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INNEN/2831: Beschluss des SPD-Parteivorstandes - Ein Integrationsplan für Deutschland


SPD-Pressemitteilung vom 18. Januar 2016

Beschluss des SPD-Parteivorstandes:
Für den Zusammenhalt der Gesellschaft: Ein Integrationsplan für Deutschland


Der SPD-Parteivorstand hat bei seiner Jahresauftaktklausur in Nauen heute folgenden Beschluss gefasst:

In unserem Grundsatzprogramm stellen wir klar: "Einwanderung verlangt Integration. Sie ist eine gemeinsame Anstrengung. Dazu müssen beide Seiten bereit sein. Einwanderer müssen sich integrieren, wir müssen ihnen dazu alle Möglichkeiten geben, am Leben unserer Gesellschaft teilzunehmen. Daher verlangt Integration faire Chancen, aber auch klare Regeln."

Ganz in diesem Sinne haben wir eine doppelte Integrationsaufgabe zu meistern: Die Integration der Einwanderer und Flüchtlinge in unsere Gesellschaft und gleichzeitig die Integration und den Zusammenhalt der ganzen Gesellschaft zu sichern. Hierfür müssen Staat und Politik die Voraussetzungen schaffen, die finanziellen Anstrengungen vor allem bei Sprachförderung, Bildung, Ausbildung, Arbeitsmarkt und Wohnungsbau verstärken, nicht zuletzt aber auch Regeln des Zusammenlebens darlegen und über ihre Einhaltung wachen. Integration gelingt nur in einem gesellschaftlichen Klima des Vertrauens in die Sicherheitskräfte und den Rechtsstaat. Deshalb ist klar: Integration ist Staatsaufgabe. Aber Integration ist eine zivilgesellschaftliche Leistung von Menschen in der Nachbarschaft, in der Schule, am Arbeitsplatz.

Tatsache ist: Die gelungene Integration und Teilhabe von Einwanderinnen und Einwanderern ist millionenfache Realität in Deutschland. Die wirklichen Erfolge eines guten Zusammenlebens spielen sich außerhalb der großen Schlagzeilen ab. Deshalb ist es geboten, an die vielen guten Beispiele für Integration zu erinnern und die großen Anstrengungen zu würdigen, die Einwanderinnen und Einwanderer erbringen, um aktiv am sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Leben in Deutschland teilzunehmen. Anzuerkennen ist das erfolgreiche Engagement von Kommunen, vieler Kindergärten und Schulen, Universitäten, Arbeitgeber und Gewerkschaften sowie einer Vielzahl von ehrenamtlichen Initiativen.

Wo das Zusammenleben gelingt, gibt es ein gemeinsames Verständnis der Grundwerte und Regeln, die in Deutschland gelten, der Erwerb deutscher Sprachkenntnisse befähigt zur Verständigung im Alltag, eine gute Bildung erhöht die Chancen auf dem Arbeitsmarkt und der Arbeitsplatz sichert das Einkommen.

Dabei verschließen wir nicht die Augen vor Problemen und Konflikten. Es gibt Verständigungsprobleme sprachlicher und kultureller Art, aber auch Gewalt und Missachtung. Pöbeleien und Übergriffe auf öffentlichen Plätzen und in Verkehrsmitteln, Einschüchterung an manchen Schulen mit einem hohen Migrationsanteil und sozialen Problemlagen sowie religiösen Fanatismus extremistischer Organisationen dulden wir nicht. Migranten, die solche Verhaltensweisen an den Tag legen, schaden dem friedlichen Zusammenleben zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft in unserem Land.

Gleichzeitig stellen wir fest, dass fremdenfeindliche Übergriffe deutscher Gewalttäter zunehmen. Wer andere wegen ihrer Herkunft oder Hautfarbe angreift, gefährdet den Rechtsfrieden in unserem Land. Gleiches gilt für Angriffe auf Polizeibeamtinnen und -beamte oder andere Vertreterinnen und Vertreter des Staates.


Bindung aller an gemeinsame Grundwerte

Die kulturelle Vielfalt in unserem Land ist eine Bereicherung. Gleichzeitig gilt: Wer dauerhaft in Deutschland leben will muss bereit sein, Teil einer Gesellschaft nach dem Leitbild des Grundgesetzes zu sein. Seit 1949 bildet es den gesellschaftlichen Wertekanon und hat bis heute nichts an Aktualität und Orientierungskraft verloren. Das Grundgesetz bietet genügend Raum für kulturelle Vielfalt, es sichert Freiheit des Glaubens, die Gleichberechtigung von Mann und Frau und die Rechte von Minderheiten. Es setzt aber auch klare Grenzen, über die sich niemand - weder mit Verweis auf Herkunft noch auf religiöse oder politische Überzeugung - hinwegsetzen darf.

Respekt und Toleranz, Gleichberechtigung und Religionsfreiheit sind für uns nicht verhandelbar. Die Vermittlung dieser Grundwerte und unserer Gesetze sind beim Thema Integration von besonderer Bedeutung. Wir schützen und bekräftigen unsere tolerante Gesellschaft - Toleranz gegenüber Anders- und Nichtgläubigen, Gleichstellung von Frauen sowie die Akzeptanz von Menschen anderer sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität gehören unverzichtbar dazu. Antisemitismus werden wir niemals dulden.

- Wir wollen auf der Grundlage von Freiheit und Gleichheit das gute Zusammenleben von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Religionen. Die Grundlage dafür ist die Verfassung unseres Landes. Die ersten 20 Artikel beschreiben das Leitbild unseres Landes. Sie zu vermitteln ist ebenso Aufgabe aktiver Integrationspolitik wie Sprachunterricht und die Eingliederung in den Arbeitsmarkt.

- Frauen und Männer, die schon lange in Deutschland leben und selber eine Einwanderungsgeschichte haben, verfügen oft über ein Erfahrungswissen, das anderen für einen guten Start in unserem Land helfen kann. Wir brauchen sie als Brückenbauer und Kulturdolmetscher, um die Integration schnell voranzubringen.

- Integration ist eine Vereinbarung zwischen Einwanderern und Mehrheitsgesellschaft. Wir wollen Verbindlichkeit und Verlässlichkeit auf beiden Seiten. Der Staat verpflichtet sich zu grundlegenden Angeboten, die für eine rasche und umfassende Teilhabe erforderlich sind (v.a. zum Spracherwerb, für gute Bildung und Qualifizierung, für Ausbildungsförderung, Arbeitsvermittlung, aber auch Integrationskurse für das Verständnis der normativen Grundlage unserer Gesellschaft). Zugewanderte Frauen und Männer verpflichten sich ihrerseits, die Angebote nach Kräften wahrzunehmen. Nur zusammen machen diese Maßnahmen Sinn. Wer aber von Integrationspflicht und Sanktionen redet, ohne die erforderlichen Angebote an Sprach- und Integrationskursen zu schaffen, der betreibt populistische Stimmungsmache gegen "die Ausländer".


Die nächsten Schritte für die Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern

Die Bundesregierung muss jetzt die für eine erfolgreiche Integrationspolitik notwendigen Voraussetzungen schaffen. In den weiteren Gesprächen zur Asyl- und Flüchtlingsgesetzgebung (Asylpaket III) müssen die folgenden Punkte für einen Integrationsplan aufgenommen werden:

- Integrationsoffensive Kita: Wir wollen 80.000 zusätzliche Kita-Plätze und 20.000 zusätzliche Stellen für Erzieherinnen und Erzieher schaffen. Dafür soll der Bund die Länder und Kommunen mit zusätzlichen Mitteln unterstützen. Wir wollen die Mittel des Bundesprogramms "Sprach-Kitas" verdoppeln und das Programm um spezifische Maßnahmen zur Integration von Kindern mit Fluchterfahrung ergänzen.

- Integrationsoffensive Ganztagsschulen: Wir wollen mit einem neuen Ganztagsschulprogramm den Ausbau der Ganztagsangebote für die Integration von Schulkindern fördern und die Länder in die Lage versetzen, 25.000 zusätzliche Lehrkräfte und auch mehr Schulsozialarbeiterinnen und -sozialarbeiter einzustellen.

- Jungen Flüchtlingen wollen wir angepasste Einstiegsprogramme in die berufliche Ausbildung (Öffnung der assistierten Ausbildung, Berufsausbildungsbeihilfe, ausbildungsbegleitende Hilfen und berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen für Menschen mit Aufenthaltsgestattung und guter Bleibeperspektive). Ein einfacher Zugang in den Arbeitsmarkt soll über 100.000 Arbeitsgelegenheiten für Flüchtlinge geschaffen werden, für die zusätzliche 450 Mio. Euro benötigt werden. Wir wollen für junge Flüchtlinge ein Aufenthaltsrecht für die Dauer der Ausbildung und für zwei Jahre Beschäftigungszeit nach der Ausbildung (sogenannte 3-plus-2-Regelung).

- Bildungsintegration muss sich lohnen: Flüchtlinge, die eine Berufsausbildung oder eine akademische Ausbildung in Deutschland erfolgreich absolviert haben, müssen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Hürden, die einem frühestmöglichen Ausbildungsbeginn im Wege stehen, wollen wir beseitigen.

- Flächendeckende Einführung der sogenannten "Integration Points" (zentrale Anlaufstellen für Flüchtlinge mit Bleibeperspektive) von Arbeitsagenturen, Jobcentern und Kommunen.

- Wir wollen, dass Flüchtlinge Sprachkurse und Maßnahmen zum Arbeitsmarkteinstieg parallel - und nicht wie bisher hintereinander - absolvieren können.

- Wie wollen insbesondere Frauen bei allen Integrationsmaßnahmen erreichen und sie in den Arbeitsmarkt integrieren.

- Wir brauchen zusätzliche Finanzmittel für die aktive Arbeitsmarktförderung von Flüchtlingen und wollen in gleichem Maße unsere Initiative gegen Langzeitarbeitslosigkeit verstärken, um allen Menschen eine neue Chance zu geben, die Arbeit suchen.

- Wir wollen Qualität und Quantität der Integrationskurse verbessern. Das gilt für die Sprachkursangebote sowie für die Orientierungskurse. Deren Umfang wollen wir aufstocken und hierin die Gleichberechtigung von Männern und Frauen sowie die sexuelle Selbstbestimmung zum Schwerpunktthema machen.

- Wir wollen eine weitere Aufstockung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau um 5 Milliarden Euro für die kommenden fünf Jahre.

- Zudem wollen wir zusätzliche Anreize für den Neubau von bezahlbaren Wohnungen in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt setzen, etwa durch steuerliche Anreize und Verschlankung des Baurechts.

- Der Neubau von günstigen Wohnungen braucht Zeit. Aufgrund des erheblichen Bedarfs vor allem in Großstädten und Ballungsräumen stellt die hohe Anerkennungsrate bei Asylsuchenden die Kommunen hier vor gravierende Probleme. Um die an sich schon angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt nicht weiter zuzuspitzen, wollen wir, dass anerkannte Flüchtlinge, die über kein eigenes Einkommen verfügen, eine zeitlich befristete Wohnsitzauflage bekommen.

- Wir wollen das Städtebauförderungsprogramm "Soziale Stadt" zu einem Leitprogramm der sozialen Integration ausbauen und zu einer ressortübergreifenden Strategie weiter entwickeln. Hierfür müssen die Mittel um mindestens 300 Millionen Euro pro Jahr von 2017 bis 2021 aufgestockt werden.

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Quelle:
SPD-Pressemitteilung 11/16 vom 18. Januar 2016
Herausgeber: SPD Parteivorstand, Pressestelle
Bürgerbüro, Willy-Brandt-Haus
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Tel.: 030/25 991-300, Fax: 030/25 991-507
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Januar 2016

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