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SCHLESWIG-HOLSTEIN/1792: Ist das Land auf einen schweren atomaren Unfall vorbereitet? (Landtag)


Der Landtag Schleswig-Holstein
Parlamentszeitung Nr. 10 - Dezember 2011

Ist das Land auf einen schweren atomaren Unfall vorbereitet?


Nach Einschätzung der Opposition ist der Katastrophenschutz in Schleswig-Holstein auf einen Atomunfall nicht gut vorbereitet. Der Grünen-Abgeordnete Bernd Voß, dessen Fraktion im April nach dem Reaktorunfall im japanischen Fukushima eine Große Anfrage gestellt hatte, nannte die Antworten der Landesregierung über weite Strecken ernüchternd, ausweichend bis besorgniserregend.


So gebe es keine Planung für komplexe Katastrophen, mahnte Voß: "Der atomare Katastrophenschutz lastet überwiegend auf den Schultern von freiwilligen Einsatzkräften." Wegen der Aussetzung der Wehrpflicht sei auch unklar, wie viele Kräfte im Rahmen der zivil-militärischen Zusammenarbeit eingesetzt werden könnten. Markus Matthießen (CDU) wies die Bedenken zurück und meinte, es bestehe kein Grund zur Sorge um den Katastrophenschutz. Den Grünen warf er vor, ihr Identifikations-Thema, den Atomausstieg, noch ein wenig länger am Leben erhalten zu wollen.

In Schleswig-Holstein stehen drei Atomkraftwerke: Brokdorf, Brunsbüttel und Krümmel. Die beiden letzteren dürfen nach den Beschlüssen zum Atomausstieg nicht mehr ans Netz. Außerdem gibt es drei atomare Zwischenlager bei den AKW. Laut Innenminister Klaus Schlie (CDU) sind für den Katastrophenschutz das Innenministerium und die Kreise und kreisfreien Städte zuständig. Die atomrechtliche Aufsicht liegt beim Justizministerium.

Weitere Stimmen aus dem Plenum:

- Andreas Beran (SPD):
Mosaiksteinartig ist eine schleichende Schwächung des Katastrophenschutzes in Schleswig-Holstein zu verzeichnen.

- Jens-Uwe Dankert (FDP):
Im Falle eines Unfalls scheint eine ungeordnete Situation und unsichere Informationslage wie in Japan schwer vorstellbar, wenn nicht ausgeschlossen.

- Heinz-Werner Jezewski (Linke):
Beim Katastrophenschutz funktioniert das lang eingeübte Gerede von der Sicherheit atomarer Anlagen nicht.

- Anke Spoorendonk (SSW):
Die Regierung benennt keine einzige Einheit der Bundeswehr, die im Katastrophenfall herangezogen werden kann.

Der Innen- und Rechtsausschuss berät weiter. (Drs. 17/1451, /1843)


DIE NOTFALLPLÄNE

Bei einem Reaktorunfall müssen die Betreiber der Kernkraftwerke die Katastrophenschutzbehörden alarmieren, die dann wiederum die Bevölkerung informieren. Die Feuerwehren der umliegenden Kreise sowie Rettungskräfte sollen innerhalb von 40 Minuten einsatzbereit sein. Erst wenn die Kräfte im Land nicht mehr ausreichen, springt der Bund mit ein. Die Bewohner, die in einem Radius bis zehn Kilometer um die AKW wohnen, sollen sofort evakuiert werden. Laut Innenministerium wären demnach in Schleswig-Holstein rund 33.000 Bewohner um die Anlage in Brokdorf gefährdet, um das abgeschaltete AKW Brunsbüttel etwa 24.000 Menschen und um den ebenfalls stillliegenden Reaktor in Krümmel knapp 78.000. Innerhalb von 24 Stunden sollen in 20 Notfallstationen im Norden 1.000 Personen versorgt werden können, unter anderem mit Jodtabletten.


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Quelle:
Der Landtag Schleswig-Holstein, Nr. 10 im Dezember 2011, S. 8
Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers:
Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Januar 2012