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ASIEN/752: Thailand - Oppositionelle Rothemden rühren im Nordosten die Wahlkampftrommeln (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Juni 2011

Thailand: Oppositionelle Rothemden rühren im Nordosten die Wahlkampftrommeln

Von Marwaan Macan-Markar


Baan Pulu, Thailand, 20. Juni (IPS) - Im Nordosten Thailands stach früher vor allem das satte Grün der Reisfelder hervor. Inzwischen sind aber auch die mit roten Hemden bekleideten Oppositionellen aus der armen ländlichen Region nicht mehr wegzudenken. Nachdem ihre Proteste im vergangenen Jahr von der Regierung niedergeschlagen wurden, wollen sie nun bei den kommenden Wahlen am 3. Juli einen Machtwechsel erreichen.

Dafür suchen sie gezielt Unterstützung an der Basis. Erst kürzlich schloss sich das Dorf Baan Pulu in einer feierlichen Zeremonie vor seinem buddhistischen Tempel der 'Rothemden'-Bewegung an. Fünf Mönche beteten gemeinsam mit rund 300 Menschen, die unter der sengenden Sonne zusammengekommen waren. Unter ihnen waren etwa hundert Oppositionelle in charakteristischer Kleidung, die auf einem Marsch in die Ortschaft gekommen waren.

An einem an zwei Holzpfähle genagelten Schild ist nun die politische Gesinnung der Einwohner von Baan Pulu abzulesen. Zu sehen ist auch ein Bild des aus dem Land geflohenen ehemaligen Regierungschefs Thaksin Shinawatra, für dessen Rückkehr die Oppositionellen kämpfen.

"Wir hatten schon vorher Beziehungen zu den Rothemden", sagt die 54-jährige Reisbäuerin Praiwan Konjanthet. Mit dem Beitritt zu der Bewegung habe das Dorf deutlich zeigen können, dass man auf dem schwierigen Weg zur Demokratie geschlossen zusammenstehe.

Immer mehr Dorfbewohner haben ein solches Bekenntnis abgelegt, nachdem das Militär in Bangkok im April und Mai vergangenen Jahres die Proteste der Rothemden brutal beendet hatte. 91 Aktivisten wurden getötet, Hunderte weitere verletzt. Zehntausende Rothemden, die überwiegend aus ländlichen Regionen stammten, hatten in der Hauptstadt die Auflösung des Parlaments und vorgezogene Neuwahlen in dem südostasiatischen Land gefordert.


Unterstützung von Partei der jüngsten Thaksin-Schwester

In diesem Jahr unterstützen die Oppositionsanhänger die Partei Pheu Thai, die treu zu dem 2006 durch einen Putsch gestürzten Thaksin steht. Pheu Thai will die regierende Demokratische Partei von Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva ablösen. An der Spitze der Kampagne von Pheu Thai steht Thaksins jüngste Schwester Yingluck Shinawatra. Sie sagte der armen Landbevölkerung zu, bei einem Wahlsieg die politischen Versprechen aus der Regierungszeit ihres Bruders umzusetzen.

"Wir wollen zeigen, dass unsere Volksbewegung weiter lebt", meint Petsak Kitidusadeckul, der die Botschaft der Rothemden in die Dörfer der Provinz Udon Thani trägt. Der Ort Baan Pulu liegt etwa 450 Kilometer nordöstlich von Bangkok.

"Wir wollen unsere Basis verbreitern und von hier aus unsere Forderungen stellen", erklärt der 59-Jährige. Er trägt ein rotes Hemd, auf das eine typische Dorfansicht mit hölzernen Pfahlbauten gedruckt ist. Petsak ist davon überzeugt, dass die Opposition sich in der Region mehr Gehör verschaffen kann. Die an den Protesten in Bangkok Beteiligten hätten ihre Jobs verloren und seien in Gefahr gewesen, von Soldaten getötet zu werden.

Der Aktivist hatte seine Kampagne in Udon Thani im vergangenen Oktober gestartet und fand damit in den kleinen Dörfern viel Resonanz. "Fast 200 Orte haben sich uns bislang angeschlossen", berichtet er. Neun weitere haben angekündigt, ebenfalls 'Rote Dörfer' werden zu wollen.

Auch in anderen Provinzen wie Kalasin, Mukhadan und Khon Kaen im Nordosten findet die Demokratiebewegung weiteren Zulauf. Einige Ortschaften wollten sich allerdings aus Furcht vor Repressalien nicht offen zu den Rothemden bekennen und sannen auf Alternativen zu deren Unterstützung. Mindestens zehn Dörfer in Udon Thani haben "politische" Cafés eröffnet, wo Sympathisanten der Opposition miteinander über Politik debattieren können. Der Kaffee wird ihnen gratis serviert.


Cafés als Freiräume für die Opposition

"Hier können sich Leute treffen und Ideen austauschen", meint der Lehrer Banchop Rinayom, der mit etwa 20 Gleichgesinnten an einem Tisch sitzt. Das Dorf habe bereits ein Gemeinschaftszentrum, dort habe aber die Regierungspartei das Sagen. In den 'Coffeeshops' könnten die Rothemden dagegen offen über alles reden.

Jahrelang sei die Politik der thailändischen Regierung vor allem auf die Menschen in den Städten zugeschnitten gewesen, sagt der aus den USA stammende Politologe David Streckfuss im Gespräch mit IPS. Die derzeitigen Entwicklungen in den ländlichen Regionen zeigten aber, dass die Bevölkerung dort stärker an der Politik teilhaben wolle. "Auch wenn sich die Form der Rothemden-Proteste ändert, bleibt die Botschaft dieselbe."

Mit dem Erstarken der Demokratiebewegung nach dem Putsch 2006 hatten sich auch 'Rothemden-Radiosender' immer weiter verbreitet. Nach der Niederschlagung der Proteste in Bangkok wurden jedoch viele Kanäle geschlossen oder stehen seitdem unter strenger Kontrolle. "Die Leute müssen aber Informationen weitergeben können, um die Bewegung zu stärken", sagt ein 75-jähriger Dorfbewohner. Die 'Roten Dörfer' seien ein Weg, um dieses Ziel zu erreichen. (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juni 2011