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AFRIKA/819: Handelsgerechtigkeit - Auswirkungen der Wirtschaftspartnerabkommen (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 112, 2/10

Handelsgerechtigkeit
Die Auswirkungen der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) auf Frauenrechte und Gleichberechtigung in Tansania und Mosambik

Von Véronique Dion


In diesem Artikel beschreibt die Autorin die Auswirkungen von EPAs auf Frauen, basierend auf der Forschung von One World Action(1) zu "Trade Justice". One World Action erforschte, wie Frauen in Tansania und Mosambik von den Handelsabkommen in ihrer vielfältigen Rolle als Produzentinnen, Angestellte und Verbraucherinnen betroffen sind. Die Analyse basiert auf einer Liste von Gütern und damit verbundenen Liberalisierungszeitplänen, die zwischen der europäischen Union und Tansania bzw. Mosambik vereinbart wurden.


Gleichberechtigung wird zunehmend als entscheidender Faktor für die Erlangung von gerechter und nachhaltiger Entwicklung gesehen. Initiativen, wie die der One World Action (OWA), wollen entwicklungspolitische Widersprüche der Liberalisierung und die Verflechtung von Gender und Handelsbedingungen aufzeigen. Die jüngste Forschung von One World Action analysiert die geschlechtsspezifischen Auswirkungen von EPAs in den Ländern Afrikas, Asiens und der Karibik.

Frauen und Männer sind von Handel unterschiedlich betroffen. Üblicherweise sind sie in verschiedenen Bereichen beschäftigt und haben unterschiedlichen Zugang und unterschiedliche Kontrolle über Ressourcen. Es ist wichtig, Frauen beim Aushandeln der Abkommen und deren Durchführung mit einzubeziehen.


Handelsbeziehungen zwischen der EU und Afrika

Bis 2000 wurde afrikanischen Ländern unter der Lomé-Konvention(2) besserer Zugang zu EU-Märkten bewilligt. Der begünstigte Zugang wurde aber als unbeständig bezeichnet, weil es einige Entwicklungsländer anderen gegenüber bevorzugte. 2002 wurde über die Einführung neuer EPAs verhandelt. EPAs sollten die Ökonomien stützen und letztlich zur Armutsreduktion führen. Die EPA-Verhandlungen hätten bis Dezember 2007 abgeschlossen sein sollen, aber bisher haben nur die Elfenbeinküste, Kamerun, Mosambik, Swasiland, Botswana, Madagaskar und Simbabwe ein EPA unterschrieben. Ghana, Kenia, Uganda, Tansania, Burundi, Ruanda, Sambia und Namibia haben sich verpflichtet, die Verhandlungen über ein Abkommen weiterzuführen.

Der Inhalt und zeitliche Rahmen von EPAs ist aller Voraussicht nach eine Gefährdung und weitere Behinderung von Entwicklungsbemühungen. Tatsächlich verlangen EPAs die Aufhebung von mindestens 80% der Zölle auf alle EU-Importe innerhalb von zehn Jahren nach Unterzeichnung des Abkommens. Der zeitliche Rahmen erschwert es den Ländern, sich an den Einnahmenverlust durch die Abschaffung der Zölle anzupassen. Wenn EPAs ein Entwicklungswerkzeug werden, ist es wichtig, sich über deren geschlechtsspezifische Auswirkungen klar zu werden.


Gender-Effekt durch Einnahmenverlust

In Tansania und Mosambik ist die unmittelbare Auswirkung der Aufhebung von Zöllen auf EU-Importe ein Staatseinnahmenverlust, der zu Kürzungen in den Bereichen der sozialen Dienstleistungen, Infrastruktur, Gesundheit und Bildung führt. Kürzungen in diesen Sektoren treffen meist Frauen überproportional. Erfahrungen von Tansania, wo Ausgabenkürzungen in sozialen Schlüsselsektoren unter den Strukturanpassungsplänen eine Steigerung der Frauensterblichkeit verursachten, belegen dies. Der Verlust von Staatseinnahmen und der daraus folgenden Kürzung öffentlicher Ausgaben durch Handelsliberalisierungen kann die Belastung der Haushalte erhöhen, wenn Frauen die Lücken im Sozial- und Pflegebereich füllen müssen. Um sich die privatisierten Dienstleistungen leisten zu können, müssen Frauen länger arbeiten. Regierungen könnten verleitet sein, den Verlust der Zölle durch andere Steuern zu kompensieren. Die Einführung von alternativen Steuern, wie z. B. Umsatzsteuer auf Essen, könnte aber die Nahrungssicherheit von Haushalten gefährden - wiederum eine Auswirkung, die zu Lasten der Frauen geht.


Beschäftigungs-/Produktionseffekt

Die Einführung von EU-Gütern auf die lokalen Märkte wird wahrscheinlich einen minimalen Effekt auf die Beschäftigung von Frauen haben, weil die meisten liberalisierten Produkte nicht lokal produziert werden und Sektoren betreffen, in denen Frauen einen kleinen Teil der Arbeitskräfte ausmachen. Zum Beispiel arbeiten in Mosambik 91% von den beschäftigten Frauen in der Landwirtschaft, und nur 3% von den Gütern, die liberalisiert werden, sind landwirtschaftliche Produkte. Die gesicherte weibliche Beschäftigung garantiert aber nicht einen fairen Handel. Frauen haben meistens eine geringere Chance, in einen produktiveren Sektor zu wechseln, weil sie für Kinderversorgung und Haushalt zuständig sind. Die Möglichkeit, von billigeren Importen zu profitieren, um die Produktivität zu erhöhen, ist ein weiteres Beispiel, dass Handelsvorteile für Frauen nicht immer leicht zugänglich sein müssen. In Mosambik können Importe von Zwischengütern wie Bewässerungspumpen und landwirtschaftliche Maschinen möglicherweise die Produktionsbedingungen für Bäuerinnen verbessern. Unter welchen Bedingungen sie aber in produktivere Sektoren wechseln, muss erst analysiert werden, weil dieser Wechsel möglicherweise nicht einmal einen Mindestlohn mit sich bringt.


Konsumeffekte

Für gewöhnlich wird argumentiert, dass durch Handelsliberalisierung Importprodukte billiger werden. Davon können Frauen möglicherweise als Zuständige für den Haushalt profitieren.

One World Action's Forschung zeigt jedoch auf, dass die Konsumauswirkung eher regressiv ist. Einige EU-Importe wie Waschmaschinen in Mosambik oder Gaskocher in Tansania begünstigen eher reichere Haushalte, weil diese Produkte nur von diesen gekauft werden können. Mit der besseren Verfügbarkeit von Haushaltsgeräten könnten allerdings auch Hausangestellte verdrängt werden, wovon wiederum viele Frauen betroffen wären.


Conclusio

Die Auswirkungen von EPAs auf Tansanierinnen und Mosambikanerinnen basieren auf der vereinbarten Liberalisierungsliste von Gütern und deren Importen. Obwohl EPAs noch nicht zur Anwendung kamen und obwohl Geschlechterungleichheiten nicht das primäre Ziel der EPAs sind, gibt es noch immer die Möglichkeit, Maßnahmen zu setzen, um die negativen Auswirkungen auf Frauen abzuschwächen. Eine Kombination von Maßnahmen und Strategien durch nationale Regierungen und EU-Mitgliedsstaaten ist nötig, um sicherzustellen, dass die Vorteile wie die Einfuhr von Industriegütern, die die Produktivität erhöhen, nicht in den Händen von ein paar Privilegierten bleiben.

Die Studie von One World Action ist eine der ersten detaillierten ökonomischen Analysen von voraussichtlichen Genderauswirkungen dieser Wirtschaftsabkommen. Es ist wesentlich, diese Informationen in zukünftige Handelsabkommen zu integrieren, damit die Vorteile von verstärktem Handel von Frauen und Männern gleichermaßen genossen werden können.


Dieser Artikel basiert auf dem Bericht: "Trade Justice, the gender effects of Economic Partnership Agreements (EPAs)" von Dr. Marzia Fontana, Koordinatorin dieser Untersuchung. Länder-Studien wurden durchgeführt von Dr. Maimuna Ibraimo (Mozambique), Dr. Leith Dunn (Jamaica) und Dr. Holger Seebens (Tanzania).

Anmerkungen:

(1) One World Action (www.oneworldaction.org) ist eine NGO mit Sitz in London. Sie bietet finanzielle und rechtliche Hilfe für PartnerInnen in Asien, Afrika und Lateinamerika.

(2) Dieses Handelsabkommen wurde 1975 unter der Lomé-Konvention zwischen Europa und den Ländern Afrikas, der Karibik und des Pazifiks unterzeichnet.


Zur Autorin:

Véronique Dion ist im Bereich Gender und Entwicklung bei One World Action (UK) beschäftigt. Zurzeit arbeitet sie an einem Projekt zur Durchführung von EU-Gender-Strategien in den von neuen EU-Mitgliedsstaaten geschaffenen Entwicklungskooperationen. Sie lebt in England.


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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 112, 2/2010, S. 12-13
Herausgeberin:
Frauensolidarität - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen,
Sensengasse 3, 1090 Wien,
Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0
Telefax: 0043-(0)1/317 40 20-406
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Die Frauensolidarität erscheint viermal im Jahr.
Einzelpreis: 5,- Euro;
Jahresabo: Österreich und Deutschland 20,- Euro;
andere Länder 25,- Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juni 2010