  • Ein Blick hinter die Kulissen - Die SPD-Fraktion öffnet die Räume der Geschäftsstelle
  • "Herbst '89 - 25 Jahre friedliche Revolution" - Fotos von Dieter Müller. Ein Chronist zeigt Bilder der friedlichen Revolution in Magdeburg.
  • Wer macht was und in welcher Region? Eine Präsentation stellt die Abgeordneten, ihre Arbeitsschwerpunkte und ihre Wahlkreise vor.



Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

  • Präsentation der Fraktion (Mitarbeiter öffnen ihre Büros)
  • Videopräsentation (Videos der Fraktion u.a. zu den Themen Sommertour 2013, Video ABC)
  • Ausstellung "Die Kraft des Windes einfangen"
  • Obst-/Snack-Angebot "Regional, Bio, Lecker"


Der Landtag will sich an diesem Tag auch als ein Ort der Kommunikation und Diskussion präsentieren. Dazu zählt die Diskussionsveranstaltung "Bürger treffen Politik" im Plenarsaal, bei der Gäste und Abgeordnete unter Leitung des Landtagspräsidenten ins Gespräch kommen können. Geplant sind um 12 Uhr die Gesprächsrunden "Direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung" und um 14 Uhr "Kultur- und Theaterlandschaft in Sachsen-Anhalt". Auf großes Interesse dürfte auch die öffentliche Sitzung des Ausschusses für Recht und Verfassung am Vormittag stoßen, denn Ausschusssitzungen finden ansonsten unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

In Vorbereitung sind auch wieder Angebote für Kinder. Dazu gehören eine Malstrecke, das Maxi-Puzzle, der "heiße Draht" und ein Quiz mit Preisen. Schließlich sollen Ausstellungen und ein gastronomisches Angebot in der Landtagskantine den Tag der offenen Tür im Landtag zu einem Erlebnis für alle machen.

Am Tag der offenen Tür werden des Weiteren die Landesbeauftragten für den Datenschutz und für die Unterlagen der Staatssicherheit der ehemaligen DDR Einblicke in ihre Arbeit gewähren. Mehrere Infotafeln werden unter anderem über die 1990-er Jahre und über den Landtagsumbau Auskunft geben. In einem Film erinnern sich Zeitzeugen an die Jahre des Aufbruchs. Der Landtag öffnet an diesem Tag der offenen Tür von 10.30 bis 17.30 Uhr.

Wolfgang Schulz

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IM BLICKPUNKT

Vollzeit in vermittelnder Rolle

Facettenreich ist wohl das richtige Wort, um die parlamentarische Arbeit im Landtag zu charakterisieren. Basierend auf den häufigsten Fragen, die Landtagsbesucher den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Besucherdienstes stellen, ist die Idee entstanden, in einer Artikelreihe den essentiellen Grundlagen parlamentarischer Tätigkeit nachzugehen und damit die vielen Aspekte parlamentarischen Wirkens aufzuzeigen.


Für den ersten Teil wurde im Heft 3/2013 ein Einblick in die Herausforderungen der Wahlkreisarbeit gewährt. In der ZwischenRuf-Ausgabe 4/2013 wurden die komplizierten Verquickungen und die Funktion der Fachausschüsse als "Werkstätten des Landtages" verbildlicht. Die aktuelle Ausgabe soll die Vorbereitung und den Ablauf der Plenarsitzungen begleiten Zunächst jedoch durfte ZwischenRuf-Redakteurin Annekatrin Barth für das Magazin gemeinsam mit dem Parlamentarischen Geschäftsführer (PGF) der Fraktion DIE LINKE, Guido Henke einen Blick hinter die Kulissen des Fraktionsalltages werfen.

Puzzleteil für Puzzleteil fügt sich so das Gesamtbild der parlamentarischen Arbeit. Dabei führen mich meine Recherchen zur Artikelreihe wieder einmal in das Landtagsausweichquartier in der Olvenstedter Straße. Diesmal bin ich mit Guido Henke, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion DIE LINKE zum Gespräch verabredet.

Der schmale Gang, in welchem sich die Schaltzentrale der Fraktion - die Fraktionsgeschäftsstelle - befindet, wird rechts und links von beklebten Türen gesäumt. Neben einigen witzigen Sprüchen, Informationsmaterialen und persönlicher Dekoration prangen auch offensichtlich politische Statements an den Büroportalen. Keine Seltenheit, ist es den Fraktionen im Landtag doch erlaubt, ihre jeweiligen Flure individuell zu gestalten und dazu gehören politische Positionen und Leitsprüche.

Ich klopfe an die Tür zum Büro meines Interviewpartners. Mit einem Lächeln empfängt mich Guido Henke in seinem rund 15 Quadratmeter großen Büro. Die Auswahl verschiedener Sakkos, welche sich ordentlich auf einer Kleiderstange an der Wand reihen, deutet darauf hin, dass Guido Henke viel Zeit in diesem sortiert wirkenden Landtagsbüro verbringt. Zwischendurch scheint er für alle Eventualitäten gewappnet sein zu wollen.

Und in der Tat erklärt er mir gleich zu Beginn unseres Gesprächs, dass er - ähnlich wie seine Kolleginnen und Kollegen - fast täglich und oftmals mitunter sehr lange im Landtagsbüro ist, um sich um Fraktionsbelange und um seine Aufgaben als Fachpolitiker für Bauen und Wohnen zu kümmern. "Als Politiker hat man eben nicht die klassische Vierzigstundenwoche, sondern ist immer unterwegs. Es wird zwar nie langweilig, bisweilen kann es jedoch auch ziemlich anstrengend werden", so Henke weiter.

Diese Aussage kommt mir nicht unbekannt vor, habe ich doch bereits bei meinen Besuchen im Wahlkreis und in den Fachausschüssen Bekanntschaft mit übervollen Terminkalendern machen dürfen.

Auf die Frage, um welche Verpflichtungen es sich dabei handele, erklärt Henke, zum einen wären da, wenn man sich nur auf die Arbeit in der Fraktion beziehe, viele administrative und organisatorische Dinge, die es für ihn als Parlamentarischer Geschäftsführer zu erfüllen gebe. Zum anderen sei er für eine fraktionsübergreifende Kommunikation mit den anderen Parlamentarischen Geschäftsführern zuständig.

Dabei könne Organisatorisches zwischen den vier Landtagsfraktionen abgestimmt und ein reibungsloser parlamentarischer Ablauf der Plenarsitzung koordiniert werden. Natürlich würden auch politische Sachverhalte besprochen.

Hierzu ist Guido Henke auch Mitglied des Ältestenrates, einem fraktionsübergreifenden Gremium, welches sich aus den erfahrendsten Abgeordneten zusammensetzt. Der Ältestenrat tagt immer donnerstags in der Woche vor der Landtagssitzung und legt dabei beispielsweise die Reihenfolge der Tagesordnungspunkte und die Redezeiten fest.

Die parlamentarischen Geschäftsführer können als Manager des Alltagsgeschäfts im Parlament bezeichnet werden. Ihre wichtigste Aufgabe ist es, die Geschäfte für ihre Fraktion im Verhältnis zum Landtag und den anderen Fraktionen zu regeln.

Sie bündeln gewissermaßen Informationen und koordinieren intern die verschiedenen Organisationseinheiten ihrer Fraktion. Indem sie die jeweiligen Fraktionsthemen einreichen und sich um den Ablauf der Parlamentsdebatte kümmern, bereiten sie den Nährboden für eine fraktionsübergreifende parlamentarische Auseinandersetzung mit politischen Inhalten.

Im Einzelnen existieren in den Landtagsfraktionen Wochenablaufpläne, welche die verschiedenen Termine zusammenfassen. In der Regel sind die Fraktionsmitglieder an Montagen in ihren jeweiligen Wahlkreisen, erklärt Guido Henke. "Der Dienstag ist dann voll und ganz für die Fraktionsarbeit reserviert. Morgens trifft sich der Fraktionsvorstand zur Dienstberatung. Danach finden Arbeitskreis- oder Arbeitsgruppensitzungen statt und meist am Nachmittag findet sich die gesamte Fraktion mit ihren Mitarbeitern zur Fraktionssitzung ein", so Henke weiter.

Diese Sitzungen seien im Fall der Fraktion DIE LINKE öffentlich und jeder Interessierte könne teilnehmen. Jede Landtagsfraktion hat die Möglichkeit, durch eine Festlegung in ihrer Geschäftsordnung, die Öffentlichkeit zu ihren Sitzungen zuzulassen. "Gelegentlich finden Fraktionssitzungen auch auswärts statt. So waren wir beispielsweise Anfang April zum 50. Jubiläum Halle Neustadts in Halle an der Saale", erklärt der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion DIE LINKE. Solche Sitzungen seien einem bestimmten Thema in einer speziellen Region gewidmet.

Eine Festlegung der Fraktion sei, dass die Fraktionsmitglieder zweimal pro Jahr meist im April und Oktober in die verschiedenen Regionen zu Kommunaltouren ausschwärmen. So können Themen vor Ort aufgegriffen werden und die Fraktionsmitglieder bekommen die Gelegenheit, sich zu verschiedenen politischen Sachverhalten und Problemstellungen ein Bild zu machen. "Dabei stellt sich uns auch immer die Frage, wie die Landespolitik vor Ort ankommt", erklärt Henke. Aus der Auswertung dieser Eindrücke ergäben sich neue Arbeitschwerpunkte und unterschiedliche parlamentarische Aktivitäten.

Mittwochs bis freitags tagen dann monatlich die zwölf ständigen Fachausschüsse und alle vier Wochen kommen alle Mitglieder des Landtages donnerstags und freitags zur öffentlichen Plenarsitzung zusammen.

Die insgesamt 28 Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE sind in drei Arbeitskreisen mit unterschiedlicher thematischer Ausrichtung organisiert. Die Anzahl der Arbeitskreise - in anderen Fraktionen auch Arbeitsgruppen genannt - variiert je nach Fraktionsstärke. Die Mitglieder des Landtages ringen fraktionsintern sowohl in ihren jeweiligen Arbeitskreisen als auch in den Fraktionen um politische Positionen und Entscheidungen.

Dabei fungieren die Fraktionssitzungen, laut Guido Henke, als Arbeitsberatungen, in denen die Ergebnisse der Arbeitskreise durch die jeweiligen Fachpolitiker oder Sprecher mit Beschlussempfehlungen argumentativ dargelegt werden. "Wir sehen uns als pluralistischen Zusammenschluss und argumentieren in der Sache". Dabei gäbe es weder Rede- noch Denkverbote. Wichtig sei ein konstruktiver Positionsaustausch der thematisch vielfältig spezialisierten Mitglieder einer Fraktion, erklärt Henke weiter.

In diesem Sinne kann von einem so genannten Fraktionszwang, also einem vorgegebenen einheitlichen Abstimmungsverhalten, nicht die Rede sein. "Es kommt durchaus vor, dass ein Mitglied einer Fraktion nicht der Fraktionsempfehlung folgt, sondern sich im Sinne seines freien Mandates enthält oder sich mit seinem Votum gegen einen Antrag stellt", unterstreicht Guido Henke.

Die fraktionsinterne Meinungsbildung in Vorbereitung der Landtagssitzung beschreibt der Politiker der LINKEN folgendermaßen: Die Idee zu einer Vorlage wird beispielsweise aus den Eindrücken einer Kommunaltour gewonnen. Der jeweilige Fachpolitiker formuliert mit Hilfe der fachlichen Expertise der wissenschaftlichen Fraktionsmitarbeiter und seiner Arbeitskreiskolleginnen und -kollegen eine fachspezifische Vorlage.

Diese stellt er oder sie mit einer Beschlussempfehlung in der Fraktionssitzung vor. Daraufhin wird sie durch alle Fraktionsmitglieder diskutiert und eine Gesamtposition erarbeitet. Hierbei wird auf Grundlage des konstruktiven Austausches ein Antrag zur Einbringung ins Plenum erarbeitet und darüber abgestimmt. Sobald der Antrag durch die Mehrheit der Landtagsmitglieder an einen oder mehrere Fachausschüsse überwiesen wurde, findet eine weiterführende inhaltliche Verständigung im Arbeitskreis und mit den Mitgliedern anderer Fraktionen im Fachausschuss statt. Währenddessen werden die Fraktionsmitglieder durch den Sprecher oder die Sprecherin mit allen wichtigen Informationen aus Ausschuss und Arbeitskreis versorgt.

Ähnlich gestaltet sich die Verständigungskette bei der Positionierung zu Anträgen anderer Fraktionen. Diese sind gerade im Falle von Änderungsanträgen während der Plenarsitzung im Vorfeld nicht immer bekannt, sodass es die Aufgabe des Parlamentarischen Geschäftsführers ist, sich während der Sitzung mit seinen Fachleuten "über die Bänke hinweg" hinsichtlich einer Beschlussempfehlung für die Fraktion zu verständigen und diese als Orientierung mit seinem Votum anzuzeigen.

Im Allgemeinen vertraut eine Fraktion auf das Fachwissen und die Beschlussempfehlung ihrer Spezialisten. Immerhin haben sie sich im Sinne der Arbeitsteilung eingehend mit ihren Themen befasst, sodass ihr jeweiliger Standpunkt in der Regel Akzeptanz findet. Die Sprecherinnen und Sprecher "besitzen in ihren Bereichen gewissermaßen argumentative Autorität", erklärt Guido Henke. "Die wichtigste Prämisse ist jedoch, dass jegliche Entscheidung innerhalb der Fraktion demokratisch gefällt wird."

Es stellt sich nun die Frage, wie aus Landespolitikerinnen und Landespolitikern Fachleute werden? "Ganz einfach", verrät Guido Henke: "Welche fachliche Spezialisierung und damit welche Sprecherfunktion ein Mitglied einer Fraktion einnimmt, hängt von seinem oder ihrem individuellen fachlichen Umfeld, der persönlichen Professionalisierung und Interessenlage ab." Auch spielten der vorherige berufliche Hintergrund und die erlangten Erfahrungen eine große Rolle bei der thematischen Arbeitsaufteilung innerhalb einer Fraktion.

Doch wie decken kleinere Fraktionen die thematische Bandbreite ab, wenn sich die fachliche Arbeit auf nur neun Parlamentarier, wie bei der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN verteilt? "Kleinere Fraktionen haben es etwas schwerer. Sie müssen die Arbeit auf weniger Köpfe aufteilen, sodass ein Fraktionsmitglied einfach verschiedene fachliche Bereiche abdeckt und sich auch in mehreren Fachausschüssen engagiert, erklärt mir der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion DIE LINKE abschließend.



Zur Person

Guido Henke wurde am 14. September 1964 in Haldensleben geboren. Nach dem Abitur, 1983 leistete der heutige Politiker Wehrdienst im Wachregiment und studierte von 1986 bis 1990 Rechtswissenschaften. Seit Beginn des Studiums engagierte sich Guido Henke in der SED. Von 1990 bis 1993 arbeitete der mittlerweile diplomierte Jurist als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der PDS-Fraktion der Volkskammer des Bundestages und des sächsischen Landtages. Ab 1993 übernahm Henke die Aufgaben des Verbandsjuristen, später des Hauptgeschäftsführers des Baugewerbe-Verbandes Sachsen-Anhalt.

Der Jurist betreut als Listenkandidat für DIE LINKE den Wahlkreis 07 Haldensleben. Seit 2009 ist er Mitglied der Partei DIE LINKE und Vorsitzender des Stadtrates Haldensleben. Als Landtagsmitglied seit der 5. Wahlperiode ist Guido Henke seit Frühjahr 2014 Parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion. Zudem ist er Vorsitzender des 14. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, Mitglied des Ältestenrates, des Ausschusses für Finanzen sowie des Ausschusses für Landesentwicklung und Verkehr.

Annekathrin Barth

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REGIONALFENSTER

Ein lebendiges Museum

Europa-Rosarium Sangerhausen: Die Königin der Blumen blüht und duftet in der tausendjährigen Stadt in unzähligen Variationen. Auf einer Fläche von 13 Hektar zeigen mehr als 8.500 verschiedene Rosensorten in über 70.000 Einzelpflanzen die Entwicklung der Blume von der Wildform bis zur Edelrose.


Über Jahrhunderte war es der Bergbau, der Sangerhausen prägte. Tief aus der Erde holten die Bergleute seit dem Mittelalter Silber und Kupfer - auch noch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ab den 1950er Jahren wurde der Abraum, der dort beim Abbau von Kupferschiefer anfiel, per Seilbahn zur Hohen Linde, einem Bergrücken nördlich von Sangerhausen, gebracht. Bis zur Einstellung des Bergbaus im Jahr 1990 wuchs die Halde auf knapp 150 Meter Höhe an.

Zu Füßen dieses riesigen Kegels gedeiht, was die zwischen Südharz und Kyffhäuser am Rande der fruchtbaren Goldenen Aue gelegene tausendjährige Stadt überregional bekannt und berühmt machte: Die Königin der Blumen in millionenfacher Zahl. Rosenstadt nennt sich Sangerhausen, und das zu Recht. Dort beheimatet ist das Europa-Rosarium, die weltweit größte Sammlung an Rosen.

Dank der Schönheit ihrer Blüten faszinieren Rosen seit Jahrtausenden Pflanzenbegeisterte und ziehen sie in ihren Bann, werden von Dichtern besungen und von Liebenden verschenkt. Und doch ist kaum jemandem bewusst, welche Vielfalt diese Pflanzengattung tatsächlich zu bieten hat.

Umso mehr lohnt ein Besuch im Europa-Rosarium in Sangerhausen. In ihm blühen und duften heute auf einer Fläche von 13 Hektar mehr als 8.500 verschiedene Rosensorten und -arten in etwa 70.000 Einzelpflanzen, die es zu einem einzigartigen lebendigen Museum machen, das die Entwicklung der Königin der Blumen von der Wildform bis zur Edelrose, vom Altertum bis zur Moderne zeigt.

Dem Rosarium im Süden Sachsen-Anhalts wurde 1993 der Titel "Europa-Rosarium" verliehen und Sangerhausen offiziell zur Rosenstadt im Verein Deutscher Rosenfreunde e.V. ernannt. Es verfügt über die wohl älteste auf eine Pflanzengruppe spezialisierte Lebendsammlung in Deutschland.

Begonnen hat seine Geschichte vor genau 111 Jahren. Nachdem im 19. Jahrhundert die Züchtung neuer Rosensorten einen enormen Aufschwung nahm, wurde 1883 der Verein Deutscher Rosenfreunde (seit 2007 Gesellschaft Deutscher Rosenfreunde e.V.). gegründet, der sich auch ein vereinseigenes Rosarium wünschte. Dafür brachte der Sangerhäuser Kaufmann Albert Hoffmann, der in seinem privaten Rosengarten damals bereits 4.000 Rosenstöcke in fast 1.000 verschiedenen Sorten und Arten besaß, seine Heimatstadt ins Gespräch und Sangerhausens Stadtväter stellten das verwilderte Stadtparkgelände zur Verfügung.

Das kostenlose Gelände und die verkehrstechnisch günstige Lage Sangerhausens in der Mitte Deutschlands sprachen gegen Mitbewerber wie Gotha oder Frankfurt am Main, sodass 1898 die Gründung des Rosariums in Sangerhausen beschlossen wurde.

Eröffnet wurde es fünf Jahre später, am 3. Juli 1903, mit einem Sortiment aus etwa 2.000 verschiedenen Rosen auf einer Fläche von 1,5 Hektar. Schon in den Anfangsjahren aufsehenerregend: eine Wildrosensammlung, die 1900 auf der Weltausstellung in Paris gezeigt worden war, von wo die Reiser über das Rosarium L'Hay Les Roses 1909 ins Rosarium Sangerhausen gelangten.

Sie bildeten die Grundlage der heutigen Wildrosensammlung des Europa-Rosariums. Im Laufe von 100 Jahren wuchs sie auf rund 500 verschiedene Wildrosenarten, deren Varietäten und Artbastarde an. 2003 wurde für sie im Rosarium ein neues Quartier angelegt, in dem sich die Wildrosen nun in ihrer natürlichen Wuchsform optimal entfalten können.

Bei Wildrosen handelt es sich um in der Natur vorkommende Rosen, die ohne den Einfluss des Menschen entstanden. Unter ihnen gibt es niedrige Sträucher von nur 30 bis 40 Zentimeter und Kletterrosen bis zu zehn Meter Höhe. Die Blüten sind einzeln oder in Büscheln, die Blütenfarben variieren zwischen weiß, rosa, karminrot oder gelb.

In dieser Formenvielfalt liegen Quelle und Ursprung der heute so zahlreichen Rosensorten und -arten, die oft nach ihrem Verwendungszweck eingeteilt werden: Edel- und Beetrosen, Zwerg- und auch Strauchrosen, Bodendecker oder Kleinstrauchrosen sowie Kletterrosen. Von allen finden sich bezaubernde Exemplare im Europa-Rosarium Sangerhausen, das besonders stolz auf seine Kollektion von rund 1.350 historischen Rosensorten ist.

Insgesamt blühen in den Beeten zwischen Mai und Oktober Rosen aus über 70 Klassen. Viele werden weltweit nur noch in Sangerhausen kultiviert. Der Erhalt dieser Sorten gehört zu den zentralen Aufgaben des Rosariums. Jährlich werden aber auch zahlreiche Neuzugänge integriert, wobei der Schwerpunkt auf Vervollständigung der Sammlung historischer Rosen, Wildrosenarten sowie der modernen europäischen Rosen liegt.

Neben der Aufgabe, zum Teil sehr alte und seltene Sorten zu bewahren, ist das Europa-Rosarium auch einer der Prüfungsgärten für ADR-Rosen (Allgemeine Deutsche Rosenneuheitenprüfung). Das ADR-Prädikat erhalten nur Rosen, die sich in einem aufwändigen dreijährigen Prüfverfahren an elf Standorten in Deutschland hinsichtlich Blattgesundheit, Blüte, Frosthärte und Duft bewährt haben.

Mehr als 150 solcher modernen Rosensorten, die für ihre universelle Gartentauglichkeit und Robustheit das ADR-Prädikat erhielten, werden im Europa-Rosarium präsentiert.

Verständlich, dass die Züchtung neuer Sorten und die Sammelleidenschaft der Rosengärtner im Laufe der Zeit mehrfach eine Erweiterung und Umgestaltung des Geländes in Sangerhausen erforderte. So wurde das Rosarium anlässlich seines hundertjährigen Jubiläums 2003 erweitert und erhielt einen zweiten Eingangsbereich, der heute als Haupteingang dient.

Die Hochsaison der Königin der Blumen beginnt im Mai

Von dort führt die breite Hauptachse, aufwändig mit Kletterrosen, Beetrosen und Stauden bepflanzt, zum Rondell, von dem aus sich ein weiter Ausblick auf den historischen Teil des Rosariums bietet. Im Frühjahr 2006 wurde das Informationszentrum "Rose" eröffnet, kurz danach der Säulengarten und der Duftgarten angelegt und auch ein neuer Kinderspielplatz.

Die Hochsaison der Königin der Blumen beginnt im Mai mit der Blüte der Wildrosen, ehe ab Juni, begleitet vom Duft- und Farbspiel der Parkrosen, 850 verschiedene, zu Pyramiden und Säulen gebundene Kletterrosen dem Park ein prachtvolles Aussehen verleihen, das man in keinem anderen Rosengarten der Welt findet. Bis in den Spätherbst blühen dann die modernen Beet- und Strauchrosen vor der traumhaften Kulisse von 300 verschiedenen Baum- und Gehölzarten. Immer wieder bewundert werden Rosenattraktionen wie die "Grüne" und die "Schwarze Rose", verschiedene Moosrosen, die echte Ölrose, die kleinsten Rosen der Welt oder Rosen aus Goethes Garten und viele andere Raritäten.

Das kulturelle Angebot im Rosenpark und in der Rosenarena, einer überdachten Freilichtbühne, reicht vom traditionellen Berg- und Rosenfest am letzten Juni-Wochenende über Schlager-, Volksmusik- und Rockkonzerte sowie Kunstausstellungen bis zur Nacht der 1.000 Lichter jeweils am 2. Samstag im August. In diesem Jahr erwartet Gäste des Europa-Rosariums am 9. August bei der Nacht der 1.000 Lichter Spitzenartistik und künstlerische Darbietungen, Walk-Acts, Kinderanimation, lateinamerikanische Rhythmen sowie Folk- und Countrymusik. Krönender Abschluss über der im Lichterglanz erstrahlenden größten Rosensammlung der Welt wird ein Musikfeuerwerk um Mitternacht sein.

Egal, ob die Besucher inmitten der Rosen entspannen, im Duftgarten die betörenden Düfte der Blüten intensiv wahrnehmen, Wissen um die Königin der Blumen erweitern oder im Gartentraumladen aus dem Angebot an Rosen und Rosenprodukten wählen möchten - das Rosarium Sangerhausen bietet allen interessante Eindrücke und Anregungen. Es ist jedoch weit mehr als ein Park zum Erholen und Genießen, sondern ein lebendiges Rosenmuseum, in dem auch Züchtung und Forschung betrieben werden. Die einmalige, von Fachleuten in über hundert Jahren zusammengestellte und geordnete Sammlung gewährt Wissenschaftlern, Züchtern und Rosenfreunden einen umfassenden Einblick in die Geschichte der Rose. Von der Stadt Sangerhausen erhielt das EUROPA-Rosarium 2005 das unbefristete Mandat zur Etablierung einer Rosengenbank mit den dazugehörigen Referenzsammlungen. Ziel dieser Genbank ist die Erfassung und langfristige Erhaltung genetischer Ressourcen der Rosen in wissenschaftlicher, nachhaltiger und kosteneffizienter Art und Weise.

Die Altstadt Sangerhausens steht unter Denkmalschutz

Die "Heimstatt" des Europa-Rosariums selbst präsentiert sich auch außerhalb des Parks als Rosen-Stadt. Im Rahmen der Altstadtsanierung wurden viele Hausfassaden mit Kletterrosen bepflanzt, Rosenkaskaden in den Straßen aufgestellt und damit eine alte Tradition neu belebt. Denn schon 1897 bepflanzte der Rosenzüchter Albert Hoffmann, dessen Sammlung später den Grundstock für das Rosarium bildete, eine Kirche mit Rosen. Die Ulrichkirche im historischen Stadtkern gehört zu Sachsen-Anhalts Straße der Romanik. Dieses älteste Gebäude Sangerhausens wurde 1116-1123 als dreischiffige romanische Pfeilerbasilika erbaut. Die Jacobikirche ist eine spätgotische dreischiffige Hallenkirche, die von 1457 bis 1542 errichtet wurde. Den "ältesten Einwohner" der Stadt - das 500.000 Jahre alte Skelett eines Altmammuts - findet man im Spengler-Museum. Die komplette Altstadt von Sangerhausen blieb als geschlossenes Bauensemble aus dem 15. bis 18. Jahrhundert erhalten und steht heute unter Denkmalschutz. Bei einem Bummel entlang der liebevoll restaurierten altehrwürdigen Häuser in der Göpenstraße, am Kornmarkt und Markt mit dem Renaissance-Rathaus sowie den Patrizierhäusern präsentiert Sangerhausen seine nahezu unveränderte historische Stadtentwicklung. Das Erlebnis-Zentrum Bergbau Röhrigschacht Wettelrode vermittelt ein lebendiges Bild vom 800jährigen Kupferschieferbergbau.

Gudrun Oelze


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

EUROPA-ROSARIUM
Lageplan

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AUS DEM PLENUM

Menschenwürdige Bedingungen sind gefragt

In einer Großen Anfrage an die Landesregierung forderten die Grünen im März Daten und Fakten zur Situation der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Sachsen-Anhalt ab. Dass es neben den Verbesserungen gegenüber 2012 noch immer eine Fülle von kritischen Aspekten gibt, zeigte die emotionale Aussprache der Großen Anfrage.


An einem besseren Tag als dem 20. Juni hätten die Große Anfrage und der Entschließungsantrag der Grünen nicht im Landtag behandelt werden können, denn dieser war von den Vereinten Nationen zum Weltflüchtlingstag ausgerufen worden. Der Tag stand in diesem Jahr unter dem Motto "Jeder Flüchtling hat eine Geschichte". Mehr als 50 Millionen Menschen sind weltweit von Flucht und Vertreibung betroffen, das sind mehr als nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Da Deutschland und somit auch Sachsen-Anhalt sich verpflichtet haben, weitere Flüchtlinge aus den Krisengebieten aufzunehmen, bedurfte es einer Bestandsaufnahme: Wie sind die Asylsuchenden im Land untergebracht, mit welchen Schwierigkeiten haben sie im täglichen Leben zu kämpfen?

Dies war der Ausgangspunkt der Großen Anfrage der Grünen. Die Landesregierung legte zur Junisitzung ihre Antwort vor - 28 Antworten zu 28 Fragen, versehen mit einem detaillierten Anhang, der Daten und Fakten beinhaltet, die ein genaueres Bild von der Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen in Sachsen-Anhalt entwerfen.

Im Vergleich zur Großen Anfrage im Juli 2012 hat sich die Lage bei der Unterbringung ein bisschen verbessert. 2012 hatten 52 Prozent der Asylsuchenden in Gemeinschaftsunterkünften gelebt, jetzt sind es noch 42 Prozent.

Parallel ist im gleichen Zeitraum - bedingt durch die höhere Zahl der Unterzubringenden - die Zahl der Unterkünfte aber von 16 auf 22 gestiegen. Die Unterkünfte seien so gut wie ausgelastet, mahnte Sören Herbst (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) an, mehr Menschen müssten dezentral in Wohnungen untergebracht und aus ihrer gesellschaftlichen Isolation herausgeholt werden.

Kritik an baulichen und hygienischen Bedingungen

Auf Basis der Leitlinien der Landesregierung für die Unterbringung sollen Familien und Alleinerziehende mit Kindern in Wohnungen untergebracht werden, aber das sei leider nicht immer der Fall. "Sammelunterkünfte sind kein Ort, an dem Kinder großgezogen werden sollten." Herbst kritisierte zudem die baulichen und hygienischen Bedingungen in einigen von ihm besuchten Gemeinschaftsunterkünften: "Gehen sie einmal in ihren Landkreisen in die Sammelunterkünfte", forderte er seine Landtagskollegen auf, "die wenigsten von Ihnen würden sich dafür entscheiden, auch nur einen einzigen Tag oder eine einzige Nacht dort zu bleiben."

Dass die Zustände teilweise so schlecht seien, sei auch auf die fehlenden Kontrollen durch das Landesverwaltungsamt zurückzuführen. Diese fänden viel zu selten statt, das Personal sei völlig überlastet, unangemeldete Kontrollen seien so gut wie unmöglich. Herbst warb für den Entschließungsantrag seiner Fraktion, durch den sich der Landtag zur dezentralen Unterbringung, zu mehr Mitbestimmung, Leitlinien mit rechtlichem Charakter, zur Verdopplung der unangemeldeten Kontrollen und zu besseren Unterbringungskonzepten bekennen soll.

Innenminister Holger Stahlknecht wies darauf hin, dass sein Ministerium im Januar 2013 Leitlinien für die Unterbringung und Betreuung von nicht dauerhaft aufenthaltsberechtigten Ausländerinnen und Ausländern aufgestellt und zur Umsetzung freigegeben habe. Dies sei mit einem Monitoring verbunden, das 2015 zur Auswertung vorgesehen sei. Schon jetzt sei klar, dass es zu einem Anstieg der Asylsuchenden um 140 Prozent gekommen ist.

Die Betroffenen werden auf Basis einer Quote ("Königsteiner Schlüssel") auf die Landkreise und kreisfreien Städte verteilt. Die Kommunen müssten sich den Herausforderungen stellen, um die Aufgaben im Sinne der Leitlinien zu erfüllen, sagte Stahlknecht. Die Landesregierung sehe aber im Gegensatz zu den Grünen von einer sehr zügigen dezentralen Unterbringung von Asylsuchenden ab. Die SPD-Abgeordnete Silke Schindler forderte, die Umsetzung der von Minister Stahlknecht angesprochenen Leitlinien zu forcieren, die Kommunen auf deren Verpflichtung hinzuweisen und fachaufsichtlich wirksam zu werden.

Kritisch betrachtete Schindler die Situation in einigen Wohnheimen: Hinsichtlich der Zumessung des Wohnraums und der hygienischen und sanitären Standards müsse man sich bisweilen die Frage nach einer menschenwürdigen Unterbringung stellen. Es müssten Voraussetzungen geschaffen werden, um Flüchtlinge und Asylsuchende angemessen unterbringen zu können, erklärte Schindler. Über die bereits erreichten Verbesserungen hinaus müsse eine Ausweitung der sozialen Betreuungsangebote in den Gemeinschaftsunterkünften sichergestellt werden.

Es leben zu viele Familien in Gemeinschaftsunterkünften

Nach wie vor lebten Familien in Gemeinschaftsunterkünften, obwohl dies den Leitlinien nicht entspreche, kritisierte Henriette Quade (DIE LINKE). Zudem seien in elf Einrichtungen Menschen untergebracht, die schon mehr als fünf Jahre in Gemeinschaftsunterkünften lebten. Mancherorts liege es an den Ortsbürgermeistern, die sich schlichtweg weigerten, entsprechend anderen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Die Leitlinien des Innenministeriums verfehlten den Kern ihrer eigenen Zielstellung. In ihnen gebe es zu viele Kann-Bestimmungen. Darüber hinaus lasse das Innenministerium zu, dass der Erlass außerordentlich flexibel ausgelegt werde.

Quade bemängelte die niedrige Quote adäquat ausgebildeter Sozialarbeiter in den Einrichtungen und die zu selten durchgeführten unangemeldeten Kontrollen durch das Landesverwaltungsamt. Die Linken sprechen sich wie die Grünen für einen konsequenten Weg zur dezentralen Aufnahme von Asylsuchenden aus. Hierfür bedürfe es stärkerer politischer Verbindlichkeiten.

Die gesetzlichen Regelungen für die Aufnahme von Flüchtlingen und Asylsuchenden würden von den Behörden mit großem Verantwortungsgefühl ausgeführt, versicherte Jens Kolze (CDU). Der sogenannte "Königsteiner Schlüssel" bestimme das Aufnahmekontingent von Flüchtlingen (aktuell vermehrt aus Syrien). Hierbei müsse man aber ordnungspolitischen und öffentlichen Interessen gerecht werden.

So regele nach Aussage von Jens Kolze das Asylverfahrensgesetz des Bundes, dass die Unterbringung in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften und zunächst nicht in Wohnungen stattzufinden habe. Andere Unterbringungsmöglichkeiten würden mit den Handlungsspielräumen in den Leitlinien des Landes für nicht dauerhaft aufenthaltsberechtigte Ausländerinnen und Ausländer eröffnet.

Über die Hälfte der in Sachsen-Anhalt lebenden Asylsuchenden sei­ en dezentral in Wohnungen untergebracht, hob Kolze hervor. Da viele Flüchtlinge unter den traumatischen Ereignissen litten, wäre eine zu schnelle dezentrale Unterbringung kontraproduktiv. Diese Menschen bräuchten zunächst die Nähe ihrer Landsleute und die direkte Betreuung in den Gemeinschaftsunterkünften. Bauliche und hygienische Mängel vor Ort seien aber nicht hinnehmbar.

Kolze legte nahe, die Aufenthaltsdauer in den Gemeinschaftsunterkünften zeitlich zu begrenzen. "Aber eine generelle Abschaffung von Asylbewerberheimen wird es mit der CDU nicht geben." Klare Leitlinien für die Unterbringung und die soziale Betreuung sowie die Verkürzung der Bearbeitungsdauer bei Asylverfahren (nicht länger als drei Monate) sollen den Prozess erleichtern und beschleunigen.

Nach der Aussprache zur Großen Anfrage wurden der Entschließungsantrag der Grünen und die Antwort der Landesregierung in den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen. Beide werden dort weiter behandelt.

Dr. Stefan Müller

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AUS DEM PLENUM

Ein wahrer Schatz

Der Landtag hat sich im Juni zu einer nachhaltigen multifunktionalen Forstwirtschaft bekannt. Die Landesregierung soll nun im Zuge der Novellierung des Landeswaldgesetzes zur Situation der Waldwirtschaft, zum Zustand des Waldes und zur Biodiversität in den Wäldern des Landes berichten.


Im Jahr 2013 war es 300 Jahre her, dass der Begriff Nachhaltigkeit wissenschaftlich von Hans Carl von Carlowitz geprägt wurde. Demnach sollte nur so viel Holz aus dem Wald entnommen werden, wie durch Wiederaufforstung nachwachsen kann. Sachsen-Anhalt hat zwar mit 24 Prozent Landesfläche vergleichsweise relativ wenig Wald, nichtsdestotrotz konnte vor Kurzem der 500.000. Hektar Waldanteil im Land erreicht werden. Die Sicherung der vorhandenen Holzressourcen hat sowohl ökologisch-klimatische als auch - vor allem in strukturschwachen ländlichen Regionen - wirtschaftliche Bedeutung für das Land. Es besteht zudem eine große Nachfrage nach Holz als Energielieferant.

Durch einen von CDU und SPD eingebrachten Antrag, den alle Fraktionen am Ende der dazugehörigen Debatte im Juni befürworteten, soll die Landesregierung in den Ausschüssen für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie für Umwelt zu insgesamt 13 Fragen Stellung beziehen. Darunter befinden sich beispielsweise der Stand der Biodiversität in den Wäldern Sachsen-Anhalts seit der Wiedervereinigung, die Möglichkeit, einen Teil der Waldfläche für eine natürliche Entwicklung sich selbst zu überlassen und die Herausforderungen der Forst- und Holzwirtschaft im Land.

Ralf Geisthardt (CDU) bezeichnete als Einbringer des Antrags die Forstwirtschaft als das Rückgrat im ländlichen Raum, es handele sich also um ein Thema, über das es zu sprechen lohne. Geisthardt wies darauf hin, dass die Personalzahlen in der Fortwirtschaft nicht noch mehr reduziert werden dürften. Die Beschäftigten leisteten zum Teil erhebliche körperliche Arbeit, überdies seien die Förster schon zu halben Verwaltungsangestellten gemacht worden. In diesem Zusammenhang sei auch von einer weiteren Reduzierung der Reviere abzusehen.

Schon im Jahr 2012 habe sich die Koalition im Landtag mit einem Antrag für die Nachwuchsgewinnung in der Forstwirtschaft eingesetzt, erinnerte Geisthardt. Dieses Thema solle weiter begleitet werden. Es gelte, angemessene Rahmenbedingungen für qualifiziertes Personal bereitzustellen und Bildungs- und Weiterbildungsangebote vorzuhalten. Darüber hinaus sprach sich der Umweltexperte der CDU für die Aufrechterhaltung der Angebote für Kinder aus, durch die auch dem Nachwuchs deutlich gemacht werde, warum der Wald und die Waldbewirtschaftung so wichtig seien. Auch der Erhalt der Jugendwaldheime stehe auf der Agenda der Koalition. Denn all dies stecke im Begriff der multifunktionalen Nutzung des Waldes.

Zu einer ordentlichen Forstwirtschaft gehöre auch eine funktionierende Jagd, um die verschiedenen Populationen im Wald in der Waage zu halten, erklärte Ralf Geisthardt. Es seien zudem Schutzmaßnahmen im Wald durchzuführen, um besonderen Schädlingen (zum Beispiel dem Eichenprozessionsspinner) Herr zu werden.

"Unser Wald hat Zukunft, er ist Heimat und Lebensraum für die Tiere und Pflanzen sowie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor", erklärte Umweltminister Dr. Hermann Onko Aeikens. Er sprach von einer "guten Entwicklung des Waldes" im Land. Kein anderes Bundesland habe in den vergangenen 20 Jahren seine Waldfläche so steigern können wie Sachsen-Anhalt. Über die Hälfte des Waldes befindet sich in privatem Besitz, 27 Prozent werden vom Landesforstbetrieb verwaltet. Der gute Zustand des Waldes sei den Forstverwaltungen und privaten Waldbesitzern zu verdanken.

Der Umweltminister wies darauf hin, dass es im Bereich der Kleinwaldbesitzer Nachjustierungen geben müsse: Hier gebe es unter anderem Probleme bei der Pflichtversicherung, deren Kosten mitunter höher ausfielen als die wirtschaftlichen Erträge.

Forstwirtschaft wird nach Einschätzung des Ministers in Sachsen-Anhalt nachhaltig betrieben. Im Cluster "Holz" sind im Land rund 70.000 Menschen beschäftigt, darunter zählen die Forstbetriebe, Holzbearbeiter und Holzverarbeiter, die Zellstoffindustrie, Papierfabriken und der Holzhandel. Der Landesforstbetrieb erreiche Gewinne von mehreren Millionen Euro. Es ließen sich noch höhere Rendite erzielen, wenn der Personalbestand aufgestockt würde, prognostizierte Aeikens. Die Ausbildung der Forstleute in Magdeburgerforth genieße einen sehr guten Ruf, sie müsse an diesem Standort unbedingt aufrechterhalten werden.

"Sylvicultura oeconomica - haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht"
Unter diesem Titel definierte Hans Carl von Carlowitz 1713 erstmals das Prinzip der Nachhaltigkeit.

Harry Czeke (DIE LINKE) begreift den Wald als ein Ökosystem von multifunktionalem Ausmaß, er sei sowohl Wasser- und Klimaregulator als Wirtschaftsgut und wichtiges Biotop. Auch er machte auf die schwierige Personalsituation im Forstwesen aufmerksam, die Reviergrößen seien mittlerweile "nicht mehr zu toppen". Czeke zeigt sich ein wenig von dem Anliegen von CDU und SPD überrascht, das laut Antrag "ein angemessener Teil der Wälder im Sinne der Biodiversitätsstrategie des Bundes unter Berücksichtigung sozioökonomischer Aspekte seiner natürlichen Entwicklung überlassen" werden soll. Hier fehle eine konkrete Angabe, was als "angemessen" zu erachten sei. Insgesamt hätte er sich "ein bisschen mehr Schlagkraft" im Antrag gewünscht. So hätte man zum Beispiel viel direkter eine Lanze für die Ausbildung in Magdeburgerforth brechen können.

Bei allen noch kommenden Überlegungen müssten die Funktionen des Waldes in ihrer Gesamtheit betrachtet werden - also sein wichtiger Anteil an der wirtschaftlichen Entwicklung der ländlichen Regionen, der Wald als Lebensraum für Pflanzen und Tiere und als Ort der Erholung für Menschen, erklärte Jürgen Barth (SPD). Wichtig sei, nötige Maß nahmen für den Schutz der Bäume und Pflanzen zu ergreifen, beispielsweise im Fall der Eichen, die in den letzten Jahren insbesondere durch die sich verändernden Witterungsbedingungen und den Eichenprozessionsspinner gelitten hätten. Leider gestalte sich der gezielte Einsatz von Pflanzenschutzmittel (deren Zulassung werde immer mehr eingeschränkt) als immer schwieriger, so Barth: "Es müssen Mittel und Wege gefunden werden, damit ein effektiver Pflanzenschutz möglich bleibt."

"Der Wald ist ein wahrer Schatz, der nachhaltig genutzt und gesichert werden muss", legte sich Dorothea Frederking (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) fest. Deswegen wies sie die Landesregierung auf die noch ausstehenden Managementpläne rund um das Thema "Natura 2000" hin und forderte deren baldige Aufstellung und Umsetzung. Die Grünen sprechen sich für eine natürliche Waldentwicklung aus, durch die die Ressource Holz nachhaltig genutzt werden könne und die dazu beitrage, den CO2-Ausstoß zu verringern. Frederking zeigte sich darüber zufrieden, dass der Landtag durch den vorgelegten Antrag frühzeitig in die Novellierung des Landeswaldgesetzes einbezogen wird.

Dr. Stefan Müller


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Wirtschaftsfaktor Wald: Nachhaltige Forstwirtschaft sichert in Sachsen-Anhalt mehr als 70.000 Menschen einen Arbeitsplatz und sorgt für Millionen-Gewinne des Landesfortbetriebes.

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AUS DEM PLENUM

Zur Stärkung des Ehrenamts

Um die Weiterentwicklung des ehrenamtlichen Engagements zu bewirken, brachten die Linken im November 2013 einen Antrag in den Landtag ein. Im Juni folgte ein weiterer, diesmal zur Sozialversicherungsfreiheit des Ehrenamts.


Neben dem Antrag "Ehrenamt stärken" vom Juni 2014 forderte die Fraktion DIE LINKE schon im November 2013 von der Landesregierung die finanzielle Sicherheit und Weiterentwicklung des Ehrenamts. Im Ausschuss für Inneres und Sport wurde dann aber eine Beschlussempfehlung erarbeitet, die eher bereits Erreichtes dar- als neue Forderungen aufstellte. So schlugen die Linken beispielsweise größere kommunale und finanzielle Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume für ehrenamtliches Engagement vor. Auch dürfe das Ehrenamt sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze nicht verdrängen. Außerdem sollte die Landesregierung jährlich einen Bericht über die Entwicklung des Ehrenamts in Sachsen-Anhalt vorlegen.

In der Beschlussempfehlung hieß es dann, dass das Land "zukünftig mehr denn je auf engagierte Bürgerinnen und Bürger angewiesen sein" werde, "nicht zuletzt vor dem Hintergrund des demographischen Wandels in unserem Land." Die Beschlussempfehlung trug deutlich die Handschrift der Koalition und verwies auf die fortschrittlichen Rahmenbedingungen beziehungsweise deren erreichte Verbesserung bei der Ausübung des Ehrenamts - so zum Beispiel im Katastrophenschutz, durch das neue Rettungsdienstgesetz und durch die Entbürokratisierung im Sportfördergesetz (Erhöhung der Ehrenamtspauschale).

In der Debatte zu den beiden Anträgen zeigte sich Evelyn Edler (DIE LINKE) enttäuscht von der Beratung im Ausschuss: Eine von den Linken gewollte Anhörung zum Thema sei von CDU und SPD abgelehnt worden. Damit habe man die Chance verpasst, sich gezielt mit den Schwierigkeiten bei der Ausübung eines Ehrenamts auseinanderzusetzen. Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) bezeichnete den Umgang mit dem Antrag der Linken als "bitteres Ergebnis für die Ehrenamtlichen im Land". Die von CDU und SPD durchgesetzte Beschlussempfehlung gehe an seiner ursprünglichen Intention vorbei, bemängelte Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Es dürfe nicht darum gehen, aufgrund des demographischen Wandels mehr Ehrenamt einzufordern, sondern das Ehrenamt durch staatliches Handeln zu unterstützen. Innenminister Holger Stahlknecht und Dietmar Krause (CDU) lobten die guten Bedingungen für die erfolgreiche Ausübung des Ehrenamts in Sachsen-Anhalt; Silke Schindler (SPD) mahnte an, dass die Grenzen zu regulären Beschäftigungsverhältnissen nicht verwischt werden dürften.

Der Antrag der Linken vom Juni 2014 wurde zwar bei der Abstimmung abgelehnt, dennoch herrschte Einigkeit darüber, die bundesweit gesetzlich geregelte Freistellung von der Sozialversicherung im Ehrenamt zu erwirken. Die Beschlussempfehlung für den Antrag der Linken vom November 2013 fand mit den Stimmen von CDU und SPD die erforderliche Mehrheit.

Dr. Stefan Müller

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NACHRUF

Das Land geprägt

Der Landtag gedenkt Dr. Reinhard Höppner, der am 9. Juni 2014 im Alter von nur 65 Jahren verstarb. Als Abgeordneter der ersten Stunde gehörte er 16 Jahre dem Landtag von Sachsen-Anhalt an.


Dr. Reinhard Höppner war Abgeordneter der ersten Stunde. "Als Vizepräsident der ersten freigewählten Volkskammer waren seine Erfahrungen als Präses der Synode ein großer Gewinn für die große Zahl schwieriger Entscheidungen auf dem Weg zur Deutschen Einheit. Nach der ersten Wahl zum Landtag von Sachsen-Anhalt 1990 wurde er Oppositionsführer und übernahm als Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag sowie als Vorsitzender des Verfassungsausschusses verantwortungsvolle Aufgaben", würdigt Landtagspräsident Detlef Gürth das demokratische Engagement.

Von 1994 bis 2002 verantwortete er als Ministerpräsident die Entwicklung des Landes in einer schwierigen Zeit des Umbruchs. Landtagspräsident Detlef Gürth, der Höppner seit der gemeinsamen Zeit in der ersten frei gewählten Volkskammer kannte, hebt besonders den Verdienst des Verstorbenen hervor, sich in der DDR für Demokratie und nach der friedlichen Revolution für den Aufbau demokratischer Strukturen eingesetzt zu haben.

"In der Stunde des Abschieds sind unsere Gedanken und Anteilnahme bei der Familie"
Detlef Gürth, Präsident des Landtages von Sachsen-Anhalt

Der 1948 in Haldensleben geborene Mathematiker trat 1989 den Sozialdemokraten bei. Bereits ein Jahr später sammelte er erste parlamentarische Erfahrungen als Vizepräsident der ersten frei gewählten Volkskammer in der DDR. 1990 folgte die Wahl in den Landtag von Sachsen-Anhalt. Dort führte er in der ersten Wahlperiode die SPD-Fraktion als Vorsitzender und stand von 1990 bis 1992 dem Verfassungsausschuss vor.

Mut, auch gegen Widerstände neue Wege zu wagen, bewies Dr. Höppner 1994, als er sich mit den Stimmen der PDS zum Ministerpräsidenten wählen ließ und fortan eine Minderheitsregierung führte. Diese Konstellation wurde über Sachsen-Anhalts Grenzen hinaus unter dem Namen "Magdeburger Modell" bekannt. Die Regierung war auf die Zustimmung der nicht an der Regierung beteiligten PDS angewiesen und suchte durch Kompromisse nach Mehrheiten im Parlament.

Nach dem Regierungswechsel 2002 - CDU und FDP koalierten im Landtag und wählten Prof. Dr. Wolfgang Böhmer an die Regierungsspitze - kehrte Dr. Höppner zu den Wurzeln parlamentarischer Arbeit zurück. Bis zu seinem Ausscheiden aus dem Landtag im Jahr 2006 arbeitete er als Mitglied des Petitionsausschusses.

Er war unter anderem 14 Jahre lang Präses der Synode der evangelischen Kirchenprovinz Sachsen. Im Oktober 2005 übernahm er als Nachfolger von Eckhard Nagel bis 2007 das Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages.

"In der Stunde des Abschieds sind unsere Gedanken und Anteilnahme bei der Familie", betont Detlef Gürth. Dr. Höppner hinterlässt seine Ehefrau und drei erwachsene Kinder. ZR

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IN KÜRZE

Neue Besucherförderung

Die Förderrichtlinie zur Bezuschussung von Fahrtkosten beim Besuch des Landtages wurde überarbeitet. Die neue Formel ist einfacher und gerechter. Es gibt einen Fahrtkostenzuschuss für den Landtagsbesuch.


Eingefleischte Landtagsbesucher wissen es schon lange: Für den Besuch einer Schulklasse oder Seniorengruppe kann ein Fahrtkostenzuschuss gewährt werden. Auch für das Jahr 2014 haben die Abgeordneten im Haushalt Mittel für Fahrtkostenzuschüsse eingestellt.

Im Verlauf eines jeden Jahres besuchen rund 13.000 Gäste in Form von Besuchergruppen den Landtag. Zwei Drittel davon sind Jugendgruppen und vor allem Schulklassen, die zum Beispiel den Sozialkundeunterricht in den Landtag verlegen. Die Modernisierungsarbeiten im Landtagsgebäude enden im Juli 2014. Ab dem neuen Schuljahr (4. September 2014) empfängt der Besucherdienst wieder Gästegruppen. Die neue Zuschussregelung sieht vor, dass 100 Prozent der Fahrkosten abzüglich eines Eigenanteils von 2 Euro pro Person erstattet werden. Das gilt für den Kauf eines Gruppenfahrscheins der allgemein niedrigsten Klasse eines regelmäßig verkehrenden Beförderungsmittels (Bus/Bahn) oder für das Mieten eines Reisebusses nach vorheriger Einholung von drei Vergleichsangeboten. Neu ist auch, dass nunmehr der Besuch von Grundschulklassen gefördert wird.

Die bisherige Regelung sah vor, dass lediglich 50 Prozent der Fahrtkosten förderfähig waren. In der Praxis zeigte sich, dass der Eigenanteil mit zunehmender Entfernung stieg und diejenigen, die z. B. aus dem Norden oder Süden Sachsen-Anhalts den Landtag besuchten, höhere Aufwendungen zu tragen hatten. Die neue Formel ist leichter anzuwenden und vor allem gerechter.

Nähere Informationen zur Durchführung und Ausgestaltung eines Landtagsbesuchs finden Sie im Internet unter www.landtag.sachsen-anhalt.de (Hauptnavigation Service & Besuch im Landtag). Für die Terminabsprache wird eine frühzeitige Kontaktaufnahme zum Besucherdienst empfohlen - Telefon 0391/560-1230 oder per Mail über besucherdienst@lt.sachsen-anhalt.de.



AUF EINEN BLICK

Die neue Förderpraxis verwirklicht die Gleichberechtigung der Besuchergruppen unabhängig von der Entfernung zum Landtag. Zudem wurde der Empfängerkreis deutlich erweitert.

Zuschuss: 100% der Fahrtkosten (Gruppenfahrschein der allgemein niedrigsten Klasse eines regelmäßig verkehrenden Beförderungsmittels (Bus/Bahn) oder das Mieten eines Reisebusses; unter bestimmten Bedingungen auch Erstattung von Einzeltickets)

Eigenanteil: 2 Euro pro Person
Gruppengröße: mind. 10 Personen

Bezuschusst werden:
• Schüler-Gruppen aus Schulen, die ihren Sitz in Sachsen-Anhalt haben,
• Gruppen von Kursteilnehmern von Volkshochschulen, die ihren Sitz in Sachsen-Anhalt haben,
• Gruppen von Jugendlichen zwischen dem vollendeten 14. und 21. Lebensjahr, sofern die Mehrzahl der Teilnehmer ihre Hauptwohnung in Sachsen-Anhalt hat,
• Gruppen von Bürgern, sofern die Mehrzahl der Teilnehmer Renten oder Pensionen bezieht oder schwerbehindert ist und die Mehrzahl der Teilnehmer ihre Hauptwohnung in Sachsen-Anhalt hat,
• Gruppen von Teilnehmern am nationalen oder internationalen Schüleraustausch, sofern mindestens einer der Partner seinen Sitz in Sachsen-Anhalt hat,
• andere Personengruppen, die einen Informationsbesuch an Plenartagen des Landtages durchführen, sofern die Mehrzahl der Teilnehmer ihre Hauptwohnung in Sachsen-Anhalt hat.

Ulrich Grimm

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IN KÜRZE

Informativ, transparent und modern

Altbackene Aufmachung und alte Technik waren gestern! Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat seinen Internetauftritt einem kompletten Relaunch unterzogen. Nun laden eine leichte Navigation und vielfältige Inhalte zu einem Besuch der Seite ein.


Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat in den vergangenen Monaten einen kompletten Umbau seines Internetauftritts vollzogen und präsentiert sich nun auf einer sowohl optisch als auch inhaltlich und strukturell veränderten Internetseite. Seit dem letzten Relaunch der Seite ist es zu einer stetigen Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten gekommen, auch die Änderung der Nutzerbedürfnisse und Nutzungsbedingungen haben sich verändert. Unverändert ist jedoch die Zielsetzung: Politische Information und Bildung auch weiterhin aktuell, kommunikativ und verlässlich anzubieten.

Der Landtag spricht mit seinem Webangebot sehr unterschiedliche Zielgruppen an, sowohl Fachnutzer wie Journalisten, Dozenten oder Abgeordnete als auch politische Anfänger wie zum Beispiel Schülerinnen und Schüler. Die Inhalte des Internetauftritts sind daher so gestaltet, dass die angebotenen Medien (Texte, Fotos, Videos per eigenem YouTube-Kanal) einen gewissen "Reifungsgrad" vollziehen. Von den niedrigschwelligen und leicht verständlichen Erklärtexten über Pressemitteilungen und Kurznachrichten bis hin zu thematisch komplexen Berichten aus den Landtags- und Ausschusssitzungen. Die nutzerfreundliche Navigation leitet sie zu den entsprechenden Fundstellen, seien es nun die gesuchten Dokumente, Termine oder Kontakte zu Ansprechpartnern. Während die Fachnutzer die Informationen für ihre Arbeit verwenden, besucht der interessierte Bürger die Website meist aus persönlichem Belang heraus.

Schüler und Studenten nutzen die Website, um gezielt nach Themen für ein Referat oder eine wissenschaftliche Hausarbeit zu suchen, aber auch, um sich politisch zu informieren. Über die Basisinformationen zum Landtag hinaus erhalten sie einen Einblick in die Arbeit des Parlaments, sowohl der Verwaltung als auch der Abgeordneten, und werden darauf hingewiesen, welche Teilhabemöglichkeiten auch für jüngere Jahrgänge bereits bestehen.

Darüber hinaus wird erklärt, wie man eine Petition einreichen und sich somit auch politisch engagieren kann. Per Live-Stream oder Video on Demand kann Zwischenruf 02/2014 - Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt man alle Sitzungen des Landtags im Internet verfolgen.

Mit seinem neuen Internetauftritt begegnet der Landtag den Nutzerinnen und Nutzern auf eine zeitgemäße, moderne Art und Weise der Kommunikation. Die bisher recht formelle Gestaltung der Seite wird durch eine flexible, zum Teil interaktive Methode abgelöst. Die Art der Berichterstattung über sämtliche mit dem Landtag in Verbindung stehenden Ereignisse wird in Zukunft vielgestaltiger sein, dabei aber die gewohnt aktuellen Bezüge nicht aus dem Fokus verlieren. Um der technischen Entwicklung einen weiteren Tribut zu zollen, wurde das System so gestaltet, dass es für die Nutzung am PC, auf dem iPad und dem Smartphone gleichermaßen angenehm und unkompliziert ist.

Dr. Stefan Müller

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VORGESTELLT

Halbzeit in der Kommission

Die im März 2012 vom Landtag eingesetzte Enquete-Kommission "Öffentliche Verwaltung konsequent voranbringen - bürgernah und zukunftsfähig gestalten" hat ihre erste Halbzeit geschafft. Im Gespräch mit deren Vorsitzender Angela Gorr schaut der ZwischenRuf auf erste Ergebnisse der Kommissionsarbeit.


ZwischenRuf: Am Anfang ein kurzer Blick zurück: Die Koalition hatte sich 2012 gegen die Enquete-Kommission ausgesprochen, nun ist mit Ihnen, Frau Gorr, eine CDU-Politikerin deren Vorsitzende. Steht das nicht im Widerspruch zueinander?

Angela Gorr: Nein, das schließt sich nicht aus. Die Enquete-Kommission ist mit den Stimmen der Fraktion DIE LINKE eingesetzt worden, alle anderen Fraktionen haben sich enthalten.

Dieser Mehrheitsbeschluss ist bindend für das Parlament und damit ist die Übernahme des Vorsitzes der Enquete-Kommission durch eine CDU-Politikerin ein ganz natürlicher demokratischer Vorgang, nicht zuletzt durch die ohnehin geregelte Besetzung der Ausschussvorsitze. Die stärkste Fraktion bekam in diesem Fall den Ausschussvorsitz übertragen.

ZwischenRuf: Das Themengebiet scheint mit dem Ziel, die "öffentliche Verwaltung konsequent voranzubringen", zunächst sehr eng abgesteckt zu sein. Tatsächlich aber wird ein breites Feld bearbeitet. Was zählt alles zur Verwaltung?

Unter Verwaltung ist entsprechend des Einsetzungsbeschlusses dreierlei zu verstehen: Struktur und Aufgaben, Personal sowie E-Government als effektive Nutzung moderner Kommunikationsmittel. Der Einsetzungsbeschluss mit seinen drei Themenschwerpunkten und den differenzierten Einzelfragen zeigt, dass eine Vielzahl von Aspekten zu berücksichtigen ist, um am Ende Empfehlungen abgeben zu können.

ZwischenRuf: Vor welche Herausforderungen stellt die Gremienform "Enquete-Kommission" die Abgeordneten und warum ist sie Ihrer Meinung nach gut für die Untersuchungen geeignet?

Die Herausforderung besteht in der gemeinsamen Verständigung auf das inhaltliche Vorgehen, um die komplexe Themenstellung überhaupt zu bewältigen. Eine Enquete-Kommission kann zusätzlich zu den Abgeordneten Sachverständige einbinden und zu allen Fragestellungen Anhörungen mit weiteren Experten durchführen. Diese intensive Form der thematischen Auseinandersetzung über einen längeren Zeitraum ermöglicht einen tieferen Einblick in einzelne Sachverhalte als im parlamentarischen Alltag üblich.

ZwischenRuf: Welche Mittel sind Ihnen an die Hand gegeben. Vielleicht können Sie uns ein paar "nackte Zahlen" nennen?

Bisher fanden 13 Anhörungen mit insgesamt 41 Experten aus Wissenschaft und Verwaltung statt. Diese kamen nicht nur aus Sachsen-Anhalt, sondern u.a. von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer, vom Lorenz-von-Stein-Institut für Verwaltungswissenschaften an der Cristian-Albrechts-Universität zu Kiel, von den Universitäten Leipzig, Bielefeld und Hannover, von der Technischen Universität in Dortmund oder aber auch von der Führungsakademie in Baden-Württemberg.

Weiterhin konnte die Enquete-Kommission zu den Anhörungen auch Experten von der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin oder der Hertie School of Governance - Internationales Institut für Staats- und Europawissenschaften (ebenfalls in Berlin) begrüßen.

Schließlich waren die ehrenamtliche Gleichstellungsbeauftragte des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie der Staatssekretär des Staatsministeriums der Justiz und für Europa des Freistaates Sachsen und zahlreiche andere renommierte Professoren bereits Gäste der Enquete-Kommission.

Im April haben wir einen ganztägigen Workshop zur Vorbereitung des zweiten Zwischenberichts und des Abschlussberichts durchgeführt. Im Juni dieses Jahres findet bereits die 21. Sitzung der Enquete-Kommission statt.

ZwischenRuf: Die Kommission wurde im März 2012 auf der Basis eines Landtagsbeschlusses eingesetzt, nahm im Juni 2012 ihre Arbeit auf und agiert nun seit zwei Jahren. Liegen für die Kernbereiche schon erste Erkenntnisse vor? Zuerst genannt sei die Funktionalreform, also die Veränderungen in der Struktur und bei den Aufgaben der Verwaltung.

Die Enquete-Kommission hat für September 2014 die vorerst letzte Anhörung geplant und stellt gegenwärtig die Expertenvorschläge zusammen, um sie dann zu bewerten. Dem möchte ich nicht vorgreifen. Der erste Zwischenbericht liegt bereits vor. Er informiert über den Arbeitsstand bis Mitte 2013 und bildet einzelne Positionen der Fraktionen ab.

ZwischenRuf: Dann wären da erste Erkenntnisse zur auch außerhalb der Enquete-Kommission heißdiskutierten Personalentwicklung zu nennen. Kann die Kommission zur besseren Regulierung der Beschäftigtenzahlen bei der Polizei, in den Schulen und der Verwaltung beitragen?

Der Beitrag, den die Enquete-Kommission hier aktuell leisten kann, ist relativ begrenzt. Handlungsempfehlungen für die zukünftige Entwicklung der öffentlichen Verwaltung stehen erst am Ende unserer Arbeit. Eine direkte Einflussnahme auf die Haushaltsplanung auch in Verbindung mit der Personalplanung ist nicht Aufgabe einer Enquete-Kommission.

ZwischenRuf: Zuletzt das wichtige Thema E-Government, wo es in den Kommunen und im Land ja schon diverse Ansätze und Möglichkeiten gibt.

Die Enquete-Kommission hat dieses Thema als ersten Themenschwerpunkt gewählt und intensiv zum Beispiel mit kommunalen Dienstleistern, den Kommunalen Spitzenverbänden und anderen Akteuren diskutiert. Es hat sich gezeigt, wie wichtig es ist, sich miteinander über konkrete Vorhaben und ihre mögliche technische Umsetzung zu verständigen, damit nicht unnötig finanzielle Ressourcen für Einzellösungen gebunden werden, die nachher nicht zusammenpassen und die Zusammenarbeit erschweren. Kommunale Selbstverwaltung oder Datenschutz sind in diesem Entwicklungsprozess wichtige Faktoren, die Beachtung finden müssen.

ZwischenRuf: Inwieweit ist die Landesregierung in die Arbeit der Kommission eingebunden und gab es bereits erste Rückmeldungen?

Die Landesregierung ist von Anfang an eng in die Kommissionsarbeit einbezogen. Es hat sich herausgestellt, dass parallel zum Zeitpunkt des Einsetzungsbeschlusses bereits eine Vielzahl von Maßnahmen durch die Landesregierung umgesetzt oder eingeleitet worden war. Wir werden regelmäßig in umfangreichen Stellungnahmen und teilweise persönlich durch die zuständigen Minister unterrichtet und diskutieren mit ihnen über mögliche Veränderungsprozesse.

ZwischenRuf: Wann wird die Kommission ihre Arbeit abschließen und welches Ziel soll erreicht werden? Inwiefern sind die Erkenntnisse bindend für die politischen Verantwortungsträger?

Wie schon erwähnt, befassen wir uns zurzeit mit den Vorschlägen der Experten. Die Empfehlungen der Enquete-Kommission und der einzelnen Fraktionen werden neben der politischen Bewertung auch davon abhängen, was die Landesregierung schon erreicht hat und wo Weiterentwicklungen oder Veränderungen für notwendig erachtet werden. Ebenso wird die Einschätzung der Kommunalen Spitzenverbände von Interesse sein.

Inwieweit die Erkenntnisse bindend sind für die politischen Verantwortungsträger, das wird das Parlament beantworten müssen. Die Enquete-Kommission ist in erster Linie ein Arbeitsgremium, das Empfehlungen erarbeitet, also Vorschläge macht.

Das Gespräch führte Dr. Stefan Müller.

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GESCHICHTE

Gescheiterte Mission

Zum 70. Mal jährt sich der Tag des Attentats auf Adolf Hitler durch Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Am 20. Juli 1944 versuchten zivile und militärische Oppositionelle - u.a. aus Sachsen-Anhalt - dem Treiben Hitlers mit einem Attentat ein Ende zu bereiten. Der Plan scheiterte. Zahlreiche Beteiligte wurden hingerichtet.


Sie wollten Hitler ermorden und damit dem Zweiten Weltkrieg ein Ende setzen: Mit einer Bombe versuchte eine Gruppe ziviler und militärischer Oppositioneller um Claus Schenk Graf von Stauffenberg am 20.Juli 1944 Adolf Hitler auszuschalten. Der misslungene Umsturzversuch, für den seine Verantwortlichen mit ihrem Leben bezahlten, jährt sich zum 70. Mal.

"Es ist Zeit, dass jetzt etwas getan wird. Derjenige allerdings, der etwas zu tun wagt, muss sich bewusst sein, dass er wohl als Verräter in die deutsche Geschichte eingehen wird. Unterlässt er jedoch die Tat, dann wäre er ein Verräter vor seinem Gewissen", so die überlieferten Worte Claus Schenk Graf von Stauffenbergs vor dem Attentat auf Hitler, das das Kriegsschrecken, die Gräueltaten und den Völkermord durch die Nationalsozialisten beenden sollte.

Am Morgen des 20. Juli 1944 fliegen von Stauffenberg und sein Adjutant Oberleutnant von Haeften zu einer Besprechung in das Führerhauptquartier Wolfschanze in Ostpreußen. Im Handgepäck zwei Bomben mit jeweils einem Kilogramm Sprengstoff. Ziel der von langer Hand geplanten und häufig verschobenen Mission ist es, die hochrangigen Nationalsozialisten Heinrich Himmler, Hermann Göring und vor allem Adolf Hitler zu töten, um das NS-Regime abzusetzen und eine neue Staatsordnung herzustellen.

Gegen 12:40 Uhr stellt von Stauffenberg seine Aktentasche mit einer der beiden Bomben - bei der Aktivierung des Zünders der anderen war er gestört worden - in der Nähe Adolf Hitlers ab und verlässt unter einem Vorwand den Raum. Wenige Minuten später kommt es zur Detonation. Vier der vierundzwanzig Anwesenden werden getötet, weitere zehn schwer verletzt. Hitler überlebt mit leichten Blessuren. Stauffenberg kann das Hauptquartier weitestgehend unbehelligt verlassen. Er kehrt in der festen Annahme, Hitler getötet zu haben, nach Berlin zurück, um weitere Schritte einzuleiten. Doch die im Vorfeld geplanten Maßnahmen der "Operation Walküre" zur Durchsetzung des Umsturzes durch die Wehrmacht laufen aus verschiedenen Gründen schleppend oder gar nicht an. Es kommt zu Kommunikationspannen. Vielerorts werden die Befehle nicht ausgeführt. Der Versuch, alle wichtigen Gestapo-, NSDAP- und SS-Dienststellen zu besetzen, scheitert. Noch in derselben Nacht werden von Stauffenberg und weitere Verantwortliche des Attentats im Hof des Bendlerblocks, der Berliner Zentrale des Umsturzversuches, auf Befehl von Generaloberst Friedrich Fromm erschossen, womit das endgültige Scheitern des Putschversuches besiegelt ist.

Nachdem verschiedene Attentate auf Hitler in den Jahren 1938, 1939 und 1943 fehlschlugen, stellt der 20. Juli 1944 den letzten Versuch, den Diktator vor der sich abzeichnenden Niederlage zu beseitigen, dar. Die "Operation Walküre" scheiterte letztlich an einer Verkettung unglücklicher Fehler und Missgeschicke.

In der geschichtlichen Einordnung des Widerstands wirkte bis in die 1950er Jahre die NS-Propaganda, die das Attentat als Vaterlandsverrat und Eidbruch einiger ehrgeiziger Offiziere brandmarkte, nach. Auch in der DDR, wo dem kommunistischen Widerstand gegen Hitler eine zentrale Rolle beigemessen wurde, war der 20. Juli 1944 als reaktionärer Junkeraufstand denunziert worden. Erst mit der Rekonstruktion der eigentlichen Motive durch die zeitgeschichtliche Forschung in den 1960er Jahren gelang es, Stauffenberg und seine Mitstreiter zu rehabilitieren. Zumindest in der Bundesrepublik galt ihr Kampf gegen Hitler nunmehr als Ausdruck für ein "anderes Deutschland".

Annekatrin Barth

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GESCHICHTE

Immer auf der Höhe der Zeit

Vor 65 Jahren wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet. Seither erlebt es eine außergewöhnliche Geschichte. 60 Änderungen haben es an die gesellschaftlichen Veränderungen angepasst. Mit der Wiedervereinigung wurde es zu einer gesamtdeutschen Verfassung.


Am 23. Mai 1949 begann ein neuer Abschnitt in der Geschichte Deutschlands. "Heute wird nach der Unterzeichnung und Verkündung des Grundgesetzes die Bundesrepublik Deutschland in die Geschichte eintreten", sagte Konrad Adenauer vor 65 Jahren vor der Unterzeichnung des Grundgesetzes.

Ein knappes Jahr zuvor hatten die Militärgouverneure der britischen, französischen und amerikanischen Besatzungszone die Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder beauftragt, eine Verfassung ausarbeiten zu lassen. Diese Aufgabe übernahm der Parlamentarische Rat. Seine 65 Mitglieder wurden vorher von den Länderparlamenten der drei westlichen Besatzungszonen gewählt. Sie gingen als die "Väter des Grundgesetzes" in die Geschichte ein.

Der Begriff "Verfassung" ist damals bewusst vermieden worden: Das Grundgesetz sollte eine Übergangslösung bis zu einer gesamtdeutschen Verfassung sein. Das wurde das Grundgesetz mit der Einheit Deutschlands am 3. Oktober 1990.

Das Grundgesetz erlebte seit seiner feierlichen Verkündung vor 65 Jahren eine außergewöhnliche Geschichte, die immer auch eine Erfolgsgeschichte war, ist es doch schon länger in Kraft als die Verfassungen von 1848, 1871 und 1919. Es flossen wichtige Erfahrungen der deutschen Geschichte in das Grundgesetz ein, das die Bundesrepublik Deutschland als demokratischen, föderalen und sozialen Rechtsstaat definiert, als eine parlamentarische Demokratie, in der alle Gewalt vom Volke ausgeht. Ein weiteres zentrales Element ist der auf deutschen Traditionen beruhende Föderalismus. Die Bundesländer haben eigene Verfassungen und Hoheitsrechte und wirken über den Bundesrat an der Gesetzgebung des Bundes mit.

"Zwei Mechanismen halten das Grundgesetz auf der Höhe der Zeit."
Prof. Dr. Horst Dreier, Rechtsphilosoph von der Universität Würzburg

Trotz seines Alters ist das Grundgesetz immer mit der Zeit gegangen. "Das Grundgesetz kann schon deswegen kaum alt und verstaubt wirken, weil es zwei Mechanismen gibt, die es gewissermaßen auf der Höhe der Zeit halten", erklärte der Rechtsphilosoph Prof. Dr. Horst Dreier im Deutschlandfunk. Zum einen sei dies die formelle Verfassungsänderung. Immerhin wurde das Grundgesetz bisher an die 60 Mal geändert und so angepasst. Außerdem gibt es den Verfassungswandel, bei dem sich zwar nicht der Text des Grundgesetzes ändert, aber dessen Auslegung.

Die Artikel des Grundgesetzes stehen über allen deutschen Rechtsnormen. Drei prägen Politik und Leben in der Bundesrepublik Deutschland auf besondere Weise: der Artikel 1, in dem die Grundrechte festgelegt sind, Artikel 20 mit den Grundprinzipien der politischen Ordnung wie Demokratie, Rechtsstaat und Sozialstaat sowie Artikel 79, in dem bestimmt wird, dass weder Artikel 1 noch Artikel 20 aufgehoben werden können.

Artikel 1 beginnt mit der Feststellung: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Dieser Wortlaut sowie die nachfolgenden, konkretisierenden Sätze und Artikel zu den Grund- und Menschenrechten wurden auch in die Verfassung Sachsen-Anhalts übernommen.

Während der Gedenkveranstaltung zum 65. Jahrestag des Inkrafttretens des Grundgesetzes im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes nannte Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert das Grundgesetz einen der besonderen Glücksfälle der deutschen Geschichte. Es habe sich den Herausforderungen der vergangenen Jahrzehnte gewachsen gezeigt, mit ihm war die Einrichtung der Bundeswehr, die Eingliederung in die EU und auch die Wiedervereinigung machbar - Ereignisse also, die die Väter und Mütter des Grundgesetzes nicht vorhersehen konnten.

Gudrun Oelze

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VORSCHAU

Wenn Wasser aus der Erde kommt

Die Vernässungsprobleme in Sachsen-Anhalt haben eine Stimme: Der zeitweilige Ausschuss "Grundwasserprobleme, Vernässungen und das dazugehörige Wassermanagement". 13 Landtagsabgeordnete kümmern sich um die Sorgen und Bedürfnisse der Betroffenen.


Seit Jahren werden Regionen des Landes von Vernässungen, insbesondere verursacht durch hohe Grundwasserstände, in erheblichem Maß beeinträchtigt. Das Auftreten von Extremniederschlagsereignissen, wie letztmalig in den Jahren 2010 und 2011, hat die ohnehin angespannte Grundwassersituation zeitweise erheblich verstärkt und die Lebensqualität der Betroffenen verschlechtert.

Auf diese Problemlage hat der Landtag von Sachsen - Anhalt mit der Einsetzung des zeitweiligen Ausschusses "Grundwasserprobleme, Vernässungen und das dazugehörige Wassermanagement" im Juli 2011 reagiert.

Der Einsetzungsbeschluss umfasst eine Reihe von anspruchsvollen Aufgaben:

  1. Erstellung eines "Überblickes über die konkreten Ursachen und Folgen der entstandenen Grundwasser- und Vernässungsprobleme"
  2. Erarbeitung von "nachhaltigen Lösungsansätzen" zur Behebung und zukünftigen Vermeidung von Grundwasser- und Vernässungsproblemen
  3. Darstellung geeigneter Instrumente, um den auftretenden Grundwasser- und Vernässungsproblemen durch die Bereitstellung entsprechender Finanzmittel und Unterstützungsmaßnahmen zu begegnen
  4. Erarbeitung und Darstellung eines zukünftigen nachhaltigen Wassermanagements für Sachsen-Anhalt
  5. Mit der Einsetzung des zeitweiligen Ausschusses soll ein Gremium geschaffen werden, in dem die Landesregierung ressortübergreifend ihre Erfahrungen und Schlussfolgerungen darlegt.

Die 13 Mitglieder aus den im Landtag vertretenen Fraktionen haben sich in einer ersten Phase umfassend den Sorgen und Bedürfnissen der Betroffenen zugewandt. Es wurden zahlreiche Vor-Ort-Bereisungen in betroffenen Regionen durchgeführt, um die Ursachen der Vernässungen zu ergründen und sich den persönlichen Nöten von Betroffenen anzunehmen. In diesem Zusammenhang und darüber hinaus fanden sehr zahlreiche Gespräche mit betroffenen Privatpersonen, Bürgerinitiativen, Verbänden, Kommunen und Vertretern von Wirtschaftsunternehmen statt.

In der zweiten Phase der Ausschusstätigkeit wurden die gewonnenen Vor-Ort-Erkenntnisse durch Anhörungen von Experten aus Ministerien, Behörden, Wissenschaftseinrichtungen und gesellschaftlich relevanten Institutionen ergänzt.

Die dritte Phase der Ausschusstätigkeit beschäftigte sich mit der Aus- und Bewertung der erlangten Erkenntnisse, auf die in der nächsten Ausgabe des "ZwischenRufs" näher eingegangen wird. Gegenwärtig ist der zeitweilige Ausschuss mit der Erstellung des Abschlussberichtes beschäftigt, da er seine Tätigkeit Ende Juli 2014 beenden wird.

Wolfgang Busch

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DER LANDTAG AUF DEM SACHSEN-ANHALT-TAG

Vom 18. bis 20. Juli 2014 wird zum achtzehnten Mal der Sachsen-Anhalt-Tag gefeiert. Getreu dem Motto "Bunte Stadt - buntes Land" präsentiert sich das Bundesland in Wernigerode. Wie in jedem Jahr wird auch der Landtag von Sachsen-Anhalt mit einem breiten Informationsangebot vor Ort sein und auf die Arbeit der Landespolitik aufmerksam machen. Für Fragen rund um das parlamentarische Geschehen stehen Abgeordnete aus den im Landtag vertretenen Parteien Rede und Antwort. Das Landesfest hat das Ziel, gegenseitig Verständnis füreinander zu fördern und identitätsstiftende Gedanken zu stärken. Dieses Ziel greifen auch die Abgeordneten des Landtages auf und werden an allen drei Tagen mit einem vielseitigen Informationsangebot in der Themenstraße "Weltoffenes Sachsen-Anhalt" vor dem Bahnhof zu finden sein.

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NEUE AUSSTELLUNGEN

bis hier und weiter
Termin: 3.9. bis 26.9.2014

Eine großformatige Fotodokumentation nimmt das Thema der Nachhaltigkeit von evangelischer Kinder- und Jugendarbeit in Biografie von jungen Erwachsenen auf. Sie entstand als ein gemeinsames Projekt des Kunstvereins derART, der Evangelischen Jugend Mitteldeutschland und dem Evangelischen Jugendzentrum St. Johannes Magdeburg.



Malerei
Termin: 3.9. bis 26.9.2014

Weniger schlicht als der Titel der Exposition sind die Acrylgemälde von Thomas Schmid aus der Lutherstadt Wittenberg. Seine Ausstellung umfasst farblich intensive Natur- und Landschaftsbilder, Stilleben und Alltagsszenen. Seine Gemälde drücken Heimatverbundenheit aus und vermitteln eine kontemplative Grundstimmung.



Diktatur und Demokratie im Zeitalter der Extreme
Termin: 3.10. bis 28.10.2014

Eine Informationsausstellung, präsentiert vom Münchner Institut für Zeitgeschichte, Deutschlandradio Kultur und der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Ditatur Berlin.
26 großformatige Plakate verkörpern Streiflichter auf die Geschichte Europas im 20. Jahrhundert mit Bezug zu Jahrestagen 2014: 1. und 2. Weltkrieg, friedliche Revolutionen und Osterweiterung der EU.



Im Tigerkäfig der Stasi
Termin: 5.11. bis 28.11.2014

In seiner Kunstausstellung (großformatige Gemälde, Holschnitte u.a. Techniken) verarbeitet der Berliner Gino Kuhn die 25-jährige Wiederkehr des Mauerfalls und die Erlebnisse seiner Haftzeit als Fluchthelfer in der DDR bis zum Freikauf durch die Bundesrepublik.



Einblicke
Termin: 3.12.2014 bis 10.01.2015

Zwei Künstler, ein Thema. Hartmut Schultz aus Bernburg und Oliver Raschke aus Hannover setzen in einer Ausstellung, bestehend aus 14 Zeichnungen und 18 Fotografien das Wirken der Stiftung Evangelische Jugendhilfe St. Johannis Bernburg in den letzten 20 Jahren in Szene.
Schultz lebt seit vielen Jahrzehnten auf dem Stiftungsgelände und repräsentiert in seinen Werken einen Blickwinkel von innen. Raschke dagegen reflektiert seine Sicht aus punktuellen Tagesaufenthalten und den dabei entstandenen Fotografien.

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IMPRESSUM

Herausgeber: Der Präsident des Landtages von Sachsen-Anhalt

Auflage und Erscheinen: 10.000 Exemplare, vierteljährlich

Redaktion/Bestelladresse: Landtag von Sachsen-Anhalt
Ref. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Besucherdienst
und Protokoll
Domplatz 6-9, 39094 Magdeburg
Fon: 0391 / 560 0
Fax: 0391 / 560 1123
www.landtag.sachsen-anhalt.de
landtag@lt.sachsen-anhalt.de

Redaktion: Ursula Lüdkemeier (Ltg.), Annekatrin Barth,
Ulrich Grimm, Dr. Stefan Müller, Gudrun Oelze, Wolfgang Schulz,

Fotos: Titel: Landtag von Sachsen-Anhalt / Collage IdeenGut; Seite 4: Fotostudio Saray, Röblingen am See; Seite 5: Illustration IdeenGut, Sebastian Bretthauer; Seite 6: CDU-Landesverband; Seite 7: SPD-Landesverband; Seite 8: Landtag Sachsen-Anhalt; Seite 9: Landtag Sachsen-Anhalt; Seite 10: Katja Müller DIE LINKE; Seite 11: Foto Klapper Magdeburg; Seite 12: Annekatrin Barth; Seite 13: Katja Müller DIE LINKE; Seite 14: Frank Drechsler; Seite 15: Frank Drechsler; Seite 16: Rosenstadt Sangerhausen GmbH, Frank Drechsler; Seite 17: Rosenstadt Sangerhausen GmbH; Seite 18: Landtag von Sachsen-Anhalt; Seite 20: Teteline - Fotolia.com; Seite 22: Coloures-pic - fotolia.com; Seite 23: Foto Klapper Magdeburg; Seite 24: Landtag von Sachsen-Anhalt; Seite 25: Landtag von Sachsen-Anhalt; Seite 26: Emanuel Hesse Hochschule Harz, Foto-Design Kröglin Wernigerode; Seite 28: Bundesarchiv; Seite 29: Bundesarchiv; Seite 30: Dr. Uwe-Volkmar Köck

Satz & Gestaltung: IdeenGut OHG | www.ideengut.info

Druck: Harzdruckerei GmbH | www.harzdruck.de

Redaktionsschluss: 20.06.2014. Dieses Magazin dient der Öffentlichkeitsarbeit des Landtages von Sachsen-Anhalt. Es wird kostenfrei verteilt. Es darf weder von Wahlbewerbern noch von Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden.

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Quelle:
ZwischenRuf 2/2014
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Der ZwischenRuf erscheint vierteljährlich.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. August 2014