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AFRIKA/1161: Die Wahlen in Angola waren weder frei noch fair (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 5, September/Oktober 2012

Nicht verfassungsgemäß
Die Wahlen in Angola waren weder frei noch fair

von Lothar Berger



Die MPLA blieb mit knapp 72 Prozent der abgegebenen Stimmen 10 Prozent unter ihrem Ergebnis von 2008, die Unita konnte mit 18,7 Prozent ihren Stimmenanteil von 2008 nahezu verdoppeln. Drittstärkste Kraft wurde mit sechs Prozent die Parteienkoalition CASA-CE, die sich erst im März 2012 unter Abel Espalanga Chivukuvulu von der Unita abgespalten hat. In Luanda wie in der Erdölprovinz Cabinda erhielten Unita und CASA-CE zusammen fast 40 Prozent der Stimmen, also deutlich mehr als die 25 Prozent, die sie im Landesdurchschnitt zusammen errangen.

Außer diesen drei Parteien gewannen nur noch das PRS und die FNLA drei bzw. zwei Sitze im Parlament. Die ND hat ihre zwei Sitze von 2008 verloren, leer aus gingen auch die Papod, die Fuma sowie der CPO.

Auffallend ist die hohe Wahlenthaltung: Während von 1992 über 2008 bis 2012 die Zahl der registrierten Wähler von rund 5 Mio. auf fast 10 Mio. gestiegen ist, hat sich gleichzeitig der Anteil der Nichtwähler ständig erhöht und lag 2012 bei 37,2 Prozent, während er 2008 rund 12,5 Prozent betrug. In der Hauptstadt Luanda, wie auch in einigen Provinzen, sind rund 42 Prozent nicht Wählen gegangen.


Proteste gegen Manipulationen

Die Oppositionsparteien hatten schon Monate vor den Wahlen von Behinderungen und Manipulationen gewarnt. Allein 18 Parteien wurden wegen nicht erfüllter Auflagen des Wahlgesetzes und einer undurchsichtigen Zulassungspraxis von den Wahlen ausgeschlossen. In einigen Provinzen sind Unterschriftenlisten mit Kandidaten weggekommen oder gefälscht worden. Betroffen vom Wahlausschluss war unter anderem der von Intellektuellen und der Jugendbewegung unterstützte Bloco Democrático. Dagegen wurden Parteien und Koalitionen zugelassen, die weder über eine Geschichte noch über politische Reputation verfügen, um den Schein einer Wahl zu waren und die Opposition zu spalten. Es handelt sich dabei um Satellitenparteien der MPLA.

Besonders kritisch wurde gesehen, dass die Regierung Sicherheitsagenten, die unter dem Befehl des Militärberaters des Präsidenten, General "Kopelipa", stehen, an den Wahllokalen eingesetzt hatte. Diese Maßnahme verstärkte den Verdacht, dass die Stimmauszählung unter Ausschluss von Wahlbeobachtern stattfinden sollte. Gegen Pläne der Wahlkommission CNE, die Prozeduren für die Stimmenauszählung kurzfristig zu ändern, hatte die Opposition vergeblich protestiert.

Eine Wahlveranstaltung der Unita entwickelte sich daher wenige Tage vor den Wahlen zu einem Massenprotest, bei dem landesweit bis zu 200.000 Menschen für freie und faire Wahlen demonstrierten. Alleine in Luanda waren über 100.000 Menschen auf der Straße. Unita-Führer Isaías Samakuva bat Präsident dos Santos noch kurz vor dem Urnengang um Audienz und forderte eine Wahlverschiebung, doch er stieß nur auf taube Ohren. Im Gegenteil, CASA-CE-Aktivisten, die vor dem CNE-Büro demonstrierten, wurden zusammen mit dabei stehenden Personen verhaftet und bis über das Wochenende in Haft gehalten.

Tausende von Delegierten der Oppositionsparteien haben keine Akkreditierung zur Wahlbeobachtung bekommen, weil ihre Namen nicht auf den Computerlisten für die Registrierung standen. Selbst ausländischen Wahlbeobachtern wurde die Zulassung verweigert. So hat etwa die britische Botschaft Anträge für 15 Personen gestellt, aber nur drei Beobachter wurden zugelassen - allesamt für die abgelegene Provinz Lunda-Norte, ein Trip dorthin wäre aus Zeitgründen gar nicht mehr möglich gewesen. Auch der US-Botschafter wurde wegen seiner kritischen Haltung bereits im Vorfeld als Wahlbeobachter für unerwünscht erklärt. Er hatte in den letzten Monaten demonstrativ die Forderungen von Menschen- und Bürgerrechtlern öffentlich unterstützt.


Zahlreiche Wahlbeschwerden

Seit den Bürgerprotesten von März 2011 haben die zumeist jugendlichen Aktivisten und Bürgerrechtler ihre Erfahrungen mit der brutalen staatlichen Repression gemacht und dabei gelernt, wie sie die Proteste der Menschen besser kanalisieren können. Weil auch für den Wahlablauf Unregelmäßigkeiten und Manipulationen zu erwarten waren, wurde an einem sicheren Ort ein Raum eingerichtet, in dem 40 auf einem Tisch platzierte Mobiltelefone darauf warteten, Anrufe und SMS-Nachrichten aus dem ganzen Lande zu erhalten. Der "Bewegung für Wahlwahrheit" (Movimento Para a Verdade Eleitoral) standen dank ihres Radioprogramms "Zwela Ngola" 36 Kontaktpersonen im ganzen Lande zur Verfügung, um die Proteste der Menschen einzusammeln. Die zahlreichen eingehenden Beschwerden wurden auf der Website www. angolaeleicoes2012.com veröffentlicht.

Viele der Beschwerden betrafen Wählerinnen und Wähler, die ihre Stimme nicht abgeben konnten, weil ihre Namen nicht auf den Wahllisten standen. Leiter wie Mitarbeiter von Wahllokalen beschwerten sich zudem über schwerwiegende Logistikprobleme, weswegen einige Wahlbüros aufgelöst werden mussten. Neben der Politikverdrossenheit war das sicherlich einer der Gründe für die stark gesunkene Wahlbeteiligung. Manchen Wählern wurde gesagt, sie hätten hunderte von Kilometern entfernt in einer anderen Provinz zu wählen. "Frau Fineza Lukuni Luila, Nr. 17002 auf dem Register, Gruppe 60512, sagt, dass sie ihr Wahlrecht durch die CNE verletzt fühlt, denn sie lebt in Luanda und wurde angewiesen, in Lubango zu wählen", so eine der Beschwerden. Aus der Provinz Benguela wurde gemeldet, dass in einem Wahllokal drei Personen gleichen Namens, aber mit drei verschiedenen Fotos, gewählt haben, zwei andere Wähler hatten verschiedene Namen, aber die gleiche Registernummer.

Insgesamt betrafen die Beschwerden nicht existierende Wahllokale, fehlende Wahlzettel und Wahllisten, abgewiesene Wahlbeobachter von Parteien, Wahlzwang durch MPLA-Aktivisten, gestohlene Wahlurnen und illegalen Transport, Stromunterbrechungen in der ganzen Peripherie von Luanda ausgerechnet während der Stimmauszählung, Einmischung fremder Personen in den Wahllokalen und vieles mehr. In den Hochburgen der Opposition sind zudem viele Wahllokale erst spät geöffnet worden.


Wahlanfechtung abgelehnt

Vom Internetportal Club-k.net veröffentlichte Dokumente belegen die Behauptungen von Unita-Führer Samakuva, wonach Informatikexperten des chinesischen Sicherheitsministeriums die angolanischen Behörden bei der Handhabung einer Software beraten haben, mit der die Wahlergebnisse gefälscht werden könnten. Ohnehin scheinen chinesische Helfer eine dubiose Rolle gespielt zu haben. In Luanda waren Chinesen beobachtet worden, die mit Wahlzetteln in der Hand in einem Hotel verschwanden.

Aufgrund der gesammelten Beschwerden, beobachteter Unregelmäßigkeiten bei der Stimmauszählung und der Diskrepanz zwischen den von einzelnen Wahllokalen ausgegebenen und den von der Wahlkommission veröffentlichten Ergebnissen haben die Oppositionsparteien Unita, CASA- CE und PRS die Wahlen in getrennten Anträgen angefochten. Die CNE hat die Anträge abgelehnt und an das Verfassungsgericht weitergeleitet. Doch auch dieses hat alle drei Fälle zurückgewiesen und die Wahlen als frei und fair beurteilt. Das Urteil ist nicht anfechtbar.

Für viele Experten stand das Urteil des Verfassungsgerichts ebenso wie das Wahlergebnis von vorn herein fest. Selbst ein so besonnener Menschenrechtler wie der Jura-Professor und Verfassungsrechtler Fernando Macedo kommt zu dem Ergebnis: "Dieser Wahlverlauf hält meiner bescheidenen, mag sein irrigen, Meinung nach einem strengen und ernsthaften Test der Legalität und Verfassungsmäßigkeit nicht stand. Die Hoffnung vieler Bürgerinnen und Bürger konzentriert sich lediglich darauf, dass das Verfassungsgericht das präsentiert, was Fakt und unwiderlegbar ist, nämlich die zahlreichen Fehlhandlungen der CNE, die das Verfassungsrecht verletzt und folglich dazu geführt haben, dass die Wahlen von 2012 nicht rechtschaffen und gerecht waren und das einheitliche Wahlrecht verletzt haben, mit einem Wort, dass sie betrügerisch waren."


Das Wahlergebnis

Zur Wahl zugelassene Parteien und Parteien-Koalitionen:

MPLA - Movimento Popular de Libertação de Angola
Unita - União Nacional para a Independência de Angola
CASA-CE - Convergência Ampla de Salvação de Angola - Coligação Eleitoral
PRS - Partido de Renovação Social
FNLA - Frente Nacional de Libertação de Angola
ND - Nova Democracia União Eleitoral
Papod - Partido Popular para o Desenvolvimento
Fuma - Frente Unida para a Mudança de Angola
CPO - Conselho Politico da Oposição

Partei
Stimmen
% 2012
% 2008
Sitze
+/-
MPLA
4.135.503
71,84
81,64
175
-16
Unita
1.074.565
18,66
10,39
32
+16
CASA-CE
345.589
6,00
-
8
neu
PRS
98.233
1,70
3,71
3
-5
FNLA
65.163
1,13
1,11
2
-1
ND
13.337
0,23
1,29
0
-2
Papod
8.710
0,15
-
-
-
Fuma
8.260
- 0,14
-
-
-
CPO
6.644
- 0,11
-
-
-
Ungültige Stimmen /
leer abgegeben
368.665
6,02
-
-


Total
6.124.669
100

220
0
Registrierte Wähler
9.757.671
62,86
-


*

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afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2012