Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → LANDESPARLAMENTE


SCHLESWIG-HOLSTEIN/2145: Bürgerbeauftragte fordert "Menschlichkeit" in den Amtsstuben (Der Landtag)


Der Landtag - Nr. 02 / Juni 2016
Die Parlamentszeitschrift für Schleswig-Holstein

Bürgerbeauftragte fordert "Menschlichkeit" in den Amtsstuben


3.327 Mal haben sich die Schleswig-Holsteiner im vergangenen Jahr an die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten gewandt, mit Beschwerden über Behördenbescheide und den Paragraphendschungel des Sozialrechts. Der Schwerpunkt lag mit 890 Fällen erneut im Bereich Hartz IV. Oft konnte ihre Dienststelle helfen, berichtete die Beauftragte Samiah El Samadoni Ende Mai. In mehr als 200 Fällen wurde die Verwaltungsentscheidung geändert oder beschleunigt.


Hinter den Zahlen stecken Schicksale: So soll ein älterer Herr sein aus Sicht des Sozialamtes zu teures Auto verkaufen. Ohne Wagen kann er aber seine Frau im Pflegeheim nicht besuchen. Oder: Ein Familienvater erkrankt schwer, verliert seine Arbeit, und die Familie kann ihren Hauskredit kaum noch abzahlen. Dennoch weigert sich die Behörde, die Kita-Gebühren der Kinder nennenswert zu senken. Auch wenn die Entscheidungen der Ämter formal korrekt seien, fordert El Samadoni mehr "Menschlichkeit" in den Amtsstuben. Und sie benennt gesellschaftliche Problemzonen:

Thema Wohnen: Preiswerter Wohnraum wird in vielen Regionen des Landes knapp, etwa in den kreisfreien Städten, im Hamburger Rand oder auf Sylt. Die Folge: Bezieher von Sozialleistungen haben kaum eine Chance auf eine Wohnung. Denn viele Kommunen wollen die Miete nur bis zu einer festen Obergrenze bezuschussen. Bei steigenden Preisen haben Rentner, Flüchtlinge oder Obdachlose das Nachsehen. El Samadoni fordert deswegen, die Mietrichtwerte "flexibilisiert" zu handhaben.

Thema Schulbegleitung: Auch Kinder mit Handicap sollen die Regelschule besuchen können. Stichwort: Inklusion. Hierfür ist oftmals eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung nötig. Aber wer soll die leisten -die von den Kreisen bezahlten Schulbegleiter oder die Lehrer, also das Land? Einige Kreise haben nun ihre Begleit-Leistungen heruntergefahren, nachdem das Landessozialgericht in ihrem Sinne entschieden hatte: Für den sogenannten "pädagogischen Kernbereich" sei das Land zuständig. Untragbar, findet El Samadoni. Sie fordert, dass Land und Schulträger sich zusammenraufen, und dass der Gesetzgeber den "pädagogischen Kernbereich" genau definiert.

Thema Kita-Gebühren: Die Bürgerbeauftragte vermutet, dass viele Familien zu hohe Beiträge zahlen. Denn die Ämter weisen oft nicht auf einen möglichen Beitragserlass wegen unzumutbarer Belastung hin. Die kann zum Beispiel vorliegen, wenn Familienangehörige gepflegt werden. Außerdem fordert El Samadoni, Hartz-IV- und Sozialhilfeempfänger grundsätzlich von Kita-Gebühren zu befreien.


SAMIAH EL SAMADONI WIRD POLIZEIBEAUFTRAGTE

Die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten, Samiah El Samadoni, wird zum 1. Oktober auch Polizeibeauftragte. Koalition und Piraten haben hierfür im Juni die gesetzliche Grundlage geschaffen. CDU und FDP halten den neuen Posten für überflüssig.

Die Juristin El Samadoni prüft künftig Beschwerden von Bürgern über die Ordnungskräfte. Gleichzeitig ist sie Ansprechpartnerin für Polizeibeamte, die Probleme im Dienst haben. Innenministerium und Polizeibehörden müssen Auskunft erteilen. Sieht die Polizeibeauftragte eine Beschwerde als begründet an, kann sie im Ministerium auf Abhilfe drängen oder auch Straf- und Disziplinarverfahren anstrengen. Über ihre Tätigkeit soll sie dem Landtag jährlich einen Bericht vorlegen.

Mit der neuen Stelle werde die Polizeiarbeit verbessert und das Vertrauen der Bürger gestärkt, hieß es bei den Befürwortern. Union und Liberale sprachen dagegen von einer "Misstrauenserklärung gegen die Landespolizei". Die neue Stelle sei "nicht als pauschale Kritik an der Polizeiarbeit zu verstehen", erklärte El Samadoni nach ihrer Wahl. Mit dem neuen Posten wächst das Aufgabenspektrum der Bürgerbeauftragten weiter. El Samadoni leitet auch die Antidiskriminierungsstelle sowie seit 1. Januar die Beschwerdestelle für Heimkinder.

*

Quelle:
Der Landtag, Nr. 02 / Juni 2016, S. 20
Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers:
Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages
Referat für Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungsmanagement
Düsternbrooker Weg 70, 24105 Kiel
Tobias Rischer (verantwortlich)
Telefon: 0431/988 1120
E-Mail: tobias.rischer@landtag.ltsh.de
Internet: www.sh-landtag.de
 
Abonnement und Versand sind kostenfrei.


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. September 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang