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AFRIKA/1162: Kenia - Slumbewohner sollen "Blutgeld" der Politiker ablehnen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Januar 2013

Kenia: Slumbewohner sollen "Blutgeld" der Politiker ablehnen - Neue Initiative vor den Wahlen

von Miriam Gathigah


Bild: © Miriam Gathigah/IPS

Mitglieder der kenianischen 'Tia Rwabe Zi'-Friedensinitiative
Bild: © Miriam Gathigah/IPS

Nairobi, 10. Januar (IPS) - In Kenia finden in knapp zwei Monaten allgemeine Wahlen statt, und die Gefahr eines neuerlichen Blutbads wie jenem nach dem letzten Urnengang vor fünf Jahren besteht. Politiker sind bereits eifrig dabei, junge Leute aus den städtischen Slums mit Geld zu ködern, damit sie gegen diejenigen gewaltsam vorgehen, die sie nicht unterstützen. Doch im 50.000 Menschen zählenden zweitgrößten Armenviertel der Hauptstadt Nairobi, Mathare, ist eine Bewegung entstanden, die die Menschen dazu aufruft, das 'Blutgeld' zu verweigern.

Den 40 Millionen Kenianern ist das Ausmaß der Gewalt im Anschluss an die letzten Wahlen 2007/2008 noch frisch im Gedächtnis. Damals starben mehr als 1.000 Menschen und 3.000 wurden verletzt. Verantwortlich dafür werden auch die damaligen politischen Herausforderer, Uhuru Kenyatta und William Ruto, gemacht. Sie sollen ihre Anhänger gegen ihre Gegner aufgehetzt haben. Obwohl der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag gegen die beiden wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ermittelt, haben sie sich auch diesmal zur Wahl gestellt.

"Noch immer strecken skrupellose Politiker ihre Tentakel nach den Menschen in den kenianischen Slums aus", berichtet Peter Muga, ein politischer Analyst in Nairobi. "Hier finden sie Menschen, die gewillt sind, für ein bis zwei US-Dollar die Anhänger ihrer Rivalen einzuschüchtern, zu verletzen oder gar zu töten. Da diese Politiker nicht den Mumm haben, ihre Widersacher bei den Wahlen zu schlagen, bezahlen sie junge Leute in den Elendsquartieren dafür, sich die Hände schmutzig zu machen."


Kampagne sagt nein

In dem Bestreben, die desaströsen Auswirkungen solcher Bestechungsversuche zu verhindern, haben Bewohner des Mathare-Slums die Bewegung 'Tia Rwabe Zi' (Sag nein zu den 200 Kenianischen Shilling) gegründet. "Politiker bieten uns 200 Kenianische Schilling (rund zwei Dollar) an, damit wir gegen ihre Feinde vorgehen", bestätigt Julia Njoki, ein Gründungsmitglied von Tia Rwabe Zi. "Oft ist es so, dass die um die Macht kämpfenden Politiker unterschiedlichen Volksgruppen angehören. Animositäten können schnell in Stammesfehden ausarten."

Njoki zufolge ist die Friedensinitiative das Ergebnis von Tod und Zerstörung nach den Wahlen 2007/2008, denen in erster Linie die Menschen in den armen Vierteln zum Opfer fielen. "Hier und heute sagen wir Nein zu der Bestechung der Wähler. Die meisten Mitglieder unserer Bewegung sind jung. Und wir erreichen bereits Altersgenossen im Kibera-Slum". Kibera gehört zu den größten Slums Afrikas.

Doch die Kampagne steht vor einer Herkulesaufgabe. Denn die Armut macht viele Menschen anfällig für die zweifelhaften Angebote. "Die Menschen müssen essen", sagt Rob Wangai, ein Bewohner des Mathare-Slums. "Auch in den Armenvierteln gibt es nichts umsonst."

"Die Bestechungsgelder der Politiker vergiften unser Zusammenleben", meinte Vesca Kangongo, die sich um einen Sitz als Gouverneurin in der Region Rift Valley bemüht. "Politiker mit Geld können sich leicht Ämter kaufen. Doch am Ende unternehmen sie nichts, um die Lebensbedingungen derjenigen zu verbessern, von denen sie gewählt wurden."

Die einzige weibliche Präsidentschaftskandidatin, Martha Karua, ist der gleichen Meinung. "Meine Brüder, die sich für das höchste Amt im Staate bewerben, haben viel Geld, das sie zum Teil aus den öffentlichen Kassen entwendet haben. Ich appelliere an alle Kenianer, nur denjenigen ihre Stimme zu geben, die die Lebensbedingungen in diesem Land tatsächlich verbessern können und wollen."

Auch Karua gibt den Politikern die Schuld an den Ausschreitungen nach den letzten Wahlen, die Mathare, Kibera und viele andere Armenviertel in Schlachtfelder verwandelten und in denen sich die Volksgruppen bis aufs Blut bekämpften.

"Bei allen Wahlen senden Politiker ihr Fußvolk in die Slums, weil sie sehr wohl wissen, dass sich die Angehörigen der Mittelschicht nicht dazu verleiten lassen werden, andere einzuschüchtern und umzubringen", meint der Analyst Muga.


Diesmal soll alles anders werden

Doch trotz aller Schwierigkeiten wollen die Tia Rwabe Zi-Aktivisten dafür sorgen, dass es bei den diesjährigen Wahlen anders abläuft. Die Gruppe hält regelmäßige Treffen ab, bei denen sie die Slumbewohner auffordern, sich nicht kaufen zu lassen.

"Wir ermutigen uns gegenseitig, jeden noch so schlecht bezahlten Job anzunehmen und andere über Stellenangebote zu informieren. Die Menschen müssen etwas zu tun haben, damit sie nicht in Schwierigkeiten geraten", erläutert Njoki. "Wir, die wir der Kampagne angehören, sind auf jeden Fall fest davon überzeugt, dass unsere Bemühungen in die richtige Richtung gehen." (Ende/IPS/kb/2013)


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http://www.ipsnews.net/2013/01/slum-dwellers-say-no-to-blood-money/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Januar 2013