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SCHLESWIG-HOLSTEIN/2071: Rostfässer im AKW Brunsbüttel (Landtag)


Der Landtag - Nr. 03 / Oktober 2014
Die Parlamentszeitschrift für Schleswig-Holstein

Rostfässer im AKW Brunsbüttel: Rüge für Vattenfall, Ermahnung an den Bund



Fässer mit radioaktivem Müll lagern auf dem Gelände des Atomkraftwerks Brunsbüttel. Seit Jahresbeginn häufen sich die Alarmmeldungen: Dutzende Behälter sind demoliert, leck geschlagen oder verrostet. Wie konnte es dazu kommen? Und wie kann die strahlende Altlast geborgen und in ein Endlager transportiert werden? Hierüber debattierte der Landtag Mitte September. Wenige Tage später reiste der Wirtschaftsausschuss an die Elbmündung und machte sich vor Ort ein Bild von der Lage.


Umweltminister Robert Habeck (Grüne) stellte im Landtag heraus: Von den Fässern geht keine Gefahr für die Mitarbeiter und die Bevölkerung aus. Die Behälter stehen in 5,80 Meter Tiefe in sogenannten Kavernen, unterirdischen Lagerstätten. Sie sind umgeben von eineinhalb Meter dickem Beton.

Die bis zu 250 Kilogramm schweren Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Material lagern seit den 1980er Jahren in Brunsbüttel. Sie waren niemals für eine langfristige Lagerung vorgesehen, merkte Habeck an. Dennoch blieben sie in den sechs Brunsbütteler Kavernen. Schon seit den 1990er Jahren war geplant, den Abfall ins bis heute noch nicht in Betrieb genommene Endlager Schacht Konrad bei Salzgitter (Niedersachsen) zu bringen. Der Schacht soll nach derzeitigem Stand aber frühestens 2021 den Betrieb aufnehmen.

Vor diesem Hintergrund rief Habeck den Bund auf, die AKW-Standorte mit dem Problem nicht allein zu lassen. Als erstes sollten die Zwischenlager in allen deutschen AKW untersucht werden, regte Habeck an. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) müsse "eine Prüfung anordnen, damit Deutschland weiß, was in den Kavernen beziehungsweise in den Lagerräumen der Atomkraftwerke lagert."

Die Aufsicht über die Brunsbütteler Fässer liegt beim Kraftwerksbetreiber Vattenfall. Bei ihrem Besuch im Kraftwerk hakten die Abgeordneten des Wirtschaftsausschusses bei AKW-Leiter Knut Frisch nach, wie die Fässer in den teils katastrophalen Zustand kommen konnten. Es seien bis zu sechs der zentnerschweren Behälter aufeinander gestapelt worden, berichtete Frisch. Ergebnis: Die untere Schicht wurde teilweise zerdrückt. Und: Der Zustand der Fässer sei seit 2009 nicht mehr untersucht worden. Nun will Vattenfall bis Jahresende mit Spezialkameras alle 631 Fässer unter die Lupe nehmen und dann gemeinsam mit der Atomaufsicht ein "Handhabungskonzept" aufstellen. Eine Bergung könnte bis 2016 dauern.

Für Hartmut Hamerich (CDU), der für den zeitlich verhinderten Christopher Vogt (FDP) den Vorsitz des Ausschusses übernommen hatte, war der Ortstermin aufschlussreich: "Durch den Besuch konnten wir uns ein Bild von der Lage machen und die Problematik besser verstehen."

In der Plenarsitzung wenige Tage zuvor hatten die Abgeordneten den Vattenfall-Konzern teilweise scharf attackiert: "In den angeblich sicheren Atomkraftwerken wurde gepfuscht, getäuscht, und die Öffentlichkeit wurde belogen", klagte Detlef Matthiessen (Grüne). Auch der CDU-Abgeordnete Jens Magnussen aus Brunsbüttel prangerte die "indiskutable Situation der Fässer" an und rief die Atomaufsicht und den Vattenfall-Konzern auf, die Bevölkerung bestmöglich über die Vorgänge im Kraftwerk zu informieren. Flemming Meyer (SSW) forderte, die Fässer "in geeignete Behälter zu verpacken, um ein weiteres Austreten von Fassinhalten zu verhindern". Und der ebenfalls aus Brunsbüttel stammende FDP-Abgeordnete Oliver Kumbartzky warnte davor, dass Zwischenlager wie Brunsbüttel "schleichend zu End- oder Dauerlagern werden".

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Quelle:
Der Landtag, Nr. 03 / Oktober 2014, S. 18
Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers:
Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. November 2014