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AFRIKA/730: Regensaison in Namibia - Segen und Schaden (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 2, März/April 2009

Segen und Schaden

Von Bertchen Kohrs


Namibia ist Trockenheit und Dürren gewohnt. In diesem Jahr regnet es im ganzen Land heftig. Es grünt und blüht. In manchen Gegenden aber ist "Land unter" - eine segensreiche wie zerstörerische Regensaison.


So etwas hab ich in meiner langen Zeit in Namibia noch nicht erlebt: Regen, Regen, Regen, ein Tropfen herrlicher als der andere. Staubfreie, frisch gewaschene Luft, kühle Temperaturen, grüne Landschaft, Wasserpfützen, gut genährte, glänzende Tiere, wilde und zahme.

Seit Mitte Januar regnet es jeden Tag, mal mehr, mal weniger, meistens mehr. Heute, am 4. März, habe ich in meinem Garten insgesamt 739 mm gemessen; Durchschnitt für unsere Gegend sind 300 bis 400 mm. Diesen Pegel haben wir allein schon im Februar erreicht.

Früher gab es den Beamtenregen, wie ich ihn nannte, heftig und kurz; fing um fast genau 17.00 Uhr an und hörte auf, nachdem man klatschnass zu Hause war.

Nun ist schwarzer Himmel rundrum, fast den ganzen Tag. Er entlädt sich in heftigen Schauern, nicht aus heiterem Himmel, aber von einer Minute zur anderen. Man ist in Sekundenschnelle bis auf die Haut nass. Das sind dann Regenfälle so um die 10 bis 20 oder 30 mm in eine knappen halben Stunde. Oft gibt es aber auch stundenlangen Landregen, mit feinen Tropfen, der meistens nachmittags einsetzt und bis zum nächsten Morgen durchhält. Dann habe ich schon mal 50, 60 oder auch 70 mm im Regenmesser. Es gibt kein schöneres Erwachen als nachts durch das Trommeln der Regentropfen auf dem Wellblechdach.

Manchmal erlauben die Wolken der Sonne kurze Intervalle, gerade lange genug, um die Erde zum Dampfen zu bringen und das Wasser in meiner Solaranlage für ein angenehmes Duschen aufzuheizen.

Die Pflanzen in meinem Garten reagieren auf so ungewohnte Wassermassen mit ungehemmtem Wachstum. Eine Vielfalt von Pilzen schießt aus dem Boden, einer schöner und wahrscheinlich giftiger als der andere. Nach neunjährigem Bemühen und diesjährigem Segen von oben sieht mein Garten nun aus, wie ich ihn immer haben wollte. An manchen Stellen muss man sich bücken, um durch den Dschungel zu kommen, streift man an Ästen oder Zweigen, kriegt man einen Schwall von Regentropfen ab.

Kriechtiere, Käfer, Würmer, Schnecken, Tausendfüßler (wir nennen sie Shongololo, so heisst auch ein Touristenzug), Armeen von Ameisen suchen Schutz im Haus. Wenn ich sie hinaus trage, kommen sie wieder hinein und suchen Obdach. Klarer Fall von Angst vorm Ertrinken? Was meine Prognose von noch viel mehr Regen bestätigen könnte.

Am Wochenende war ich mit Freunden unterwegs in Richtung Norden auf der Suche nach den beliebten und wohlschmeckenden Omajobas (Termitenpilze), die um diese Jahreszeit buchstäblich aus dem Boden schießen und esstellergroß werden; ein Omajoba wiegt grob geschätzt 300 bis 500 Gramm. Die Pilze wachsen bei gutem Regen am Fuß von Termitenhügeln, man kann zusehen, wie sie sich entfalten und zu wunderbaren Gebilden heranwachsen. Normalerweise verzehren die Termiten ihre Pilzbrut innerhalb ihres Baus selber. Aber wenn es bei Wärme sehr nass wird, wachsen die Pilze schneller, als sie gefuttert werden können. Dann brechen sie durch die Termitenbauten und beglücken uns mit einer wahren Kostbarkeit. Wenn ich einen Termitenpilz finde und ernte, habe ich das Bedürfnis, den Termiten als Dank für ihre großzügige Gabe etwas zurückgeben zu wollen. Aber was?

Na ja, jedenfalls waren wir zu spät für die eigene Ernte und mussten uns mit dem Kauf von Omajobas am Straßenrand begnügen. Viele Schwarze suchen schon früh am Morgen die Termitenhügel ab und verdienen sich mit den Pilzen gutes Geld.

Wir verbinden derartige und andere Ausflüge immer mit einem Picknick, das an diesem Sonntag etwas beengt und mal anders, deswegen nicht weniger genussreich und lustig, im hermetisch geschlossenen Wagen stattfand, weil es cats and dogs regnete.

Inzwischen führen wohl alle Trockenflüsse Wasser, viele erreichen das Meer, was nicht häufig vorkommt. Mit Spannung wird die Ankunft des Swakop im Atlantik erwartet. Er fließt stark und muss nur noch die letzte Strecke überwinden. Alle Dämme im Land kriegen Zulauf und etliche laufen über. Schleusen müssen geöffnet werden, riesige Wassermassen werden in die Umgebung entlassen und richten erst Segen und dann Schaden an, indem sie die Menschen aus ihren Häusern vertreiben, Straßen unpassierbar machen und tiefe Schlaglöcher reißen. Das Autofahren wird gefährlich.

Durch den vielen Regen werden Häuser geflutet, Menschen und Tiere ertrinken (im Norden zu dieser Zeit schon über 40 Kinder und Erwachsene), Ernten fallen aus, Brücken stürzen ein, Straßen werden zerstört, Telefonleitungen werden unterbrochen und Emails wird man nicht mehr los.

Gemeindeverwaltungen verkaufen Grundstücke und erlauben Häuser in Gegenden, die als potenzielle Flutgebiete gelten. In manchen nördlichen Gebieten, besonders im Caprivi und im Ovamboland, passieren in jedem Jahr zur Regenzeit die gleichen Katastrophen. Überflutungen, soziales Disaster, Hungersnöte, mangelnde medizinische Versorgung, Verlust an Menschenleben durch Ertrinken und Krankheiten, geschlossene Schulen und Krankenstationen, ausgefallene Ernten und Tragödien, von denen wir keine Vorstellung haben, spielen sich regelmäßig zur Regenzeit ab, in diesem Jahr eben nur ein bisschen heftiger.

Unser Präsident startet eine Drei-Tages-Inspektionstour, um das Ausmaß des Schadens und nötige Hilfsmaßnahmen abzuschätzen. Das passiert aus der Vogelperspektive, ohne nasse Füße, dafür aber voller goodwill. Es wird Hilfe geleistet in Form von Zelten, Medikamenten, Frischwasser, Maismehl und Kochöl. Manches kommt da an, wo es zum Überleben gebraucht wird, vieles geht leider sehr viel andere, undurchsichtige Wege.

Ich höre gerade im Radio, dass die Menschen im Norden dringend aufgerufen werden, sich in aller Eile in höher gelegene Gebiete zu begeben, weil große Flutwellen aus Südangola im Laufe des Tages im Ovamboland erwartet werden.

Namibia ist grün, fast so grün wie Deutschland im Mai oder Juni. Wir sind nicht gewöhnt an dieses Grün, noch weniger ist es die Vegetation, die an die Trockenheit angepasst ist und wahre Überlebenswunder unter normalen Bedingungen vollbringt. Nun wird es manchen Pflanzen zu nass, sie verrotten und kippen um. So geht manche Ernte kaputt. Aber der Grundwasserspiegel wird angefüllt, was dringend nötig ist bei der zu starken Ausbeutung des Grundwassers.

Heute, am 6. März, ist der zweite Tag ohne Regen, aber mit immer noch wunderbarer Wolkenbildung. Manche Namibier werden trübsinnig, weil sie die Sonne vermissen und auf die kühlen Temperaturen mitten im Sommer noch nicht eingestellt sind. Ich liebe diesen Regen, es schläft sich herrlich, und ich bin schon zweimal mit heißer Schokolade ins Bett gegangen, was normalerweise dem Winter vorbehalten bleibt. Touristen fragen sich, warum sie ins Sonnenland Namibia gekommen sind und dabei vom Regen in die Traufe gelangen.


Die Autorin lebt seit 1973 im Südlichen Afrika, sie hat ihr Herz an Namibia verloren. Sie ist leidenschaftliche Umweltaktivistin und leitet seit 20 jahren die Nichtregierungsorganisation "Earthlife Namibia".


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
38. Jahrgang, Nr. 2, März/April 2009, S. 25
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
Königswinterer Straße 116, 53227 Bonn
Tel.: 0228 / 46 43 69, Fax: 0228 / 46 81 77
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"afrika süd" erscheint mit 6 Heften im Jahr
Jahresabonnement Euro 35,-


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juni 2009