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AFRIKA/970: Somalia - Schwere Zeiten für AU-Mission, Übergangsregierung "korrupt und unfähig" (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. März 2011

Somalia: Schwere Zeiten für AU-Mission - Übergangsregierung "korrupt und unfähig"

Von Rosebell Kagumire


Kampala, 7. März (IPS) - Zweimal die Woche pflegte Michael Muhamuza seine Familie in Uganda anzuklingeln, um ihr mitzuteilen, dass es ihm gut ging. Doch dann rissen die Anrufe des in Somalia stationierten Soldaten ab. Der 25-Jährige gehörte zu einer unbekannten Zahl von Ugandern und Burundiern, die unter dem Banner der afrikanischen Friedensmission AMISOM im Februar ihr Leben ließen.

Der Friedens- und Sicherheitsrat der Afrikanischen Union hatte AMISOM im Januar 2007 ins Leben gerufen, um Somalias Übergangsregierung (TFG) zu unterstützen. Uganda war das erste Land, das Truppen für den Einsatz stellte. Insgesamt sind 5.000 Ugander und 3.000 Burundier unter dem Banner der AU in der somalischen Hauptstadt Mogadischu für die TFG im Einsatz.

Doch vier Jahre sind vergangen, ohne dass die Mission nennenswert vorangekommen wäre. Stattdessen konnten die AMISON- und TFG-feindlichen islamistischen Milizen 'Al-Schabab' und 'Hisbul Islam' ihre Kontrolle über den Süden und die Mitte Somalias und über Mogadischu konsolidieren.

Al-Schabab gelang es sogar, die somalische Übergangregierung in einen noch kleineren Winkel der Hauptstadt abzudrängen. Die Gruppe nimmt regelmäßig AMISON-Stellungen unter Beschuss und hat auch ihre Angriffe auf die Vertreter der Übergangsregierung erhöht. Zudem behauptete sie sich gegen eine äthiopische Militäreinheit und vertrieb sie Anfang 2009 aus Somalia. Im Juli 2010 machte Al-Shabab mit mehreren Bombenanschlägen auf die ugandische Hauptstadt Kampala auf sich aufmerksam. Dabei starben 75 Menschen.

Somalia ist seit dem Sturz des inzwischen verstorbenen Präsidenten Siad Barre 1991 und dem Ausbruch des Bürgerkriegs ohne funktionstüchtige Regierung. Im Norden existieren lediglich zwei regionale Administrationen: die selbsternannte 'Republik von Somaliland' im Nordwesten und der halbautonome Staat Puntland im Nordosten. In Mogadischu sitzt eine internationale anerkannte Föderale Übergangsregierung (TFG), die aus einem Übergangspräsidenten, einen Regierungschef und einem Kabinett (Ministerrat) besteht.


AMISOM in der Falle

Nach Ansicht von Ej Hogendoorn, dem Ostafrika-Direktor der 'International Crisis Group' (ICG), hat vor allem die TFG Schuld daran, dass sich die ugandischen und burundischen Truppen in Mogadischu in einer "Catch-22-Situation" befinden. Die TFG sei viel zu "korrupt und unfähig", um Somalia regieren zu können, sagte er im IPS-Gespräch. So habe sie dem Land weder zu eigenen Sicherheitskräften verholfen, noch den Eindruck zerstreuen können, AMISON sei eine Besatzungstruppe.

Zwar versicherte der AMISOM-Kommandant Nathan Mugisha am 5. März auf einer Pressekonferenz in Kenias Hauptstadt Nairobi, dass die Truppen seit dem Ausbruch von Kämpfen am 19. Februar ihre Präsenz in Mogadischu deutlich ausbauen konnten. Zur Zahl der Opfer wollte er jedoch keine Angaben machen. Medienberichten zufolge starben mindestens 50 AMISON-Sodaten - in der Mehrheit Burundier. In den vier Monaten zuvor hatten 37 Ugander in Mogadischu ihr Leben gelassen.


TFG-Strategiemangel

Doch nicht nur die hohen Opferzahlen, auch Übergriffe auf Zivilisten lassen die AMISOM in einem wenig vorteilhaften Licht erscheinen. So hatten somalische Flüchtlinge im Norden Kenias kürzlich gegenüber der internationalen Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Watch' von gewaltsamen Übergriffen sowohl der Al-Schabab als auch der AMISON berichtet. Die Gewalt sei vor dem Hintergrund der jüngsten Kämpfe und der Bombenanschläge in Kampala zu sehen, hieß es.

Seitdem wirbt der ugandische Präsident Yoweri Museveni um Unterstützung für eine Erhöhung der AMISON-Truppenstärke. Zusammen mit seinen Amtskollegen der Mitgliedsländer der Zwischenstaatlichen Entwicklungsbehörde IGAD schlug er vor, die Soldaten mit einem deutlich aggressiveren Mandat zur Friedenssicherung auszustatten - eine Forderung, die der UN-Sicherheitsrat jedoch zurückweist.

Hogendoorn bezweifelt, dass eine Militäroffensive ohne einen politischen Strategiewechsel erfolgreich sein wird. Schon in ihrem Bericht hatte die ICG darauf hingewiesen, dass es der somalischen Übergangsregierung bis heute nicht gelungen sei, mit anderen Gruppen Allianzen zu schmieden. Das sei ein gefährliches Zeichen. So komme sie weder mit den lokalen Behörden in den friedlichen Teilen des Landes wie Xeeb oder Puntland klar, noch mit den Gruppen im Süden und Zentrum des Landes, die sich als natürliche Alliierten anböten.

Die Situation sei unhaltbar, warnte Hogendoorn. "Ich sollte vielleicht noch sagen, dass die Al-Shabab-Milizionäre nicht einfältig sind. Sie wissen, dass sie Zeit haben. Sie versuchen, den Druck auf die ugandischen und burundischen Streitkräfte zu erhöhen, indem sie sie in möglichst viele Übergriffe verwickeln. Ihnen geht es darum, die AMISOM zum Abzug zu zwingen."

Letztlich sind es AU-Soldaten wie Muhamuza und deren Familien, die den Preis für eine halbherzige Strategie zahlen. Muhamuza hatte eineinhalb Jahre für die AMISOM gekämpft, seine Vorbereitung auf den Einsatz dauerte ein Jahr.

"Ich hatte ihm abgeraten, sich der Armee anzuschließen", berichtet sein Bruder. "Doch dann machte er sich einfach heimlich davon. Als er uns später erzählte, in Somalia im Einsatz zu sein, war unsere Angst groß." Nun bleibt der Familie nichts weiter übrig, als sein Begräbnis auszurichten - ohne Leichnam. Und Somalia macht mit einer Übergangsregierung weiter, die nach Ansicht der ICG nicht der Rede wert ist. (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.crisisgroup.org/en/regions/africa/horn-of-africa/somalia/1
http://www.hrw.org/en/news/2011/02/14/somalia-stop-war-crimes-mogadishu
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=54725

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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. März 2011