Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

AFRIKA/1072: Legalisierungsfrist für simbabwische Flüchtlinge in Südafrika abgelaufen (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 5, September/Oktober 2011

Harte Zeiten
Legalisierungsfrist für simbabwische Flüchtlinge in Südafrika abgelaufen

von Hein Möllers


Am 31. Juli 2011 lief die Frist aus, in der sich in Südafrika Flüchtlinge aus Simbabwe ohne Papiere legalisieren konnten. Ein weiterer Monat wurde eingeräumt, in dem ein Aufenthalt auch ohne Papiere geduldet wurde. Bis zum 1. September sollten alle Anträge von den südafrikanischen Behörden bearbeitet und die Papiere ausgehändigt sein.

Anfang September konnten die Behörden noch keine Auskunft darüber geben, ob alle Anträge bearbeitet werden konnten. Razzien nach Flüchtlingen ohne Papiere und Massendeportationen wurden bisher nicht gemeldet. Es gab wie schon in den Monaten davor Einzelabschiebungen. Manche wurden von den simbabwischen Grenzbehörden jedoch nicht ins Land gelassen, da sie ihre simbabwische Herkunft nicht belegen konnten. In Südafrika leben nach konservativen Schätzungen etwa 1,5 Millionen Flüchtlinge aus Simbabwe. Bleiberecht und Arbeitserlaubnis erhielten sie bis Jahresanfang nur, wenn sie besondere Qualifikationen vorweisen konnten. Dann erhielten sie in der Regel ein Aufenthaltsrecht bis zu vier Jahren.

Ende 2010 legte das Innenministerium Südafrikas das Zimbabwe Documentation Project (ZDP) vor. Das Projekt wurde mit Vertretern der Zivilgesellschaft und der simbabwischen Regierung abgestimmt. Sich illegal im Lande aushaltende Simbabwer und Simbabwerinnen konnten unter bestimmten Bedingungen ein Bleiberecht erhalten. Diese Regelung betrifft vor allem Migranten und Migrantinnen, die als ungelernte Kräfte aus dem Raster der Einwanderungsgesetze fallen und sich bisher entweder gar nicht oder als Asylsuchende registrieren ließen. Südafrika sieht allerdings keine generellen Gründe für eine politisch motivierte Flucht, sondern sieht in den Simbabwern in erster Linie Wirtschaftsflüchtlinge. Die Antragsteller müssen einen simbabwischen Pass und ein Beschäftigungsnachweis des Arbeitgebers in Südafrika bzw. im Falle von Selbständigen im informellen Sektor eine Erklärung der örtlichen Polizei vorgelegen. Die Mehrzahl der Flüchtlinge aus Simbabwe hat jedoch keinen Pass. Einen solchen von den simbabwischen Behörden zu erhalten, ist zeitaufwendig.

Nach Angaben der südafrikanischen Behörden haben 275.762 Flüchtlinge Anträge gestellt. Bis dahin wurden mehr als 11.000 Anträge abgelehnt.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass die kurze Abgabefrist angesichts der mangelnden Kooperation der simbabwischen Behörden unrealistisch gewesen sei. Auch hätten die Verwaltungen teilweise keine eindeutigen Informationen herausgegeben und unterschiedliche Anforderungen an die Antragsteller gestellt.

Das Zimbabwe Exile Forum (ZEF) kritisiert die behördlichen Zumutungen für die Antragsteller. Juristischen Beistand können sie erst erwarten, wenn sie im Besitz von Papieren sind. Vor den Einwanderungsämtern müssen sie oft tagelang ausharren und über Nacht kampieren. Bestechung ist verbreitet. Ohne Geld keine Papiere. Eine Umfrage im Marabstad Refugee Centre in Pretoria ergab, dass alle Antragsteller mit 100 Rand (10 Euro) schmieren mussten, um sich anstellen zu können, oder "fliegende Berater" bezahlen mussten, die einen guten Platz in der Schlange "vermittelten".

Ferner waren die Büros personell überfordert oder die Beamten schlicht und einfach inkompetent und nicht selten schikanös. Die zivilgesellschaftliche Organisation Pasop (People Against Suffering Oppression and Poverty) hat über zwei Arbeitswochen vom 28. März bis zum 8. April vor einer Behörde in Kapstadt recherchiert. In dieser Zeit wurden 1.659 Antragsteller abgewiesen. In 365 Fällen waren die für sie infrage kommenden Antragsformulare ausgegangen, 363 wurden abgewiesen, weil mit ihren Pässen nicht alles in Ordnung war. Andere mussten unverrichteter Dinge kehrt machen, weil sich zu viele vor den Schaltern drängten oder weil sie kein Schmiergeld dabei hatten. Wieder andere hatten sich vor einem "falschen" Schalter eingefunden oder das Amt an einem Tag aufgesucht, der einer anderen Nationalität vorbehalten war, ohne dass es drüber Informationen gab. Ganz generell zeigte sich, dass viel zu wenig Beamte angestellt waren, um den Andrang zu meistern.

Wie schon erwähnt, ist die Frist, Bleiberechte zu erwerben, für die simbabwischen Flüchtlinge abgelaufen. Den Zahlen zufolge leben mehr als eine Millionen Simbabwer ohne Aufenthaltspapiere in Südafrika. Sie sind illegal. Wie soll es weiter gehen? Das südafrikanische Innenministerium gab dazu den Kommentar, wer keine Papier hat, dem droht die volle Härte des Gesetzes. Das heißt Abschiebung.

Das Zimbabwe Documentation Project war eine Sonderregelung, ausschließlich zugeschnitten für Flüchtlinge aus Simbabwe. Sie war sozusagen der Auftakt für die Neufassung des Immigration Amendment Bill. Der ANC hatte im März 2011 gegen die Stimmen der Opposition im Parlament eine Neufassung des Immigrationsgesetzes von 2002 durchgebracht.

Das neue Gesetz orientiert sich an dem Abschottungskonzept der Europäischen Union. Nach dem so genannten Drittstaatenprinzip werden Zuwanderer in die Länder ihres ersten Eintritts abgeschoben, in letzter Konsequenz bis in ihre Herkunftsländer.

Die Regierung verspricht sich von diesem Gesetz eine kontrollierte Einwanderung von Menschen, die einen Beitrag zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung des Landes leisten können. Menschen, deren berufliche Qualifikation für die südafrikanische Wirtschaft von besonderem Nutzen ist, haben Vortritt. Kritiker machen darauf aufmerksam, dass die Staaten der regionalen Entwicklungsgemeinschaft SADC bereits 1995 ein Protokoll unterzeichnet haben, nach dem die Bürgerinnen und Bürger der Mitgliedstaaten sich frei innerhalb der Region bewegen und auch Arbeit suchen können. Dieses Protokoll wurde jedoch noch von keinem Staat implementiert.


*


Weitere Artikel in afrika süd Nr. 5, September/Oktober 2011


Peinlicher Eiertanz
Das unwürdige Verhalten der Bundesregierung bei der Rückgabe von 20 aus Namibia nach Deutschland entführten Schädeln kommentiert Reinhart Kößler.

aktuell

simbabwe
Tod eines Königsmachers
Helmut Orbon über die Hintergründe zum Tod des simbabwischen Ex-Generals Solomon Mujuru, der bei einem ungeklärten Brand ums Leben kam.

simbabwe/südafrika
Zum Verzweifeln
Zur Situation der Flüchtlinge aus Simbabwe in Südafrika haben Sabine Eckart und Anne Jung Gabriel Shumba vom "Zimbabwe Exiles Forum" interviewt.

Harte Zeiten
Die Legalisierungsfrist für simbabwische Flüchtlinge in Südafrika ist abgelaufen. Von Hein Möllers.

südafrika
Juju und das neue Südafrika
Julius Malema, der Chef der ANC-Jugendliga, musste sich vor einem Disziplingericht des ANC verantworten. Armin Osmanovic über den umstrittenen Politiker.

Mit der Geduld am Ende
Weil die Landreform in Südafrika die Kleinbauern und Landlosen nicht erreicht, greifen die Menschen zur Eigeninitiative und besetzten Land. Ronald Wesso berichtet.

Das Surplus People Project
Von Hein Möllers.

Preis für Jacob Zuma - Pappe für Obdachlose
Ein offener Brief des Unemployed People's Movement aus Grahamstown an Staatspräsident Jacob Zuma, der den höchsten Orden der Stadt erhielt.

namibia
Klinisch entsorgt
Hein Möllers zur Rückgabe von Schädeln ermordeter Herero und Nama.

Unrecht der Vergangenheit anerkennen
Impulsreferat von Reinhart Kößler auf einer Podiumsdiskussion zur Schädelrückgabe in Berlin.

angola
"Heute Gadaffi - morgen JES"
Angolas Jugend rebelliert gegen das Regime von José Eduardo dos Santos und das Ausland darf darüber nicht berichten, wie der Journalist António Cascais aus eigener schmerzlicher Erfahrung zu berichten weiß.

"Demokratie und Intelligenz werden sich durchsetzen"
Interview mit dem angolanischen Schriftsteller Agualusa von Jorge Eurico.

mosambik
Schmutziger Glanz Judith Christner war bei den Goldwäschern in Manica, um etwas von der Goldgräberstimmung im Westen Mosambiks mitzubekommen.

sambia
Überraschender Regierungswechsel
Bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in Sambia am 20. September hat überraschend der Oppositionskandidat Michael Sata gewonnen. Peter Meyns berichtet.

malawi
Quo vadis Malawi?
Das sonst so friedfertige Malawi erlebte im Juli in einigen Städten gewaltsame Protestmärsche und Plünderungen. Heiko Meinhardt über das Aufbegehren der malawischen Zivilgesellschaft.

dr kongo
Gefangen im Teufelskreis
Über die Zivilgesellschaft der DR Kongo und die Probleme bei der Überwindung des spezifischen "kongolesischen Teufelskreises" berichtet Salua Nour.

ostafrika
Tribal Homelands überwinden
Der ugandische Sozialwissenschaftler Mahmood Mamdani argumentiert am Beispiel Ostafrikas, dass eine Gemeinschaft nur dann im demokratischen Sinne funktionieren kann, wenn sie das Primat des Marktes sowie das Konzept der "tribal homelands" überwindet.

service
Nachruf auf Siegfried Groth; Rezensionen


*


Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 5, September/Oktober 2011, S. 12
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
Königswinterer Straße 116, 53227 Bonn
Tel.: 0228 / 46 43 69, Fax: 0228 / 46 81 77
E-Mail: issa@comlink.org
Internet: www.issa-bonn.org

"afrika süd" erscheint mit 6 Heften im Jahr
Jahresabonnement Euro 35,-


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Dezember 2011