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ASIEN/768: Burma - Anzeichen für Tauwetter, neue Regierung sucht Dialog mit Opposition (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. September 2011

Burma: Anzeichen für Tauwetter - Neue Regierung sucht Dialog mit Opposition

Von Marwaan Macan-Markar


Bangkok, 15. September (IPS) - Jahrzehntelang befand sich Burma fest im Griff einer Militärjunta. Doch seit den Wahlen im letzten Oktober hat in dem südostasiatischen Land eine quasi zivile Regierung das Sagen. Politische Beobachter hoffen auf einen demokratischen Wandel.

Die prominenteste Dissidentin in Burma, Aung San Suu Kyi, gibt sich jedenfalls optimistisch. "Die Vergangenheit ist Vergangenheit und die Gegenwart Gegenwart", erklärte die 66-Jährige am 12. September vor der Presse anlässlich eines Treffens mit dem US-Sondergesandten für Burma, Derek Mitchell. "Einen gewissen Fortschritt hat es gegeben."

Suu Kyi sieht eine klare Zäsur zwischen den fast 50 Jahren Militärdiktatur und der neuen Regierung von Staatschef Thein Sein, der als früherer General allerdings enge Verbindungen zu den bisherigen Machthabern hat.

Die Oppositionsführerin, die im vergangenen November nach mehr als sieben Jahren Hausarrest freigekommen war, traf am 11. September in Rangoon auch die Familie des bekanntesten politischen Gefangenen Min Ko Naing.

"Bei dem Besuch sollte Min Ko Naing und seinen Angehörigen moralische Unterstützung übermittelt werden", sagte Bo Kyi, der stellvertretende Sekretär der Hilfsorganisation für politische Häftlinge in Burma (AAPP), in einem Telefoninterview mit IPS.


Fast 2.000 politische Häftlinge

Das Beispiel des 48-jährigen Min Ko Naing, der zu 65 Jahren Gefängnis verurteilt wurde, zeigt, welch hohen Preis Dissidenten für ihre politischen Überzeugungen zahlen müssen. Nach Erkenntnissen von AAPP befinden sich derzeit 1.996 politische Häftlinge in 44 Gefängnissen oder Arbeitslagern.

Erst seit Juli dieses Jahres sind erste Anzeichen einer Lockerung der repressiven Politik spürbar. Seit dem Militärputsch 1962 ist das von den Uniformierten in Myanmar umbenannte Burma mehrfach wegen der Unterdrückung der Menschenrechte verurteilt worden.

Die Regierung von Thein Sein gestattete nun dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), drei Haftanstalten zu besuchen. Das IKRK, das eine Verbesserung der Wasserversorgung und der sanitären Anlagen fordert, hatte sechs Jahre lang keinen Zugang zu den Gefängnissen erhalten.

Nachdem die Generäle im März ihre Uniformen gegen Zivilkleidung eingetauscht hatten, scharte sich die anti-militärische Opposition um Suu Kyis verbotene Nationale Liga für Demokratie (NLD). Am 19. August traf die Politikerin erstmals Thein Sein in der Verwaltungshauptstadt Naypyidaw im Landesinnern. Am folgenden Tag nahm sie an einem Treffen zur Armutsbekämpfung teil.

Suu Kyi sei durch die offene Atmosphäre bei der Konferenz ermutigt worden. Sie wolle die Anstrengungen im Kampf gegen die Armut unterstützen, sagte der Ökonom Zaw Oo, der ebenfalls anwesend war. "Auf diesem Gebiet haben Suu Kyi und die Regierung gemeinsame Interessen. Ideologische oder politische Differenzen spielen hier kaum eine Rolle."


Armutsproblem rückt in den Blickpunkt

Thein Sein wird auch dafür gelobt, dass er das Problem der Armut stärker in den Fokus rückt. Burma ist eigentlich ein Land mit reichen Bodenschatzvorkommen, darunter Erdgas. Exporte in das benachbarte Thailand verschafften Burma von 2000 bis 2008 Einkünfte von acht Milliarden US-Dollar.

Die früheren Machthaber verschwiegen allerdings, dass rund 19 Millionen Menschen - 33 Prozent der gesamten Bevölkerung - unterhalb der Armutsgrenze leben. Auf dem Index der Vereinten Nationen für menschliche Entwicklung nimmt Burma zurzeit Rang 138 von 182 ein.

"Der Armutsbekämpfung und der wirtschaftlichen Entwicklung ist noch nie ein so hoher Stellenwert eingeräumt worden", erklärte Zaw Oo. "Die Regierung hat das Problem anerkannt und öffentliche Diskussionen darüber geführt. Minister wurden dabei vom Publikum zur Rede gestellt."

Thein Sein wurde Ende März vom Parlament bestimmt, das im vergangenen Jahr unter umstrittenen Umständen gewählt worden war. Dem Militär wurde vorgeworfen, die Wahlen manipuliert zu haben. Die sich abzeichnenden Reformen in Burma haben indes international ein positives Echo gefunden, auch in der Europäischen Union, die einst Sanktionen gegen das Land verhängt hatte.


EU erwartet politische Reformen

Die EU-Kommissarin für internationale Zusammenarbeit, Kristalina Georgieva, sieht "eine günstige Gelegenheit für eine stärkere Öffnung Myanmars". Nach einer Teilnahme an einem zweitägigen Hilfseinsatz erklärte sie kürzlich: "Ich war ermutigt durch die Bereitschaft der Behörden, humanitäre Hilfe in weiteren Landesteilen zuzulassen. Wir sehen, dass es Möglichkeiten zur Veränderung gibt."

Für Opfer politischer Willkür wie Bo Kyi, der selbst über zehn Jahre wegen seiner Überzeugungen in Haft saß, ist dies allerdings nur ein schwacher Trost. "Die Regierung muss politische Gefangene freilassen und Menschenrechtsverletzungen im ganzen Land verhindern", forderte er. Bislang zeige man sich nur bereit zu Reformen, um den internationalen Druck abzubauen und das eigene Image zu verbessern. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.nldburma.org/
http://www.aappb.org/
http://ec.europa.eu/commission_2010-2014/georgieva/index_en.htm
http://www.icrc.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105097

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 15. September 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2011