Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

AFRIKA/895: Botswana - Kein Brunnen für die San, Proteste gegen Diamantenhandel (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. November 2010

Botswana: Kein Brunnen für die San - Proteste gegen Diamantenhandel

Von Peter Boaz


Washington, 8. November (IPS) - Die Menschenrechtsorganisation 'Survival International' hat zum Boykott gegen den Handel mit Diamanten aus Botswana aufgerufen. Sie wirft der Regierung in Gaborone vor, die ethnische Minderheit der San (Buschleute) nach der Erschließung der ergiebigen Diamantenfelder 2002 von ihrem Traditionsland in der Kalahari-Wüste vertrieben zu haben.

Während vom 1. bis 4. November in Jerusalem Vertreter des Kimberley-Prozesses (KP), des freiwilligen Regulierungsmechanismus zur Unterbindung des illegalen Handels mit so genannten Blutdiamanten, zu ihrer Jahreskonferenz zusammenkamen, forderte Miriam Ross von Survival International vor der Londoner Niederlassung des Diamantenmultis De Beers den Diamantenhandel mit Botswana so lange zu boykottieren, "bis man den Buschmännern erlaubt, in Frieden auf ihrem Traditionsland zu leben."

"Kein Land kann sich schlechte Publizität leisten, das gilt auch für Botswanas Regierung", erklärte die Aktivistin. "Je mehr Menschen erfahren, wie man dort die Buschmänner behandelt, umso weniger Diamantenkäufer und Touristen dürfte Botswana erwarten. Dem Aufruf der Organisation hat sich inzwischen eine Gruppe britischer Promis angeschlossen. Dazu gehören Schauspielerinnen wie Sophie Okonedo und Gillian Anderson aus der TV-Serie 'Akte X' sowie der Kinderbuchautor Quentin Blake.

Die Diamantenvorkommen in der Kalahari gehören zu den ergiebigsten weltweit. Botswanas Anteil an der globalen Diamantenförderung liegt bei fast 25 Prozent. Mit den Einkünften aus dem Diamantenhandel finanziert die Regierung des kleinen Landes fast die Hälfte ihres Staatshaushaltes.

Als 2002 auf dem Gebiet einer San-Gemeinde ein neues Diamantenfeld entdeckt wurde, dessen Ausbeutung auf 3,3 Milliarden US-Dollar geschätzt wird, stellte die Regierung nach Angaben von Survival International die lebensnotwenige regelmäßige Wasserversorgung der einheimischen Bevölkerung durch einen Tankwagen ein.


Wasserversorgung der Indigenen eingestellt

Die erforderlichen Pumpen und die Vorratstanks wurden entfernt. Das Bohrloch, die einzige Wasserquelle der Gemeinde, durfte nicht länger benutzt werden. Aktivisten sehen in dem Verbot den bislang letzten Versuch der Regierung, die Buschmänner von ihrem Land zu vertreiben.

"Botswanas Diamantenindustrie ist der siamesische Zwilling der Regierung", stellte Stephen Corry, Direktor von Survival International, fest. "Man sollte wissen, dass Diamanten aus Botswana nicht nur ein kostbarer Beweis ewiger Liebe sind, sondern auch ein Symbol für die abscheuliche Unterdrückung der Ureinwohner im südlichen Afrika."

Umweltminister Kitso Mokaila wies die Kritik zurück. "Die von Survival International betriebene Kampagne ist nichts weiter als eine Geldsammelaktion auf Kosten eines ganzen Volkes", sagte er der BBC. "Dank unserer Bodenschätze konnten wir alle zur Schule gehen und haben die wirtschaftliche Entwicklung aller Gemeinden vorangebracht", erklärte er. "Deshalb sollten Touristen zu uns kommen, um selbst zu sehen, was es mit Survivals Verleumdungen auf sich hat."

Botswanas Regierung verhandelt derzeit mit dem internationalen Diamantenunternehmen 'Gem Diamonds' über ein 3,3 Milliarden-Dollar-Geschäft. 2007 hatte De Beers das Diamantenfeld von Gope für 34 Millionen Dollar an Gem Diamonds verkauft.


Indigene als Störfaktor

Die in der Kalahari lebenden San waren schon seit den ersten Diamantenfunden in den 80er Jahren von der Regierung unter Druck gesetzt wurden. Seit 2002 haben tausende Buschmänner ihr Land verlassen - "freiwillig und angemessen entschädigt", wie die Regierung betonte, die damals angeblich nichts von den Diamantenvorkommen wusste.

Nach dem darauf folgenden längsten und kostspieligsten Prozess in der Geschichte Botswanas entschied ein Gericht 2006, die Vertreibung der Buschmänner sei verfassungswidrig und illegal. Die indigenen San sollen auf ihr Land zurückkehren dürfen. Doch von der lebensnotwenigen Wasserversorgung sind sie weiterhin ausgeschlossen.

"Mit ihrem jüngsten illegalen Maßnahmen beweist die Regierung ihre Vorurteile gegen die Buschmänner", kommentierte Survival die gerichtlich noch nicht geklärten Fragen über die Umsetzung des Urteils.

"Das alles zieht sich schrecklich lange hin, doch wir machen Fortschritte und kommen hoffentlich irgendwann auch zu einer Lösung", versicherte Umweltminister Mokaila.

Survival International verweist darauf, dass die Regierung ungeachtet des den San erteilten Verbots, in der Kalahari nach Wasser zu bohren, mit finanzieller Unterstützung der 'Tiffany & Co. Foundation' Wasserstellen für wilde Tiere anlegt und das Touristikunternehmen 'Wilderness Safaris' auf dem Land der San eine luxuriöse Touristen-Lodge mit Pool bauen lässt.


Kimberley-Prozess erzielt keine Einigung mit Simbabwe

Botswanas Diamanten waren auf dem Jahrestreffen des Kimberley-Prozesses, der die Legalität des internationalen Diamantenhandels kontrollieren soll, kein Diskussionsthema. Hier brachte auch die viertägige Debatte über Simbabwes von der Regierung mit brutaler Gewalt vereinnahmte Diamantenmine Marange keine endgültige Einigung.

Weil die Regierung von Staatspräsident Robert Mugabe immer noch nicht alle Zertifizierungs-Bedingungen für einen uneingeschränkten Handel mit den hier geförderten Rohdiamanten erfüllt und die Zivilgesellschaft nicht an den vom KP vorgeschriebenen Kontrollen der Mine beteiligt, bleibt das Exportverbot weiterhin bestehen. Dennoch rechnen Experten damit, dass die Regierung ihr lukratives Diamantengeschäft fortsetzen und die Steine illegal aus dem Land schaffen wird. (Ende/IPS/mp/2010)


Links:
http://www.survivalinternational.org/
http://www.kimberleyprocess.com/
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=53460


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 8. November 2010
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. November 2010