Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → SPD


ARBEIT/1127: Lohndiskriminierung von Frauen beenden - Gesetz für Lohngerechtigkeit


SPD-Pressemitteilung vom 20. Juni 2015

Beschluss des SPD-Parteikonvents: Lohndiskriminierung von Frauen beenden - Gesetz für Lohngerechtigkeit


Frauen sind auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert. Jahr für Jahr beklagen wir nicht nur am "Equal Pay Day" die konstante Lohnungerechtigkeit zwischen Frauen und Männern. Frauen verdienen im Durchschnitt rund 22 Prozent weniger als Männer. Sie werden strukturell schlechter bezahlt, auch wenn es sich um die gleiche Tätigkeit handelt wie bei Männern.

Der Anteil von Frauen an atypischer und schlecht bezahlter Beschäftigung ist überproportional hoch. Die Frauenerwerbsquote ist in den vergangenen Jahren stetig angestiegen. Allerdings: mehr als die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen sind Teilzeitbeschäftigte. Teilzeitarbeit kann in bestimmten Lebensphasen die notwendige Flexibilität ermöglichen.

Sie braucht aber auch verlässliche Rahmenbedingungen: Soziale Absicherung, berufliche Aufstiegsmöglichkeiten und gleiche Bezahlung sowie ein Rückkehrrecht auf die alte Arbeitszeit, das wir in dieser Wahlperiode einführen wollen, sind die Voraussetzung dafür, dass reduzierte Arbeitszeiten nicht zur Armutsfalle im Alter werden. Die Arbeitszeitstudien zeigen allerdings, dass Frauen, insbesondere Mütter, ihre Arbeitszeit gerne erhöhen würden, während Männer, insbesondere Väter, ihre Arbeitszeit gerne reduzieren würden. Wir wollen die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Wünsche und Arbeitszeiten besser in Einklang gebracht werden können. Ein Land, das über Fachkräftemangel diskutiert, kann es sich nicht leisten, die Potentiale von Millionen Frauen zu verschenken. Die Lohndifferenz ist ungerecht und wird den guten Leistungen, die Frauen täglich auch in belastenden Berufen erbringen, nicht gerecht.

Die Lohnunterschiede haben viele Ursachen. Daher müssen wir mit einem Bündel von Maßnahmen gegensteuern.

Der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn ist ein enorm wichtiger Schritt, denn gerade Frauen waren von Dumpinglöhnen besonders in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen betroffen. Weitere Maßnahmen wie der Ausbau der Kinderbetreuung und flexiblere Regelungen wie das Elterngeld plus und die Familienpflegezeit werden zu einer gleichberechtigteren Teilhabe von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt führen.

Das sozialdemokratisch geführte Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend arbeitet derzeit an einem Gesetzentwurf zur Lohngerechtigkeit. Kernbestandteile sind transparente Lohnstrukturen und Bewertungsverfahren. Sie sind eine Voraussetzung, um die Lohnlücke zu verringern und zur Gleichstellung von Frauen in der Arbeitswelt beizutragen. Wir müssen Lohnungleichheit sichtbar machen - und beseitigen. Frauen können nur überprüfen, ob der Grundsatz "gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit" eingehalten wird, wenn die Lohnstrukturen transparent sind. Große Kapitalgesellschaften mit mehr als 500 Beschäftigten sollen verpflichtet werden, offenzulegen, wie viel ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer bestimmten Hierarchieebene durchschnittlich verdienen. Zudem sollen alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen individuellen Auskunftsanspruch über Gehaltsstrukturen im Unternehmen erhalten. Frauen können nur dann mehr Gehalt einfordern, wenn sie überhaupt wissen, dass ihre männlichen Kollegen im Durchschnitt mehr verdienen.

Soziale Arbeit aufwerten

Die SPD hat bereits in ihrem Regierungsprogramm zur Bundestagswahl 2013 eine deutlich stärkere gesellschaftliche Anerkennung und Förderung der Dienstleistungen am Menschen, beispielsweise in den Bereichen Erziehung, Alten- und Krankenpflege, gefordert.

Soziale Dienstleistungen sind eine zentrale Säule unserer Gesellschaft. Eine ökologische und nachhaltig orientierte Industriepolitik ist zwar weiter eine zentrale Grundlage eines großen Teils der Wertschöpfung und des erwirtschafteten Wohlstandes unseres Landes. Die gesellschaftliche Entwicklung erfordert aber ebenso eine deutlich stärkere gesellschaftliche Anerkennung und Förderung insbesondere sozialer Dienstleistungen. Ein in der Vergangenheit häufig konstruierter Gegensatz zwischen Industrie- und Dienstleistungspolitik wird den Herausforderungen unserer Gesellschaft nicht gerecht, die von zunehmendem Qualifizierungsbedarfen und demografischen Veränderungen geprägt ist.

Soziale Dienstleistungen haben einen wesentlichen Anteil daran, dass die Grundlagen unserer Arbeitsgesellschaft erhalten bleiben. Sie tragen nicht zuletzt zur Lebensqualität der Bevölkerung, zur Ermöglichung von Aufstiegsmobilität und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt maßgeblich bei.

Darüber hinaus hat der soziale Sektor mit deutlich über 2 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auch erhebliche beschäftigungspolitische Bedeutung mit einem hohen Innovationspotential.

Die Aufwertung sozialer Dienstleistungen hat auch besondere gleichstellungspolitische Bedeutung. In Gesundheits-, Sozial- und Erziehungsberufen liegt der Frauenanteil bei rund 80 Prozent (WSI). Es handelt sich also um klassische Frauenberufe, die strukturell schlechter entlohnt werden - weil sie von Frauen ausgeübt werden. Die Hans-Böckler-Stiftung kommt zu dem Ergebnis: "Wer in einem Beruf mit hohem Frauenanteil arbeitet, muss mit niedrigeren Löhnen rechnen als Beschäftigte in Männerberufen" (Böckler-Impuls 7/2015).

Der aktuelle Tarifkonflikt über die Eingruppierungsvorschriften und die Entgeltordnung für die Beschäftigten in Sozial- und Erziehungsdiensten macht die Herausforderung besonders deutlich. Die Anforderungen in den Kitas wachsen seit Jahren. Es geht nicht nur um Betreuung, die Kita als Ort frühkindlicher Bildung stellt viel weiter gehende Herausforderungen an die Beschäftigten. Die hohe Verantwortung und die höheren Qualifikationen finden jedoch keine Entsprechung in der Bezahlung. Wenn der bedarfsgerechte Ausbau der frühkindlichen Bildung gelingen soll, dann muss unsere Gesellschaft bereit sein, pädagogische Fachkräfte in leistungsgerechter Weise zu entlohnen. Nur so werden Kommunen und freie Träger im erforderlichen Umfang qualifiziertes Personal gewinnen können. Eine finanzielle Aufwertung durch höhere Entlohnung darf dabei nicht zu Personal- und damit Qualitätsabbau führen. Vielmehr müssen die Arbeitsbedingungen weiter verbesser werden. Erhöhte - auch finanzielle - Anstrengungen sind Investitionen in die Zukunft. Sie sind unverzichtbar, um Chancengerechtigkeit für Kinder zu verwirklichen. Es sind Investitionen, die sich auf lange Sicht um ein Vielfaches bezahlt machen; durch geringere Sozialausgaben, höhere Bildungsabschlüsse, Qualifikationen und Chancengerechtigkeit. Die Wertschätzung des ErzieherInnenberufes berührt nicht zuletzt die Lebenschancen von Eltern und Familien, weil nur ein bedarfsgerecht ausgestattetes System früher und individueller Förderung von Kleinkindern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sichert.

Mehr Investitionen in frühkindliche Bildung sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die als zentraler Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge über Steuern finanziert werden muss. Wir wissen um die schwierige Haushaltssituation vieler Kommunen, die mit den wachsenden Aufgaben nicht allein gelassen werden dürfen. Die SPD hat dafür gesorgt, dass die Kommunen etwa mit der Übernahme der Grundsicherungskosten im Alter im Milliardenbereich entlastet werden. Mit dem kommunalen Investitionsfonds in Höhe von 3,5 Milliarden Euro werden wir zusätzliche Mittel zweckgebunden auch für die Infrastruktur in der frühkindlichen Bildung bereitstellen. Im Zusammenhang mit der Einführung des Rechtsanspruches auf einen Kita-Platz ab dem ersten Lebensjahr wurde ein Weg gefunden, die Kommunen über die Umsatzsteuer beim Kitaausbau auch im Bereich der Betriebskosten zu unterstützen. Dies bedeutet eine zusätzliche Förderung mit einer Milliarde Euro bis 2017. Angesichts der wachsenden Aufgaben, brauchen wir einen gemeinsamen Dialog von Bund, Ländern und Kommunen über zusätzliche Möglichkeiten, wie die Rahmenbedingungen für die Aufwertung sozialer Arbeit geschaffen werden können.

Auch im Gesundheits- und Pflegesektor liegt es in der Verantwortung der Politik, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Schaffung von guten Arbeitsbedingungen und Lohngerechtigkeit zu schaffen. Denn es war eine politische Entscheidung in den neunziger Jahren, die Refinanzierung nicht mehr an den effektiv anfallenden Kosten der Träger, sondern u.a. an Leistungs- und Fallpauschalen zu orientieren. Das Kostendeckungsprinzip wurde vom Wettbewerbsprinzip abgelöst und hat den Druck auf die Personalbemessung und die Lohngestaltung massiv erhöht.

Gute Arbeit verdient guten Lohn. Lohndumping in Krankenhäusern und Pflegeheimen darf sich nicht lohnen. Im Vordergrund müssen die Qualität und die Versorgung der Patienten stehen. Wettbewerb, der über die schlechtesten Arbeitsbedingungen und die niedrigsten Löhne ausgetragen wird, gefährdet die gute Versorgung und Sicherheit der Menschen.

Deshalb ist es eine politische Aufgabe, Fehlanreize in Richtung eines Lohnsenkungswettbewerbs im Bereich der sozialen Arbeit zu beseitigen. Die Fallpauschalen und Pflegesätze müssen so bemessen sein, dass gute Arbeitsbedingungen und gerechte Löhne bei der Refinanzierung berücksichtigt werden.

Es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, dass die SPD im Rahmen des ersten Pflegestärkungsgesetzes durchgesetzt hat, dass Pflegeeinrichtungen, die Tariflohn zahlen, gestärkt werden. Künftig dürfen Tariflöhne bei Vergütungsverhandlungen zwischen Pflegeeinrichtungen und Pflegekassen sowie Sozialhilfeträgern nicht mehr als unwirtschaftlich abgelehnt werden. Zusätzlich werden bessere Kontrollmöglichkeiten eingeführt, damit der Lohn auch tatsächlich bei den Beschäftigten ankommt.

*

Quelle:
SPD-Pressemitteilung 131/15 vom 20. Juni 2015
Herausgeber: SPD Parteivorstand, Pressestelle
Bürgerbüro, Willy-Brandt-Haus
Wilhelmstraße 141, 10963 Berlin
Tel.: 030/25 991-300, Fax: 030/25 991-507
E-Mail: pressestelle@spd.de
Internet: www.spd.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juni 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang