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AFRIKA/1075: Südafrika - Preis für Jacob Zuma, Pappe für Obdachlose (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 5, September/Oktober 2011

Preis für Jacob Zuma - Pappe für Obdachlose

Prostbrief der Arbeitslosenbewegung "Unemployed People's Movement"


Die Stadt Grahamstown hat am 14. Juli 2011 Staatspräsident Jacob Zuma mit dem höchsten Orden, den die Stadt zu vergeben hat, ausgezeichnet. Am Vorabend der Preisverleihung hat die Arbeitslosenbewegung "Unemployed People's Movement" einen offenen Protestbrief an Zuma geschrieben.


Sehr geehrter Herr Präsident,
Am 14. Juli wird Ihnen von der Verwaltung Makana der Preis Freedom of Grahamstown verliehen. Die Raglan Road, die durch die Townships und vorbei an ihren Baracken und heruntergekommenen RDP-Häusern führt, wird in Dr. Jacob Zuma Road umbenannt. Uns ist zu Ohren gekommen, dass das Budget für die Zeremonie bei 250.000 Rand liegt. Wir wissen, dass die wahren Kosten für eine solche Zeremonie höher sind, doch die lokale Verwaltung enthält uns die Dokumente vor, aus denen wir die wirklichen Kosten für den Festakt entnehmen könnten.

Die Makana-Verwaltung ist eine gescheiterte Verwaltung. Die Bedürfnisse der Menschen werden nicht berücksichtigt, die Korruption ist hemmungslos und der Führungsstil wird immer autoritärer. 20.000 Menschen sind obdachlos. Wenn Häuser gebaut werden, fallen sie beim ersten Sturm wieder um. Wenn eine Wand einstürzt, wird den Leuten eine Plastikplane gegeben, um die Löcher zu stopfen. Manche haben Monate lang kein Wasser. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 60 Prozent. Aktivisten werden unter falschem Vorwand verhaftet und unter verfassungswidrigen Kautionen freigelassen, die sie von politischen Aktivitäten ausschließt. Die Schläger der ANC Youth League beenden Treffen, wenn sie sie nicht unter Kontrolle bekommen. Eine ganze Jugendgeneration ist ohne Hoffnung.

Ihre Präsidentschaft ist eine gescheiterte Präsidentschaft. Unter Ihrer Führung wurde der ANC eine Karriereanstalt, die politischen Weggefährten die Tür zu den öffentlichen Kassen öffnet. Der Staat wurde Ort für Patronage und Eigenbereicherung und nicht zum Motor der Entwicklung. Die Demokratie wurde immens eingeschränkt. Die Medien stehen unter erheblichem Druck, und Protestierende werden bei hellstem Tageslicht durch die Polizei ermordet. Bewegungen wie die Landless People's Movement und Abahlali basMjondolo als auch andere lokale Organisationen wie das Makause Development Forum stehen unter dem Druck des ANC und der Polizei.

Es gibt keine Hoffnung für die Obdachlosen, Arbeitslosen und die Vergewaltigten. Die Partei ist gespalten und die Demagogie des aggressiven rechten Flügels ist ihre Mitte geworden.

Eine gescheiterte Verwaltung möchte einen gescheiterten Präsidenten mit dem Freedom of Grahamstown ehren. Das ist eine Farce. Das ist eine Beleidigung für uns. Jedes Mal wenn wir die Dr. Jacob Zuma Road entlang gehen werden, wiederholt sich diese Beleidigung. Es ist nicht zu fassen, dass die Befreiung in solch einem Fiasko geendet ist. Es ist unfassbar, dass von Arbeits- und Obdachlosen erwartet wird, eine solche Beleidigung zu feiern. Sicher, es werden Leute, die nach Jobs und Angeboten suchen, vor der Bühne tanzen und singen, wenn Ihnen die Auszeichnung verliehen wird. Aber abends, wenn sie in ihren Betten liegen, werden sie wissen, dass sie in ihrer Verzweiflung um das eigene Fortkommen und das ihrer Familie den Kampf des Volkes verraten - einen Kampf, der zurückreicht bis 1820 in die Tage des Xhosa-Kriegers und -Propheten Makana.

Sie, Herr Präsident, werden den Schlüssel von Grahamstown erhalten, während viele von uns noch nicht einmal einen Schlüssel zu einem zerfallenden, undichten RDP-Häuschen haben. Die Lokalpolitiker werden Menschen zusammen trommeln, die ohne Wasser, Strom, Häuser, anständige Erziehung und Bildung, Arbeit oder einen vernünftigen Unterhalt und ohne die Freiheit, sich eigenständig zu organisieren, leben, um Ihre Auszeichnung mit dem Freedom of Grahamstown zu feiern. Man erwartet von Unfreien, Ihre Ehrung mit dem Friedenspreis der Stadt zu feiern.

Wir werden uns der Feier nicht anschließen. Hätte uns Ihre Regierung anständige Unterkünfte, Arbeit und Schulen gegeben, würden wir Sie freudig in unserer Stadt willkommen heißen. Hätten Sie uns eine starke Demokratie gebracht, die Entscheidungen von unten nach oben erlaubt, würden wir Sie in unserer Stadt willkommen heißen. Aber in Wahrheit gibt es nichts zu feiern, und wir werden uns nicht von unseren Stadträten ausnutzen lassen, die um Geld und Macht willen ihre Leute belügen. Wir werden unsere eigene Unterdrückung nicht feiern.

Ihr Empfang nach der Zeremonie wird in der Gedenkstätte an den Sieg der Siedler von 1820 stattfinden. Dieses Denkmal beleidigt uns. Es feiert Invasoren, Enteignung und Besetzung - ein Vorgang, der uns in den Hütten von Grahamstown Schauder über den Rücken laufen lässt. Wir haben zuvor schon gefordert, das Denkmalgebäude für die Barackenbewohner von Grahamstown zu öffnen. Wären Sie ein Präsident des Volkes, würden Sie keinen Fuß in dieses Denkmal des Siedler-Kolonialismus setzen, während die Stadt von Slumgürteln umringt ist.

Wir haben es ernsthaft in Erwägung gezogen, einen Protest gegen diese Feierlichkeit zu organisieren. Wir dachten daran, die Straße, auf der Ihre Kolonne entlang fahren wird, mit Eimern gefüllt mit unseren Exkrementen zu blockieren. Wir dachten daran, eine Menschenkette zu bilden, um die Raglan Road zu schließen. Aber wir wussten, dass die Polizei und Armee uns in voller Rüstung in Empfang nehmen würden. Sie sind schon jetzt überall in der Stadt. Wir wollen keine Andries Tatanes mehr (A.T. wurde bei einer Demonstration für bessere Lebensbedingungen im April 2011 von einer Polizeieinheit zusammengetreten und erschossen, d. R.). Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, Ihnen nicht mit Gewalt, sondern mit der Kraft der Worte in diesem Brief gegenüber zu treten.

Wir werden unseren Weg für unsere eigene Freiheit weiter gehen - unsere Freiheit von Armut, unsere Freiheit von politischer Repression. Wir laden alle, die unsere Ansichten über das Versagen der Makana Municipality und das Versagen des Zuma-Regimes teilen, ein, sich uns in der Umwandlung einer Kolonialstadt in eine Stadt des Volkes anzuschließen, eine Stadt ohne Armut, aber mit Land, Wohnung, Wasser und Strom für alle, in der alle ihr Auskommen und eine angemessene Schulbildung finden, und wo angstfreie Meinungs- und Organisationsfreiheit herrschen.


The Unemployed People's Movement, Grahamstown


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 5, September/Oktober 2011, S. 17
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
Königswinterer Straße 116, 53227 Bonn
Tel.: 0228 / 46 43 69, Fax: 0228 / 46 81 77
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"afrika süd" erscheint mit 6 Heften im Jahr
Jahresabonnement Euro 35,-


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Dezember 2011