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AFRIKA/1323: Kamerun - Mit neuem Anti-Terror-Gesetz gegen Sezessionsbestrebungen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. April 2015

Kamerun: Mit neuem Anti-Terror-Gesetz gegen Sezessionsbestrebungen

von Mbom Sixtus


Yaounde, 30. April (IPS) - In Kamerun bedient sich die Regierung von Staatspräsident Paul Biya eines neuen Anti-Terrorismus-Gesetzes, um Unabhängigkeitsbestrebungen der englischsprachigen Minderheitsbevölkerung in den nordwestlichen und südwestlichen Regionen zu unterbinden.

Gemäß dem Ende letzten Jahres verabschiedeten Gesetz sind öffentliche Versammlungen, Straßenproteste und andere Handlungen, die nach Ansicht der Regierung den Landesfrieden stören, verboten. Das Gesetz wird gegen den 'Southern Cameroons National Council' (SCNC) angewandt, der sich für die Unabhängigkeit der anglophonen Gebiete einsetzt.

'Southern Cameroons' meint die südlichen Teile des ehemaligen britischen Mandatsgebietes 'British Cameroons', das aus Teilen des heutigen Nigeria in Westafrika und Kamerun in Zentralafrika bestand. Im heutigen Kamerun sind damit die Nordwest- und Südwestregionen gemeint.

Dass 22 Prozent der 20 Millionen mehrheitlich frankophonen Kameruner Englisch sprechen, geht auf die Kolonialzeit zurück. Zuerst wurde Kamerun von den Deutschen (1884) besetzt. Nach dem Ersten Weltkrieg ging Kamerun offiziell an den Völkerbund, der Frankreich und Großbritannien das Mandat für die Verwaltung des Gebietes übertrug. Es kam zur Aufteilung: Frankreich erhielt vier Fünftel und Großbritannien ein Fünftel Kameruns.

1960 wurde der französische Teil, 1961 der anglophone Teil Kameruns eigenständig. Noch im gleichen Jahr kam es zur Gründung einer Föderation. 1972 wurde die Vereinigte Republik Kamerun mit Yaounde als Hauptstadt ausgerufen.


Erdölproduzierende Regionen wollen von Einnahmen profitieren

Doch im englischsprachigen Sprachraum regte sich schnell Unmut über die Unmöglichkeit, die eigenen Ressourcen selbst verwalten zu dürfen. Die Spannungen blieben bestehen, doch wurde das Problem verharmlost und mit einer symbolischen Geste - der Aufnahme einiger weniger anglophoner Bürger in den Staatsdienst - beantwortet.

Sezessionisten zufolge hat diese Ungleichheit zu einer Verarmung der anglophonen Gebiete geführt und die dort lebenden Menschen um ihr kulturelles Erbe gebracht. Außerdem habe sie ethnische Spannungen zwischen den Menschen der Nordwest- und der Südwestregionen verursacht.

Dass die Regierung an den Ölfeldern in den anglophonen Gebieten verdient, ohne die lokale Bevölkerung an den Gewinnen zu beteiligen, gilt als Hauptgrund für die zunehmende Unzufriedenheit in den Southern Cameroons.

Das hat auch das 'Natural Resource Governance Institute' (NRGI) in New York dazu bewogen, Kamerun auf seinem Index für gutes Ressourcenmanagement ('Resource Governance Index') auf den 47. Platz von 58 der Staaten zu setzen, die sich mit Schwächen wie etwa ungünstige Rahmenbedingungen oder fehlende Qualitätskontrollen selbst im Wege stehen.

"Kameruns nationales Ölunternehmen SNH dominiert den Sektor", heißt es auf Seiten des NRGI, das Menschen mit Expertenwissen, angewandter Forschung, strategischer Planung und mit einem Kapazitätenaufbau befähigen will, die Möglichkeiten, die sich aus dem Mineralien-, Erdöl- und Gasreichtum in ihren Ländern ergeben, zu erkennen.

"Es untersteht der direkten Kontrolle des Präsidenten. [...] SNH sammelt den Großteil der Einnahmen ein und leitet diese nach Abzug der eigenen Betriebskosten vierteljährlich an den Fiskus weiter - was bedeutet, dass ein Teil der Erdöleinnahmen nie die Staatskasse erreicht." Kamerun halte sich zudem mit Informationen über seinen Rohstoffsektor sehr bedeckt, lautet ein weiterer Kritikpunkt des NRGI.

Seit Kameruns Staatspräsident Paul Biya dem Anti-Terrorismus-Gesetz im Dezember 2014 seine Zustimmung gegeben hat, sieht sich der SCNC nicht mehr in der Lage, größere Treffen zu organisieren. Ein Versuch am 3. April endete mit der Verhaftung des nationalen SCNC-Vizechefs Ngala Nfor und sechs weiterer Führungsmitglieder in der Stadt Buea in der Südwestregion.

Wie Andrew Kang, Gastgeber des SCNC-Treffens, von seinem Bett im Buea-Regionalkrankenhaus gegenüber IPS berichtete, waren Sicherheitskräfte in sein Haus eingedrungen. "Sie schlugen uns und brachten uns zum Bahnhof. Vier Tage lang saßen wir in einer Gefängniszelle und wurden erst am 6. April wieder auf freien Fuß gesetzt." Die von staatlicher Seite erhobenen Vorwürfe der Sezession und Rebellion wies er zurück.


Missbrauch von Anti-Terrorismus-Gesetz angeprangert

Der Menschenrechtsaktivist Martin Fon Yembe gehört ebenfalls dem SCNC am. Wie er gegenüber IPS berichtete, zielt das Anti-Terrorismus-Gesetz nicht auf die Bekämpfung der islamistischen Boko-Haram-Rebellen. Dieses Argument sei vorgeschoben. Tatsächlich wolle man den SCNC daran hindern, Treffen abzuhalten.

Im Menschenrechtsbericht des US-Außenministeriums von 2013 werden den kamerunischen Sicherheitskräften Folter und Misshandlung zur Last gelegt. Angeklagten in Kamerun würden faire und zügige öffentliche Verhandlungen verweigert, Versammlungs- und Vereinigungsrechte eingeschränkt. "Obwohl die Regierung einige Schritte unternommen hat, um übergriffige Mitglieder der Sicherheitskräfte und des öffentlichen Dienstes zu bestrafen, bleibt die Straffreiheit ein Problem", heißt es in dem Report.

Tausende Menschen aus den Southern Cameroons leben im Exil in Europa oder in den USA. Ebenso viele Anhänger der Separatistenbewegung sind auf der Flucht.

Die Biya-Regierung ist bemüht, Kamerun als ein vielversprechendes Wirtschaftswachstumsland darzustellen. In einem Papier mit dem Titel 'Kamerun Vision 2035' wird das Bild eines Landes beschworen, das auf eine starke Demokratie, nationale Einheit, wirtschaftliche Entwicklung und die Schaffung von Arbeitsplätzen hinarbeitet.

Wie aus einem im Dezember vorgestellten Drei-Jahres-Plan hervorgeht, wird Kamerun 1,75 Milliarden US-Dollar bereitstellen, "um die unmittelbaren Bedürfnisse der Bevölkerung zu decken". Als Prioritäten wurden der Ausbau der Infrastruktur, die Landwirtschaft, die Sicherheit, der Gesundheits- und der Energiesektor genannt. Laut Premierminister Philemon Yang soll das Sonderprogramm mit Hilfe lokaler und Internationaler Mittel finanziert werden.

Wie der 'Cameroon Concord' unlängst berichtete, ist in Kürze eine Konferenz der anglophonen Rechtsanwälte Kameruns in der Stadt Bamenda in der Nordwestegion geplant. Der Bericht des Online-Nachrichtendienstes wurde von Dutzenden begeisterten Lesern kommentiert. So schrieb 'Machiavelli Ayuk' von der Universität von Buea: "Das ist eine Unternehmung, von der die marginalisierten anglophonen Menschen gerne hören. Wir haben in der anglophonen Zone durchaus gebildete Eliten vorzuweisen."

In einem von 'Fast Man' geposteten Kommentar hieß es: "Ich hoffe sehr, dass die Anwälte ihre Intelligenz nutzen und sich auf ihren Eid besinnen. Wir werden unter französischer Hegemonie nicht sehr weit kommen. Gott segne die Southern Cameroons und ihre Bürger." (Ende/IPS/kb/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/04/new-anti-terrorism-law-batters-cameroonians-seeking-secession/

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IPS-Tagesdienst vom 30. April 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2015

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