Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

AFRIKA/709: Südafrika - Ein politisches Erdbeben (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 6, Dezember 2008

Ein politisches Erdbeben

Von William M. Gumede


Wie sieht nach dem Rücktritt von Staatspräsident Thabo Mbeki die Zukunft des ANC aus? Wie, wenn Jacob Zuma im April als Präsident folgen wird? Kurzfristig dürfte das kaum ernsthafte politische Probleme für die Partei bedeuten. In größerer Perspektive jedoch dürfte eine Neugruppierung der politischen Landschaft Südafrikas anstehen.


Die brutale Art und Weise, mit der Südafrikas Staatspräsident Thabo Mbeki vom Nationalen Exekutivkomitee des ANC zum Rücktritt gedrängt wurde, hat hohe politische und wirtschaftliche Wellen verursacht. Damit wurde aber auch ein Weg frei für frische Ideen, Entwürfe und Führungskräfte, die mehr Demokratie wagen, eine zerrissene Gesellschaft zusammenführen und eine gerechtere Entwicklung in die Wege leiten könnten.

Südafrika steckt in einer ganzen Reihe miteinander verflochtener Probleme: zerbrochene Familien und Gemeinschaften, zunehmende Armut, Arbeitslosigkeit und Kriminalität, ein Filz von Korruption, ramponierte demokratische Institutionen, rapider Vertrauensschwund in öffentliche Dienstleistungen und wirtschaftliche Gewitterwolken am Horizont. Das Land muss mit diesen zusehends komplexer werdenden Problemen fertig werden, und das in einer gefährlichen und wirtschaftlich flatterhaften Weltlage. Der ANC und Südafrika brauchen dringend eine weniger spaltende, sondern eine einende Führung mit neuen Ideen, um konstruktiv die drängenden Probleme des Landes anzugehen. Diese sind Mbeki und seiner Mannschaft in den letzten zehn Jahren ausgegangen.


Es ging um Rache

Doch nicht deshalb wurde er zum Abdanken gezwungen. Es lag auch nicht an ideologischen Differenzen mit der ungleichen Koalition seiner politischen Feinde, die sich um seinen innerparteilichen Rivalen, ANC-Präsident Zuma, versammelte, oder an Mbekis mitte-rechts positionierter Wirtschaftspolitik im Gegensatz zur linken Ausrichtung der Gewerkschaften (Cosatu) und der Kommunistischen Partei (SACP) oder den die Wiedereinführung des Tests auf Jungfräulichkeit fordernden Traditionalisten auf der Rechten. Nein, hier ging es schlechthin um Rache.

Jene, die unter Mbekis Verdikt gefallen waren, sahen ihre Chance, Auge um Auge und Zahn um Zahn einzufordern. Sie wollten Mbeki demütigen, wie er sie gedemütigt hat. Sie wollten aber auch einem Gegenschlag Mbekis zuvorkommen. Sie fürchteten eine Untersuchungskommission zu den Korruptionsvorwürfen im Zusammenhang mit den Waffengeschäften, in die Zuma verwickelt ist. Zumas Anhänger haben ihren Triumph offen zur Schau gestellt und sind nun dabei, Regierung wie Partei von Mbeki-Anhängern zu säubern. Jeder Kritiker Zumas wird zunehmend als Mbeki-Anhänger gebrandmarkt. Diese Säuberungen haben das Zeug, den ANC zu destabilisieren und die Regierung zu paralysieren. Südafrika steht vor einem Führungsvakuum. Zuma ist da nicht die Antwort.

Die offensichtliche und ausgesprochen vernünftige Lösung der Krise des ANC und Südafrikas besteht darin, Kgalema Motlanthe, den ehemaligen Gewerkschafter und stellvertretenden ANC-Chef, bis zu den nationalen Wahlen im kommenden Jahr zum Übergangspräsidenten ernannt, zum permanenten Präsidentschaftskandidaten des ANC zu küren. Die politische Krise ist so groß, dass der einzige Weg, eine Implosion des ANC zu verhindern, darin besteht, Mbeki wie Zuma in den Ruhestand zu schicken; beide spalten die Partei.

Die Kandidatur Zumas beschwört einen Bruch im ANC kurz vor seinem 100. Geburtstag. Nur die Berufung eines neuen Spitzenkandidaten mit dem nötigen politischen Gewicht kann die politische Spaltung überwinden und den Rückhalt beider Lager finden. Im Augenblick bieten sich da nur Motlanthe und der ANC-Schatzmeister Mathews Phosa an. Der ANC hätte diese Entwicklung verhindern können, wenn sich Mbeki schon früher auf die Seite von Motlanthe oder anderer jüngerer Talente geschlagen hätte - Phosa, Cyril Ramaphosa, den Nelson Mandela lieber als seinen Nachfolger gesehen hätte als Mbeki, oder den ehemaligen Premier von Gauteng, Tokyo Sexwale.

Diese nahe liegende Lösung, Partei wie Land zu einen, hatte schon vor einiger Zeit angepackt werden müssen. Doch Mbekis eigensinniges Beharren auf einer dritten Amtsperiode als Parteivorsitzender statt Platz zu machen für einen dieser Jungtürken, weil diese ihn in der Vergangenheit kritisiert hatten, führte dazu, dass jeder, der sich Mbekis zentralistischer, abweisender und reizbarer Herrschaft widersetzte, sich zumindest zeitweise im Zuma-Lager wiederfand, um den ehemaligen Präsidenten vertreiben zu können.


Aushöhlung der Demokratie

Einer der wahren Gründe, warum viele der Vernünftigeren unter den ANC-Linken sich ins Zuma-Lager geschlagen haben, ist ihre Furcht, dass einer der jüngeren und kompetenteren Führer, die jetzt noch darauf warten, an die Macht zu kommen, nicht nur erneut, wie schon Mbeki, die Linke an den Rand drängen könnte, sondern auch eine auf die Armen ausgerichtete Politik, die sich um eine Vertiefung der Demokratie und um stabile Familien und Gemeinschaften sowie um den Aufbau einer Nation, in der alle Gruppen repräsentiert sind, bemüht.

Ferner wurden unter Mbeki die demokratischen Institutionen ausgehöhlt, die Teilhabe der Bürger an politischen Entscheidungen hat sich verringert, die Meinungsfreiheit wurde bedroht. In seiner Urteilsbegründung im Korruptionsprozess gegen Zuma monierte Richter Chris Nicholson die Manipulation öffentlicher Institutionen zu politischen Zwecken durch die Mbeki-Regierung; die Strafverfolgungsbehörden hätten sich nicht an die Verfahrensvorschriften gehalten, Zuma wurde vor der Anklageerhebung nicht angehört. Im Gegenzug haben Zuma und seine gewaltbereiten Anhänger in ihren Kampagnen gegen die Korruptionsanklage wiederum selbst die Gerichtsbarkeit, demokratische Institutionen, die Medien und andere Kritiker derart scharf angegriffen, dass das noch längst nicht konsolidierte Verfassungssystem, seine Institutionen und Werte ebenso infrage gestellt wurden wie durch Mbekis Manipulation.

Aber auch die Fähigkeiten der südafrikanischen Menschen - ungeachtet ihrer Ideologie und Hautfarbe - fanden immer weniger Berücksichtigung unter Mbeki, der selbst zurückhaltende Kritiker und abweichende Meinungen beiseite schob, indem er ihnen Rassismus unterstellte, wenn sie weiß waren, oder ihnen vorwarf, Handlanger der Weißen zu sein, wenn sie schwarz waren. Zumas Lager ist nun dabei, den ANC von allen zu säubern, die irgendwie mit Mbeki in Verbindung gebracht werden können; und jeder, der Zuma kritisiert, gilt als Mbeki-Anhänger. Zuma selbst hat eine ganze Reihe von Leuten - darunter auch den Autor - vor Gericht gezerrt, schon wenn sie vorsichtig Kritik an seinem persönlichen Verhalten üben.

Um Südafrikas drückende Probleme anzugehen, bedarf es zuallererst eines weniger trennenden, sondern einigenden Vorsitzenden und eine Überwindung der beiden Fraktionen um Zuma und Mbeki, die nicht nur den ANC lähmen, sondern auch die Regierung und Südafrika. Wer auch immer die Führung übernimmt, muss den Kampf gegen die Korruption aufnehmen, die Vertiefung der Demokratie in Partei und Staat vorantreiben und sich der Beseitigung der Ungleichheiten zwischen Rassen und Klassen annehmen. So populär Zuma auch sein mag und so entschieden, laut und militant seine Anhängerschaft, die bereit ist, für ihn als Präsident zu sterben, ein großer Teil der ANC-Mitgliedschaft ist mit ähnlicher Vehemenz gegen ihn. Sie werden wohl kaum dem ANC ihre Stimme geben, wenn Zuma als Präsidentschaftskandidat auftritt. Die Opposition im ANC gegen Zuma ist immerhin so stark, dass sie eine Regierung unter ihm so ausbremsen kann, dass es schwer werden könnte, eine auf die Ärmsten ausgerichtete Politik umzusetzen. Die noch offenen Fragen in Bezug auf Zumas Verwicklung in Korruption dürften weiter die Regierung lähmen, das öffentliche Vertrauen mindern und die Demokratie aushöhlen.


Rechtschaffenheit ist gefragt

Der künftige südafrikanische Präsident muss gegen den durchdringenden Korruptionsgestank angehen. Dazu bedarf es der persönlichen Rechtschaffenheit. Zu Recht hat Richter Nicholson Mbeki und seine Regierung kritisiert, sie missbrauchten routinemäßig öffentliche Institutionen in ihrem Rachefeldzug gegen Kritiker. Zuma wiederum behauptet, er könne daran, wie sich eine Frau kleidet und sitzt, erkennen, ob sie nach Sex Ausschau hält und dass er Abhilfe schaffen könne. In Südafrika hat die Gewalt gegen Frauen ein derartiges Ausmaß erreicht, dass solche Äußerungen nicht nur gegen die Verfassung verstoßen, sondern geradezu sexistischen Anschauungen Vorschub leisten. Vor dem Gerichtsgebäude haben Zumas Anhänger die Klägerin nicht nur täglich lautstark beschimpft, sondern auch eine Frau mit Steinen beworfen, die sie für die Klägerin hielten. Zuma hat darüber kein Wort verloren.

Der Vergewaltigungsprozess gegen Zuma legte die tiefe Trennlinie bloß zwischen der Forderung nach Gleichstellung der Frauen, wie sie in der Verfassung niedergelegt ist und die sich auch ANC, Cosatu und SACP auf ihre Fahnen geschrieben haben, und der praktizierten Sprache und dem archaischen öffentlichen Verhalten gegenüber Frauen. Zuma gibt den Traditionalisten Rückendeckung, die die Wiedereinführung eines Jungfrauentests fordern. Im Vergewaltigungs- wie im Korruptionsprozess zog Zuma immer wieder die ethnische Karte. Er sprach Zulu und erfand neue kulturelle Werte und Normen der Zulu, um sein offen sexistisches Verhalten zu rechtfertigen.

Südafrika kämpft mit den Folgen zerbrochener, oft nur von einem Elternteil oder gar von Kindern geführten Familien. Ursachen sind das Erbe der Apartheid mit seiner Zerstörung der schwarzen männlichen Identität, mit der Auflösung der Familien durch die Wanderarbeit, mit der Militarisierung der Gesellschaft durch das System der Apartheid und die gewaltsame Antwort der Befreiungsbewegungen, die Macho-Kultur unter Schwarzen wie Weißen sowie die Auswirkungen von Armut und HIV/Aids. Mbeki hat hier keine progressiven Impulse gegeben. Sein enger Verbündeter, Finanzminister Trevor Manuel, verstieg sich zu der Aussage, solche Familien würden eine staatliche Unterstützung in Alkohol umsetzen.


Zuma von Demagogen umgeben

Von Zuma lässt sich auch kaum eine progressive Antwort auf diese drängenden Fragen erwarten: Wie kann die Familie stabilisiert werden, wie lässt sich Gleichheit der Geschlechter erzielen, wie es von der Verfassung vorgegeben ist, und wie kann eine männliche Identität hergestellt werden, die in Einklang steht mit der Verfassung? Südafrika hat eine der höchsten HIV-Raten in der Welt. Zuma ist der Ansicht, eine Dusche nach ungeschütztem Sex mit einem Partner, einer Partnerin verhindere die Ansteckung. Er fordert die Polizei auf, erst zu schießen und dann zu fragen, als Mittel zur Kriminalitätsbekämpfung. Er denkt laut über die Wiedereinführung der Todesstrafe nach. In seinem eigenen Lager wird mit Stirnrunzeln wahrgenommen, dass er seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen seiner jeweiligen Zuhörerschaft anpasst. Zuma hat sich mit hart gesottenen Demagogen umgeben. Da dürfte es ihm schwer fallen, neue Talente unabhängig von Hautfarbe und Ideologie zu fördern, derer das Land so dringend bedarf und die schon Mbeki weggebissen hat. Unter Mbeki hat nur eine relativ kleine schwarze Mittelklasse von der affirmative action profitiert, ein Dutzend Oligarchen von der black economic empowerment (BEE). Der weißen Mittelklasse mit ihrem Sozialkapital, Bildung und Besitz, die ihnen die Apartheid gewährt hat, und den weißen Unternehmern ging es unter Mbeki ebenfalls gut. Die Mehrheit der schwarzen Armen und die Arbeiterklasse hingegen und jene, die im informellen Sektor überleben müssen, wurden weiter an den Rand gedrängt. Mancher fürchtet zurecht, dass Zuma ein Gefangener von Sonderinteressen sein wird, von Vertretern des big black business wie dem Kasino-Magnaten Vivian Reddy oder den Mogulen des BEE, Don Makwanazi, oder der Familie Shaik und Rüstungsfirmen wie Thint, die angeblich Zuma bestochen haben, um sich vor Strafverfolgung zu schützen.

Jetzt ist eine kompetente und entscheidungsfreudige Führung und kein Populismus gefragt, um die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Das Wachstum schwächt sich ab, Inflation und Kosten steigen, und Stromausfälle hemmen die Produktion, während Arbeitslosigkeit und Armut unverändert hoch bleiben, die öffentlichen Dienstleistungen unzureichend sind und die ANC-Anhänger immer lauter nach Umverteilung rufen. Und das alles inmitten einer globalen Finanzkrise.

Zuma beruhigt die Geschäftswelt, er werde Mbekis Wirtschaftspolitik nicht revidieren. Dem amtierenden Staatspräsidenten Motlanthe wurde ein Regierungsbericht über die letzten 15 Jahre überreicht. Darin heißt es, dass trotz eines Wachstums von durchschnittlich fünf Prozent in all diesen Jahren nicht genug getan wurde, um Armut und Ungleichheit zurückzudrängen und so das Vertrauen in die Regierung zu stärken.

Probleme, die man vor fünf Jahren identifiziert hat, haben sich verstärkt. Joel Netshitenzhe, Leiter der Dienste für Politik-Koordination und -Beratung, wird im Bericht zitiert: "Das Wachstum hat Schwächen aufgedeckt. Eine Steigerung der Wachstumsrate führt nicht automatisch zur Verringerung der Armut." Auch habe das Wachstum nicht die Ungleichheiten abgebaut, sondern die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert. Netshitenzhe betont: "Der Staat musste neue Wege einschlägen, um solche Aufgabenstellungen umzusetzen, doch er hat das nicht immer mit der nötigen Entschiedenheit und Flexibilität getan."

Dass die Linke sich auf die Seite Zumas geschlagen hat, bedeutet nicht, dass er ihnen mehr Mitsprache in der Wirtschaftspolitik einräumen wird. Sie dürfte regelmäßiger konsultiert werden. Doch auch Zuma wird ihnen - wie Mbeki - erklären, die Märkte dürften nicht aufs Spiel gesetzt werden. Zuma wird auch seine anderen Unterstützer bedienen müssen, die BEE-Oligarchen, die sich von Mbeki übergangen fühlten und sich nun hinter Zuma gestellt haben. Andere, die aus dem Luxusabteil aussteigen mussten, fordern nun ihren Anteil am Kuchen. Cosatu und SACP werden mit ihnen um Zumas Ohr konkurrieren. Diese beiden Verbündeten des ANC fordern eine "volle Partnerschaft" und keinen Juniorpart wie unter Mbeki. Blade Ndzimande von der SACP fordert mehr Kandidaten seiner Partei auf der ANC-Liste für die Wahlen im kommenden Jahr, mehr Berufungen auf Ministerposten auf nationaler wie Provinzebene, eine stärkere Berücksichtigung bei Bürgermeisterposten und Ratssitzen.

Statt sich aus der juristischen Klemme zu befreien, haben sich durch den Sturz Mbekis Zumas rechtliche Probleme nur vergrößert. Als der ANC-Generalsekretär Gwede Mantashe die "Abberufung" Mbekis bekannt gab, sagte er: "Die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft, Berufung einzulegen, ist ein Ärgernis und eine Sollbruchstelle für den ANC." Tatsache ist, dass gegen Zuma 16 Klagen wegen Korruption laufen. Richter Chris Nicholson lehnte den Prozess zwar aus verfahrenstechnischen Gründen ab, betonte aber, die Entscheidung betreffe nicht den Inhalt der Anklage, und legte der Staatsanwaltschaft eine Neuaufnahme nahe. Schon um der eigenen Reputation willen hat die Strafverfolgungsbehörde keine andere Wahl, als Einspruch einzulegen und Zuma erneut anzuklagen.


Heterogene Zuma-Koalition

Die Zuma-Koalition besteht aus fünf unterschiedlichen Gruppierungen, die allein die Opposition gegen Mbeki einte. Dieser Kitt fehlt nun. Mit Mbekis Abgang sind nun alle damit beschäftigt, sich eine gute Ausgangsposition im bestehenden Machtvakuum zu sichern. Nicht alle in dieser Koalition stehen bedingungslos hinter einer Präsidentschaftskandidatur Zumas. Der kann sich auf die ANC-Jugendliga und die BEE-Oligarchen verlassen. Cosatu und SACP haben keinen alternativen eigenen Kandidaten und setzen darauf, Zuma manipulieren zu können. Und jene aus der ANC-Führung, die ebenfalls mit Korruptionsprozessen rechnen müssen, befürworten Zuma, weil sie von seiner Präsidentschaft eine Niederschlagung der Anklagen erwarten. Die Zuma-Koalition ist also geteilt zwischen jenen die Zuma auf Biegen und Brechen zum Präsidenten machen wollen, und jenen, die Pardon für Korruption und Ämterpatronage erhoffen, gegenüber denen, die nach einer Führung Ausschau halten, die den ANC wieder zusammenführen kann und eine pro poor-Politik verfolgen; dazu zählen die besonneneren Element innerhalb von Cosatu und der SACP. Zuma hat seine Koalition keineswegs voll im Griff.

In der Woche, als die in der Zuma-Koalition versammelten Widersacher Mbekis sich anschickten, ihn aus dem Amt zu drängen, erschienen all die alten Rivalen der Präsidentschaft Mbekis wieder auf der Hauptbühne: Cyril Ramaphosa, Mathews Phosa und Tokyo Sexwale stellten Zuma genauso in den Schatten wie bereits 10 Jahre zuvor.

Zuma wollte ursprünglich eine gefügigere Unterstützerin, die Parlamentssprecherin Baleka Mbete, als Übergangspräsidentin, doch konnte er sich nicht durchsetzen. Der jetzt amtierende Präsident Motlanthe war nicht Zumas Wahl, sondern jener aus seiner Koalition, die ein stärkeres Interesse an einem geeinten ANC haben und sicherstellen wollen, dass die Regierungspolitik an der Armutsbekämpfung ausgerichtet wird. Sie sehen in Motlanthe eine Alternative, sollte Zuma auf dem Weg über seine rechtlichen Hürden zu Fall kommen.

Angesichts der Krise könnte sich auch die Tür für andere Jungtürken der Motlanthe-Generation öffnen. Um diese Jungtürken - Motlanthe, Phosa, Sexwale und Ramaphosa - einzubinden, hat Zuma angekündigt, nur für eine Amtsperiode zu kandidieren, und danach eine offene Kampfabstimmung im ANC um die Kandidatur in Aussicht gestellt. Im Moment läuft Motlanthe auf der vorteilhaften Innenbahn. Er ist für sechs Monate amtierender Präsident, Zeit genug, sich als Einiger des ANC zu profilieren und neue Akzente in der Politik zu setzen.


Sorge vor einem Einparteienstaat

Sorge bereitet heute, dass die Spaltung der Partei wie der Nation sich ausweitet. Südafrika läuft Gefahr, ein Einparteienstaat oder eine "Partokratie" zu werden. Es gibt keine Brandmauern zwischen Exekutive, Legislative und öffentlichen Institutionen auf der einen Seite und dem regierenden ANC auf der anderen. Die Verfassung fordert eine klare Trennung zwischen Partei und Staat und seinen Institutionen. Das Problem ist jedoch, dass unter Mbeki - und in dieser Tradition steht auch Zuma - wie selbstverständlich davon ausgegangen wurde, der ANC sei die südafrikanische Nation - oder euphemistisch ausgedrückt: Das "Volk selbst" und nicht seine Vertreter. Das heißt letztendlich: Jede Entscheidung der ANC-Führung ist gut für das Land; Parteientscheidungen werden interpretiert als im Interesse der gesamten Nation liegend.

Viele Probleme resultieren aus diesem ungebrochenen Verhältnis von Partei und Staat. Die Paralyse durch innerparteiliche Grabenkämpfe, die grassierende Korruption wie der Mangel an innerparteilicher Demokratie übertragen sich auf den gesamten Staat. Diese Entwicklung hin zu Partei-Staaten ist der Grund dafür, dass viele afrikanische Länder, die von ehemaligen Unabhängigkeits- oder Befreiungsbewegungen regiert werden, es nicht geschafft haben, eine breite demokratische Basis zu errichten. Wenn diese Bewegungen korrupt werden, sich undemokratisch entwickeln oder in Fraktionen zerfallen, wenn sich ein Personenkult herausbildet, dann schlägt das unmittelbar auf die Regierung durch, hemmt Demokratisierung, Entwicklung und den Aufbau von sozialen und anderen staatlichen Diensten. Lässt sich eine solche Entwicklung umkehren?

Die erste Aufgabe für den ANC muss deshalb lauten: innerparteiliche Demokratie schaffen. Das wurde zwar auch auf der Konferenz in Polokwane im Dezember 2007 immer wieder beschworen, geschehen ist jedoch nichts. Zuma steckt jetzt in Erklärungsnöten gegenüber den Provinzverbänden: Warum musste Mbeki auf so brutale Weise sechs Monate vor Ende seiner Amtszeit zum Rücktritt gezwungen werden? Diese Entscheidung hätte vorab in den Verbänden und der Mitgliedschaft diskutiert werden müssen. Zu einer innerparteilichen Demokratie gehört auch, dass die Besetzung der wichtigen Posten offen entschieden wird. Das südafrikanische Wahlsystem räumt den Parteivorsitzenden die Entscheidungsbefugnis bei der Kandidatenaufstellung für Parlament, Provinzabgeordneten und Gemeinderäten ein - und nicht der Mitgliedschaft. Das muss geändert werden. Beim jetzigen Auswahlverfahren sehen sich die Kandidaten in erster Linie den Parteibossen und nicht ihrer Wählerschaft oder der Verfassung verpflichtet.

Ebenso vorrangig steht auch ein neues Wahlsystem an, wie es bereits 2004 von einem Team unter Frederick Van Zyl Slabbert erarbeitet wurde, um den einfachen Menschen gegenüber der Partei mehr Einfluss zu gewähren und die Kandidaten stärker auf ihren Wahlkreis zu verpflichten bzw. sie gegebenenfalls nicht wieder aufzustellen.

Zweitens müssen die demokratischen Institutionen, die Gerichtsbarkeit, das Parlament und der Rechnungshof sich stärker engagieren, Demokratie, die Verfassung und ihre Werte zu verteidigen.

Das Gleiche gilt - drittens - für die Organisationen der Zivilgesellschaft, für die Nichtregierungsorganisationen und Medien. Und viertens muss der normale Bürger entschiedener auf seinen Rechten bestehen und Rechenschaft von Regierung und öffentlichen Einrichtungen fordern.

Ein letzter Punkt: Die Oppositionsparteien müssen seriöser werden, wirklich wichtige Punkte aufgreifen, funktionsfähige Ausschüsse aufbauen und kompetente Persönlichkeiten an die Spitze wählen. Das Fehlen einer relevanten Oppositionspartei ist die größte Schwachstelle der noch jungen Demokratie Südafrikas.

Ob es zu einem ernsten Bruch im ANC kommt, hängt davon ab, ob Zuma Präsident wird. Wenn Motlanthe den ANC hinter sich scharen, die Demokratisierung voranbringen kann und eine Politik im Interesse der Unterprivilegierten einleitet und als Kandidat in die Wahlen geht, dann werden die Unzufriedenen im ANC bleiben. Wenn sie trotzdem ihrer Partei den Rücken kehren, werden sie ein Legitimationsproblem haben. Mit einem Präsidenten Zuma wächst die Gefahr eines Bruches.

Der Dissidentenpartei wird jedoch nur dann Erfolg beschieden sein, wenn sie eine überzeugende Führung und ein überzeugendes Programm mit den oben genannten Leitlinien vorlegen kann. Ansonsten scheitert sie wie die bestehenden Oppositionsparteien, die im Grunde der aktuellen ANC-Politik lediglich linke oder rechte Varianten entgegenzusetzen haben.

Auf lange Sicht bekäme es der Demokratie in Südafrika gut, wenn sich die Dreierallianz aus ANC, Cosatu und SACP neu gruppieren würde. Das Ausscheiden Mbekis bietet da eine Gelegenheit. Das hieße letztendlich eine Trennung in eine Mitte-Links-Fraktion und eine Linke. Die derzeitigen Oppositionsparteien hätten in diesem Spektrum ihren Platz auf der Rechten.

Sollte Zuma Staatspräsident werden, würde das Land nicht zusammenstürzen, doch würde es sich weiter dahinschleppen mit Demokratie, Protektion und Entwicklung für die Wohlhabenden und politisch gut Vernetzten, Inseln des Wohlstands für wenige und fortgesetzte Armut und Tyrannei für die Mehrheit. Mbekis erzwungener Rücktritt und der Versuch der ANC-Führung, Zuma auf Biegen und Brechen zum Staatspräsidenten zu machen, haben ein warnendes Erdbeben ausgelöst: Südafrika braucht ein Überdenken seiner Politik.


Aus: Pambazuka News, 9.10.08
Der Autor ist südafrikanischer Journalist und Verfasser von "Thabo Mbeki and the Battle for the Soul of the ANC".


*


Weitere Artikel in afrika süd Nr. 6, Dezember 2008


Wahlmarathon 2009
Im kommenden Jahr stehen etliche Wahlen im Südlichen Afrika an. Eine Vorschau von Hein Möllers.

aktuell

südafrika
Ein politisches Erdbeben
Wie sieht nach dem Rücktritt Thabo Mbekis die Zukunft des ANC aus? Wie, wenn Jacob Zuma im April als Präsident folgen wird? William M. Gumede sieht langfristig eine Neugruppierung der politischen Landschaft Südafrikas.

Eine neue Chance für Südafrika?
Bei ausländischen Beobachtern steht Jacob Zuma zu Unrecht in schlechtem Ruf, meint Klaus Frhr. von der Ropp. Zuma habe das Zeug, die Gesellschaft zusammenzuführen und Brücken zu schlagen - auch zu den Afrikaanern.

namibia
Reale Hoffnungen und eine Geisterdebatte
Zu Jahresbeginn ist in Namibia ein Pilotprojekt zum Grundeinkommen BIG gestartet. Im Oktober wurde eine erste Zwischenbilanz vorgelegt, doch der Bericht löste auch Kontroversen aus. Von Reinhart Kößler.

Modell Otji
Ein Beitrag zur Problemlösung in der sanitären Grundversorgung Namibias sind Trockentoiletten, wie sie in Otjiwarongo errichtet wurden. Von Ali Hensel.

Erinnerungen, Identitäten und Gegenwart
Reinhart Kößler hat die Gedenkfeste der Bondelswarts und Witboois im Süden Namibias besucht.

dr kongo
"Wir werden die Menschen des Kongo befreien"
Die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Milizen im Osten der DR Kongo haben wieder zugenommen. Sabine Schulze berichtet.

ruanda
"Das ist meine Geschichte"
HIV-infizierte ruandische Frauen erzählen ihr Leben, um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen. Lale Heim hat mit ihnen gesprochen.

Die Geschichte von Mukamana Odette

malawi
Wider die Marktschreier
Malawis Regierung subventioniert Saatgut und Dünger, weswegen die Kleinbauern wieder gute Ernten einfahren. Von Busani Bafana.

mosambik: kommunalwahlen
Spannender Dreikampf
Am 19. November wurden in Mosambik die dritten Kommunalwahlen abgehalten. Warum die Bürgermeisterwahlen in Beira so spannend waren, sagt uns Elke Zimprich Mazive.

Frelimo gewinnt Kommunalwahlen
Von Andrea Queiroz de Sauza.

mosambik: biosprit
Afrikas Blattgold
Sie ist giftig, wächst auf kargen Böden - und der Saft ihrer Früchte kann Motoren antreiben: Jatropha heißt die große Hoffnung Mosambiks, meint Ingrid Müller.

Jatropha auf dem Vormarsch?
Via Campesina konfrontiert die globale Agro-Kraftstoffindustrie. Von John E. Peck.

südafrika: umwelt und klima
Einstieg in den Klimaschutz
Südafrika legt eine Klimaschutzstrategie vor. Eine kritische Bewertung von Trusha Reddy.

"Der Markt für erneuerbare Energien wird wachsen"
Auszug aus einem Interview der Heinrich-Böll-Stiftung mit Saliem Fakir.

Die Wüste schleicht sich an
Kein Abwarten und Tee trinken: In Südafrika ist der Rooibos-Anbau gefährdet - und mit ihm die Existenz vieler Kleinfarmer. Von Leonie Joubert.

service
Rezensionen


*


Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
37. Jahrgang, Nr. 6, Dezember 2008, S. 8 - 11
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
Königswinterer Straße 116, 53227 Bonn
Tel.: 0228 / 46 43 69, Fax: 0228 / 46 81 77
E-Mail: issa@comlink.org
Internet: www.issa-bonn.org

"afrika süd" erscheint mit 6 Heften im Jahr
Jahresabonnement Euro 35,-


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2009