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SACHSEN-ANHALT/328: ZwischenRuf 1-2016 - Das Magazin des Landtages


ZwischenRuf 1/2016
DAS MAGAZIN DES LANDTAGES VON SACHSEN-ANHALT

Sachsen-Anhalt wählt
Entscheidung für fünf Jahre Politik


INHALT
AUS DEM PLENUM

Der Motor der Gesellschaft
Der Landtag bekräftigte in einer Aktuellen Debatte das Ziel, die Menschen wieder von der Wichtigkeit demokratischer Prozesse zu überzeugen.

Für eine lebenswerte Heimat
Von A wie Altlastensanierung bis W wie Windkraftanlagen - die Regierungserklärung des Umweltministers war inhaltlich breit gefächert.

Erlass gegen Beiträge
Der Landtag will die rückwirkende Erhebung von Straßenausbau- und Anschlussbeiträgen besser regeln.

Weihnachtsgeld für Beamte diskutiert
Der Landtag hat einem Antrag zur Wiedereinführung einer Sonderzahlung für Beamte zugestimmt.

Hohe Standards für Freie Berufe
Die von der EU-Kommission geplanten Veränderungen für Freiberufler wurden vom Landtag abgelehnt.

Karrierestart im Gymnasium?
"Der Weg zum Abitur in Sachsen-Anhalt - Karriereverläufe der Schülerinnen und Schüler" lautete der Titel einer Großen Anfrage. Die 75 Seiten umfassende Antwort der Landesregierung wurde nun im Plenum diskutiert.

IM BLICKPUNKT

Fünf Jahre - Resümee einer Wahlperiode
Landtagspräsident Dieter Steinecke blickt auf die 6. Wahlperiode zurück.

Von der Stimmabgabe zum Mandat
Die aktuelle Legislaturperiode des Landtags endet mit dem Wahltag am 13. März. Die Bürgerinnen und Bürger des Landes Sachsen-Anhalt wählen ein neues Parlament.

Wahlberichterstattung aus dem Landtag
Über die Herausforderungen, ein für den Parlamentsbetrieb optimiertes Gebäude in ein Medienzentrum für die Berichterstattung am Tag der Landtagswahl zu verwandeln.

Ein Hauch von Weltstadt
Als UNESCO-Welterbe und mit dem Kurt-Weill-Fest erlangte Dessau Weltruhm.

Aufruf zu Versöhnung und Frieden
Die Holocaustüberlebende Sara Atzmon war zu Gast im Landtag.

Forschung ohne echte Strategie?
Kontrovers wurde im Landtag eine Große Anfrage mit dem Titel "Forschungsstrategie des Landes Sachsen-Anhalt" diskutiert. Kritik an dieser Strategie kam nicht nur aus den Reihen der Opposition.

LSBTTI-Aktionsplan wird umgesetzt
Viele Lesben und Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle erfahren im Alltag trotz des gesetzlichen Schutzes noch immer Diskriminierung. Die Landesregierung setzt nun ihren Aktionsplan gegen Homophobie um.

Wie Berge von Papier gebändigt werden
Eingestiegen ist sie bei Nummer 1/741, mittlerweile ist sie bei Nummer 6/4768 angekommen - das bedeutet, in den letzten 24 Jahren sind 23.245 Drucksachen über den Schreibtisch von Vera Pfefferkorn gegangen.

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Abgeordnete, die nicht mehr für den Landtag kandidieren

Norbert Bischoff
SPD Magdeburg, seit 1994 im Landtag vertreten

Jens Bullerjahn
SPD Eisleben, seit 1990 im Landtag vertreten

Sabine Dirlich
DIE LINKE Schönebeck, seit 1994 im Landtag vertreten

Thomas Felke
SPD Halle (Saale), seit 1990 im Landtag vertreten

Angelika Hunger
DIE LINKE Merseburg, Saalekreis, seit 2002 im Landtag vertreten

Dr. Uwe-Volkmar Köck
DIE LINKE Halle (Saale), seit 1998 im Landtag vertreten

Hans-Jörg Krause
DIE LINKE Altmarkkreis Salzwedel, seit 1990 im Landtag vertreten

Franziska Latta
BÜNDNIS 90|DIE GRÜNEN Harz, seit 2011 im Landtag vertreten

Thomas Leimbach
CDU Hettstedt, seit 2011 im Landtag vertreten

Gerhard Miesterfeldt
SPD Halberstadt, seit 2006 im Landtag vertreten

Madeleine-Rita Mittendorf
SPD Wolmirstedt, Haldensleben seit 1994 im Landtag vertreten

Krimhild Niestädt
SPD Naumburg, Nebra, seit 1998 im Landtag vertreten

Corinna Reinecke
SPD Wittenberg, Jessen, seit 2006 im Landtag vertreten

Bernward Rothe
SPD Staßfurt, Aschersleben, seit 1998 im Landtag vertreten

Jürgen Scharf
CDU Magdeburg, seit 1990 im Landtag vertreten

Dieter Steinecke
CDU Magdeburg, seit 2002 im Landtag vertreten

Brigitte Take
CDU Köthen, seit 2006 im Landtag vertreten

Edeltraud Thiel-Rogée
DIE LINKE Jerichower Land, Burg, seit 1998 im Landtag vertreten

Dr. Frank Thiel
DIE LINKE Burgenlandreis, Nebra, Weißenfels, Zeitz, seit 2002 im Landtag vertreten

Gudrun Tiedge
DIE LINKE Oschersleben, Wanzleben, Landkreis Börde, seit 1998 im Landtag vertreten

Tilman Tögel
SPD Stendal, Tangerhütte, Tangermünde, seit 1990 im Landtag vertreten

Frauke Weiß
CDU Halberstadt, seit 1998 im Landtag vertreten

Dr. Helga Paschke
DIE LINKE Altmarkkreis Stendal, seit 1998 im Landtag vertreten

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Aktuell informiert - Der Wahlabend im Internet

Bereits seit Mitte Januar bietet der Landtag auf der Domain www.sachsen-anhalt-wahl-2016.de einen Schnelldurchlauf durch die bevorstehende Landtagswahl. Ebenfalls eingebunden ist der interaktive "Wahl-O-Mat" der Bundeszentrale für politische Bildung, der allen Unentschlossenen eine besondere "Wahlhilfe" gibt.

Natürlich informiert der Landtag auch am Wahlabend und in den Tagen danach auf seiner Internetseite über aktuelle Hochrechnungen sowie das endgültige Wahlergebnis und bietet einen Einblick hinter die Kulissen der Landtagswahl. Daher am besten gleich die Landtagsdomain in Ihre Favoritenleiste eingeben: www.landtag.sachsen-anhalt.de.

Stefanie Böhme


Hochrechnungen, Ergebnisse und Hintergründe zur Landtagswahl 2013 finden Sie im Web auf
www.landtag.sachsen-anhalt.de.


Vorübergehend keine Besuchergruppen

Der Landtag hat vorübergehend seine Besucherbetreuung eingestellt. Bis Mitte April 2016 werden keine Besuchergruppen mehr durch den Landtag geführt. Hintergrund ist die Landtagswahl am 13. März. Für die Berichterstattung am Wahl­abend wird der Plenarsaal im Vorfeld in ein modernes Medienzentrum umgebaut und ist daher für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich. Nach der Landtagswahl wird der Plenarsaal wieder eingerichtet und ab Mitte April wird das Besuchsgruppenprogramm wieder normal durchgeführt. Für das vergangene Jahr zieht der Landtag eine positive Besucherdienstbilanz. Demnach haben rund 13.000 Menschen den Landtag in Magdeburg besucht und sich über die Arbeit des Parlaments informiert. Über das Jahr verteilt kamen 427 Besuchergruppen, die Mehrzahl aus Sachsen-Anhalt, allerdings wurden auch Gruppen aus China, der Ukraine und Frankreich begrüßt.

Stefanie Böhme

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EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser,

in der letzten Januarwoche kamen die Abgeordneten des Landtags von Sachsen-Anhalt zu ihren letzten Plenarsitzungen in der 6. Wahlperiode zusammen. Sowohl die Aktuelle Debatte zum Thema "Demokratie" als auch die Regierungserklärung "Nachhaltige Politik für ein liebens- und lebenswertes Sachsen-Anhalt" des Ministers für Landwirtschaft und Umwelt nahmen Probleme und Themen auf, die unser Land bewegen. Mit der zu Ende gehenden Wahlperiode haben wir auch Abgeordnete unseres Hauses verabschiedet, die zum Teil seit 1990 aktiv an der Gestaltung Sachsen-Anhalts mitgewirkt haben.

Am 27. Januar fand im Plenarsaal die Gedenkveranstaltung zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts statt. Die israelische Künstlerin Sara Atzmon hat die nationalsozialistischen Verbrechen als Mädchen erleben müssen. In einfühlsamen und eindrucksvollen Worten schilderte die Zeitzeugin ihr eigenes und das Schicksal ihrer Familie im Holocaust. Sehr dankbar bin ich, dass sich Sara Atzmon auch bereiterklärt hat, mit Schülern aus Sachsen-Anhalt über die Monstrosität des Geschehenen zu sprechen.

Mit diesem Heft halten Sie auch die letzte Ausgabe unseres Landtagsmagazins "ZwischenRuf" für die 6. Wahlperiode in den Händen. Sein Inhalt beschränkt sich nicht nur auf Rückblicke, sondern bietet auch Ausblicke. Dabei geht mir ein Anliegen besonders zu Herzen: Am 13. März dieses Jahres sind die Bürgerinnen und Bürger Sachsen-Anhalts dazu aufgerufen, über die Zusammensetzung ihres neuen Landesparlaments abzustimmen. Im Vorfeld der Wahlen bietet auch der Landtag von Sachsen- Anhalt verschiedene Angebote, besonders für junge Leute, Demokratie kennen- und schätzen zu lernen, aber auch zu leben. Hervorgehoben sei an dieser Stelle die Kampagne "Sachsen-Anhalt wählt" an Schulen unseres Landes.

Der beliebte Fernsehmoderator Günther Jauch meinte vor einigen Jahren "Nicht wählen zu gehen - das ist wie unterlassene Hilfeleistung an einer Demokratie". Günther Jauch hat Recht, führt uns sein Zitat doch ein deutliches Bild vor Augen: Wir haben eine Wahl! Die Ereignisse der letzten Monate lassen uns spüren, dass es noch immer unzählige Menschen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft gibt, deren einzige Wahlmöglichkeit in der Flucht vor Unterdrückung, Bürgerkrieg und Diktaturen besteht. An dieser Stelle möchte ich daran erinnern und aufrufen, dass unsere Demokratie keine Selbstverständlichkeit ist und ohne aktive Anteilnahme, also auch eine Wahl zu treffen, diese überaus blutarm und gefährdet sein würde. Nutzen Sie die eigenen demokratischen Gestaltungsmöglichkeiten.

Ihr

Dieter Steinecke
Präsident des Landtags von Sachsen-Anhalt

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AUS DEM PLENUM

"Wählen ist mein Recht auf Mitbestimmung. Wer nicht wählt, hat hinterher kein Recht zu meckern, wenn es nicht läuft. Man muss auch selber aktiv werden. Politik macht nicht alles alleine."
Anna Sophie Schröder, 19 Jahre, Halle, Studentin der Kommunikationswissenschaften


Der Motor der Gesellschaft

Der Landtag diskutierte eine von den Grünen initiierte Aktuelle Debatte mit dem Thema "Demokratie stärken". Es müsse gelingen, die Menschen wieder von der Wichtigkeit demokratischer Prozesse zu überzeugen, so der Tenor.


Der Tanz um die "schwarze Null" der Landesregierung habe das Land systematisch ausgezehrt, erklärte Prof. Dr. Claudia Dalbert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Als Beispiel nannte sie die personellen Einschnitte bei der Polizei, den Gerichten und in den Schulen. Auch ein falsches Vorgehen in der Flüchtlingspolitik warf sie der schwarzroten Regierung vor: "Wir brauchen nicht vermeintlich einfache Debatten über Obergrenzen", sondern müssten über Integration und die Chancen reden, die die jungen hierher geflüchteten Menschen für Sachsen-Anhalt bedeuteten.

"Wir haben solide gewirtschaftet und auch in die Zukunft Sachsen-Anhalts investiert", verteidigte Staatsminister Rainer Robra (CDU) den Kurs der Landesregierung. "Sachsen-Anhalt ist kein Notstandsgebiet", wer dies behaupte, habe den Blick für die Realität verloren. Die platte Kritik an der Flüchtlingspolitik wies Robra deutlich zurück: Aufnahme sei nicht Integration; dazu gehörten Spracherwerb, Ausbildung und Arbeit, die Anerkennung der hiesigen Gesetze und Werte.

"Wir leben in einer mit hoher Geschwindigkeit immer komplexer werdenden Welt", sagte Gerhard Miesterfeldt (SPD). Dies gelte auch und derzeit vor allem beim Thema Flüchtlinge. Unfassbares, Neues und Fremdes erzeuge mitunter Angst, erklärte Miesterfeldt; Ideologen spielten mit diesen Ängsten, Demokraten aber sollten Wege zur Überwindung dieser Ängste aufzeigen. Der Staat habe die Aufgabe eines Mediators, er müsse aufklären und vermitteln, er müsse für das Machbare den Kompromiss finden. Welches Vertrauen haben Menschen in politische Akteure und Institutionen, fragte Wulf Gallert (DIE LINKE). Ein Klischee besage, niemals werde so viel gelogen wie vor einer Wahl oder auf einer Beerdigung: "Es wird in diesem Jahr so wichtig sein wie nie zuvor, diesem Klischee zu widerstehen." Gallert kritisierte die Wirtschafts- und Flüchtlingspolitik der Landesregierung, die Umsetzung von Obergrenzen bezeichnete er als falsch. Alle, die sich mit der ökonomischen Situation Sachsen-Anhalts auseinandergesetzt hätten, hätten erkannt, dass es unter den ostdeutschen Ländern in fast allen Bereichen die rote Laterne innehabe.

"Sachsen-Anhalt funktioniert, der Staat funktioniert", zeigte sich André Schröder (CDU) überzeugt und kritisierte deutlich die Äußerungen von Grünen-Fraktionschefin Dalbert. In den letzten 14 Jahren unter einer CDU-geführten Landesregierung habe die Arbeitslosigkeit mehr als halbiert werden können. Das durchschnittliche Einkommen sei um 30 Prozent gewachsen, die Exportquote sei vervierfacht worden. Bisweilen seien auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Dies gelte auch in der Flüchtlingspolitik. Eine Obergrenze ergebe sich aus den Belastungsgrenzen eines Staates, erklärte der CDU-Fraktionsvorsitzende: das Herz sei weit, die Möglichkeiten aber endlich. Beschlüsse wurden am Ende der Aktuellen Debatte nicht gefasst.

Dr. Stefan Müller


Gesellschaft und Wirtschaft sollen in Sachsen-Anhalt gleichermaßen wachsen. Wie schafft man das Vertrauen, dass dies den Regierenden gelingen werde?

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AUS DEM PLENUM

"Wir gehen wählen, weil wir nicht möchten, dass rechte und fremdenfeindliche Strömungen ans Ruder kommen. Jeder sollte wählen! Wenn die Hälfte nicht wählen geht, ist keinem geholfen."
Brunhilde Schmehl und Margret Gwosdz, Kulturwerkstatt aus Gommern


Für eine lebenswerte Heimat

Von A wie Altlastensanierung bis W wie Windkraftanlagen - die Regierungserklärung des Umweltministers war inhaltlich breit gefächert. Den roten Faden bildete das Thema "Nachhaltigkeit".


Der Mensch ist nicht das Produkt seiner Umwelt - die Umwelt ist das Produkt des Menschen", zitierte Dr. Hermann Onko Aeikens, Minister für Landwirtschaft und Umwelt, den ehemaligen britischen Premierminister Benjamin Disraeli. Es müsse gelingen, "den Ausgleich zwischen ökologischen und ökonomischen Zielen" zu schaffen. Unser aller Ziel sollte sein, dass Kinder und Enkel vergleichbare Gestaltungsräume für ihre Entwicklung haben, wie wir heute, meinte Aeikens. Grundsätzlich hätte sich Sachsen-Anhalt in den letzten 25 Jahren positiv entwickelt, zum Beispiel bei der Altlastensanierung, in den Bereichen Trink- und Hochwasserschutz, Abfallwirtschaft, Vernässung und Luftsauberkeit. Auch bei der Umsetzung des Klimaschutzprogramms und dem Thema Biodiversität sei man auf einem guten Weg.

"Echten Klimaschutz gibt es nur mit den Grünen!", sagte Prof. Dr. Claudia Dalbert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Sie unterstellte dem Landwirtschaftsminister beim Schreiben seiner Rede "eine rosarote Brille aufgehabt" zu haben. So sei der Zustand der Artenvielfalt alarmierend. Das klägliche Versagen der Landesregierung zeige sich vor allem im Umgang mit den europäischen Artenschutzrichtlinien. Diese seien in Sachsen-Anhalt in 86 Prozent der Fälle nicht erfüllt worden. Katrin Budde (SPD) zeigte sich überzeugt, dass der Mensch die Umwelt nicht nur gestalte, sondern auch ganz erheblich von ihr geprägt werde. Daher sei es unheimlich wichtig, dass Menschen gleiche Chancen hätten, ohne sie gebe es kein liebens- und lebenswertes Sachsen-Anhalt. Ein grundlegender Aspekt dessen sei eine flächendeckende Breitbandversorgung in den Städten und im ländlichen Raum.

Mit Blick auf die Regierungserklärung des Ministers aus dem Jahr 2010 seien laut André Lüderitz (DIE LINKE) diverse Versprechungen nicht erfüllt worden: Die UNESCO-Anerkennung für das Biosphärenreservat Südharz, die rechtliche Sicherung der NATURA-2000-Gebiete, die Reduzierung des Flächenverbrauchs sowie die Einführung eines Kompensationsmanagements. Auch bei der Etablierung der Umweltbildung sei wenig passiert, ebenso beim Erhalt der Artenvielfalt. "Die erfreulichen Entwicklungen seit 1989 haben Lebensqualität und Entfaltungsmöglichkeiten in Sachsen-Anhalt um ein Vielfaches verbessert", stellte dagegen Gabriele Brakebusch (CDU) fest. Analog zum Landwirtschaftsminister sprach sie sich dafür aus, dass die Nahrungsmittelproduktion auf unseren Äckern Vorrang vor der Energienutzung haben müsse. Ihre Fraktion wolle die Landwirte zudem bei der Akzeptanzsteigerung der modernen Tierhaltung unterstützen. Dazu müssten die Tierschutzstandards umgesetzt und kontrolliert werden.

Stefanie Böhme


Ein Blick auf den Märchenpfad im Nationalpark Harz. Der länderübergreifende Park feierte Anfang Januar 2016 seinen 10. Geburtstag und gilt als Repräsentant für erfolgreiche Naturschutzarbeit in Sachsen-Anhalt.

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AUS DEM PLENUM

"Ich engagiere mich seit Jahren im Bündnis "Halle gegen Rechts-Bündnis für Zivilcourage", um den Nazis nicht die Straße zu überlassen. Aus dem gleichen Grund gehe ich auch wählen, damit sie keinen Platz im Parlament finden."
Clemens Wagner, 24 Jahre, Halle, Student


Erlass gegen Beiträge

Der Landtag will die rückwirkende Erhebung von Straßenausbau- und Anschlussbeiträgen besser regeln. Koalition und Opposition haben aber einen anderen Plan für den Weg dorthin.


Die Fraktion DIE LINKE brachte einen Antrag in den Landtag ein, durch den darauf hingearbeitet werden sollte, die rückwirkende Erhebung von Straßenausbau- und Anschlussbeiträgen für Wasser- und Abwasserleitungen zu beschränken. Die Fraktionen von CDU und SPD stimmten aber lieber ihrem Alternativantrag zu.

Laut dem seit 1991 gültigen Kommunalabgabengesetz war eine entsprechende Satzung Voraussetzung für die Erhebung von Beiträgen, erinnerte Gerald Grünert (DIE LINKE). Durch zwei Urteile des Bundesverfassungsgerichts wurde darauf hingewiesen, dass die derzeitige Handhabung des Kommunalabgabengesetzes - also die rückwirkend geänderte oder erlassene Beitragssatzung und damit die verspätete Erhebung von Beiträgen - überprüft werden müsse. In vielen Fällen sei die Verjährungsfrist für die Beitragserhebung für Bau- und Anschlussmaßnahmen lange überschritten gewesen, so Grünert.

Durch das Ende 2014 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung kommunalabgabenrechtlicher Vorschriften werde dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit hinreichend Rechnung getragen, versicherte Innenminister Holger Stahlknecht (CDU). Die Beitragserhebungen der Verbände und Kommunen sollen jedoch zunächst durch einen Erlass aus dem Ministerium ausgesetzt werden, bis die Konsequenzen aus den vorliegenden Urteilen des Bundesverfassungsgerichts ausgewertet worden seien.

Es gehe um ein neues Austarieren vom Vertrauen der Betroffenen und den fiskalischen Interessen der Verbände und Kommunen, so Rüdiger Erben (SPD): "Unser Ziel ist, den Rechtsfrieden an der Abwasserfront in Sachsen-Anhalt herzustellen." In ihrem Alternativantrag begrüßen CDU und SPD das Vorhaben des Innenministeriums, bis zur Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen die Beitragsfestlegung auszusetzen.

Im vergangenen Jahr habe es einen Run auf die Festsetzung von Altbeiträgen bei den Verbänden gegeben, konstatierte Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Es sei zu vielen rechtlich fragwürdigen Beitragserhebungen gekommen, die rechtskräftig geworden und bezahlt worden seien. "Was passiert damit? Was machen die Verbände mit den eingenommenen Beträgen?", fragte Meister. Der juristische Ausgang war und sei offen.

Falls die bestehenden Regelungen keinen Bestand hätten, müsse eine Lösung für diejenigen gefunden werden, die ihre Altbeiträge im vergangenen Jahr bezahlt hätten, räumte Jens Kolze (CDU) ein. Die aktuelle Rechtsprechung im Land Brandenburg habe jedoch keine Auswirkungen auf die Rechtslage in Sachsen-Anhalt. Es gehe den Linken nur darum, die Beitragszahler zu ermuntern, die bereits ausgegebenen Bescheide nicht hinzunehmen, monierte Kolze.

Am Ende der Debatte wurde der Antrag der Linken per namentliche Abstimmung abgelehnt, der Alternativantrag von CDU und SPD mit den Stimmen der Koalition angenommen.

Dr. Stefan Müller


Beim Thema nachträgliche Kosten für Anschlussarbeiten schaut derzeit so mancher Hauseigentümer sprichwörtlich in die Röhre.

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AUS DEM PLENUM

"Ich gehe wählen, weil Wählen wichtig ist, um mitgestalten und seine Meinung äußern zu können. Nicht wählen heißt, den anderen den Platz zu überlassen."
Cornelia Wewetzer, 60 Jahre, Halle, Referentin beim Landesheimatbund Sachsen-Anhalt


Weihnachtsgeld für Beamte diskutiert

Der Landtag hat einem Antrag zur Wiedereinführung einer Sonderzahlung für Beamte zugestimmt. Konkrete Schritte dazu wird es allerdings erst nach der Landtagswahl geben. Über die Höhe der Sonderzahlung ist noch nichts bekannt.


Den etwa 20.000 Beamtinnen und Beamten im Land sei in den vergangenen Jahren einiges zugemutet worden, räumte Eva Feußner (CDU) ein: Die Streichung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld, die Einführung einer Kostendämpfungspauschale in der Beihilfe und der Stopp von kontinuierlichen Beförderungen. Dies alles hätte zu Unzufriedenheit geführt und mache eine grundsätzliche Prüfung des Landesbesoldungsgesetzes nötig. Dieser neue Gesetzentwurf werde jedoch recht komplex, erklärte Staatsminister Rainer Robra (CDU), da verschiedene Faktoren berücksichtigt werden müssten. Hintergrund für den Antrag von CDU und SPD ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Abschaffung des Weihnachtsgeldes in Sachsen unzulässig war. Swen Knöchel (DIE LINKE) kritisierte, "die Beamten wurden 2004 als Sparschweine entdeckt, nun würden CDU und SPD feststellen, dass Beamte auch Wähler seien. So schlecht stehe Sachsen-Anhalt im Länderranking der Besoldungsgruppen gar nicht da, ergänzte Rüdiger Erben (SPD), zumindest nicht bei den höheren Besoldungsgruppen. Allein daraus leite sich allerdings bereits Handlungsbedarf ab.

Misstrauisch zeigte sich Grünen-Politiker Olaf Meister, da die höheren Kosten nicht in den Nachtragshaushalt eingespeist seien. Grundsätzlich hält seine Fraktion den in dem Antrag eingeschlagenen Weg jedoch für richtig und stimmte ihm ebenso zu wie die Koalitionsfraktionen, die Linken enthielten sich.

Stefanie Böhme


Ein erster Schritt hin zur Wiedereinführung von Sonderzahlungen für Beamte ist gemacht. Der Landtag hat einen entsprechenden Antrag verabschiedet.

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IBG-Affäre: Ausschuss legt Bericht vor

Nach mehr als zwei Jahren Arbeit hat der 14. Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) dem Landtag nun offiziell seinen Untersuchungsbericht zur Fördermittelaffäre der IBG Beteiligungsgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH vorgelegt.

Mitte 2013 wurde bekannt, dass die landeseigene Fördergesellschaft IBG offenbar mehrere Millionen Euro EU-Fördergelder zweckentfremdet hatte und Fördermittelkriterien nicht eingehalten wurden. Im Oktober 2013 setzte der Landtag deshalb einen Untersuchungsausschuss ein. Dieser beschäftigte sich in 26 Sitzungen unter anderem mit der Frage, wie es zu dem Missverhalten kommen konnte und ob politische Akteure mitverantwortlich waren.

Im Wesentlichen waren sich die Mitglieder aller Fraktionen über die Ergebnisse des PUA einig, unterschiedliche Auffassungen gab es lediglich in der Bewertung einzelner Zeugenaussagen und Fakten. Zusammenfassend wurde festgestellt, dass trotz aller Beschädigung dieses besonderen Instruments die Vergabe von Risikokapital auch zukünftig ein wichtiges Mittel in der Wirtschaftsförderung bleiben soll, allerdings ohne die aufgezeigten systemimmanenten Schwächen.

Stefanie Böhme

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AUS DEM PLENUM

"Wählen ist wichtig, denn sonst bekommen ja quasi die anderen meine Stimme und dann schimpfe ich nachher auch wieder, wenn es mir nicht gefällt. Darum mache ich mich auf den Weg, auch wenn ich nicht mehr so gut zu Fuß bin."
Doris Schmidt, Köthen, Rentnerin


Hohe Standards für Freie Berufe

Freiberufler erfüllen hohe Standards in puncto Qualität, Qualifizierung und Verbraucherschutz. Die EU-Kommission plant Veränderungen in diesem Bereich. Die Fraktionen von CDU und SPD protestierten mit einem Antrag.


Freiberuflich arbeiten - für manche ein Traum, für andere ein Fluch. Trotzdem wagen auch immer mehr Sachsen-Anhalter den Schritt in die Selbstständigkeit. Sie arbeiten in Kultur und Medien, als Rechtsanwälte und Architekten oder in Heilberufen. Hintergrund für den Antrag von CDU und SPD ist ein Arbeitsplan der EU-Kommission zur Evaluierung der Berufszugangsregeln. Darin soll untersucht werden, inwiefern einzelne Regulierungen diskriminierend oder angemessen sind. Eine angestrebte europäische Vereinheitlichung dürfte jedoch nicht zulasten der hohen deutschen Standards gehen, so die Koalitionsfraktionen. Sie setzten sich mit einem Antrag dafür ein, die bewährten Standards in den Freien Berufen zu erhalten. Ronald Mormann (SPD) betonte: "Eine jahrzehntelange Erfolgsstory darf nicht für eine Liberalisierung des europäischen Marktes aufgegeben werden." Die EU sollte nur das regeln, was Kommunen, Länder und Staaten nicht selbst regeln könnten.

Ebenfalls auf Ablehnung stießen die Pläne der EU-Kommission beim Minister für Wissenschaft und Wirtschaft, Hartmut Möllring (CDU). Ziel müsse es sein, die hohe Qualität der Freien Berufe zu bewahren. Ganz konkret plane die EU-Kommission unter anderem die Kosten- und Honorarordnung abzuschaffen, dies öffne nach Ansicht des Ministers einem Preiswettbewerb auf Kosten der Qualität Haus und Hof.

Die EU-Kommission verkenne nicht, dass es länderspezifische Regelungen geben müsse, erklärte Dr. Frank Thiel (DIE LINKE). Aber sie stelle auch Fragen, wie auf neue Entwicklungen geantwortet werden müsse. Selbstverständlich setze sich DIE LINKE für die hohe Qualität in den Freien Berufen ein. Ebenso lehnen sie die geplante Abschaffung der Kosten- und Honorarordnung ab. Allerdings müsste diese überarbeitet und den aktuellen Entwicklungen angepasst werden.

"Es geht um nichts anderes als die Zukunft der Freien Berufe", sagte Ulrich Thomas (CDU). Grundsätzlich begrüßte er die Absicht der EU-Kommission, den Binnenmarkt zu stärken und die Innovation zu fördern. Dabei müsse jedoch das richtige Verhältnis zwischen der Regulierung und der Harmonisierung der Märkte gefunden werden. Die hohen bundesdeutschen Standards sollten seiner Ansicht nach europaweit gelten. An dieser Stelle müsste sich nicht Deutschland anpassen, sondern Europa. Diese Forderung hielt Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) für unrealistisch. Man könne nicht annehmen, die EU würde einfach deutsche Standards übernehmen. "So funktioniert Europa nicht." Wer das deutsche System erhalten wolle, müsse auch den Mut haben, es zu überprüfen, so der Grünen-Abgeordnete.

Dem Antrag wurde mit den Stimmen von CDU und SPD zugestimmt, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN enthielten sich.

Stefanie Böhme


Rund 100.000 Freiberufler arbeiten nach Angaben des Wirtschaftsministeriums derzeit in Sachsen-Anhalt.

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AUS DEM PLENUM

"Ich gehe wählen, weil ich erst seit dem 18. Lebensjahr Deutscher bin und gerne den politischen Kurs in meiner Umgebung mitgestalten will."
Igor Matviyets, 24 Jahre, Halle, Student der Politikwissenschaften


Karrierestart im Gymnasium?

Die Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte im Juni 2015 eine Große Anfrage zum Thema "Der Weg zum Abitur in Sachsen-Anhalt" gestellt. Die Antwort der Landesregierung wurde nun im Plenum diskutiert.


Der Anlass für die Große Anfrage seien in der Tat Aussagen in der Presse über zu viele missglückte Karrieren an den Gymnasien gewesen, sagte Prof. Dr. Claudia Dalbert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Ihre Fraktion spreche sich für längeres gemeinsames Lernen an den Gemeinschaftsschulen aus; eine zu frühe Schullaufbahnempfehlung sei kontraproduktiv, man könne nicht vorhersehen, wie sich ein Zehnjähriger entwickle, so Dalbert. Sitzenbleiben helfe der/dem Betroffenen in der Regel nicht; hier sei Fördern die bessere Alternative. Insgesamt müssten mehr Schüler - ungeachtet ihrer sozialen Herkunft - die Hochschulreife erreichen können.

Es dauere einige Zeit, bis es detaillierte Zahlen über den Karriereverlauf von Schülerinnen und Schülern gebe, sagte Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD). Er wies auf diverse Förderangebote bei Lerndefiziten hin. So gibt es in den Klassenstufen 5 und 6 zum Beispiel den Wahlpflichtkurs "Lernmethoden". Derzeit arbeite das Kultusministerium an der Erstellung neuer Fachlehrpläne für die Gymnasien und Fachgymnasien, um noch gezielter auf die Hochschulreife vorbereiten zu können, so Dorgerloh.

Das Ansehen der Schulform Gymnasium zeige sich nicht nur an den hohen Übertrittsquoten, sondern auch an der Nachfrage der Wirtschaft an Abiturienten, meinte Hardy Peter Güssau (CDU). Er kritisierte gleichzeitig aber auch den offenbar vorherrschenden "Akademisierungswahn", der zu einer Vernachlässigung des beruflichen Bildungswesens führe. Güssau plädierte für die Wiedereinführung der verbindlichen Schullaufbahnempfehlung nach der vierten Klasse (2012 abgeschafft), um dem vielfach fast vorhersagbaren Schulversagen im Gymnasium vorzubeugen.

Für die Linken ergeben sich nach der Großen Anfrage laut Monika Hohmann (DIE LINKE) folgende Erkenntnisse: Es gebe zu viele Schüler, die das Gymnasium ohne Abitur verließen, die Zahl der Rückkehrer an die Sekundarschulen sei deutlich höher als die der "Aufgeschulten" und viele Gymnasiasten müssten eine Klassenstufe wiederholen. Gymnasien hätten zwar ihren Status als Eliteschulen verloren, doch der Zugang zum Gymnasium dürfe nicht durch harte Zugangsprüfungen beschränkt werden, so Hohmann. Stattdessen sollten effektivere Schulstrukturen entwickelt werden, um einen erfolgreichen Abschluss am Gymnasium zu ermöglichen.

Die SPD stehe für das längere gemeinschaftliche Lernen, bevor es zu einer Teilung der Schülerschaft komme, betonte Patrick Wanzek (SPD). Die Zahl derjenigen, die nach Klasse 5 das Gymnasium wieder Richtung Sekundarschule verließen, sei auch für seine Fraktion viel zu hoch. Die Gründe für dieses Phänomen müssten untersucht und ihnen anschließend gegengesteuert werden. Beschlüsse wurden am Ende der Aussprache zur Großen Anfrage nicht gefasst.

Dr. Stefan Müller


Längeres gemeinsames Lernen soll der Schlüssel zum Erfolg am Gymnasium sein.

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IM BLICKPUNKT

"Ich gehe wählen, weil ich denke, wenn man es nicht tut, kann man auch keine Veränderungen bewirken. Beschweren ist immer einfach, aber nur wenn man wählt, kann man auch Veränderungen anfachen."
Jana Bodemann, 27 Jahre, Magdeburg, LAMSA e.V.

"Ich wähle, weil ich etwas verändern möchte, weil ich politische Überzeugungen habe und ich derzeit nicht das Gefühl habe, dass ich diese im Parlament wiederfinde. Ich denke, dass sich da etwas ändern muss und ich durch meine Stimme dazu beitragen kann."
Janis Prinz, 22 Jahre, Magdeburg, Student der Philosophie und Neurowissenschaften


Fünf Jahre - Ein Resümee

Die 6. Wahlperiode geht zu Ende. Bevor am 13. März ein neues Parlament gewählt wird, zieht der scheidende Landtagspräsident Dieter Steinecke im Interview mit dem ZwischenRuf ein Resümee über die vergangenen fünf Jahre.


ZwischenRuf: Was hat die Arbeit im Plenum in den vergangenen fünf Jahren besonders geprägt?

Dieter Steinecke: Die Debatten und Auseinandersetzungen der vergangenen Monate haben nochmals bewiesen, wie wichtig der politische Meinungsstreit in unserer Demokratie ist. Ich bin stolz und dankbar, dass das Verhältnis und die Zusammenarbeit zwischen den Parlamentariern in der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode von Kollegialität und gegenseitigem Respekt geprägt waren. Hinzu kam ein tadellos funktionierender Verwaltungsapparat, der im Hintergrund die Weichen für das reibungslose Arbeiten des Parlaments ermöglicht hat.

Wann war dies Ineinandergreifen von besonderer Bedeutung?

Beispielsweise bei der Vorbereitung und Umsetzung der Parlamentsreform, um nur eines der vielen großen Gesetzesvorhaben der vergangenen fünf Jahre zu nennen. Dieses Gesetz hat Auswirkungen auf die grundsätzliche parlamentarische Arbeit. Die Einigkeit über die Fraktionsgrenzen hinweg hat hier Innovationen innerhalb des Hauses möglich gemacht. Erinnern möchte ich hier auch an die umfassende Sanierung und Modernisierung unseres Landtagsgebäudes. Zudem sind mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung möglich geworden, ich freue mich auch sehr über die zunehmende Barrierefreiheit unserer digitalen Angebote.

Welche Ereignisse werden Ihrer Meinung nach in Erinnerung bleiben?

Zahlreiche Jubiläen begleiteten unsere Arbeit in den letzten fünf Jahren, besonders hervorheben möchte ich hier die Feierlichkeiten zu 25 Jahre Friedliche Revolution, Wiedervereinigung und damit auch Wiedergründung unseres Landes und unseres Parlaments. Anlässlich des Internationalen Holocaustgedenktags (27. Januar) konnten wir beeindruckende Reden von Buddy Elias (gest. 2015) und Sara Atzmon hören. Ein Tag der offenen Tür lockte im Herbst 2014 mehr als 5000 Menschen in unser Parlament. Vielfältige Angebote für Jugendliche und Senioren waren Marksteine in der Öffentlichkeitsarbeit des Landtags. Die Liste der am Ende einer Wahlperiode hervorzuhebenden Dinge könnte problemlos fortgesetzt werden.

Das Ende der Wahlperiode bedeutet für einige Abgeordnete, Auf Wiedersehen zur Landespolitik zu sagen. Was geben Sie den früheren Kollegen mit auf den Weg?

Den Abgeordneten, die sich dafür entschieden haben, nicht für die nächste Legislaturperiode im Landtag zu kandidieren, wünsche ich für ihren weiteren Lebensweg im alten Beruf, in einer neuen Tätigkeit oder auch im Ruhestand alles Gute und vor allem viel Gesundheit. Am 13. März werden die Bürgerinnen und Bürger von Sachsen-Anhalt über die Zusammensetzung ihres Parlaments neu entscheiden. Allen Abgeordneten, die sich erneut um ein Mandat bemühen, wünsche ich viel Erfolg.

- Der amtierende Landtagspräsident Dieter Steinecke tritt bei der Landtagswahl ebenfalls nicht erneut an. Steinecke war seit 2002 Mitglied des Landtags und von 2006 bis 2011 bereits Landtagspräsident. Nach dem Rücktritt von Detlef Gürth wurde ihm das Amt im Dezember 2015 noch einmal übertragen.

Ein Resümee am Ende einer Wahlperiode bietet traditionell Platz für Dank. An wen soll er gehen?

Vieles wurde in der 6. Wahlperiode erreicht. Manche Entscheidungen werden in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen, andere weniger. Sie alle aber sind Teile ein und desselben Puzzles. Viel Dank kommt meinem Vorgänger im Amt des Landtagspräsidenten, Detlef Gürth, zu. Ihm spreche ich Anerkennung und Respekt für das in den vergangenen Jahren für Sachsen-Anhalt Geleistete aus.

Ich möchte auch nicht versäumen, all denjenigen zu danken, die unsere gemeinsame Arbeit erst ermöglicht haben. Dies gilt den Kollegen im Präsidium des Landtags, den Mitarbeitern der Landtagsverwaltung sowie der Landesregierung mit ihren verschiedenen Ressorts und unseren Familien und Freunden. Nicht zu vergessen sind die Sachverständigen und Experten, die unsere Arbeit in den Ausschüssen inhaltlich begleitet haben.


Die 6. Legislaturperiode in Zahlen

Wie viele Sitzungstage gab es? = 107
­... Sitzungsstunden im Plenarsaal? = rund 800
­... Beschlüsse wurden gefasst? = 476
­... Anträge gestellt? = 960
­... Gesetze beschlossen? = 120
­... Kleine Anfragen wurden beantwortet? = 2026
­... Große Anfragen debattiert? = 31
­... Regierungserklärungen abgegeben und diskutiert? = 11
­... öffentliche Anhörungen gab es? = 125
­... Ausschusssitzungen gab es insgesamt? = 953
­... Parlamentarische Untersuchungsausschüsse gab es? = 2
­... Abgeordnete sind während der Legislatur ausgeschieden? = 7

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IM BLICKPUNKT

"Ich gehe wählen, weil es eine super Möglichkeit ist, meine Meinung kundzutun und jemanden zu bestimmen, der diese Meinung dann im Parlament vertritt."
Julia Tecklenborg, 33 Jahre, Magdeburg

"Ich gehe wählen, weil ich es wichtig finde und denke, dass man sich nicht davor drücken kann. Es ist einfach meine Pflicht zu wählen!"
Julia Seyer, Stendal, Studentin der Sozialen Arbeit


Von der Stimmabgabe zum Mandat

Die aktuelle Legislaturperiode des Landtags endet mit dem Wahltag am 13. März. Die Bürgerinnen und Bürger des Landes Sachsen-Anhalt wählen ein neues Parlament.


Laut § 10 des Wahlgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (LWG) wird das Land von Arendsee bis Zeitz in 43 Wahlkreise eingeteilt. Damit ist klar, von den im Wahlgesetz vorgeschriebenen 87 Mandaten werden 43 Landtagsabgeordnete per Direktmandat in den Landtag einziehen. Alle anderen Abgeordneten werden über die jeweilige Landesliste gewählt. Wenn am Wahltag um 18 Uhr die Wahllokale geschlossen sind, beginnt auf der einen Seite das große Warten auf das Ergebnis, auf der anderen Seite der relativ kurze Weg zu ebendiesem Ergebnis. Ohne Unterbrechung ermitteln die Wahlvorstände und die Briefwahlvorstände das Resultat. Sie kontrollieren per Hand die in der Urne befindlichen Stimmzettel auf deren Gültigkeit und zählen die abgegebenen Stimmen aus. Bereits ab 18 Uhr gibt es in den Medien Prognosen und Talkrunden mit Gewinnern und Verlierern.

Die Ergebnisse werden in den Wahlkreisen (beim Kreiswahlleiter) zusammengetragen und der Landeswahlleiterin übermittelt. Hier wird noch in der Nacht das vorläufige beziehungsweise später auch das endgültige Wahlergebnis ermittelt und bekanntgegeben. Daraus gehen sowohl die Sieger der Direktmandate als auch die jeweiligen Stimmenanteile der Parteien hervor.

Im Wahllokal zeigen Sie der Wahlkommission Ihre Wahlbenachrichtigung und/oder Ihren Personalausweis. Wenn alles passt, erhalten Sie einen Stimmzettel. Wenn Sie beide Kreuze gemacht haben, stecken Sie den Stimmzettel in die Wahlurne. Bitte schreiben Sie nicht Ihren Namen oder irgendetwas anderes auf den Stimmzettel, er wird dann ungültig. Noch am selben Abend erfahren Sie in den Medien, wie die Wahl ausgegangen ist.

Gewählt als Direktkandidat ist im Wahlkreis, wer die meisten Erststimmen erhalten hat. Bei Stimmengleichheit entscheidet das vom Kreiswahlleiter zu ziehende Los. Für die Parteien, die kein Direktmandat erzielen, gilt für den Einzug ins Parlament die Fünf-Prozent-Hürde. Es werden also nur die Parteien berücksichtigt, die mindestens fünf Prozent der abgegebenen Zweitstimmen auf sich vereinen konnten.

Die prozentualen Anteile der Parteien am Wahlergebnis werden auf die zu vergebenden Sitze umgerechnet. Dadurch wird klar, wie viele Mandate im Parlament einer Partei zustehen. Der Landeswahlleiterin kommt es zu, die gewählten Bewerber der Landeswahlvorschläge der Parteien über deren Mandatsgewinn zu informieren.

Die Gewinner der Direktmandate werden von den Kreiswahlleitern verständigt. Binnen einer Woche müssen sie entscheiden, ob sie das Mandat annehmen oder nicht. Alle gewählten Kandidaten werden nach der Annahme ihres Mandats Abgeordnete des Landtags von Sachsen-Anhalt. Sie kommen zur sogenannten konstituierenden Sitzung des Parlaments zusammen. Diese muss spätestens am 30. Tag nach der Wahl erfolgen.

Konstituierende Sitzung des Landtags

Sie wird vom Alterspräsidenten - dem am längsten im Landtag vertretenen Abgeordneten - eröffnet. Er leitet diese bis zur Wahl des neuen Landtagspräsidenten. Nach der Eröffnung wird der vorläufige Sitzungsvorstand berufen. Mit der Feststellung der Beschlussfähigkeit des Hauses sind nun alle bereit für die ersten Entscheidungen der gerade begonnenen Legislaturperiode.

Per Abstimmung wird die Tagesordnung bestätigt. Dann gibt sich der Landtag eine vorläufige Geschäftsordnung, nach deren Regeln das politische Arbeiten im Parlament abläuft.

Eine der wichtigsten Wahlen des Plenums überhaupt ist die Wahl des Landtagspräsidenten. Sie ist insofern bedeutend, als der Landtagspräsident der ranghöchste Politiker des Landes ist. Die stärkste Fraktion schlägt den Kandidaten vor. Die beiden zahlenmäßig nachfolgenden Fraktionen stellen je einen Vize-Kandidaten. Nach der Wahl der Schriftführer ist die Konstituierung des Landtags abgeschlossen.

Erste konkrete Aufgabe des konstituierten Landtags ist die Wahl des Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt. Er wird vor dem Parlament vereidigt und beruft die Mitglieder der Landesregierung. Alle Minister werden ebenfalls vor dem Parlament vereidigt. In der Regel erfolgt dies immer in der ersten Sitzung nach der Landtagswahl, muss jedoch nicht so sein. Allerdings muss die Wahl des Ministerpräsidenten bis spätestens 14 Tage nach der Konstituierung des Landtags stattfinden.

Stefanie Böhme/Dr. Stefan Müller

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Der individuelle "Wahlhelfer" für Unentschlossene

Wenn Sie noch unentschlossen sind, wen Sie wählen wollen, dann hilft Ihnen vielleicht der Wahl-O-Mat. In Sachsen-Anhalt feiert das virtuelle Frage-und-Antwort-Tool der Bundeszentrale für politische Bildung bei dieser Landtagswahl sein Comeback und ist seit Mitte Februar online.

Seine Premiere feierte der Wahl-O-Mat zur Bundestagswahl 2002, seitdem wurde er rund 44 Millionen Mal genutzt. Die Idee des besonderen "Wahlhelfers" stammt eigentlich aus den Niederlanden.

Der Wahl-O-Mat fragt die Nutzer nach ihren Positionen zu politischen Themen und anschließend werden die Antworten mit den Partei- und Wahlprogrammen aller zur Wahl zugelassenen Parteien verglichen. Daraus wird dann ersichtlich, wie stark die Parteipositionen mit denen der Nutzer übereinstimmen. Außerdem bietet die Wahl-O-Mat-Internetseite kurze Profile der einzelnen Parteien und Informationen rund um die Wahl.

Weitere Informationen zur Wahl und zum Wahl-O-Maten finden Sie auf
www.sachsen-anhalt-wahl-2016.de

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IM BLICKPUNKT

"Es handelt sich ja nicht nur um ein Bürgerrecht, sondern für mich sehe ich es als Bürgerpflicht, und ich möchte damit meiner Meinung auch Ausdruck verleihen. Schlecht finde ich es allerdings, wenn Wahlversprechen gebrochen werden."
Marcel Michel, Aken, engagiert sich in seiner Freizeit bei der Feuerwehr

"Ich gehe wählen, weil ich ein politisch interessierter Mensch bin. Meiner Ansicht nach gehört es einfach zum Bürgersein dazu, dass man wählen geht. Ansonsten kann man gar nicht partizipieren und hat eigentlich auch kein Mitspracherecht."
Alfred Reichenberg, Magdeburg, Master-Student der Geschichte


Wahlberichterstattung aus dem Landtag

Über die Herausforderungen, ein für den Parlamentsbetrieb optimiertes Gebäude in ein Medienzentrum für die Berichterstattung am Tag der Landtagswahl zu verwandeln.


Wenn es nach fünf Jahren am 13. März 2016 heißt, der Landtag wird neu gewählt, sind um 18 Uhr Millionen von Augenpaaren auf die Fernseher gerichtet. Dann präsentieren sowohl die öffentlich-rechtlichen als auch die privaten TV-Sender Prognosen, Trends und Ergebnisse. Es gibt viele Gründe, die dafür sprechen, dass sich die Berichterstattung auf einen Ort, das Landtagsgebäude am Magdeburger Domplatz, fokussiert hat.

Jedoch bedeutet die Aufgabe, in einem für die Parlamentsarbeit eingerichteten Gebäude so viel Platz und vor allem die technischen Voraussetzungen für den Einbau von ganzen Studios zu schaffen, einen für alle Beteiligten nicht ganz einfachen Kraftakt.

Grundsätzlich kann man sagen, dass alle regional und vor allem überregional tätigen Medien am Wahltag aus dem Landtag berichten wollen. Zu diesem Zweck halten sich auch die Spitzenkandidaten der Parteien, die gemessen an den Umfragewerten eine Chance auf den Einzug im Landtag haben, im Hause auf. Damit wird sichergestellt, dass mittels kurzer Wege und der Präsenz von Hörfunk, Fernsehen und Presse die Ergebnisse der Wahl ab 18 Uhr verbreitet werden.

Um das zu realisieren, wurden bereits im Februar der Plenarsaal leergeräumt, das Mobiliar extern gelagert und Studioflächen eingerichtet. Kurz vor dem Wahltermin folgt das Landtagsrestaurant. Was dort einfach zu bewerkstelligen ist, gestaltet sich im Plenarsaal anhand des treppenförmigen Aufbaus schwieriger. Dort ist der Einbau eines Zwischenbodens notwendig. Die dabei anfallenden Kosten werden von den Medien getragen. Diverse Hilfskonstruktionen für zahlreiche Scheinwerfer sowie Kabelbrücken und mehrere Kilometer verlegte Kabel bilden das Ambiente hinter den Kulissen. Vor und neben dem Landtagsgebäude werden Übertragungswagen geparkt, mit den Studios im Inneren verkabelt und die Antennen auf die Satelliten ausgerichtet. Wer weniger Platz und eher eine "ruhige Ecke" braucht, was vorrangig den Hörfunk betrifft, weicht auch gern auf Nebenflächen in unterschiedlichen Etagen aus.

Neben moderner Technik und denen, die sie bedienen, sind für die Berichterstattung die Redaktionsteams unerlässlich. Damit sie arbeiten können, werden zahlreiche Beratungsräume und Büros zur Verfügung gestellt. Alles in allem halten sich am Wahlabend erfahrungsgemäß 1000 Personen im Landtagsgebäude auf und stellen sicher, dass von 18 Uhr bis weit nach Mitternacht, wenn alle Stimmen ausgezählt sind, die Berichterstattung aktuell und interessant ist.

Ulrich Grimm

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Für die Berichterstattung der Medien am Wahltag wird auch der Plenarsaal geräumt und in ein Fernsehstudio verwandelt. Via Übertragungswagen und Satellit wird live aus Magdeburg berichtet.

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REGIONALFENSTER

"Also wir gehen wählen, das haben wir schon immer gemacht. Ich bin der Meinung, es wird ja viel gemeckert in unserer Gesellschaft, aber ich kann nur meckern, wenn ich auch wählen gehe. Außerdem habe ich mit jeder Wahl die Chance, etwas zu verändern."
Synke und Matthias Sander, Köthen

"Ich gehe nicht wählen, weil ich keine deutsche Staatsbürgerschaft habe. Ich nutze die Möglichkeit, mich in Vereinen politisch zu engagieren. Dort kann ich meine Positionen deutlich artikulieren und auf diese Möglichkeiten möchte ich speziell Menschen mit Migrationshintergrund aufmerksam machen."
Mika Kaiyama, Dessau-Roßlau, Koordinatorin bei LAMSA e.V.


Geadelt von der UNESCO

Nirgendwo sonst liegen so viele UNESCO-Welterbestätten auf engstem Raum beieinander wie in Dessau und Umgebung. Das Bauhaus und die Meisterhäuser, das Gartenreich und die Lutherstätten im nahen Wittenberg laden zum Besuch eines Landstrichs ein, der als Biosphärenreservat Mittelelbe ebenfalls geschützt ist.


Wenn Sie keine Lust haben, nach Berlin zu fahren, Ihnen London zu teuer und New York zu weit weg ist, dann gehen Sie für zwei Stunden ins Bauhauscafé Dessau. Da gibt's zum Bier auch einen Hauch von Weltstadt", verspricht René Förder in seinem Buch "111 Orte in Sachsen-Anhalt, die man gesehen haben muss".

Nur wenige Gehminuten vom Bauhaus entfernt bestätigt Joachim Landgraf im Feininger-Haus, dass ein gewisses großstädtisches Flair in Sachsen-Anhalts drittgrößter Kommune tatsächlich zu spüren ist - zumindest von Ende Februar bis Mitte März, wenn Besucher aus der ganzen Welt zum Kurt-Weill-Fest in die Geburtsstadt des Komponisten kommen. "1993 mit lediglich neun Veranstaltungen und 1436 Besuchern aus der Taufe gehoben, reicht beim inzwischen 24. Kurt-Weill-Fest vom 26. Februar bis zum 13. März 2016 das Angebot von 18.000 Plätzen für rund 60 Veranstaltungen kaum aus, um die Nachfrage zu decken", berichtet der Direktor des Kurt-Weill-Zentrums, das sein Domizil in einem der Meisterhäuser hat.

Wie diese architektonischen Zeugnisse der Moderne fand auch der aus Dessau stammende weltberühmte Komponist der Moderne in seiner Vaterstadt erst nach 1990 gebührend Anerkennung und Beachtung.

Während das Bauhaus und die Meisterhäuser in Dessau inzwischen längst zum Welterbe der UNESCO gehören, steht das Kurt-Weill-Zentrum im "Blaubuch" der kulturellen Leuchttürme der neuen Bundesländer als "kultureller Gedächtnisort" und "ungewöhnliche, förderungswürdige Einrichtung mit großer Ausstrahlung, die internationales Ansehen gewonnen hat.

Die Räume, in denen ab 1926 Lyonel Feininger für einige Zeit lebte und arbeitete, beherbergen heute ein Musikermuseum, ein Informations- und Dokumentationszentrum über Kurt Weill sowie Organisationsräume, in denen das jährliche internationale Kurt-Weill-Fest Dessau vorbereitet wird. Es wurde in den frühen 1990er Jahren von Vertretern der "Kurt Weill Foundation for Music" in New York angeregt, die gemeinsam mit Vertretern der Geburtsstadt des Komponisten Dessau zu einem europäischen Zentrum der Pflege des Weill'schen Werkes erheben wollten.

"Das ist gelungen", stellt Joachim Landgraf fest. Das Zentrum verstehe sich als Vermittler des musikalischen Schaffens von Kurt Weill, der als Kind und Jugendlicher tief verwurzelt war im sozialen wie kulturellen Gefüge seiner Vaterstadt. Und das alljährliche Kurt-Weill-Fest erschließe immer wieder neue Horizonte, rücke jedes Jahr einen besonderen Aspekt seines musikalischen Schaffens in den Mittelpunkt. Nach Berlin (2011), Paris (2012), New York (2013) sowie Weill und die Medien (2014) stand das Fest 2015 unter dem Motto "Vom Lied zum Song". In diesem Jahr richtet es den Fokus auf "Krenek, Weill & Die Moderne" - zwei der wichtigsten Protagonisten im Musikleben der 1920er Jahre.

Beide wurden 1900 geboren, beide studierten in Berlin und beide waren mit Dessau verbunden: So fand dort noch vor der deutschen Erstaufführung des Violinkonzertes von Kurt Weill im Herbst 1925 im Januar jenes Jahres die Uraufführung des 1. Violinkonzertes des Österreichers Ernst Krenek statt. Kein Wunder also, dass beide Konzerte zu den Höhepunkten des diesjährigen Kurt-Weill-Festes gehören.

Ebenfalls im Doppelpack werden die Einakter "Der Diktator" von Krenek und "Der Zar lässt sich photographieren" von Weill auf die große Bühne des Anhaltischen Theaters gebracht. Dieses weit über Anhalt hinaus strahlende Mehrspartenhaus setzt eine lange Tradition des Theaterlebens in Dessau fort. Dieses das Stadtbild prägende Große Haus verfügt über 1070 Plätze und zählt zu den größten Bühnenhäusern Europas. Im vergangenen Jahr kam dort erstmals seit einem halben Jahrhundert Wagners "Der Ring des Nibelungen" komplett zur Aufführung und unter Musikliebhabern Dessau als "Bayreuth des Nordens" zu neuen Ehren.

Ob und in welchem Maße der "Ring" für Dessau auch touristisch rollte und einen Zuwachs an Übernachtungen brachte, weiß Franziska Schulze noch nicht, da bisher keine Zahlen für 2015 vorliegen. Ansonsten aber freut sich die Sachgebietsleiterin Tourismus/Marketing in der Stadtverwaltung über eine "anhaltend positive Entwicklung im Tourismus in Dessau-Roßlau". Mit 203.546 Übernachtungen und einem Plus von elf Prozent zum Vorjahr war 2014 das bisher erfolgreichste Jahr für die Touristiker der Stadt, die diese positive Entwicklung auch auf den anhaltenden Städtereisentrend sowie die Neueröffnung der Meisterhäuser zurückführen.

In Dessau erlebte das Bauhaus von 1925 bis 1932 seine Blütezeit als Hochschule für Gestaltung. Vieles aus dieser Zeit ist noch zu besichtigen: Das Bauhausgebäude mit seinem Werkstattflügel, der Bühne und der Mensa, die Meisterhäuser, die Siedlung Dessau-Törten mit Konsumgebäude und Laubenganghäusern sowie das Kornhaus und das Arbeitsamt.

Die Meisterhaussiedlung von drei Doppel- und einem Einzelhaus, die Walter Gropius 1925/26 unweit vom Bauhaus auf einem mit Kiefern bestandenen städtischen Gelände errichten ließ, ist seit Mai 2014 wieder komplett. Das im Krieg zerstörte ehemalige Direktorenhaus und die seit 1945 fehlende Doppelhaushälfte Moholy-Nagy entstanden in einer Version der Unschärfe gänzlich neu und locken zusätzlich Besucher in die Bauhausstadt.

So könne sich Dessau zu Recht nennen, meint Tourismus- und Marketing-Chefin Schulze, immerhin befinden sich hier mehr als 300 Bauhausbauten. Am effektivsten ist es, diese architektonischen Zeugnisse auf einer rund 20 Kilometer langen Bauhaus-Tour durch Dessau zu "erradeln". Unmittelbar neben dem legendären Bauhaus kümmern sich 47 Professoren der Fachhochschule Anhalt um rund 1400 Studierende - unter anderem künftige Architekten und Designer.

"Große Pläne!" offenbart die Stiftung Bauhaus in diesem Jahr in Ausstellungen zur "Angewandten Moderne in Sachsen-Anhalt 1919-1933". Unter diesem Motto wird auch in Halle, Magdeburg, Merseburg und Quedlinburg gezeigt, dass das Bauhaus nicht solitär stand, sondern verbunden war mit weiteren Utopien, Orten, Institutionen und Menschen im heutigen Sachsen-Anhalt.

In Dessau zum Beispiel bietet das von einem Verein betriebene Technikmuseum "Hugo Junkers" im Rahmen der "Großen Pläne" einen Blick auf den Visionär, Erfinder, Unternehmer und Förderer der Moderne, in dessen "Junkers Flugzeugwerk" 1919 das erste für den wirtschaftlichen Luftverkehr geschaffene Ganzmetall-Verkehrsflugzeug der Welt, die F13, gebaut wurde.

Nach der 2016er Ausstellung zur Angewandten Moderne feiert 2017 auch Dessau-Roßlau das Reformationsjubiläum, war doch Georg III. von Anhalt-Dessau der einzige deutsche Fürst, der das Amt eines lutherischen Geistlichen ausübte und nach Luthers Tod Hunderte von Lutherbriefen sowie Luthers Manuskript der Übersetzung des Alten Testaments erwarb.

Zu den ausgewählten Zeugnissen über Luthers frühes Wirken, die ins Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommen wurden, gehört auch das Dessauer Exemplar von Luthers Römerbrief-Vorlesung (1515/16) in einer studentischen Mitschrift. "Die UNESCO hat uns zum vierten Mal geadelt", freut sich Oberbürgermeister Peter Kuras. Jetzt komme es darauf an, die Georgs-Bibliothek mit ihren kostbaren Schätzen und der Römerbrief-Mitschrift noch bekannter zu machen.

Kunstschätze aus der Reformationszeit besitzt in Dessau auch die Anhaltische Gemäldegalerie, mit rund 2000 Gemälden größte Sammlung alter Malerei in Sachsen-Anhalt. Doch die Werke deutscher und niederländischer Maler des 15. bis 19. Jahrhunderts können vorerst nicht in der Galerie im Georgium besichtigt werden. Ein Abschluss der dort nötigen Sanierungsarbeiten wird bis 2019 erhofft. Dann nämlich wollen Dessau-Roßlau und ganz Sachsen-Anhalt 100 Jahre Bauhaus feiern.

Bis zum Jubiläum des 1919 in Weimar gegründeten Bauhauses entsteht in der Dessauer Innenstadt ein Bauhaus-Museum, das die Bauhausstadt national und international in den Fokus einer an Kunst und Kultur interessierten Öffentlichkeit rücken soll. Am 4. Dezember 2016, dem 90. Geburtstag des Bauhauses in Dessau, soll Baustart für das Museum sein, das ab 2019 die Geschichte und Vielfalt der Hochschule für Gestaltung umfassend erzählen und die wertvolle Sammlung der Stiftung - mit rund 40.000 Exponaten die zweitgrößte zum Bauhaus weltweit - präsentieren wird.

Der Dessauer Fotograf Sebastian Kaps indes ist skeptisch, ob das seiner Heimatstadt tatsächlich die erhofften Impulse bringen werde. Von seinem Atelier aus, von dem es jeweils nur wenige Schritte bis zu Bauhaus und Meisterhäusern sowie zum Georgium sind, hat er den bisherigen "Andrang" gut im Blick. "Hier bekommen sie jederzeit einen Parkplatz", beobachtet er und auch, dass "die Bauhaus-Touristen nach zwei bis drei Stunden Besichtigung und vielleicht noch einem Essen im Kornhaus doch rasch wieder in den Bus klettern", erzählt Sebastian Kaps.

Länger bliebe, weiß er als Vermieter einer Ferienwohnung, wer Natur und Landschaft liebe und Erholung suche. Und davon biete seine Stadt reichlich, schwärmt der international preisgekrönte Landschaftsfotograf, der mit den Parklandschaften vor seiner Haustür seit Jahren Kalender über das Dessau-Wörlitzer Gartenreich veröffentlicht.

Zwei dieser landschaftlichen Kleinode befinden sich direkt im Stadtgebiet von Dessau: der Kühnauer Park und der Park Georgium, neben dem Wörlitzer Park der kunsthistorisch bedeutendste Landschaftspark im Gartenreich. Kaps, der Gärten und Parks in ganz Deutschland und Europa fotografiert, kommt immer wieder gern nach Hause. "Weil die Landschaft hier so schön ist."

Doch die Wunden des Zweiten Weltkriegs sind - nicht nur architektonisch, sondern auch in den Seelen der Menschen - noch nicht richtig ausgeheilt und vernarbt, glaubt der aus Halle stammende, seit 25 Jahren aber in Dessau lebende Joachim Landgraf. Von der einst herrlichen Residenzstadt sei nicht viel geblieben, doch versöhne es, die Stadt in ihrer Umgebung wahrzunehmen, stellte der langjährige Verwaltungsdirektor des Dessauer Theaters fest. Ihn freut, dass Dessaus einstige Prachtallee, die Kavalierstraße, bald in neuem Glanz erstrahlen und das Bauhausmuseum dort entstehen soll, wo es ganz in der Nähe einst eine riesige Kunsthalle gab.

Für die Dessauer hält die grüne Stadt am Wasser viele kulturelle und sportliche Events bereit, wie ein Blick in den kommunalen Veranstaltungskalender zeigt.

Zur Förderung des Städtebaus erhielt Dessau-Roßlau seit 2011 beinahe zehn Millionen Euro, überwiegend aus dem Programm "Stadtumbau Ost". Damit konnten in der Stadt, deren Einwohnerzahl auf knapp 83.000 sank (2007, bei der Fusion von Dessau und Roßlau, waren es noch 90.603), unter anderem knapp 6.000 dauerhaft leer stehende Wohnungen abgerissen werden. Mehr als drei Millionen Euro flossen in Aufwertungs- und Modernisierungsmaßnahmen, überwiegend zur Belebung der Innenstadt.

Denn die Stadt, deren Bevölkerung zu den ältesten in Europa gehört - 2013 waren 28,8 Prozent der Einwohner im Rentenalter - müsse jungen Leuten Angebote unterbreiten, Raum geben, günstige Bedingungen für Startups bieten, meint Joachim Landgraf und denkt, dass Dessau-Roßlau jetzt auf einem guten Weg dorthin sei. Arbeit sei inzwischen durchaus wieder zu haben, weiß auch Sebastian Kaps, nun müssten die Leute nur wieder Lust bekommen, in Dessau zu leben. Für Franziska Schulze ist ihr Arbeitsort eine lebenswerte Stadt, die nicht nur charmante Seiten hat, aber immer wieder entdeckt werden möchte, und in der das Wohnen relativ preiswert ist.

Gudrun Oelze


Mehr Informationen unter
www.dessau-rosslau.de,
www.kurt-weill-fest.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Weltkulturerbe aus der Zeit der Aufklärung und Klassischen Moderne: Das Georgium ist neben dem Wörlitzer Park der kunsthistorisch bedeutendste Landschaftspark im Dessau-Wörlitzer Gartenreich. Das 1926 in Dessau errichtete Bauhaus begeht in diesem Jahr sein 90-jähriges Bestehen. Heute ist es Sitz der Stiftung Bauhaus Dessau und einer der offiziellen kulturellen Leuchttürme Ostdeutschlands.

- Fotograf Sebastian Kaps: Dessau ist eine Stadt der kurzen Wege, in der es sich ruhig und entspannt leben lässt.

- Franziska Schulze, Sachgebietsleiterin Tourismus/Marketing der Stadtverwaltung: Dessau bietet Kultur- und Aktivtouristen viel Überraschendes.

- Joachim Landgraf, Direktor des Kurt-Weill-Zentrums: Dessau hat eine Umgebung, die sich gut mit dem Fahrrad erkunden lässt.

- Moderne Architektur gestern und heute: In einem umweltgerechten Bau mit Holz-Glas-Fassade hat seit 2005 in Dessau das Umweltbundesamt seinen Sitz. Das vom Bauhausarchitekten Carl Fieger entworfene Kornhaus entstand ganz im Zeitgeist der Moderne im 20. Jahrhundert. Der Neubau des im Krieg zerstörten Meisterhauses Gropius ist keine genaue Kopie des Originals, sondern spielt mit Präzision und Unschärfe.

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IM BLICKPUNKT

"Ich gehe wählen, weil ich mitreden und mitgestalten möchte."
Nils Markwart, 32 Jahre, Magdeburg, Sozialarbeiter

"Ich denke, es ist wichtig zu dokumentieren, was man möchte und was man nicht möchte. Menschen die nicht wählen gehen, haben auch ihr Recht, Kritik zu üben, verwirkt."
Simone Lingner, Wolfen, Lehrerin an einer Berufsschule


Aufruf zu Versöhnung und Frieden

Landtag und Landesregierung gedachten am Holocaustgedenktag der Millionen Opfer des NS-Regimes. Als Redner kamen Dr. Frank Bajohr (Institut für Zeitgeschichte München) und die Holocaustüberlebende Sara Atzmon zu Wort.


Bevor sich im Plenarsaal die Köpfe zu einer Schweigeminute senkten, waren am Mahnmal MAGDA in Magdeburg-Rothensee schon Kränze zur Erinnerung an die Opfer von Krieg, Vernichtung und Vertreibung niedergelegt worden. Sara Atzmon, die 82-jährige israelische Künstlerin und Überlebende des Holocausts an den ungarischen Juden, hatte zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Gespräche mit Schülerinnen und Schülern in Sachsen-Anhalt absolviert - eine Aufgabe, der sie mittlerweile schon gut 30 Jahre nachgeht. Hatte der Holocaust, bei dem 60 Familienmitglieder von Sara Atzmon in den Lagern den Tod fanden, in jungen Jahren keine Redezeit in Anspruch genommen, erwachte das Bedürfnis nach der Weitergabe ihrer Geschichte im Seniorenalter. Die Künstlerin, die ihre Werke an vielen Orten der Welt ausgestellt hat, wurde so zum wandelnden Gedächtnis ihrer Familie.

Im Landtag sprach Sara Atzmon nicht nur während der Gedenkstunde im Plenarsaal, sie trug sich zudem ins Gästebuch des Landtags ein und führte ein weiteres Gespräch mit deutschen und französischen Schülerinnen und Schülern. Als zweiter Redner sprach Dr. Frank Bajohr vom Institut für Zeitgeschichte München (Zentrum für Holocaust-Studien).

"Wir verneigen uns in Demut und Trauer vor den Millionen Opfern der Kriegsverbrechen", konstatierte Landtagspräsident Dieter Steinecke am Beginn der Gedenkveranstaltung zum Holocaustgedenktag, der jedes Jahr am 27. Januar begangen wird. Es ist dies der Tag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau durch die sowjetische Armee im Jahr 1945. "All dies liegt ein ganzes Menschenalter zurück - warum brauchen wir dieses Erinnern noch?", fragte Steinecke. Weil Vergessen, Verdrängen und Übersehen nichts an den Tatsachen und an dem begangenen Unrecht änderten. Man müsse den "geschärften Blick" behalten, denn Unrecht geschehe auch heute noch, "Unrecht, das wir nicht verhindern, das wir sogar mitverantworten". Auschwitz sei nicht nur ein Ort in Polen, sondern ein jeder Ort, wo Herzlosigkeit, Fremdenhass und Diffamierungen aufträten, so der Landtagspräsident. Der Gedenktag sei ein Aufruf zu Versöhnung, Frieden und Achtung vor dem Leben.

Der Historiker Dr. Frank Bajohr nutzte seinen Vortrag, um eine kritische Bilanz zur juristischen Verfolgung der NS-Verbrechen zu ziehen. Immer wieder hätten die Strafverfolgungsbehörden ihr Vorgehen in besonderer Weise rechtfertigen müssen, erinnerte Bajohr. Zwar habe es in Westdeutschland Ermittlungen gegen rund 100.000 Menschen gegeben, dies führte jedoch nur zu einer Verurteilung von 6.650 Personen. "Die meisten Täter des Holocaust entstammten keiner kriminellen Randgruppe mit einschlägigem Vorstrafenregister, sondern der sozialen Mitte der Gesellschaft." Gerade diese Form von "Normalität" habe es den Tätern ermöglicht, straffrei davonzukommen und nach dem Krieg wieder unbehelligt in ihr altes Leben zurückzukehren.

Die strafrechtlichen Ermittlungen der Justiz gelten bis heute als Teil einer umfassenden Erinnerungskultur. "Wenn die deutsche Justiz auch heute noch gegen hochbetagte ehemalige NS-Täter ermittelt, dann geht es ihr nicht allein um die individuelle Bestrafung der Täter; sie leistet zugleich eine Form der Erinnerungsarbeit", erklärte Bajohr.

Man sei es den Opfern selbst, aber auch deren Nachkommen schuldig, die Strafverfolgung nicht mit einem verordneten Schlussstrich zu beenden. Prozesse gegen NS-Täter böten zudem umfassende Möglichkeiten gesellschaftlicher Selbsterkenntnis und historischer Aufklärung. Eine umfassende Gerechtigkeit im Angesicht der nicht rückgängig zu machenden Massenmorde sei allerdings durch Gerichtsprozesse nicht zu leisten, räumte Bajohr ein.

Sara Atzmon und ihre Familie sollten 1944 Opfer der großen Vernichtungswelle gegen die ungarischen Juden werden. Sara Atzmon selbst überlebte durch Glück: "Es war kein Platz für uns in Auschwitz, Auschwitz war überbucht", so sei der Zug kurzerhand nach Österreich umgeleitet worden. Später wurde sie dann doch ins Konzentrationslager Bergen-Belsen deportiert. "Nach einem halben Jahr in Bergen-Belsen sahen wir schon nicht mehr wie Menschen aus."

Die verbliebene Familie entschied sich nach Kriegsende dafür, nach Palästina auszuwandern. Über die Erlebnisse wurde nicht geredet. Vor gut 30 Jahren begann die Künstlerin Sara Atzmon, weltweit Vorträge zu halten und Gespräche mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen über die Kriegserlebnisse zu führen. Mittlerweile hat sie mehr als 250 Ausstellungen und Hunderte Vorträge absolviert.

"Ich habe es mir nicht ausgesucht, eine Holocaustüberlebende zu sein, aber ich habe mich dafür entschieden, alles zu tun, um über die Geschehnisse zu berichten", betonte die Künstlerin. "Heute komme ich hierher zu Ihnen mit der großen Hoffnung, dass es keine Generation mehr geben wird, die zu solchen Taten fähig ist", sagte Atzmon. Man dürfe in seinem Herzen keinen Hass tragen, so seien wir frei für gute Taten.

Dr. Stefan Müller

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IM BLICKPUNKT

"Ich gehe wählen, weil ich vor 25 Jahren auf die Straße gegangen bin, um wählen und mitentscheiden zu können. Wer nicht wählen geht, darf sich hinterher auch nicht über irgendwelche politischen Entscheidungen aufregen."
Thomas Rickmann, Magdeburg, engagiert in der Kinderstadt Elberado

"Ich gehe immer wählen, weil es für mich eine Bürgerpflicht ist. Außerdem ist es die einzige Möglichkeit, den Politikern zu sagen, dass ich mit ihnen zufrieden bin oder eben nicht."
Uwe Bischoff, Halle, Deutsch-Finnische Gesellschaft Sachsen-Anhalt


Forschung ohne echte Strategie?

Die SPD-Fraktion hatte sich mit einer Großen Anfrage mit dem Titel "Forschungsstrategie des Landes Sachsen-Anhalt" an die Landesregierung gewandt. Kritik an dieser Strategie kam aus den Reihen von SPD, Linken und Grünen.


In der Großen Anfrage ging es unter anderem um die Weiterentwicklung des Forschungsstandorts Sachsen-Anhalt und um Maßnahmen der Landesregierung, die in den letzten zehn Jahren zu Schwerpunktbildungen in der Forschung an den Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen oder privaten Forschungseinrichtungen geführt haben. Kritik an der positiven Bilanz des Ministeriums für Wirtschaft und Wissenschaft und ergo an der Forschungsstrategie der Landesregierung kam aus den Reihen von SPD, Linken und Grünen.

Die Hochschul- und Wissenschaftsstruktur an sich sei gut aufgestellt, erklärte Dr. Katja Pähle (SPD). Doch das Land biete zu wenig, um die Exzellenz der Hochschulen zu unterstützen. Darüber hinaus zeige sich, dass die personelle Besetzung der Einrichtungen - mit der Überzahl an befristeten Stellen - mehr als zu wünschen übriglasse. Die beiden Teilbereiche des Ministeriums griffen auch nach fünf Jahren nicht ineinander; ein Gewinn aus den neuen Strukturen könne nicht erkannt werden, so Pähle.

Es sei hinsichtlich der Forschungsentwicklung viel passiert, sagte Wirtschaftsminister Hartmut Möllring (CDU). Er verwies beispielsweise auf die international hohe Reputation der Neurowissenschaftler in Magdeburg und das Europäische Weizenzuchtzentrum in Gatersleben. Möllring hält an dem Credo "Stärken stärken!" fest.

Dass die Hochschulen ihre Leistungen erbracht hätten, sei trotz und nicht wegen der Politik der Landesregierung geglückt, konstatierte Hendrik Lange (DIE LINKE). Die zurückliegenden fünf Jahre hätten die Strategielosigkeit der Landesregierung gezeigt. "Wir setzen darauf, auch in unserem Bundesland die gesamte Wertschöpfungskette bis hin zur Produktion und Vermarktung zu installieren", so der Linken-Politiker.

"Forschung und Entwicklung sind zentrale Elemente für Wachstum und Wohlstand in Sachsen-Anhalt", betonte Ulrich Thomas (CDU). "Wir tun gut daran, Kenntnisse der Wissenschaft in die politische Entscheidungsfindung einzubeziehen." Es gelte, den hiesigen Nachwuchs zu fördern und so junge Ideen und jahrzehntelange Wissenschaftserfahrungen zu verknüpfen.

Wir hätten zwar eine erfolgreiche Wissenschaftsstruktur, aber diese Erfolge seien nicht den Ambitionen der Landesregierung geschuldet, kritisierte Prof. Dr. Claudia Dalbert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Von Geschlechtergerechtigkeit sei in den Ausführungen keine Spur zu finden, bei der Förderung von Forschung und Entwicklung handele es sich lediglich um Lippenbekenntnisse.

Beschlüsse wurden am Ende der Aussprache zur Großen Anfrage nicht gefasst.

Dr. Stefan Müller


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Die Hochschulen des Landes forschen auf höchstem Niveau. Deren Finanzierung und Personalausstattung lässt aber zu wünschen übrig.

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IM BLICKPUNKT

"Wir gehen wählen, weil uns das ganz wichtig ist und wir seit der Wende ja selber entscheiden können, welche politische Richtung eingeschlagen werden soll."
Gudrun Rahn und Norbert Wiese, Magdeburg, engagiert im Tansania-Kunstprojekt

"Wir finden es schade, wenn Menschen nicht wählen gehen und jeder sollte sich überlegen, was er da macht, wenn er nicht wählen geht. Wir sehen es als unsere Pflicht an, machen es schon jahrelang und werden es auch weiterhin tun."
Waltraud Holzknecht und Detlef Schmidt, Rentnerpaar, Köthen


LSBTTI-Aktionsplan wird umgesetzt

Viele Lesben und Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle erfahren im Alltag trotz des gesetzlichen Schutzes noch immer Diskriminierung. Die Landesregierung setzt nun ihren Aktionsplan gegen Homophobie um.


Durch einen Landtagsbeschluss im Januar 2015 wurde die Landesregierung aufgefordert, den vom Lesben- und Schwulenpolitischen Runden Tisch Sachsen-Anhalt erarbeiteten "Gesamtgesellschaftlichen Aktionsplan für Akzeptanz von Lesben und Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intersexuellen (LSBTI) und gegen Homo- und Transphobie in Sachsen-Anhalt" als Ausgangspunkt für die Erstellung eines landesweiten Aktionsplans zu nutzen. Dieser soll die Grundlage für eigenständige Aktionsprogramme in den Gemeinden, Städten und Landkreisen bilden.

Gut ein Jahr später wurde der Plan als "Aktionsprogramm für die Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern, Transsexuellen und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTTI) in Sachsen-Anhalt" von Justizministerin Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen, deren Ministerium federführend bei der Erarbeitung war, in einer öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung vorgestellt. Es soll nicht nur sensibilisierend und informierend für das Thema geschlechtlich-sexuelle Vielfalt wirken, sondern auch die Sichtbarkeit von LSBTTI in der Öffentlichkeit erhöhen und gegen Gewalt und Diskriminierungen eintreten. Sachsen-Anhalt ist das sechste Bundesland mit einem solchen Aktionsplan.

Die Ausschussmitglieder aller vier Landtagsfraktionen zeigten sich zunächst zufrieden mit dem vom Justizministerium erarbeiteten Aktionsplan. Eva von Angern (DIE LINKE) wies darauf hin, dass es unbedingt nötig sei, auch die anderen Ministerien mit ihren Fachressorts in die Aufgaben einzubinden. Sebastian Striegel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) stimmte dem zu: Bei der Bewältigung einer Querschnittsaufgabe könne zwar die Federführung in der Hand des Justizministeriums liegen, Detailfragen könnten aber nur in den zuständigen Ministerien beantwortet werden. Nadine Hampel (SPD) lobte die Vorarbeit der les-bi-schwulen Verbände und regte eine Bundesratsinitiative zum Thema Blutspende (die für Homosexuelle nicht möglich ist) an. Die CDU stehe voll hinter dem vom Landtag gefassten Beschluss, versicherte Siegfried Borgwardt (CDU). Er begrüßte, wie seine Ausschusskollegen, bei der Informationsarbeit die besondere Berücksichtigung von Flüchtlingen, die aufgrund von LSBTTI-Anliegen ihr Land verlassen mussten.

Der Aktionsplan der Landesregierung wird nun in die Phase der Umsetzung versetzt. Der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung hat das Thema während seiner letzten Sitzung in dieser Legislaturperiode ganz bewusst nicht als erledigt erklärt, damit die Umsetzung in der nächsten Wahlperiode - im Sinne der Diskontinuität - erneut kritisch begleitet wird.

Dr. Stefan Müller

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VORGESTELLT

Wie Berge von Papier gebändigt werden

Eingestiegen ist sie bei Nummer 1/741, mittlerweile ist sie bei Nummer 6/4768 angekommen - das bedeutet, in den letzten 24 Jahren sind 23937 Drucksachen über den Schreibtisch von Vera Pfefferkorn gegangen.


Wer in der Drucksachenstelle des Landtags arbeitet, der muss den Umgang mit Papier wirklich lieben, erzählt die 56-Jährige. Gemeinsam mit ihren drei Kolleginnen sorgt sie dafür, dass Abgeordnete und Verwaltung nicht den Überblick bei den Tausenden von Drucksachen verlieren. Die Seitenzahlen einer Drucksache liegen zwischen einer und 450 Seiten. Nach 24 Berufsjahren kommt in etwa ein Papierstapel von 23 Metern Höhe zustande - fast so hoch wie das Landtagsgebäude!

Aber was ist nun eigentlich so eine Drucksache? Alle Sachverhalte, über die ein Parlament berät, werden zuvor in einem Schriftstück (der Drucksache) niedergeschrieben und verteilt. Zurzeit wird zwischen 21 verschiedenen Drucksachenarten unterschieden, von A wie "Aktuelle Debatte" bis W wie "Wahlvorschlag". Je nachdem, was die Abgeordneten auf den Weg bringen wollen, steht ihnen eine entsprechende Mustermappe zur Verfügung, erklärt Vera Pfefferkorn. Nach Prüfung des unterschriebenen Originaldokuments durch den parlamentarischen Dienst bekommt es eine fortlaufende Nummer, die in Kombination mit der Nummer der Wahlperiode einmalig ist. Gleichzeitig schicken die Fraktionen auch das digitale Dokument an die Drucksachenstelle. Mit Hilfe des Originals und der digitalen Variante entsteht die Drucksache, die dann redigiert wird.

Ein klassisches Berufsbild für die Arbeit in der Drucksachenstelle gebe es nicht, sagt Pfefferkorn. Sie selbst hat Informationsverarbeitung studiert und kam 1991 als Quereinsteigerin in den Landtag. Eine gewisse Stressresistenz sollte man jedoch mitbringen, denn zu Stoßzeiten, wie den Ältestenrats- und Landtagssitzungen, sei das Pensum recht hoch: "Es muss zügig gearbeitet werden, weil die Abgeordneten auf unsere Arbeit angewiesen sind."

Im Rahmen der Dokumentenprüfung achten die Mitarbeiter der Drucksachenstelle nicht nur auf Rechtschreibfehler, sondern auch auf offensichtlich falsche Daten oder Bezeichnungen. Manchmal seien auch Rückfragen in die Fraktionen oder zu den Referenten nötig, erläutert Pfefferkorn. "Die Zusammenarbeit läuft gut, schließlich haben beide Seiten ein Interesse die Fehler zu finden, bevor die Drucksache in der ganzen Welt zu lesen ist." Denn das ist der nächste Schritt: Die Drucksache wird in das Dokumentenmanagementsystem eingepflegt und es werden Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Drucksachenarten hergestellt.

Beispielsweise gehören zu einem Gesetzentwurf auch Änderungsanträge, Alternativanträge, Beschlussempfehlungen und die Informationen zu den Beratungen im Parlament - für Laien ein echter Dokumentendschungel, für Vera Pfefferkorn tägliche Arbeit, die immer noch Spaß macht.

Trotz Digitalisierung erhält auch heute noch jeder der 105 Abgeordneten jede Drucksache in Papierform. Aber nicht nur als solche, sondern auch via Internet sind sie sowohl für die Abgeordneten als auch für die Bürgerinnen und Bürger zugänglich.

Stefanie Böhme


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Die Drucksachenstelle kümmert sich unter anderem um das Erstellen von Verzeichnissen zu den Abgeordneten, deren Büros und der Arbeit in den Ausschüssen, erzählt deren Leiterin Vera Pfefferkorn.

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LANDESAUSSCHEID IM WETTBEWERB "JUGEND DEBATTIERT"

Ins nunmehr elfte Jahr ist der Wettbewerb "Jugend debattiert" in Sachsen-Anhalt gestartet. Mehr als 1000 Schülerinnen und Schüler aus den Sekundarstufen I und II sowie ihre Lehrerinnen und Lehrer nehmen auch in diesem Jahr an dem Wettstreit der gemeinnützigen Hertie-Stiftung teil. Die Sieger der Einzelausscheide auf Ebene der Schulverbünde küren am 23. Mai 2016 die vier Finalisten, die Sachsen-Anhalt beim Bundesausscheid in Berlin vertreten werden.

Nach wie vor erfreut sich dieser Wettbewerb großer Beliebtheit. Bei der Diskussion um Themen, wie zum Beispiel "Sollen die Kosten für Polizeieinsätze bei Spielen der 1. und 2. Fußball-Bundesliga von den Vereinen getragen werden?", haben alle eine Meinung und können mitreden. Das schult wiederum die Fähigkeit, sich zu artikulieren und mit Worten über Fakten zu streiten.

Das Landesfinale "Jugend debattiert" beginnt am 23. Mai 2016 um 14 Uhr im Plenarsaal. Die zweistündige Veranstaltung ist öffentlich und kann ohne Voranmeldung besucht werden.

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IMPRESSUM

Herausgeber: Der Präsident des Landtages von Sachsen-Anhalt

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Redaktionsschluss: 4.2.2016

Dieses Magazin dient der Öffentlichkeitsarbeit des Landtages von Sachsen-Anhalt. Es wird kostenfrei verteilt. Es darf weder von Wahlbewerbern noch von Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden.

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Quelle:
ZwischenRuf 1/2016
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Der ZwischenRuf erscheint vierteljährlich.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. März 2016

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