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ASIEN/667: Malaysia - Schluss mit lustig, Regierung geht gegen Satireblogs und Cartoons vor (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. Oktober 2010

MALAYSIA:
Schluss mit lustig - Regierung geht gegen Satireblogs und Cartoons vor

Von Baradan Kuppusamy


Kuala Lumpur, 8. Oktober (IPS) - Vor den Wahlen im kommenden Jahr reagiert die malaysische Regierung zunehmend empfindlich auf satirische Blogs und Cartoons, mit denen Kritiker die strenge Kontrolle der Meinungsfreiheit umgehen. Nach nationalem Recht sind Parodien im Internet zwar erlaubt, "solange der normale Nutzer weiß, dass der Inhalt fiktiv ist". Doch die Behörden in Kuala Lumpur reagieren auf Versuche, sie ins Lächerliche zu ziehen, mit polizeilichen Maßnahmen.

Irwan Abdul Rahman, Chefredakteur der Tageszeitung 'Malay Mail', bekam Besuch von der Polizei und wurde beschuldigt, falsche Tatsachen in die Welt gesetzt zu haben. Rahman hatte sich über den größten Energieerzeuger des Landes, 'Tenaga Nasional Berhad' (TNB), auf der Webseite der Zeitung lustig gemacht. "TNB will den WWF wegen der 'Earth Hour' vor Gericht bringen", lautete der Titel des ironischen Beitrags. 'Malay Mail' spielte damit auf die Klimaschutzaktion an, mit der die Umweltorganisation am 27. März erreichte, dass in tausenden Städten auf der Welt für eine Stunde das Licht abgeschaltet wurde.


Blogger festgenommen

Eine Woche später wurde ein Blogger namens 'Namewee' festgenommen, der auf den Portalen 'YouTube' und 'Facebook' fast eine Million Anhänger hat. Er wird bezichtigt, Privilegien der Malaien in Frage gestellt zu haben. Die Volksgruppe stellt mehr als 60 Prozent der rund 28 Millionen Einwohner des südostasiatischen Landes. Die ethnischen Minderheiten werfen der regierenden Vereinigten Nationalen Organisation der Malaien (UMNO) vor, die 'Bumiputra'-Mehrheit seit Jahrzehnten bei Landbesitzrechten und dem Zugang zu Geschäftslizenzen zu bevorzugen.

Nach Ansicht politischer Beobachter zeigen die harten Gegenreaktionen der Regierung, dass die UMNO mit dem Rücken zur Wand steht und den Verlust ihrer Macht fürchtet. Ministerpräsident Najib Razak, der auch an der Spitze der Partei steht, ist in den eigenen Reihen wegen einer "liberalen" Haltung gegenüber der Opposition unter Beschuss geraten.

Die Malaien-Partei 'Perkasa' beschuldigt Razak gar, die Forderungen von Minderheiten nach politischer Gleichbehandlung zu unterstützen. Najib steht derzeit unter großem Druck, die angeschlagene Wirtschaft Malaysias rechtzeitig vor den Wahlen wieder in Fahrt zu bringen.

Bei den letzten Wahlen 2008 hatte die von der UMNO angeführte Nationale Front (Barisan Nasional) die Mehrheit in fünf der 13 Bundesstaaten an das Oppositionsbündnis 'Pakatan Rakyat' verloren. Zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit des Landes 1957 verlor die Regierungskoalition zudem die Zweidrittel-Mehrheit im Parlament.

"Es ist offensichtlich, dass die herrschende Elite angeschlagen ist und durch Satiren ihr Image geschädigt sieht", meinte der Abgeordnete Kulasegaran Murugesan. "Satire ist eine wirksame Waffe, um die Demokratisierung zu erreichen."

Ende September kam auch der prominente Cartoonist Zulkiflee Anwar Ulhaque ins Gefängnis. Der Satiriker, der vor allem unter dem Namen 'Zunar' bekannt ist, wollte an dem Tag eigentlich sein neues Buch 'Cartoon-o-phobia' vorstellen. Wie drei frühere Titel wurde auch dieses Buch von den Behörden aus dem Verkehr gezogen. Zur Begründung hieß es, die Cartoons "störten die öffentliche Ordnung". Zunar kam zwar gegen Kaution auf freien Fuß, muss sich aber auf eine Anklage wegen Volksverhetzung gefasst machen.


Cartoonist will sich nicht mundtot machen lassen

"Sie können mich einsperren, nicht aber mein Denken", so Zunar. Die Polizeiaktionen würden ihn nicht daran hindern, weiterhin Korruption und Machtmissbrauch offenzulegen. "Meine Festnahme und das Verbot des Buchs beweisen doch nur, dass die Regierung Angst vor Cartoons hat."

Die Polizei durchsuchte auch die Räume des Betreibers der Nachrichtenwebsite 'Malaysiakini', die Zunars Cartoons veröffentlicht hat. Für Chefredakteur Steven Gan war die Aktion der Versuch, die Redaktion einzuschüchtern. Man werde Zunars Satiren aber auch künftig verbreiten.

Rechtsanwälte, Journalisten und andere Rechtsaktivisten gingen inzwischen auf die Straße, um Gerechtigkeit für den Cartoonisten einzufordern. "Wir haben der Regierung die klare Botschaft vermittelt, dass die Öffentlichkeit solche drakonischen Maßnahmen nicht hinnehmen wird", erklärte der politische Kommentator Josh Hong.

Die Regierung greife härter durch als jemals zuvor, sagte der Vorsitzende der Anwaltskammer, Ragunath Kesavan. "Wenn sie die Absicht verfolgt, Zunar und andere Cartoonisten zum Schweigen zu bringen und die Bevölkerung einzuschüchtern, wird sie damit allerdings keinen Erfolg haben." (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.mmail.com.my/
http://www.malaysiakini.com/
http://www.youtube.com/user/namewee
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53075

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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Oktober 2010