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AFRIKA/981: Niger - Wissenschaftlerkonferenz berät über Strategien gegen die schweren Hungersnöte (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. März 2011

Niger: Hungersnöte strategisch bekämpfen - Wissenschaftler fordern Kooperation der Politik

Von Grit Porsch


Berlin, 30. März (IPS) - In Nigers Hauptstadt Niamey berät derzeit eine international besetzte Wissenschaftlerkonferenz (CISAN) über Strategien gegen die schweren Hungersnöte, die Millionen ohnehin unterernährte Menschen in der Sahelzone regelmäßig heimsuchen. Die noch amtierende Interims-Regierung hatte die Experten eingeladen. Sie sollen Wege aus dem Teufelskreis von Dürreperioden, Ernteausfällen und Hunger aufzeigen, in den zwei Drittel des westafrikanischen Landes mit Millionen Menschen immer wieder geraten.

"Seit 30 Jahren verbessern wir die wissenschaftlichen Voraussagen von Dürreperioden und geben den Ländern Instrumente in die Hand, um sich rechtzeitig darauf vorzubereiten. Doch die wenigsten Politiker nehmen sie zur Kenntnis", zitierte der UN-Nachrichtendienst IRIN Alhousseini Bretaudeaum. Der Professor aus Mali ist Generalsekretär des Ständigen zwischenstaatlichen Komitees für Dürrekontrolle in den Sahelländern (CILSS).

Auch Nigers im Februar 2010 vom Militär gestürzter Staatspräsident Mamadou Tandja weigerte sich, in der damals drohenden Hungersnot eine Krise zu sehen. Die Warnungen von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) schlug er in den Wind. "Für die damalige Regierung waren Begriffe wie Nahrungsmittelkrise oder auch nur Ernährung tabu", berichtete Simone Winneg von der deutschen Hilfsorganisation 'Humedica'. "Wir hätten das Land verlassen müssen, wenn wir darüber gesprochen hätten."

Damit die von der Konferenz vorgeschlagenen strukturellen und sozialen Maßnahmen dauerhaft greifen, setzen die Konferenzteilnehmer auf die Kooperation einer einsichtigen Regierung. Denn Ernten vernichtende Naturkatastrophen wie überlange Dürreperioden oder eine Heuschreckenplage sind nur die eine Seite der chronischen Ernährungskrisen. Experten sehen die Hauptursache in Versäumnissen von Regierungen, die weder für eine verbesserte Infrastruktur noch für eine Modernisierung der Landwirtschaft, etwa durch Bewässerungsanlagen oder durch ergiebigeres Saatgut, gesorgt haben.

Der Direktor des französischen Institute of Research for Development (IRD), Jean-Pierre Guengant, benannte auch gesellschaftliche Faktoren wie den miserablen Bildungsstand der Frauen und Nigers weltweit höchste Geburtenrate von durchschnittlich sieben Kindern pro Familie. "Diese Konferenz war längst überfällig", betonte er.

Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks (UNICEF) hat Niger die weltweit höchste Müttersterblichkeit und gehört auch bei der Säuglingssterblichkeit und der Schulbildung für Mädchen im globalen Vergleich zu den Schlusslichtern.

"Besonders für Frauen ist eine gute Bildung wichtig, denn sie vor allem sind für die Nahrungsmittelproduktion zuständig, eine Leistung, die Männer nicht anerkennen", kritisierte der Konferenzvorsitzende Ibrahim Mayaki. Der frühere Ministerpräsident von Niger (1997-2000) ist Chef der Initiative Neue Partnerschaft für Afrikanische Entwicklung (NEPAD).

Mayaki schlug vor, angesichts der derzeitigen Finanzprobleme traditioneller Geber in Europa und den USA müsse Afrika in wirtschaftlich starken Schwellenländern wie Südafrika, Brasilien, China, Indien und Russland nach neuen Finanzierungsquellen für Agrarinvestitionen und für die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung suchen.

Der Wissenschaftlerkonferenz in Niamey folgt eine Konferenz regionaler Spitzenpolitiker, die die Vorschläge der Experten bewerten und in eigene Strategien umsetzen sollen. Auch traditionelle Geber sowie Vertreter einheimischer und internationaler NGOs sollen als Ratgeber daran teilnehmen. Bis dahin hat Niger auch wieder eine demokratische Regierung. Der Ende Januar gewählte neue Staatspräsident Mahamadou Issoufou wird am 6. April vereidigt. (Ende/IPS/mp/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. März 2011