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SACHSEN-ANHALT/340: ZwischenRuf 1-2019 - Das Magazin des Landtages


ZwischenRuf 1/2019
Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt

Studiengang für Hebammen
20 Studienplätze ab Herbst 2020 in Halle (Saale)


INHALT

AUS DEM PLENUM

Parité-Gesetz im Fokus
Die Fraktion DIE LINKE legte den Entwurf eines Parité-Gesetzes vor. Es soll zur gleichen Besetzung mit Frauen und Männern in den Verfassungsorganen des Landes Sachsen-Anhalt führen. Der Gesetzentwurf wurde in die Ausschüsse überwiesen.

Sichere und natürliche Geburten
Auf Antrag der Fraktionen von CDU, SPD und GRÜNEN wird die Landesregierung gebeten, die Akademisierung des Hebammenberufs sicherzustellen.

Fördermittel sinnvoll einsetzen
Das Mittelstandsförderungsgesetz bedarf nach mehr als 15 Jahren einer Überarbeitung. Die Landesregierung legte nun einen entsprechenden Gesetzentwurf vor.

Kein PUA zum Fall "Oury Jalloh"
Ein Antrag der Fraktion DIE LINKE zur Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) zur Aufarbeitung der Todesumstände von Oury Jalloh ist gescheitert.

Entlastung von der Bürokratie
Um der steigenden Belastung im Unterricht zu begegnen, soll die Landesregierung Maßnahmen umsetzen, um den bürokratischen Aufwand für Lehrerinnen und Lehrer und für die Schulleitungen zu reduzieren.

IM BLICKPUNKT

Zwischen Bitterfeld-Wolfen und Brüssel
Der Terminkalender der Landtagspräsidentin ist jede Woche gut gefüllt. Nicht selten reist sie kreuz und quer durch Sachsen-Anhalt und spricht dabei mit Jung und Alt. Blicken wir gemeinsam zurück auf einige Termine der letzten Wochen.

Superwahlsonntag 2019
Am 26. Mai 2019 sind alle Wahlberechtigten in Sachsen-Anhalt aufgefordert, von ihrem Stimmrecht bei der Europa- und der Kommunalwahl Gebrauch zu machen.

100 JAHRE BAUHAUS

Der Stoff des Lebens
Zeitgenössische Fotografien moderner Architektur in Tel Aviv-Jaffa zeigt eine Ausstellung in den Fluren des Landtagsgebäudes.

RÜCKBLICK

"Zukunft braucht Erinnerung"
Die zentrale Gedenkveranstaltung zum Holocaustgedenktag fand am 27. Januar 2019 in Wernigerode statt. In der Gedenkstätte Veckenstedter Weg wurden Blumen und Kränze niedergelegt.

Botschafter auf Antrittsbesuch
Die Botschafter des Königreichs der Niederlande und des Großherzogtums Luxemburg wurden von Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch empfangen.

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11 Jahre Zwischenruf

Im Dezember 2008 erschien die erste Ausgabe des Landtagsmagazins ZwischenRuf. Zwischenzeitlich hat sich das Layout verändert und die Inhalte wurden geschärft. Unverändert ist der Anspruch der Redaktion, die Leserinnen und Leser mit Hintergründen, vornehmlich aus Plenar- und Ausschusssitzungen, zu informieren. Zusätzliche Serviceangebote, wie zum Beispiel das Regionalfenster, runden das Angebot, das nach wie vor kostenfrei ist, ab. Auch für das Jahr 2019 sind vier Ausgaben geplant. An dieser Stelle danken wir Ihnen für Ihre Lesertreue - bitte bleiben Sie uns gewogen. Empfehlen Sie uns weiter! Abonnieren Sie den ZwischenRuf per E-Mail an: landtag@lt.sachsenanhalt.de

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Ausschüsse künftig mit 13 Abgeordneten besetzt

Die Ausschüsse des Landtags werden zukünftig nicht mehr mit zwölf, sondern mit 13 Landtagsabgeordneten besetzt. Das geht aus einer Änderung der Geschäftsordnung hervor, die der Landtag in seiner Sitzung am 31. Januar 2019 beschlossen hat. Die neue Sitzverteilung pro Ausschuss erfolgt nun folgendermaßen: CDU 5 (bisher 4 Sitze) AfD 3, DIE LINKE 2, SPD 2, GRÜNE 1.

Hintergrund ist der Austritt André Poggenburgs aus der AfD-Fraktion des Landtags. Dadurch haben sich die Mehrheitsverhältnisse im Landtag geändert, was auch die Besetzung der Ausschüsse beeinflusst. Poggenburg (Wahlkreis 41/Zeitz) wird sein Mandat zukünftig als fraktionsloser Abgeordneter weiter ausüben. In der 7. Wahlperiode verfügt der Landtag über elf ständige Ausschüsse. Welche Abgeordnete in welchem Ausschuss sitzen, finden Sie im aktuellen Ausschussverzeichnis auf www.landtag.sachsen-anhalt.de.

Stefanie Böhme


Petition fordert Wiederaufnahme der Ermitlungen zu Fan-Tod

Der Fall hatte im Oktober 2016 bundesweit für traurige Schlagzeilen gesorgt: Ein 25-jähriger Fan des 1. FC Magdeburg, Hannes Schindler, war nach einem Aufeinandertreffen mit Fans des Halleschen FC aus einer Regionalbahn gestürzt und verstarb im Krankenhaus. Die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft wurden nach einem halben Jahr eingestellt. Schwer nachvollziehbar für Eltern, Bruder und Freunde des Verstorbenen sowie viele Magdeburger Fußballfans. Für sie gibt es einige Ungereimtheiten. Deshalb haben sie am 28. Februar 2019 offiziell eine Petition an die Mitglieder des Petitionsausschusses überreicht. Hauptziel der Petition ist eine Wiederaufnahme der Ermittlungen durch eine andere unabhängige Staatsanwaltschaft und die lückenlose Aufklärung der Geschehnisse, die zum Tod von Hannes Schindler geführt haben. Weitere Informationen dazu finden Sie auf www.openpetition.de.?

Stefanie Böhme

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EDITORIAL

Liebe Leserinnen und Leser,

eigentlich dient das Editorial der ersten ZwischenRuf-Ausgabe des Jahres (im März) ja der Überbringung von fröhlichen Ostergrüßen, in diesem Jahr ist das Wiederauferstehungsfest allerdings erst so spät im April, dass sich die Redaktion auf frische Frühlingsgrüße beschränken muss! Die ersten warmen und sonnenreichen Tage des Jahres haben uns alle bereits zum Schwelgen gebracht, und Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte ...

Nicht nur blaue, sondern vor allem sichere Bande zum Leben zu knüpfen, liegt in den Händen der Hebammen im Land. Deren beruflichen Status zu erhöhen, war Thema eines Antrags in der zurückliegenden Sitzungsperiode des Landtags. Zudem beschäftigten sich die Abgeordneten unter anderem mit der Zukunft der NORD/LB, der paritätischen Zusammensetzung der Verfassungsorgane des Landes, mit der Mittelstandsförderung und einem Dauerbrenner: der Unterrichtsversorgung.

Alle Redebeiträge werden übrigens auf der Internetseite des Landtags zum Nachhören und Nachschauen vorgehalten. Und wessen Interesse dann geweckt ist, der hat während der nächsten Sitzungen am 4. und 5. April 2019 die Möglichkeit, vor Ort dabei zu sein oder die Debatten wie gewohnt im Livestream zu verfolgen.

Der ZwischenRuf - den es mittlerweile schon im elften Jahr vier Mal im Jahr gibt - widmet sich auch in seiner aktuellen Ausgabe dem Blick zurück und dem Blick nach vorn. Wir schauen Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch beispielsweise bei einigen Terminen im Land mit Wort und Bild über die Schulter. Historisch wird es bei unserer Rückschau auf das 70. Jubiläum des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland (ausgerufen am 23. Mai 1949) und einer neuen Landtagsausstellung, die sich mit dem Jubiläum "100 Jahre Bauhaus" auseinandersetzt. Zudem kehren wir gedanklich noch einmal zum Holocaustgedenktag am 27. Januar zurück, an dem die zentrale Gedenkstunde von Landtag und Landesregierung in Wernigerode stattfand.

Für viele ist das Thema Reisen ganz eng mit dem Lesen verbunden. Wie schön, dass der ZwischenRuf beide Gelüste vereinen kann: Unsere "Stadtreisende" Gudrun Oelze hat sich für das Regionalfenster diesmal in Halberstadt umgesehen und weit mehr als nur Bilder vom Domschatz mitgebracht. Vielleicht hat sie auf dem Weg dorthin gleich eines der Bücher gelesen, die es neu in der Landtagsbibliothek zu entleihen gibt? Die Auswahlliste finden Sie hinten in diesem Heft.

Vorausschauend wird es bei der Teilnahme an der Kommunal- und Europawahl. Am 26. Mai 2019 sind auch die rund 1,8 Millionen wahlberechtigten Sachsen-Anhalter/innen aufgerufen, an die Wahlurne zu treten und ihre Stimmen abzugeben. Wer soll Sie in Europa vertreten? Wer soll für Ihre Interessen zum Beispiel im Stadtparlament oder Gemeinderat streiten? Sie haben die Wahl!

Die Frühlingswünsche sind schon überbracht, daher bleibt nur noch zu sagen: Tschüss und bis zum nächsten Mal!

Ihr ZwischenRuf-Team

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AUS DEM PLENUM

Zukunft der Landesbank diskutiert

Retten oder Abwickeln? Zwischen diesen Extremen bewegte sich die Debatte der Abgeordneten im Landtag während der jüngsten Sitzung. Am Ende einigten sich die Abgeordneten auf eine Art Kompromiss.


Ausgangspunkt der Debatte war ein Antrag der AfD-Fraktion, in dem sie forderte dass Sachsen-Anhalt keine zusätzlichen Steuergelder für die Rettung der NORD/LB einsetzen wird. Robert Farle (AfD) kritisierte, dass bei den Haushaltsberatungen um jeden Euro gerungen worden sei und nun knapp 200 Millionen Euro für die Rettung einer maroden Bank aufgebracht werden sollen. Auch andere Landesbanken würden scheitern, da sie kein tragfähiges Geschäftsmodell hätten. Daher schlug er vor, dass Sachsen-Anhalt aus der Trägerschaft der Landesbank aussteigt, so wie es Mecklenburg-Vorpommern bereits im Jahr 2005 getan habe. Die NORD/LB sei enorm wichtig wegen ihrer engen Verbindung zur Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt (IB), da ein Großteil des Fördergeschäftes über die Bank abgewickelt wird, erklärte Finanzminister André Schröder (CDU). Alle denkbaren Entscheidungen des Landes über die Zukunft der Bank stünden unter Vorbehalt der Zustimmung des Parlaments, versicherte der Finanzminister.

Eine Rettung der Bank sei für die SPD-Fraktion an Bedingungen geknüpft, beispielsweise daran, dass die IB aus der NORD/LB herausgelöst werde, erläuterte Andreas Schmidt (SPD). Einen Nachtragshaushalt wegen der Landesbank schloss er aus. "Wir wollen nicht sparen müssen, um etwas für die NORD/LB zu tun."

Swen Knöchel (DIE LINKE) monierte, Finanzminister Schröder habe gepokert, aber verloren und nun würden die Bürger die Zeche zahlen. Noch Anfang des Jahres habe Schröder erklärt, man würde zum Nulltarif aus der Landesbank herauskommen und ein Nachtragshaushalt sei nicht nötig. Jetzt schlage er vor, eine "Beteiligungsgesellschaft" und einen "Schattenhaushalt" zu installieren. Das sei falsch und nicht akzeptabel, so Knöchel. Der vorliegende Alternativantrag der Fraktion DIE LINKE würde einen Weg aus der Krise aufzeigen.

Der Antrag der AfD-Fraktion werde der Komplexität der Situation nicht gerecht, beanstandete Olaf Meister (Grüne). Tatsächlich sollte die Rettung des Haushalts vor der Rettung der Bank eine wesentliche Rolle spielen, und natürlich wollten die Grünen ebenfalls ein tragfähiges Konzept für die Landesbank und keinen Schattenhaushalt. Daniel Szarata (CDU) zeigte sich überzeugt, dass es keine Alternative zur Rettung der Landesbank gibt. Ein Ende der NORD/LD könnte große Probleme für manche Sparkassen zur Folge haben. Dies wiederum würde eine Gefahr für den Mittelstand in Sachsen-Anhalt bedeuten.

Am Ende der Debatte wurde der Antrag der AfD-Fraktion abgelehnt. Ein Punkt aus dem Alternativantrag der Fraktion DIE LINKE wurde in leicht geänderter Form angenommen. Er lautet: "Die Landesregierung wird aufgefordert, künftig den Landesanteil an der NORD/LB zu reduzieren und mittelfristig an andere öffentlich-rechtliche Anteilseigner zu übertragen. Alle Pläne zur Sanierung der Bank und Herauslösung der Investitionsbank aus der NORD/LB müssen dem Parlament so früh wie möglich samt Risikobewertung vorgelegt werden."

Stefanie Böhme

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AUS DEM PLENUM

Parité-Gesetz im Fokus

Die Fraktion DIE LINKE legte im Februar den Entwurf eines Parité-Gesetzes vor. Es soll zur gleichen Besetzung mit Frauen und Männern in den Verfassungsorganen des Landes Sachsen-Anhalt führen. Der Gesetzentwurf wurde in die Ausschüsse überwiesen.

Der Anteil der Frauen in der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt beträgt etwas mehr als 50 Prozent. Im Landtag waren es seit 1990 nie mehr als ein Drittel. Dies soll mittel- bis langfristig geändert werden. Frauen hätten ein Anrecht auf gleiche politische und wirtschaftliche Macht, konstatierte Eva von Angern (DIE LINKE). Der geringe Frauenanteil im Landtag habe negative Folgen für die Themen und Schwerpunkte, die im Parlament gesetzt würden. Es bestehe Handlungsbedarf und das Zeitfenster sei günstig, um in die Debatte einzusteigen. Der Gesetzentwurf der Linken hätte zum Beispiel eine Änderung des Wahlgesetzes zur Folge: In jedem Wahlkreis sollen eine Frau und ein Mann zu wählen sein; im gleichen Zuge würde die Zahl der Wahlkreise auf 22 reduziert und mit alternierenden Wahllisten ausgestattet.

Das Brandenburger Parité-Gesetz sei zu kurz gesprungen, sagte Anne-Marie Keding (CDU), Ministerin für Justiz und Gleichstellung. Die Koalition habe sich aber der Frage der paritätischen Besetzung von Gremien angenommen. Im Justizministerium werde derzeit ein Wahlrechtsforum mit Verfassungsrechtler/innen vorbereitet und soll noch im Laufe dieses Jahres stattfinden. Es soll die Grundlage für die mögliche Ausarbeitung eines Parité-Gesetzes sein, so Keding.

Parität sollte im 21. Jahrhundert zwar selbstverständlich sein, allein sie sei noch lange nicht erreicht worden, monierte Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen (SPD). "Hören Sie doch mehr auf die Damen in Ihrer Partei", wandte sie sich an die Koalitionspartnerin CDU. Mit dem Gesetzentwurf der Linken sei die Diskussion um ein Parité-Gesetz nun auch nach Sachsen-Anhalt gelangt; das Ministerium für Gleichstellung habe leider zu lange mit Maßnahmen auf sich warten lassen. Oliver Kirchner (AfD) baue darauf, dass die CDU-Fraktion diesen "verfassungswidrigen Umbau unserer Verfassungsidentität" ebenso wie die AfD ablehne. Die Linken versuchten, dass Land von den Füßen auf den Kopf zu stellen. Wenn das Parlament real-spiegelbildlich besetzt würde - wo zöge man bei den Kriterien die Grenze? Kirchner gab den Linken zu bedenken, dass sie mit ihrem Gesetzentwurf beispielsweise Transgender und Hermaphroditen ausgrenzten. Die AfD werde eine detaillierte Prüfung des Gesetzesvorhabens in Auftrag geben, so Kirchner.

Die ungleiche Zusammensetzung des Landtags mit Frauen und Männern sei ein politisches und gesellschaftliches Problem, konstatierte Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Es handle sich hier um eine "Ü-40-Veranstaltung - für Männer". Man könne die Parité einführen, ohne die Verfassung ändern zu müssen, meinte Lüddemann. Dazu müsse das Gleichstellungsgebot großzügig ausgelegt werden.

Es solle geprüft werden, ob ein verfassungskonformes Parité-Gesetz auf den Weg gebracht werden könne, sagte Jens Kolze (CDU), er halte sich da an den Koalitionsvertrag. "Die Hälfte der Macht den Frauen" - diesem Slogan könne sich Kolze durchaus anschließen. Bundesweit gebe es verschiedene Vorschläge, wie eine paritätische Verteilung der Abgeordnetensitze hergestellt werden könne, so Kolze, beispielsweise die Aufstellung zweier Spitzenkandidaten (Frau und Mann) pro Wahlkreis.

Der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE wurde im Anschluss an die Debatte in die Ausschüsse für Recht, Verfassung und Gleichstellung sowie für Inneres und Sport überwiesen.

Landtagsabgeordnete nach Geschlechtern
Nur knapp 22 Prozent der 87 Landtagsabgeordneten (19 Frauen / 68 Männer) in Sachsen-Anhalt in der 7. Wahlperiode sind Frauen.

Dr. Stefan Müller

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AUS DEM PLENUM

Sichere und natürliche Geburten

Auf Antrag der Fraktionen von CDU, SPD und GRÜNEN wird die Landesregierung gebeten, die Akademisierung des Hebammenberufs sicherzustellen. Ab Herbst 2020 soll es mindestens 20 Studienplätze im Land geben.


In erster Linie sollten Hebammen für die Geburtshilfe zuständig sein und nicht Ärzte, unterstrich Cornelia Lüddemann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Durch die geplante Akademisierung des Hebammenberufs könne der Dialog zwischen Medizinern und Hebammen zukünftig auf Augenhöhe stattfinden. Zudem würden vermutlich wieder mehr natürliche Geburten stattfinden und medizinische Interventionen auf ein Minimum beschränkt. Allein in kommunalen Krankenhäusern werden demnächst mindestens 60 Hebammen benötigt, so Lüddemann. "Wenn wir den Schwangeren nicht garantieren können, dass sie bedarfsgerecht begleitet werden, haben wir bei der Daseinsvorsorge versagt."

Ohne die Novellierung des Hebammengesetzes auf Bundesebene gehe auf Länderebene nichts. Das Bundesministerium hätte mitgeteilt, bis Anfang 2020 so weit zu sein, berichtete Arbeits- und Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD). Alle Vorbereitungen, die heute schon getroffen werden können, würden dennoch getätigt. Bisher sei ein Start des Studiengangs zum Wintersemester 2020/21 mit 20 Studierenden in Halle (Saale) geplant. Wichtig sei zudem, dass bis dahin begonnene Ausbildungen problemlos in die Akademisierung überführt werden können.

Marcus Spiegelberg (AfD) erklärte, dass sich die Akademisierung sehr positiv auswirken könnte. Mit Blick auf die bereits jetzt fehlenden Fachkräfte müssten jedoch deutlich mehr Hebammen ein Studium beginnen. Außerdem sollten sich die Bezahlung verbessern und die bestehenden Probleme bei der Berufshaftpflicht gelöst werden. Leider sei auf Bundesebene noch keine Lösung für das Problem mit der gestiegenen Berufshaftpflicht gefunden worden, bestätigte Tobias Krull (CDU). Mit dem vorliegenden Antrag sollen die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Akademisierung des Berufs einzuleiten. Der deutsche Hebammenverband habe sich ebenfalls für die Akademisierung ausgesprochen.

Hendrik Lange (DIE LINKE) kritisierte, bis heute sei nicht klar, wie die Ausbildung der Hebammen im Land strukturiert werden soll. Es fehle ein Curriculum, die Immatrikulation müsse vorbereitet und die Veränderungen kommuniziert werden. Außerdem schlug seine Fraktion in ihrem Änderungsantrag die Einführung eines dualen Studiengangs vor, um auch zukünftig ein Ausbildungsentgelt zahlen zu können, so Lange. Darüber hinaus könne das Gesundheitswesen zukünftig nur funktionieren, wenn Ärzte bereit seien, Aufgaben abzugeben.

Dr. Katja Pähle (SPD) betonte, der Studiengang in Halle setze vor allem auf ein "evidenzbasiertes Studium", in dessen Folge eine Qualitätssteigerung zu erwarten sei. Zwar seien noch nicht alle Fragen beantwortet und manche Hinweise und Einwände berechtigt, jetzt gehe es jedoch erstmal um ein Startsignal, so die SPD-Abgeordnete. Am Ende der Debatte wurde der Antrag der Koalitionsfraktionen von CDU, SPD und Grünen, angenommen, der Änderungsantrag der Fraktion DIE LNIKE wurde abgelehnt.

Stefanie Böhme

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AUS DEM PLENUM

Fördermittel sinnvoll einsetzen

Das Mittelstandsförderungsgesetz bedarf nach mehr als 15 Jahren einer Überarbeitung, um es an die aktuellen Rahmenbedingungen und Herausforderungen anzupassen. Die Landesregierung legte im Februar einen entsprechenden Gesetzentwurf vor.


Die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt befindet sich in einer positiven Phase der Entwicklung, einige größere Investoren haben angelockt werden können. Die Förderung sei effektiver geworden, erklärte Wirtschaftsminister Prof. Dr. Armin Willingmann (SPD). Das nun zu novellierende Mittelstandsförderungsgesetz aus dem Jahr 2001 bilde den modernen Rahmen für die wirtschaftliche Förderung durch das Land. Es ziele insbesondere auf kleinere und mittlere Unternehmen in Sachsen-Anhalt. Konkret gehe es unter anderem um die Fachkräftesicherung, die digitale Entwicklung, die Nachfolgeregelungen in Unternehmen, die Integration und Entbürokratisierung.

Des vorgelegten Gesetzes bedürfte es gar nicht, wenn beispielsweise die "unsinnigen Russlandsanktionen beendet" würden, erklärte Alexander Raue (AfD). Der Fachkräftemangel sei Folge einer verfehlten Familienpolitik; stattdessen werde zu viel Geld für "illegale Migranten" ausgegeben. Dem Fachkräftemangel solle mit einer intensiven Automatisierung begegnet werden.

"Die Wirtschaft brummt, viele Zahlen sind auf Rekordniveau, aber die Probleme und zukünftigen Dellen sollen im Blick behalten werden für die Zeit, wenn es einmal nicht so gut läuft", erklärte Ulrich Thomas (CDU). Geschnürt werde nun ein Maßnahmenpaket, wie es aus Sicht der Wirtschaftsförderer wichtig sei. Die anvisierte Entbürokratisierung werde die Firmen von zusätzlichen Tätigkeiten entlasten, die sie vom Kerngeschäft abhielten.

Man sei schon seit 2017 einhellig der Meinung, dass das Mittelstandsförderungsgesetz auf einen aktuellen Stand gebracht werden müsse - "nun ist es endlich im Plenum angekommen", sagte Andreas Höppner (DIE LINKE). Eine ganze Reihe von Änderungsanforderungen würde noch zur Diskussion gebracht, so beispielsweise die Novellierung des Krankenversicherungsrechts, die insbesondere für kleine und Kleinstunternehmen wichtig sei.

Mit der Modernisierung des Mittelstandsförderungsgesetzes wolle die Kenia-Koalition den Anforderungen der mittelständischen Entwicklung gerecht werden, erklärte Olaf Meister (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Den Nachwuchs- und Fachkräftemangel habe man dabei fest im Blick. Es gelte, ein gründerfreundliches Wirtschaftsklima zu schaffen, in dem Bürokratie nicht jede neue Idee erstmal auf die lange Bank schiebe. Meister sprach von "Innovation und Investition in die Zukunft" und einem "Wachsen aus der eigenen Kleinteiligkeit heraus".

Es herrsche Einigkeit darüber, dass mit der Mittelstandsförderung die kleinteilige und zukunftsorientierte Wirtschaftsstruktur nach vorn gebracht werden solle, stellte Dr. Katja Pähle (SPD) fest. Beim Thema Fachkräftebedarf müsse die Situation von Migrantinnen und Migranten in den Blick genommen werden. "Sozialdemokratische Wirtschaftspolitik ist mittelstandsorientierte Politik, diese wird mit einem guten Vergabegesetz fortgesetzt", versprach Pähle.

Der Gesetzentwurf der Landesregierung wurde im Anschluss an die Debatte in die Ausschüsse für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung (federführend), für Inneres und Sport sowie für Finanzen (mitberatend) überwiesen.

Dr. Stefan Müller

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AUS DEM PLENUM

Gesetz für den Brexit-Übergang

Der geplante "Brexit" sieht einen Übergangszeitraum vom 1. April 2019 bis zum 31. Dezember 2020 vor, in dem das Unionsrecht grundsätzlich weiter bezüglich Großbritannien anzuwenden ist. Hauptziel eines Gesetzentwurfs der Landesregierung ist es, für diesen Zeitraum (plus möglicher Verlängerung) Rechtsklarheit im Landesrecht herzustellen. Auf Empfehlung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien wurde der Gesetzentwurf angenommen.


Schutzgesetz wurde geändert

Auf Empfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung wurde ein Gesetzentwurf der Landesregierung angenommen, durch den die landesbehördlichen Zuständigkeiten für den Vollzug des Prostituiertenschutzgesetzes geregelt werden. Durch das Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen wurden auf Bundesebene bereits 2016 umfangreiche Regelungen geschaffen.


Anpassung an Technik-Fortschritt

Mit der neuerlichen Änderung der Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags, die den öffentlichrechtlichen Telemedienauftrag betreffen, erfolgt die notwendige Anpassung an den technologischen Fortschritt im Internet, der sich aus einem geänderten Nutzungsbedürfnis und einem geänderten Nutzungsverhalten ergibt. Der Staatsvertrag wurde im Oktober von allen Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten unterzeichnet und wurde nun - per beschlossenes Gesetz - in Landesrecht umgesetzt.

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Kein PUA zum Fall "Oury Jalloh"

Ein Antrag der Fraktion DIE LINKE zur Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) zur Aufarbeitung der Todesumstände von Oury Jalloh ist gescheitert.


Der Asylbewerber Oury Jalloh war im Januar 2005 in einer Zelle des Dessauer Polizeireviers ums Leben gekommen. Bis heute sind Brand- und Todesursache ungeklärt. Auch der Landtag hatte sich bereits mehrmals mit dem Fall beschäftigt, allerdings bisher ohne Erfolg, erläuterte Henriette Quade (DIE LINKE). Sie betonte: "Es geht nicht darum, politischen Einfluss auf die Unabhängigkeit der Justiz zu nehmen, sondern um politische Verantwortung."

Die Koalitionsfraktionen von CDU, SPD und Grünen bedauerten den Tod des Asylbewerbers ausdrücklich. Zwar könne Fremdverschulden nicht ausgeschlossen, aber eben auch nicht nachgewiesen werden, sagte Sebastian Striegel (Grüne). Jens Kolze (CDU) ergänzte, der Antrag sei Ausdruck "tiefsten Misstrauens" gegen die Justiz, im Zweifel gelte jedoch der Rechtssatz "in dubio pro reo". Dr. Katja Pähle (SPD) erinnerte daran, dass der Landtag 2017 beschlossen hatte, die Ermittlungsakten einzusehen und sich zwei juristische Berater zu Hilfe zu nehmen. Die Ergebnisse aus diesem Verfahren werden zunächst abgewartet. Daher werden die Koalitionsfraktionen sich bei dem Antrag enthalten.

Die Dessauer Polizisten würden bewusst kriminalisiert, sagte Mario Lehmann (AfD). Er fragte sich, wo das Engagement der Linken beim Todesfall von Wittenberg geblieben sei? Die juristische Aufarbeitung des Falls hätte zudem zu einer "Demontage des Justizressorts" durch die Linken geführt. Nach namentlicher Abstimmung wurde der Antrag abgelehnt.

Stefanie Böhme


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Am Landgericht Magdeburg wurde 2012 zum Tod des 23-jährigen Oury Jalloh verhandelt und der damals diensthabende Dienstgruppenführer zu einer Geldstrafe verurteilt.

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AUS DEM PLENUM

Entlastung von der Bürokratie

Um der steigenden Belastung im Unterricht zu begegnen, soll die Landesregierung konkrete Maßnahmen umsetzen, um den bürokratischen Aufwand für Lehrerinnen und Lehrer und insbesondere für die Schulleitungen zu reduzieren.


Nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE gefährdeten die mit dem Schuljahr 2017/2018 geänderten Berechnungsgrundlagen zur Lehrerstundenzuweisung sowie die geänderten Vorgaben über den Vorbereitungsdienst für den eigenverantwortlichen Unterricht von Lehramtsanwärtern die Bildungsqualität. Der Ausschuss für Bildung und Kultur empfahl, den im September 2017 von der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Antrag zum Thema Unterrichtsversorgung und Lehrerausbildung in geänderter Fassung anzunehmen. Um der steigenden Belastung im Unterricht zu begegnen, wird die Landesregierung nun gebeten, konkrete Maßnahmen umzusetzen, um den bürokratischen Aufwand für Lehrende und insbesondere für die Schulleitungen zu reduzieren. Ziel sei es, Verwaltungsabläufe so zu gestalten, dass sich Lehrerinnen und Lehrer auf die Kernaufgabe des Unterrichtens konzentrieren können.

"Das Bildungsministerium hat nicht genügend Lehrer in der Hinterhand, um die Kinder im Land zu unterrichten", kritisierte Jan Wenzel Schmidt (AfD). Es sei nötig, endlich die Lehrerwochenstunden in ausreichender Zahl zur Verfügung zu stellen. Die Kenia-Koalition habe den Ursprungsantrag im Ausschuss so zerpflückt, dass er nicht mehr wiederzuerkennen sei. Die Beschlussempfehlung gehe am Sinn des ursprünglichen Antrags vorbei, so Schmidt.

"Die Beschlussempfehlung ist ein Kompromiss", räumte Prof. Dr. Angela Kolb-Janssen (SPD) ein. Zumindest sei erreicht worden, dass es im II. Quartal einen Bericht im Bildungsausschuss geben soll, inwieweit die von der Landesregierung seinerzeit initiierten effizienzsteigernden Maßnahmen zurückgenommen werden könnten. Freiwerdende Stellen in den Schulen sollten schnellstmöglich wiederbesetzt werden, forderte Kolb-Janssen.

"Wir befinden uns bereits im zweiten Jahr mit dem geänderten Organisationserlass für Grundschulen", kritisierte Monika Hohmann (DIE LINKE). Eigentlich habe die Rücknahme der bedarfsmindernden Maßnahmen erreicht werden sollen, stattdessen soll der bürokratische Aufwand der Lehrkräfte und Schulleiter/innen im Unterricht verringert werden. "Um welchen bürokratischen Aufwand im Unterricht geht es denn?", fragte Hohmann. Natürlich seien Maßnahmen zur Entlastung wichtig. "Aber es ging uns konkret um Entlastungen im Unterricht", also um kleinere Klassen, keinen klassenübergreifenden Unterricht mehr, so Hohmann.

"Wir finden die effizienzsteigernden Maßnahmen nicht prickelnd", bestätigte Wolfgang Aldag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). Falle eine Lehrkraft aus, falle auch der Unterricht ganz aus oder werde über den Schulflur geleitet. Korrekturen seien an dieser Stelle dringend notwendig. Eine Lösung der Probleme bringe dieser (heutige) Beschluss nicht.

"Wir wissen um die hohe Arbeitsbelastung der Lehrerinnen und Lehrer im Land", sagte Angela Gorr (CDU). Ziel solle und müsse die Entlastung von bürokratischen Aufgaben sein, um die Vorund Nachbereitung des Unterrichts wieder in den Fokus zu rücken. Inzwischen seien große Schritte in Sachen Unterrichtsversorgung gemacht worden, deswegen sei es auch nicht verwunderlich, dass die Beschlussempfehlung andere Akzente setze als der Ursprungsantrag der Linken.

Im Anschluss an die Debatte wurde der Beschlussempfehlung gefolgt, der geänderte Antrag wurde mit den Stimmen der Koalition beschlossen.

Dr. Stefan Müller

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IM BLICKPUNKT

Zwischen Bitterfeld-Wolfen und Brüssel

Der Terminkalender der Landtagspräsidentin ist jede Woche gut gefüllt. Nicht selten reist sie kreuz und quer durch Sachsen-Anhalt und spricht dabei mit Jung und Alt. Blicken wir gemeinsam zurück auf einige Termine der letzten Wochen.


Präsidentin bei Europagesprächen

Als Präsidentin der Europäischen Bewegung Sachsen-Anhalt e.V. hat Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch im Februar in Oschersleben und in Bitterfeld-Wolfen an Diskussionsrunden über die Zukunft der Europäischen Union teilgenommen. Mehr als 360 Millionen Wahlberechtigte zwischen Portugal und Zypern sind vom 23. bis 26. Mai 2019 aufgerufen, das Europäische Parlament zu wählen. Dazu gehören auch rund 1,8 Millionen Sachsen-Anhalter/innen.


"Jugend forscht" geht in neue Runde

Als Schirmherrin des Landeswettbewerbs "Jugend forscht 2019" in Sachsen-Anhalt besuchte Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch die Präsentation der Wettbewerbsarbeiten des Regionalwettbewerbs Halle (Saale) und gratulierte den jungen Nachwuchsforschern bei der Preisverleihung persönlich. Der bundesweite Wettbewerb ermuntert Kinder und Jugendliche, ein eigenes Forschungsprojekt zu erarbeiten.


Nachwuchsmusiker begeistern

Etwa 80 Schülerinnen und Schüler zwischen neun und 19 Jahren zählt das Sinfonische Musikschulorchester Sachsen-Anhalt mittlerweile. Etliche Schüler konnten sich über dieses Orchester sogar für ein Musikstudium qualifizieren. Beim diesjährigen Winterkonzert des Orchesters in der Johanniskirche Magdeburg ließ sich auch Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch von den Klängen der jungen Musiker verzaubern.


Treffen mit dem Kommissionspräsidenten

Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch traf sich Ende Januar zu einer zweitägigen Konferenz mit ihren Amtskollegen der deutschen Landtage, des Bundestags und des Bundesrats in Brüssel. In Gesprächen mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und den Europaabgeordneten ging es um eine Vielzahl von Themen, die im Vorfeld der Europawahl auch für die Landesparlamente von Interesse sind. Gemeinsam unterzeichneten sie eine "Brüsseler Erklärung" und riefen zur Teilnahme an der Europawahl am 26. Mai 2019 auf.


Besuch auf Grüner Woche

Auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin drehte sich auch in diesem Januar erneut alles um die Themen Landwirtschaft und Ernährung. Auch Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch war zu Gast und besuchte viele der 86 Stände aus Sachsen-Anhalt. Außerdem warb sie bei diversen Gesprächen mit Botschaftern anderer Länder für die Ernährungswirtschaft als ein Aushängeschild Sachsen-Anhalts.

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IM BLICKPUNKT

Superwahlsonntag 2019

Am 26. Mai 2019 sind die rund 1,8 Millionen Wahlberechtigten in Sachsen-Anhalt aufgefordert, von ihrem Stimmrecht bei der Europa- und der Kommunalwahl Gebrauch zu machen. Die Entscheidungen sind weitreichend.


In den Medien hört oder liest man schon viel von einem Superwahlsonntag am 26. Mai 2019. Der Begriff ist insofern gerechtfertigt, da im wahrsten Sinne des Wortes "weitreichende" Entscheidungen zu treffen sind. Rein geografisch betrachtet stellt sich die Frage: Wer soll unser Land im weit entfernten Europaparlament in Straßburg vertreten? Aber auch die individuelle Entscheidung zur Wahl des Kreistags bzw. des Stadt- oder Gemeinderats - der evtl. "um die Ecke" tagt -, will wohlüberlegt sein. Hinzu kommt, dass in Egeln, Gommern, Karsdorf, Steigra und Zerbst eine oder ein Bürgermeister/in zu wählen sind. Im Hinblick auf die Dauer der Amtszeit von sieben Jahren für Bürgermeister in Sachsen-Anhalt ist das die zeitlich gesehen längste Festlegung.

Wahlberechtigt ist grundsätzliche jeder, der mindestens 18 Jahre alt ist und länger als drei Monate im Wählerverzeichnis der Heimatgemeinde eingetragen ist. Die Besonderheit der Kommunalwahl besteht darin, dass in diesem Fall das Wahlalter 16 gilt. So sind insbesondere die Jugendlichen angesprochen, mitzubestimmen. In den kommenden Wochen sollte jeder eine sogenannte Wahlbenachrichtigung erhalten. Mit dieser Karte und dem Personalausweis kann jeder am 26. Mai 2019 seine Stimme abgeben. Wer jetzt schon weiß, dass das am Wahltag trotz Öffnungszeit der Wahllokale von 8 Uhr bis 18 Uhr "eng" wird, kann auf die Briefwahl zurückgreifen. Wie und wo man zu den Unterlagen kommt ist ebenfalls auf der Wahlbenachrichtigung vermerkt.

Anders als bei den Kommunalwahlen hat jede Wählerin/jeder Wähler bei der Europawahl nur eine Stimme zu vergeben. Alle Parteien haben ihre Kandidaten bereits in Listen nominiert. Insgesamt werden in Deutschland 96 Abgeordnete für das Europäische Parlament gewählt. Wer sich vorab über grundlegende Zielsetzungen informieren möchte, sollte im Internet die Seiten der Parteien besuchen.

Für eine Zusammenfassung empfiehlt sich der Besuch des Wahl-O-Maten, ein neutrales Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung (www.bpb.de). Etwas unübersichtlicher, aber in der Natur der Sache liegend, wird es bei den Zielen der Wahlbewerber zur Kommunalwahl.

Wer hier auf der Suche nach Informationen ist, sollte neben dem Internet regionale Zeitungen im Auge behalten oder die örtlichen Informationsstände (meist an Markttagen) besuchen. Aktuell werben 17 Parteien in Sachsen-Anhalt um die Gunst der Wähler in Sachsen-Anhalt.

Ulrich Grimm


Gemeinsamer Aufruf der Präsidentinnen und Präsidenten der deutschen und österreichischen Landesparlamente sowie des Südtiroler Landtages unter Beteiligung des Parlaments der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens zur Teilnahme an den Europawahlen am 26. Mai 2019.

"Liebe Mitbürgerinnen und liebe Mitbürger,
am Sonntag, dem 26. Mai 2019, sind Sie aufgerufen, Ihre Stimme zur Wahl des Europäischen Parlaments abzugeben. Damit nehmen Sie direkt Einfluss auf die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments, das den Präsidenten der Europäischen Kommission wählt und über den Haushalt und wichtige Gesetze entscheidet, die alle Bürgerinnen und Bürger betreffen.

Dem gemeinsamen europäischen Projekt verdanken wir die längste Friedensperiode in unserer Geschichte. Nie zuvor hat der europäische Kontinent eine vergleichbare Phase der Freiheit, des Wohlstandes und auch der Freizügigkeit seiner Bürgerinnen und Bürger erlebt. All diese Errungenschaften sind wie wohl nie zuvor dem Druck von außen und von innen ausgesetzt. Die Europäische Union muss ihre Rolle im 21. Jahrhundert daher neu ausrichten.

Zentrale Zukunftsfragen, wie die Wahrung europäischer Sicherheits- und Handelsinteressen, der Klimawandel, die Migration nach Europa, die Digitalisierung, die Zukunft des Euro oder der gemeinsame Kampf gegen den Terrorismus können nur von einer starken und handlungsfähigen Union gemeistert werden, nicht von jedem Mitgliedstaat allein. Das Europäische Parlament ist Ihre Vertretung bei der Bewältigung dieser Herausforderungen. Als Präsidentinnen und Präsidenten der Landesparlamente rufen wir Sie - und insbesondere diejenigen, die erstmals an den Wahlen teilnehmen dürfen - deshalb auf, am 26. Mai 2019 zur Wahl zu gehen. Nutzen Sie Ihre Chance und bringen Sie Ihre Stimme zu Gehör."

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IM BLICKPUNKT

"Europa ist uns näher denn je"
Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch im Interview

Die EU ist für viele Menschen "weit weg". Warum sollten sie dennoch bei der Europawahl mitstimmen?

Weit weg ist Europa ja nicht wirklich. Ich glaube, die Menschen haben es mehr und mehr für sich angenommen. Trotz konstruktiver Kritik an manchen und oft kaum nachvollziehbaren Entscheidungen ist Europa uns doch näher denn je. Es geht auch nicht darum, über ein Ja oder Nein zu Europa zu entscheiden, sondern über seine künftige Entwicklung. Klar ist, dass der europäische Kontinent mit einer politischen Einheit auch eine stabile Außen- und Sicherheitspolitik bekommen muss. Und hierfür seine Stimme abzugeben, wird für jeden von uns Ansporn genug sein. So wird die wirtschaftliche Stärke Europas auch eine verlässliche friedvolle Bastion sein, die ihr Gewicht global einbringt.

Was bedeutet die Kommunalwahl?

Die Menschen bestimmen ihre Kreistags-, Stadtrats-, Verbandsgemeinderats-, Gemeinderats- und Ortschaftsvertretungen für die nächsten fünf Jahre. Zu allen Gremien hat der Bürger allein aufgrund der örtlichen Nähe eine enge Bindung. So wird die Abstimmung häufig zur Personenwahl, die Parteien treten in den Hintergrund. Jeder Wähler ab einem Alter von 16 Jahren hat dabei drei Stimmen. Entweder er gibt einem Kandidaten alle drei oder verteilt sie auf mehrere. Kommunalwahl bedeutet, direkt in seinem Umfeld mitgestalten oder auch etwas verändern zu können.

Ist Nicht-Wählen eigentlich eine Option, egal ob es um die Europa- oder Kommunalwahl geht?

Eindeutig nein. Nicht-Wählen ist eher der fahrlässige Umgang mit seinem wertvollen Stimmrecht. Trotz Schwächen, die auch eine Demokratie hin und wieder zeigt, ist es kein kluger Ausdruck seines Ärgers, sich der Abgabe seiner Stimme zu verweigern. Wer nicht von seinem Stimmrecht Gebrauch macht, kann nicht mitbestimmen - ist außen vor.

Sie sind selbst Politik-Quereinsteigerin: Was geben Sie Interessierten und Politikmuffeln mit auf den Weg?

Die Mechanismen und Kommunikation des politischen Systems sollte jeder konstruktiv kritisch erkannt haben, um klug und zielgerichtet sein Können und seine Energie zur Mitgestaltung einzusetzen. Hilfreich ist, finanziell unabhängig vom Politikgeschäft zu sein. So können alle politischen Entscheidungen aufgrund von Sachargumenten getroffen werden. Konstruktiv und respektvoll geäußerte Kritik an politischen Entscheidungen und am Verhalten von Politikern ist willkommen. So haben Kritiker stets die Chance, sich einzubringen, zu verändern und mitzugestalten.

Wir, jeder Einzelne von uns hat auch eine große Verantwortung unserer nachkommenden Generation gegenüber. Außerdem macht Mitgestalten mehr Freude als nur Zuschauer am Rande des Geschehens zu sein.

Ulrich Grimm

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REGIONALFENSTER

Schatzjahre in Halberstadt
Kommen. Suchen. Staunen.

In Halberstadt, einst Residenz der Bischöfe und von großer Bedeutung im Mittelalter und heute lebendiges Beispiel für bürgerschaftliches Engagement bei der Rettung historischer Stadträume, gibt es für Bewohner wie für Besucher der Vorharzstadt vieles zu entdecken. Um seine bekannten und auch die verborgenen Schätze einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren, hat Halberstadt von 2018 bis 2020 die Schatzjahre ausgerufen.


Sie gelten auf dem ganzen Erdball als Glücksbringer - Kraniche, von denen es weltweit 15 verschiedene Arten gibt: in Europa den Graukranich, der sich mit einer Flügelspanne von über 200 Zentimetern durchaus mit dem Seeadler messen kann, in Australien den Brolgakranich, benannt nach einer Figur aus der TraumzeitSchöpfungsgeschichte, in Afrika den Klunkerkranich, dessen Population als gefährdet gilt, in Nordamerika den im Bestand ebenfalls stark gefährdeten Schreikranich oder in Asien den vom Aussterben bedrohten Schneekranich. In Halberstadt sind sie derzeit alle vereint - die Kraniche von fünf Kontinenten. Erstmals können Interessierte alle 15 Arten bestaunen - von der kleinsten mit nur 90 Zentimetern Standhöhe bis zur größten, die mit 170 Zentimetern so groß wie ein ausgewachsener Mensch wird. Mit der Sonderausstellung "Vögel des Glücks" ist es Halberstadt deutschlandweit erstmals gelungen, alle Kranicharten der Welt gemeinsam zu präsentieren. Das Heineanum am Domplatz zeigt die Original-Präparate im benachbarten Städtischen Museum, wo sie zusammen mit faszinierenden Fotos bis 26. Mai 2019 Einblick in das Leben der Vögel geben, um die sich auf dem ganzen Erdball viele Mythen, Märchen und Poesie ranken. Die Sonderschau über die "Vögel des Glücks" ist nach den "Urzeitlichen Schätzen - Plateosaurus, Mammut & Co." im vergangenen Jahr bereits der zweite Beitrag, den das Vogelkundemuseum zusätzlich zu seinen zahlreichen regulären Schätzen ganz speziell zu den Halberstädter "Schatzjahren" beisteuert.

Die wurden in der Stadt, die in ihren Mauern einen der weltweit umfangreichsten und bedeutendsten mittelalterlichen Kirchenschätze beherbergt, für die Zeit zwischen 2018 und 2020 ausgerufen. In diesem Zeitraum begehen mehrere kulturelle und touristische Einrichtungen der Harz-Kreisstadt große und auch kleinere Jubiläen, die unter dem gemeinsamen Dach der Schatzjahre gebündelt werden und dadurch deren jeweilige Einzigartigkeit - so die Hoffnung der Initiatoren - größere Aufmerksamkeit findet. Von den zahlreichen Jubiläen zwischen 2018 und 2020 ist jede Veranstaltung für sich einzigartig, aber nicht immer ein ausschlaggebendes Argument für den Gast, um nach Halberstadt zu kommen, meint Stadtmarketing-Managerin Nancy Schönknecht. Deshalb vermarkte man alle Jubiläen unter dem Dach der "Schatzjahre 2018-2020". Und Oberbürgermeister Andreas Henke ergänzt: "Wir wollen mit den Schatzjahren die vielfältigen Potenziale Halberstadts vom gesellschaftlichen Engagement über das Ehrenamt bis hin zu unseren kulturellen Angeboten etwas aus dem Schatten der Wahrnehmung herausholen, sie Halberstädtern und den Gästen der Stadt näherbringen."

So wurden gleich im ersten Schatzjahr "10 Jahre Neueröffnung des Halberstädter Domschatzes" gefeiert. Denn für einen der weltweit umfangreichsten mittelalterlichen Kirchenschätze, der jahrhundertelang nahezu unverändert am Originalstandort verblieb, in seiner vollen Bedeutung jedoch nicht sichtbar war, endete 2008 ein langjähriges Schattendasein. Seit zehn Jahren werden in der 1200-jährigen einstigen Bischofsstadt nun sakrale Kostbarkeiten des Domes Stephanus und Sixtus, zu dessen Fundus mehr als 650 Kunstwerke aus dem 5. bis 18. Jahrhundert gehören, in einer speziell dafür geschaffenen Ausstellung in historischen Räumen der Domklausur präsentiert. Alte und seltene Reliquien, Teppiche, Gewänder, Goldschmiedearbeiten und Elfenbeinschnitzereien gewähren dort einen anschaulichen Einblick in die religiöse Vorstellungswelt und die gottesdienstliche Praxis der Menschen des Mittelalters. Ein ansehnliches Kunstwerk ist auch die äußere Hülle dieses bedeutenden Schatzes - der Halberstädter Dom. Die Kirche wurde zwischen 1236 und 1468 nach dem Vorbild französischer Kathedralen errichtet und gilt als einer der schönsten Bauten der Gotik.

Ebenfalls 2018 jährte sich zum zehnten Mal "Ton am Dom", Halberstadts Töpfermarkt in historischer Kulisse. Mehr als 50 Töpfermeister aus ganz Deutschland und dem deutschsprachigen Ausland präsentierten am ersten Juliwochenende vergangenen Jahres auf dem Domplatz, zwischen romanischer Liebfrauenkirche und gotischem Dom, ihre Tonwaren. Als Höhepunkt im Schatzjahr 2018 brannte der Keramiker Reinhard Keitel aus Weimar in einer einzigartigen multimedialen Performance mit Licht- und Klangcollagen vor den Augen begeisterter Zuschauer eine etwa 2,5 Meter große Feuerskulptur in Form der Halberstädter Domtürme. Dieses Kunstwerk gehört nach Halberstadt, es muss bei uns bleiben, waren sich die Halberstädter rasch einig, und spendeten binnen kurzer Zeit das für den Erwerb der Feuerskulptur nötige Geld, die nun ab Juli 2019 für jedermann zugänglich am Stadtmuseum ausgestellt werden soll.

Das beteiligte sich an den Schatzjahren mit einer eigens dafür konzipierten Ausstellung, die mit "70-30-20" drei wichtige Daten der jüngeren Geschichte in den Mittelpunkt stellt, "Halberstadt zwischen Apokalypse und Euphorie" zeigt und damit beginnt, dass 20 Minuten genügten, um am 8. April 1945 das einstige Rothenburg des Nordens in Schutt und Asche zu versenken. Die 70 im Titel der im Oktober vergangenen Jahres eröffneten Ausstellung, die die beiden Schatzjahre 2018 und 2019 miteinander verbindet, steht für das Jahr 1948.

Die Halberstädter wollten auf keinen Fall, dass ihre Stadt, die keinerlei Hilfe von außen, keine zentralen Gelder für den Wiederaufbau erhielt, gänzlich aufgegeben wurde. "Halberstadt ruft" stand im Sommer 1948 über einem Plakat, mit dem entschlossene Bürger für eine Aufbau-Ausstellung und für den Wiederaufbau des geschichtsträchtigen Gemeinwesens in Sichtweite des Brockens warben. In die damalige Ausstellung kamen innerhalb eines Monats 40.000 Besucher und danach Spenden aus dem ganzen Land.

Vom "Nationalen Aufbauwerk" berichtet die Schatzjahre-Sonderschau ebenso wie vom Verfall dessen, was Bomben nicht vernichtet hatten. 680 der einst 1600 Fachwerkhäuser Halberstadts wurden im April 1945 zerstört, 480 weitere bis 1990 abgerissen. "Wenn Häuser sprechen könnten - sie würden schreien", schrieben beherzte Bürger auf ein Transparent, das in der die Ausstellung prägenden Zahlenfolge für die 30 steht, als 1989/90 Halberstädter zwischen Mut und Angst, zwischen Leere und Glanz "für unser Land" beteten, nicht nur für mehr Freiheit, sondern auch für den Erhalt der in ihrer Stadt verbliebenen Altbausubstanz auf die Straße gingen und voller Mut in rasanter Zeit die Neubebauung ihres verlorenen Zentrums in Angriff nahmen.

Als eine von fünf Städten in Ostdeutschland erhielt Halberstadt als "Modellstadt für Stadtsanierung" die einmalige Chance, die vom Flächenabriss verschont gebliebenen, aber maroden Teile der Altstadt zu retten. Mit dem neu entstandenen Zentrum hat Halberstadt seit 1998 wieder ein Gesicht. Aufgebaut in den alten Baufluchten, deren Flächen fast 50 Jahre brach lagen, war Wirklichkeit geworden, was die Aufbauausstellung von 1948 gewollt hatte. Dem widmet sich der dritte Teil "20 Jahre Rathauspassagen Halberstadt und 20 Jahre neues Stadtzentrum" der Schatzjahre-Sonderausstellung "70-30-20", die auch zeigt, dass es wieder die Bewohner der Stadt waren, die selbst einen guten Teil zu den Kosten für den Wiederaufbau der Ratslauben beisteuerten. "Die größten Schätze dieser Stadt sind ihre Bewohner", meint Historikerin Dr. Antje J. Gornig zum Abschluss ihrer Führung durch die Sonderschau und freut sich schon darauf, dass an ihrem Museum bald das von Halberstädter Bürgern finanzierte neue Wahrzeichen der Stadt als besonderer Schatz gezeigt werden kann - die im Rahmen des Schatzjahres 2018 bei "Ton am Dom" entstandene Feuerskulptur.

Natürlich wird es auch 2019 "Ton am Dom" geben - am 6. und 7. Juli, einen Monat nach den diesjährigen Domfestspielen. Als besondere Höhepunkte des Schatzjahres 2019 präsentiert Halberstadt weitere interessante Jubiläen wie Veranstaltungen rund um den 300. Geburtstag des Halberstädter Dichters und Sammlers Johann Wilhelm Ludwig Gleim, in dessen ehemaligen Wohnhaus eines der ältesten deutschen Literaturmuseen sein Domizil hat. Hundertjährige Jubiläen feiern in diesem Jahr das Orchester des Nordharzer Städtebundtheaters und die Volkshochschule Harz. Zum 30. Mal jährt sich 2019 die Städtepartnerschaft Halberstadts mit Wolfsburg. Seit 20 Jahren besteht das familienfreundliche Freizeit- und Sportzentrum Halberstadt und seit fünf Jahren können Kinder in einem alten, denkmalgeschützten Gebäude tollen, in dem sich Deutschlands schönster barrierefreier Indoor-Spielplatz befindet.

Halberstadts Schätze entdeckt man am besten auf einem der vielfältigen Stadtspaziergänge im Schatzjahr 2019, meint Stadtmarketing-Managerin Schönknecht, und lädt ein zum romantischen Abendspaziergang mit Harzer Gaumenfreuden durch die historische Altstadt, einen Spaziergang durch das jüdische Halberstadt oder zur Medingschanze, dem vermutlich einzigen Schützengraben des 1. Weltkriegs auf deutschem Boden. Mit den Höhlenwohnungen in Langenstein oder der Schachtradition im Schachdorf Ströbeck haben auch Halberstadts Ortsteile reizvolle Ausflugsschätze zu bieten. Und auch 2020 werden Museen und Sammlungen Ausstellungen und Veranstaltungen präsentieren, die auf politische Ereignisse, auf historische und kulturelle, aber auch auf kleine und große versteckte Schätze in der Stadt hinweisen, darunter 60 Jahre Tiergarten, 111 Jahre Heineanum oder einen weiteren Klangwechsel im langsamsten Konzert der Welt, dem John-Cage-Orgel-Kunst-Projekt im Halberstädter Burchardi-Kloster.

Am Ende des ersten Schatzjahres gewann die Stadt Halberstadt mit ihrer Werbekampagne Schatzjahre beim Tourismuspreis "VORREiTER" des Landes Sachsen-Anhalt den Publikumspreis. Dieser bestätigt, dass die Schatzjahre ankommen - bei den Halberstädtern und weit über die Stadtgrenzen hinaus. "Wir wollen die Identifikation der Menschen in dieser Stadt stärken und andernorts Menschen auf Halberstadt aufmerksam machen", so Oberbürgermeister Henke. Auch er schätzt rückblickend auf das erste Schatzjahr ein, "dass unsere Hoffnungen erfüllt wurden. Ich bin optimistisch, dass auch das laufende Schatzjahr 2019 und das kommende Schatzjahr 2020 diesen positiven Trend fortführen werden."

Gudrun Oelze

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70 JAHRE GRUNDGESETZ

Eine unteilbare deutsche Nation

Sachsen-Anhalt feiert in diesem Jahr das Jubiläum "70 Jahre Grundgesetz", auch wenn es freilich nur 30 davon "am eigenen Leibe" erfahren durfte. 40 Jahre lang hatte die Verfassung der DDR gegolten, bevor im Oktober 1990 die Wiedervereinigung gefeiert wurde.


Die Alliierten hatten Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in vier Besatzungszonen aufgeteilt: die USA, Großbritannien und Frankreich auf der Westseite, die Sowjetunion auf der Ostseite. Die geographischen Grundlagen für den Kalten Krieg waren gelegt, verfestigt wurden sie durch die Herausbildung der beiden deutschen Staaten, die jeweils im Jahr 1949 mit der Ausrufung einer Verfassung besiegelt wurde. Die Besatzungsmächte hatten zuvor die politischen Vertreter im Westen und Osten Deutschlands aufgefordert, sich zu den Strukturen des Nachkriegsdeutschlands zu äußern.

In beiden Verfassungsentwürfen war zunächst - über kurz oder lang - von einer gesamtdeutschen Gültigkeit ausgegangen worden. So hieß es im Grundgesetz: "Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden." Die DDR-Verfassung begann mit folgendem Wortlaut: "Deutschland ist eine unteilbare demokratische Republik (...). Es gibt nur eine deutsche Staatsangehörigkeit." Während die DDR-Verfassung in den Folgejahren allerdings immer stärker den wenig demokratischen sozialistischen Ein-Parteien-Staat stützte, steht das Grundgesetz bis heute für die Durchsetzung einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung - die es im Jahr 2019 in ihrem 70. Jahr zu feiern gilt.

Das Grundgesetz der Bundesrepublik, das am 23. Mai 1949 unterzeichnet und verkündet wurde, geht auf die Arbeit des Parlamentarischen Rats zurück. Seine 65 Mitglieder wurden vorher von den Länderparlamenten der drei westlichen Besatzungszonen gewählt. Sie gingen als die "Väter des Grundgesetzes" (und vier Mütter!) in die Geschichte ein. Der Begriff "Verfassung" war damals bewusst vermieden worden, denn das Grundgesetz sollte nur eine Übergangslösung bis zu einer gesamtdeutschen Verfassung sein. Die wurde das Grundgesetz mit der Einheit Deutschlands am 3. Oktober 1990.

Das Grundgesetz erlebte seit seiner Verkündung vor 70 Jahren eine außergewöhnliche Geschichte, die immer auch eine Erfolgsgeschichte war, ist es doch schon länger in Kraft als die Verfassungen von 1848, 1871 und 1919. Es flossen wichtige Erfahrungen der deutschen Geschichte in das Grundgesetz ein, das die Bundesrepublik Deutschland als demokratischen, föderalen und sozialen Rechtsstaat definiert, als eine parlamentarische Demokratie, in der alle Gewalt vom Volke ausgeht.

Trotz seines Alters ist das Grundgesetz immer mit der Zeit gegangen. Immerhin wurde das Grundgesetz bisher 62 Mal bearbeitet und so an die Lebensrealität der Menschen in Deutschland angepasst. Die Artikel des Grundgesetzes stehen über allen deutschen Rechtsnormen. Drei prägen Politik und Leben in der Bundesrepublik Deutschland auf besondere Weise: der Artikel 1, in dem die Grundrechte festgelegt sind, Artikel 20 mit den Grundprinzipien der politischen Ordnung wie Demokratie, Rechtsstaat und Sozialstaat sowie Artikel 79, in dem bestimmt wird, dass weder Artikel 1 - "Die Würde des Menschen ist unantastbar." - noch Artikel 20 - "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus." - aufgehoben werden können.

Dr. Stefan Müller

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100 JAHRE BAUHAUS

Der Stoff des Lebens

Eine neue Ausstellung in den Fluren des Landtagsgebäudes zeigt zeitgenössische Fotografien moderner Architektur im Bauhausstil in Tel Aviv-Jaffa. Die Fotos stammen von Ingrid Botschen und Michael Craig Palmer.


Mit zeitgenössischen Fotografien der modernen Architektur aus dem Tel Aviv der 1930er Jahre präsentiert die Deutsch-Israelische Gesellschaft die Ausstellung "The Stuff of Life - Der Stoff des Lebens" der Fotografen Ingrid Botschen und Michael Craig Palmer. Im Hintergrund stehen das 100. Jubiläumsjahr des Bauhauses sowie dessen bedeutende Einflüsse und Strömungen, welche in Begriffen wie Klassische Moderne, Internationaler Stil und Neues Bauen einzuordnen sind.

Das Zentrum von Tel Aviv gilt als weltweit dichtestes Ensemble von ungefähr 4000 Gebäuden des Internationalen Stils. Errichtet wurden diese Gebäude vor allem in den 1930er Jahren als freistehende Etagenwohnhäuser auf einem Stadtgrundriss, der den Prinzipien der Gartengestaltungsbewegung folgt. Diese besondere Kombination zweier moderner Konzepte der Architektur und Stadtplanung begründete im Jahr 2003 die Aufnahme der "Weißen Stadt" in die UNESCO-Welterbe-Liste.

Tel Aviv wurde 1909 als jüdischer Vorort der arabischen Stadt Jaffa gegründet und entwickelte sich innerhalb der nachfolgenden Jahrzehnte zu einer selbstständigen Metropole - der ersten jüdischen Stadt. Getrieben wurde das rasante Wachstum durch zyklische Einwanderungswellen. Zunächst in den 1890er Jahren aufgrund heftiger Pogrome im russischen Zarenreich und in den 1930er Jahren infolge des erstarkenden Faschismus. Unter den Zehntausenden Einwanderern waren auch zahlreiche Architekten: Einige von ihnen stammten aus Palästina und kehrten nach Studium und Ausbildung in Europa zurück, andere wiederum flohen vor der Verfolgung in ihren Heimatländern und brachten als Immigranten die verschiedenen Einflüsse moderner Architektur ins Land.

Die zeitgenössischen Fotografien der Fotografen Ingrid Botschen und Michael Craig Palmer widmen sich den alltäglichen Blicken von Wohngebäuden des Internationalen Baustils der 1930er Jahre im Zentrum von Tel Aviv. Im Außenraum, im Innenraum, in den Eingängen und Treppenhäusern treten sie in Kontakt mit der Bautätigkeit jener Zeit. Gepaart mit den Spuren der Alija (jüdische Einwanderung) und den Gebrauchsspuren von fast 90 Jahren zeigen sie, dass diese Architektur für den Gebrauch geschaffen wurde, dass sie den Menschen der 1930er Jahre - zum Beispiel jüdischen Immigranten aus Europa, die vor Terror und Verfolgung flohen - einen neuen Lebensraum bieten sollte.

Die Mesusa am Türrahmen, hebräische Grundsteintafeln, Treppenstufen, Briefkästen, Sitzbänke im schattenspendenden überdachten Außenraum, puristische Eingangsbereiche - sie geben Einblicke in die Lebensräume der Gebäude. Details zeigen sich unverändert in Form, Farbe und Materialität sowie im Charme seiner Gebrauchsspuren und seiner Einzigartigkeit. Schalter mit deutscher Aufschrift "Licht" verweisen auf das Ha'avara-Abkommen zwischen der Zionistischen Vereinigung Deutschland und dem deutschen Reichsministerium für Wirtschaft im Jahr 1933.

Zahlungskräftigen deutschen Juden wurde mit dem Einkauf deutscher Bauprodukte, dem Export nach Palästina und dessen Wertrückkauf die Immigration nach Palästina ermöglicht. Demzufolge finden sich in Gebäuden der 1930er Jahre zahlreiche deutsche Produkte wieder. Die Ausstellung umfasst Fotografien auf zwei Fluren des Landtagsgebäudes. Sie kann bis zum 10. Mai 2019 montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr kostenfrei besichtigt werden.

Ulrich Grimm/Ingrid Botschen

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WEITBLICK

Frauen zwischen 1918 und 1933

Dieses instruktive Lexikon ist die Fortsetzung des 2016 vorgelegten ersten Bands, das den Zeitraum vom Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts umfasst. Der zweite Band bietet 130 Einzelporträts von 89 Autorinnen und Autoren. Ausgewählt wurden Frauen, die auf unterschiedlichen Ebenen und auf sehr unterschiedliche Weise die politische, ökonomische, soziale oder kulturelle Entwicklung auf dem Gebiet des heutigen Landes Sachsen-Anhalt geprägt oder mindestens beeinflusst haben.

Insbesondere hinsichtlich des politischen Engagements von Frauen zwischen 1918 und 1933 leistet das Lexikon einen wesentlichen forschungsbezogenen Beitrag, da es an einer entsprechenden wissenschaftlichen Gesamtstudie für Deutschland bislang noch fehlt.

Das biographisch-bibliographische Lexikon basiert auf der Aufarbeitung und Auswertung der jeweils vorhandenen Archivalien und der Forschungsliteratur. Es bietet am Ende der jeweiligen Artikel eine Übersicht zu gedruckten und ungedruckten Quellen, vorhandener Sekundärliteratur, ein Werkverzeichnis und einen Nachweis vorhandener Bilder oder Fotografien. So ist für interessierte Leser eine vertiefte Beschäftigung mit einzelnen Biografien problemlos möglich.

Michael Rahmfeld

Eva Labouvie (Hg.): Frauen in Sachsen-Anhalt 2:
Ein biographisch-bibliographisches Lexikon vom 19. Jahrhundert bis 1945. 

Böhlau: Köln, 2019.


Im Spannungsfeld von Verantwortung und Schuld

Die Frage nach Verantwortung und Schuld der höheren Wehrmachtsführung an den Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes ist eine der zentralen Themen der im Nachkriegsdeutschland beginnenden "Aufarbeitung" gewesen. Die ungeheure Dimension dieser Verbrechen warf vor allem auch die Frage nach den Verantwortlichen hierfür auf. Der Historiker Jens Brüggemann geht in seiner detailreichen und quellenbasierten Studie der Frage nach, wie es zahlreichen Protagonisten der Wehrmachtselite gelang, maßgeblichen Einfluss auf die Darstellung der Armee im Nationalsozialismus in Politik und Gesellschaft zu nehmen. Begonnen hatte die Entwicklung des Narrativs der "sauberen" Wehrmacht schon mit der Verteidigungsstrategie im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess 1945/46. Bereits dort erreichte die Verteidigung, dass das Oberkommando der Wehrmacht und der Generalstab (wenn auch aus eher formalen Gründen) nicht zu verbrecherischen Organisationen erklärt wurden. Insgesamt gelang es der Wehrmachtselite, begünstigt durch den beginnenden Ost-West-Konflikt und eine weitverbreitete Schlussstrichmentalität, ein Geschichtsbild zu konstruieren, das die Armee von Mitverantwortung weitgehend freisprach. Dies wiederum erleichterte die Rehabilitierung und Integration ihrer Spitzenvertreter in Staat und Gesellschaft der jungen Bundesrepublik erheblich.

Michael Rahmfeld

Jens Brüggemann: Männer von Ehre?
Die Wehrmachtgeneralität im Nürnberger Prozess 1945/46.
Zur Entstehung einer Legende.

Paderborn: Schöningh, 2018.


Eliteschulen im Nationalsozialismus

Das Buch "Napola - Verführte Elite im Harz" beschäftigt sich umfassend mit den NS-Eliteschulen des Harzes in Ballenstedt und Ilfeld in Form einer Monographie. Durch die überaus reiche Bebilderung mit circa 800 Fotos gibt diese Monographie einen besonderen Einblick in die regionale Zeitgeschichte. Ausschließlich männliche Schüler, sogenannte Jungmannen, kamen an zwei verschiedenen Standorten im Harz, die sich weitab von Städten befanden, in Nationalpolitische Erziehungsanstalten (Napola). Die auserwählten Jungen im Alter ab zehn Jahren sollten in diesen internatsbeschulten paramilitärischen Einrichtungen zu "Politischen Soldaten" gemacht werden. Unter der Parole "Mehr sein als scheinen" wuchsen die Schüler hier zu Führungskräften heran, die teilweise auch nach dem Untergang des NS-Staates in Schlüsselpositionen gelangten. Das Buch beleuchtet die ideologischen Hintergründe und Intentionen, die Funktionen und den Niedergang dieser beiden NS-Bildungsanstalten. Besonders hervorzuheben sind die Gespräche mit Zeitzeugen, die angesichts der seitdem vergangenen Jahre langsam rar werden. Ihre damaligen Beweggründe, viele persönliche Erlebnisse und ihre heutigen Ansichten sind stark in den Inhalt des Buches eingeflossen. Das eröffnet dem Leser auch sehr private Einblicke in das Leben der sogenannten Jungmannen.

Beate Grau

Wolfgang Schilling (Hg.): Napola: Verführte Elite im Harz.
Calbe/Saale: Grafisches Centrum Cuno, 2018


Altmodische Tugenden für heute

Alexander von Schönburg plädiert in seinem Buch für mehr Anstand, für Werte und Tugenden, die lange altmodisch erschienen und heute wieder sehr aktuell sind. Er listet "27 altmodische Tugenden für heute" auf.

Von Weltoffenheit, Bescheidenheit und Höflichkeit über Mitgefühl, Geduld und Gerechtigkeit bis hin zu Mut, Toleranz und Dankbarkeit denkt der Autor klug und unterhaltsam über so manche in der heutigen Zeit verlorengegangenen Tugenden nach. Er beobachtet in unserer Gesellschaft ein Sich-Gehenlassen und eine zunehmende Rücksichtslosigkeit, die sich vor allem in der immer stärker werdenden Ich-Bezogenheit der Menschen zeige.

Jeder will sich selbst optimieren. Pöbeln im Internet, Drängeln und ständiges Übertrumpfen-Wollen sind so keine Seltenheit im Alltag.

Alexander von Schönburg möchte in seinem Buch beweisen, dass der Mensch dieser Entwicklung nicht machtlos ausgeliefert ist und dem allgemeinen Credo der Selbstbezogenheit und Beliebigkeit einiges entgegenzusetzen hat. So appelliert er an die Menschheit, die Beschaffenheit der Welt durch eigenes verantwortungsvolles Verhalten und Handeln zu beeinflussen und grundlegend mitzubestimmen. Dabei kommt auch das Vergnügliche beim Lesen des Buches nicht zu kurz!

Beate Grau

Alexander von Schönburg: Die Kunst des lässigen Anstands.
27 altmodische Tugenden für heute.

München: Piper, 2018.


Die Landtagsbibliothek ...

­... ist eine wissenschaftliche Spezialbibliothek, die auch für Bürgerinnen und Bürger nutzbar ist. Die Sammelschwerpunkte umfassen die Bereiche Recht, Politik, Parlamentarismus, Sozialwissenschaften, Geschichte und Landeskunde.

Neben dem umfangreichen Literatur- und Zeitschriftenbestand stehen komfortable Arbeitsmöglichkeiten im Lesesaal zur Verfügung.

Öffnungszeiten (nicht an Feiertagen)
Mo. bis Do., 8-16.30 Uhr, Fr. 8-15 Uhr
Kontakt
Telefon: 0391 560 1135
E-Mail: bibliothek@lt.sachsen-anhalt.de

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HOLOCAUSTGEDENKTAG

"Zukunft braucht Erinnerung"

Die zentrale Gedenkveranstaltung zum Holocaustgedenktag fand am 27. Januar 2019 in Wernigerode statt. Die Gedenkrede hielt Stiftungsvorstand Gideon Jakob Nissenbaum. In der Gedenkstätte Veckenstedter Weg wurden Blumen und Kränze niedergelegt.


Im ehemaligen Außenlager des KZ Buchenwald im Veckenstedter Weg in Wernigerode waren Häftlinge untergebracht, die in der näheren Umgebung bei körperlich schweren Arbeiten eingesetzt wurden. Einsatzgebiete waren das Rautalwerk, bergmännische Arbeiten im Galgenberg, Gleisbauarbeiten und nicht zuletzt der Ausbau des Lagers. Genau hier, heute eine Mahnund Gedenkstätte, wurden noch vor der zentralen Gedenkstunde im Wernigeröder Rathaus Kränze und Blumen niedergelegt und Worte des Erinnerns, Mahnens und des Gebets gesprochen. Martin Skiebe, Landrat des Landkreises Harz, erklärte, nur wer sich der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit stelle, übernehme auch Verantwortung dafür, dass sich Geschehenes nicht wiederholen könne. Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch sprach das Totengebet, in dem es so eindrücklich heißt, dass das Leben im Zeichen der Hoffnung stehe - Hoffnung auf Vergebung und Verständigung.

Der 27. Januar sei ein schwerer Gedenktag, brachte es Peter Gaffert, Oberbürgermeister der Stadt Wernigerode, gleich am Beginn seiner Rede auf den Punkt. Der Holocaust führe uns an die Grenzen dessen, was der Mensch ertragen und verstehen könne. Am liebsten würde man noch heute weghören und wegsehen - "doch das wäre falsch, ist falsch und wird auch in Zukunft falsch bleiben". Niemand dürfe wegschauen, wenn Menschen ausgegrenzt und verfolgt würden. Auch in Wernigerode seien unschuldige Menschen entwürdigt und gequält, auch hier sei weggesehen worden. Die Mahn- und Gedenkstätten sowie die Gedenktage und Organisationen seien wichtig, um die Erinnerung in neue Räume und in andere Menschen zu tragen. Man müsse sich an das Erinnern erinnern, forderte Gaffert.

Auschwitz stehe als Chiffre für das schrecklichste Verbrechen der Menschheit, den Holocaust, erinnerte Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff, aber auch für den Massenmord an politisch Andersdenkenden, religiös Verfolgten, an Menschen anderer Völker oder Verfolgter aufgrund der sexuellen Identität. Gewalt und Tod waren im NS-deutsch besetzten Europa allgegenwärtig Die großen Zahlen der Menschenopfer erschrecke, dies werde noch intensiviert, wenn man realisiere, dass sich hinter jeder Zahl (gar mehr als) eine menschliche Tragödie verberge.

Aus der Geschichte lernen, heiße vor allem, es besser machen zu wollen, sagte Haseloff. Eine Demokratie könne allzu schnell aus den Angeln gehoben werden, der Firnis der Zivilisation sei dünn. Antisemitismus sei längst auch in Deutschland nicht verschwunden, im Gegenteil, Hass und Vorurteile seien wie ein schleichendes Gift. Die Anzeichen für die Brutalität der Machthaber sei offensichtlich gewesen, trotzdem hätten sich zu viele die Verbrechen nicht vorstellen können oder wollen, erinnerte Haseloff. "Unsere Erinnerungskultur wird sich verändern müssen, da die letzten Zeitzeugen am Ende ihres Lebens angekommen sind", sagte der Ministerpräsident. "Das Ausbleiben der Erinnerung wäre eine Katastrophe, denn Zukunft braucht Erinnerung."

Schülerinnen und Schüler des Stadtfeld-Gymnasiums Wernigerode sowie der Johann-Wolfgang-von-Goethe-Sekundarschule Ilsenburg trugen Schicksalsberichte und Texte von Überlebenden des Holocausts vor.

Die Gedenkrede hielt Gideon Jakob Nissenbaum, Vorstandsvorsitzender der Stiftung der Familie Nissenbaum (Fundacja Rodziny Nissenbaumów), die sich mit privaten Mitteln der Wiederherstellung von geschändeten (Grab-)Stätten des Judentums in Polen widmet.

Die Ausrufung des Holocaustgedenktags sei ein wichtiges Signal für alle Juden gewesen, betonte Nissenbaum. Der frühere Bundespräsident Roman Herzog, auf dessen Initiative der Gedenktag zurückgeht, habe seinerzeit ins Erinnerungsbuch in Auschwitz geschrieben: "Hier öffnen die Toten den Lebenden die Augen." Er habe keinen Gedenktag allein für die jüdischen Opfer einrichten wollen, sondern für alle Opfer des Nationalsozialismus, denn mehr als 50 Millionen Menschen haben ihr Leben lassen müssen, so Nissenbaum.

Im vergangenen Jahr hatte Nissenbaum gemeinsam mit Ministerpräsident Haseloff das frühere Vernichtungslager Treblinka besucht. Lange Zeit sei Treblinka im kollektiven Gedächtnis ausgeblendet worden - tatsächlich war es auch von den Nazis praktisch dem Erdboden gleichgemacht worden. Es hatte seinen einzigen Zweck, nämlich Menschen zu ermorden und zu beseitigen, erfüllt. Spät sei es gelungen, Treblinka ins Bewusstsein zurückzuholen.

Nissenbaums Vater, Großvater und Onkel hatten (durch Deportation in ein anderes Lager) Treblinka überlebt, viele andere Familienmitglieder wurden vergast und verbrannt - wie mehr als eine Million andere Menschen. Wie durch ein Wunder sei es den Männern und dem Jungen gelungen, im Durchgang verschiedener Lager zusammenzubleiben. Nach dem Krieg sei sein Vater in Deutschland geblieben und habe sich eine neue Existenz aufgebaut. Er sei davon ausgegangen, dass die junge Generationen aus den Fehlern der Eltern und Großeltern lernen würden.

Die Nissenbaum-Stiftung setzt sich für eine würdige Gedenkstätte in Treblinka ein. In den Schulen müssten die Themen Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzung weiter behandelt werden, ein Besuch der Gedenkstätten gehöre unbedingt dazu, so Nissenbaum. Der Jugend müsse begreiflich gemacht werden, wie schleichend die Freiheit verlorengehen könne. Die demokratischen Parteien dürften die Belange der breiten Bevölkerung nicht aus den Augen verlieren, forderte Nissenbaum, nur so könne den Populisten mit ihren vermeintlich leichten Lösungen entgegengetreten werden.

Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung vom Philharmonischen Kammerorchester Wernigerode unter der Leitung von MD Christian Fitzner. Die Musikerinnen und Musiker brachten Werke von Dmitri Schostakovitsch (Streichquartett Nr. 8), Gideon Klein (Patita für Streicher) und John Williams (Thema aus dem Film "Schindlers Liste") zu Gehör.

Dr. Stefan Müller

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RÜCKBLICK

Ergebnis gesteigert

Bei der Haus- und Straßensammlung des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. kamen im Jahr 2018 insgesamt 20.100 Euro zusammen, die der Verein für die friedensfördernde Arbeit einsetzen wird. Mit großem Engagement unterstützten dabei die Helfer der Bundeswehr und der Reservisten die jährliche Sammlung. Durch sie wurden allein 14.800 Euro gesammelt. Damit konnte das Ergebnis zum Vorjahr erneut um rund 2000 Euro gesteigert werden. Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch empfing am 17. Januar 2019 Sammlerinnen und Sammler der Bundeswehr und der Reservisten im Landtag und dankte für die große Unterstützung. "Die Sammelaktion ist alles andere als selbstverständlich", betonte die Landtagspräsidentin. Der Volksbund erfülle eine wichtige Aufgabe für die Gesellschaft. "Unsere Gesellschaft braucht solche Vorbilder, wie Sie es sind", wandte sich die Landtagspräsidentin an die Sammlerinnen und Sammler. "Der Volksbund leistet eine besondere Form der Vergangenheitsbewältigung", erklärte Oberst Halvor Adrian. Über den Dienst hinaus engagierten sich die Kameradinnen und Kameraden, um den Volksbund in seiner Arbeit zu unterstützen. Vorsitzender Dieter Steinecke dankte dem Landtag für die Anerkennung und den Empfang durch die Landtagspräsidentin sowie für das gesammelte Geld, das in verschiedene Projekte des Vereins fließen soll.

Dr. Stefan Müller


Botschafterbesuch bei Gabriele Brakebusch

Der Botschafter des Königreichs der Niederlande, Wepke Kingma, leistete am 20. Februar 2019 seinen Antrittsbesuch bei Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch in Magdeburg. Der 63-jährige Jurist ist 1980 in den diplomatischen Dienst seines Landes getreten und war zunächst im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten tätig. Anschließend arbeitete er in der EU-Vertretung der Niederlande in Brüssel. Weitere Stationen seines Wirkens waren die niederländische Botschaft in Pretoria und das Ministerium für allgemeine Angelegenheiten in Den Haag. Seit 2017 ist Kingma Botschafter in Deutschland. Er ist verheiratet.

Die Beziehungen zwischen Deutschland und den Niederlanden sind vielseitig und freundschaftlich. Auf allen Ebenen bestehen Kontakte; so reiste beispielsweise das niederländische Königspaar im Februar 2018 zu einem Arbeitsbesuch in die Bundesländer Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt.

Dr. Stefan Müller


Luxemburger Grüße an die Präsidentin

Seinen Antrittsbesuch leistete auch der Botschafter des Großherzogtums Luxemburg bei Landtagspräsidentin Gabriele Brakebusch. Der 54-jährige Jean Graff wurde am 4. März 2019 von der Präsidentin im Magdeburger Landtag empfangen.

Der studierte Wirtschaftswissenschaftler ist 1989 in den diplomatischen Dienst seines Landes eingetreten. Von 1995 bis 2001 war er Generalkonsul in New York. 2002 bis 2008 vertrat er das Großherzogtum als Botschafter in den Niederlanden und von 2013 bis 2017 in Spanien. Seit 2017 ist Jean Graff nun Botschafter in Deutschland. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

In Luxemburg leben übrigens derzeit circa 13.100 Deutsche. Darunter sind viele Doppelstaater. Zusätzlich kommen rund 44.200 Pendler täglich aus Deutschland zur Arbeit in das Großherzogtum. Darunter sind rund 5000 Luxemburger, die in Deutschland wohnen.

Dr. Stefan Müller

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POLITIK VOR ORT
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22. Sachsen-Anhalt-Tag
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https://www.landtag.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Downloads/Zwischenruf/ZR01.2019_web.pdf

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Quelle:
ZwischenRuf 1/2019
Das Magazin des Landtages von Sachsen-Anhalt
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Der ZwischenRuf erscheint vierteljährlich.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Mai 2019

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