Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

AFRIKA/1183: Mali - Dringender Bedarf an politischen Reformen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. April 2013

MALI: Dringender Bedarf an politischen Reformen - 'International Crisis Group' appelliert an Regierung

von Jim Lobe


Bild: Thomas Martinez/IPS

Soldaten aus Togo bei der Ankunft in Mali im Februar 2013
Bild: Thomas Martinez/IPS

Washington, 12. April (IPS) - Während Frankreich seine Truppen aus Mali abzieht, nachdem die radikale Bewegung 'Al Qaeda im Islamischen Maghreb' (AQIM) aus wichtigen Städten im Norden des Landes vertrieben wurde, appelliert die 'International Crisis Group' (ICG) an die zentrale Regierung, unverzüglich mit der nationalen Aussöhnung, vor allem mit den Tuareg und den arabischen Minderheiten, zu beginnen.

In einem am 11. April veröffentlichten Bericht appellieren die Konfliktforscher an die Behörden, jede Verfolgung der Zivilbevölkerung durch die Sicherheitskräfte zu verhindern. Dies gelte insbesondere in Gemeinden, die mit Rebellen oder bewaffneten islamistischen Gruppen in Verbindung gebracht wurden, die den Norden zehn Monate lang bis zu der französischen Militärintervention im Januar kontrolliert hatten.

Die Führung in Bamako solle keine Bedingungen wie eine sofortige Entwaffnung stellen, rät die ICG. Dies würde den Dialog mit den Tuareg-Unabhängigkeitskämpfern der 'Nationalen Bewegung für die Befreiung von Azawad' (MNLA) erschweren. Außerdem müsse sichergestellt werden, dass die Radio- und Fernsehsender in Mali durch ihre Berichterstattung nicht dazu beitrügen, die bestehenden Gräben zwischen den Ethnien gerade im Vorfeld der im Juli geplanten Wahlen weiter zu vergrößerten, heißt es in dem 47-seitigen Report.


Rasche Wahlen - aber nicht um jeden Preis

"Die Wahlen müssen bald stattfinden, aber nicht um jeden Preis", sagte Gilles Yabi, der ICG-Projektdirektor für Westafrika. "Die Radikalisierung der öffentlichen Meinung ist ein großes Risiko. Die politischen Entscheidungsträger und die Institutionen in Mali müssen entschlossen handeln, damit vor allem die Menschen im Süden nicht Rebellen, Terroristen und Drogenhändler sowie Tuaregs und Araber über einen Kamm scheren."

Als der Bericht 'Mali: Security, Dialogue and Meaningful Reform' erschien, machte das aktuelle Geschehen deutlich, wie dringend notwendig Reformen in dem Land sind. Die Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Watch' (HRW) teilte mit, dass zwei männliche Tuareg, die von malischen Soldaten in einer kleinen Stadt nahe Timbuktu festgenommen worden waren, inzwischen im zentralen Gefängnis von Bamako gestorben sind.

Die beiden Häftlinge waren Teil einer Gruppe von sieben Männern zwischen 21 und 66 Jahren, die Mitte Februar unter dem Verdacht festgenommen worden waren, Unterstützer von Islamisten einschließlich der AQIM zu sein. Alle sieben Männer wurden laut HRW in das Gefängnis in Bamako gebracht, wo die Aktivisten am 20. März mit ihnen sprechen konnten.

Nach Ansicht der Organisation sind die Gefangenen vermutlich an den Folgen großer Hitze gestorben. In ihrem Raum habe es keine ausreichende Belüftung gegeben. Möglicherweise hätten zudem die Folgen ihrer Verletzungen zum Tod geführt. Sie seien mehrmals geschlagen worden und hätten Brandwunden erlitten. Nach dem Tod der zwei Häftlinge wurden die übrigen fünf offenbar in eine andere Zelle verlegt.


Übergriffe des Militärs auf Tuareg

Unterdessen werden weitere Fälle von Übergriffen gegen Tuaregs, Araber und Angehörige der Fulani-Ethnie durch malische Soldaten bekannt. Wie die HRW-Mitarbeiterin Corinne Dufka berichtete, wurden mindestens 13 Angehörige der drei Minderheiten von Sicherheitskräften exekutiert. Mindestens 15 weitere Menschen seien 'verschwunden'. "Diese Übergriffe der Armee bei der Rückeroberung des Nordens verschärfen bereits bestehende ethnische Spannungen", warnte Dufka.

Mali begann bereits im vergangenen Jahr ins Chaos abzugleiten, als die MNLA, deren Reihen durch schwerbewaffnete Veteranen der Truppen des gestürzten libyschen Machthabers Muammar al Gaddafi verstärkt wurden, die malische Armee aus dem Norden vertrieb. Dadurch wurde ein Militärputsch antizipiert, der zum Sturz der demokratisch gewählten Regierung in Bamako führte.

AQIM war zunächst eine weitgehend algerische Bewegung, die aber nach ihrer Niederlage im algerischen Bürgerkrieg im Norden Malis tiefe Wurzeln schlug. Dort gelang es den Islamisten, im vergangenen Juni die Kontrolle über den größten Teil der Region zu übernehmen und die MNLA zurückzudrängen.

Als ihr Einfluss in den folgenden Monaten weiter zunahm, reagierten die Nachbarstaaten und der Westen mit wachsender Sorge. Auch die USA, die in den vergangenen zehn Jahren Hunderte Millionen US-Dollar an Hilfen bereitgestellt und für die Ausbildung malischer Soldaten im Rahmen der 'Trans-Sahara Counter-Terrorism Partnership Initiative' gesorgt hatten, waren alarmiert.

Im Dezember billigte der UN-Sicherheitsrat einen Plan für eine mögliche Rückeroberung der islamistisch dominierten Gebiete durch westafrikanische Truppen. Im Januar begann aber ein Verbündeter der AQIM mit einer Offensive in Richtung Süden, was Frankreich zu einer Intervention veranlasste. Die französische Armee eroberte rasch die drei wichtigsten Städte Gao, Timbuktu und Kidal und bereitete damit einer Rückkehr tschadischer Soldaten und der Kontingente der westafrikanischen Friedenstruppe AFISMA den Weg.


USA zweifeln an Effizienz westafrikanischer Schutztruppen

Soldaten der USA und des Tschad, die von Aufklärungsdrohnen des US-Geheimdienstes unterstützt wurden, drangen dann in den äußersten Norden Malis vor, um die AQIM-Kämpfer aus ihren Rückzugsorten zu vertreiben. Seitdem haben die Islamisten mehrere Selbstmordanschläge in Städten verübt. Laut dem ICG-Bericht erscheint es unklar, inwieweit AFISMA für die Sicherheit der Zivilbevölkerung garantieren kann. Ein hochrangiger Beamter des US-Außenministeriums erklärte Anfang April, dass die westafrikanische Mission eine "völlig unfähige Truppe" sei.

Die Regierung in Paris erklärte vor wenigen Tagen, dass bereits etwa 100 der insgesamt 4.000 französischen Soldaten Mali verlassen hätten. Ab Ende des Jahres sollen nur noch 1.000 Soldaten als Teil der geplanten Stabilisierungsmission im Land verbleiben. Unterdessen hat eine 550 Mann starke Mission der Europäischen Union damit begonnen, malische Truppen auszubilden, damit diese ihr Land besser gegen die islamistische Bedrohung verteidigen können. Geplant ist außerdem eine Reform des Militärs, die auch die Bekämpfung von Korruption und die Unterordnung der Armee unter die zivile Kontrolle beinhalten soll. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.crisisgroup.org/en/regions/africa/west-africa/mali/201-mali-security-dialogue-and-meaningful-reform.aspx
http://www.hrw.org/africa/mali
http://www.ipsnews.net/2013/04/urgent-need-for-political-reform-in-mali-as-french-depart-report/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 12. April 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2013