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ASIEN/868: Pakistan - Angst vor US-Drohnen, kein Ende der Einsätze in Sicht (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. November 2013

Pakistan: Angst vor US-Drohnen - Kein Ende der Einsätze in Sicht

von Ashfaq Yusufzai


Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Proteste in Peshawar gegen die US-Drohnenangriffe
Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Peshawar, Pakistan, 5. November (IPS) - In Pakistan scheint der tödliche Raketenangriff auf den lokalen Taliban-Führer Hakimullah Mahsud am 1. November jede Hoffnung auf ein Ende der US-amerikanischen Drohneneinsätze zunichte zu machen. Der Anschlag kostete offenbar auch anderen Menschen das Leben, deren Identität nicht bekannt ist.

"Die jüngste internationale Kritik an den US-geführten Drohnenattacken hatte die Menschen hoffen lassen, dass diese illegalen Raketeneinsätze bald ein Ende finden würden", meint Muhammad Bashir, ein Zahnchirurg aus dem Verwaltungsbezirk Nord-Waziristan. Doch der Angriff habe die für den 2. November geplanten Gespräche zwischen der pakistanischen Regierung und der 'Tehreek Taliban Pakistan' (TTP) verhindert.

Genaue Angaben über die Zahl ziviler Opfer der US-Drohneneinsätze im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet liegen nicht vor. Vertretern der Medien und der Öffentlichkeit ist der Zugang zu den Orten versperrt, an denen die aus unbemannten Flugkörpern abgefeuerten Raketen eingeschlagen sind.


Flucht vor den Drohnen

Nicht nur die Taliban fürchten die Drohnenanschläge. Bashir und seine Familie verließen Nord-Waziristan im letzten Jahr, nachdem sie aus Angst vor den Drohnen nächtelang kein Auge zugemacht hatten. "Jeden Tag konnten wir sehen, wie Dutzende Drohnen über uns hinwegflogen", berichtet er.

Wie das pakistanische Verteidigungsministerium am 31. Oktober gegenüber dem Parlament erklärte, sind den angeblich so zielsicheren Drohnen in den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA) seit 2008 2.227 Menschen zum Opfer gefallen, darunter 'nur' 67 Zivilisten. Gegenüber den Vereinten Nationen hatte Pakistan kürzlich die Zahl der seit 2004 gezählten Drohnenopfer mit 400 angegeben.

Das pakistanische Verteidigungsministerium argumentiert ähnlich wie Washington, dass bei den Drohnenangriffen nur wenige Zivilisten ums Leben kämen. Die Regierung hatte der US-Regierung vorgeworfen, mit den Drohnenflügen über pakistanisches Territorium gegen die Souveränität des Landes zu verstoßen.

Bashir ist ein vehementer Gegner der US-Drohnen. Von ihnen gehe keinerlei positive Wirkung aus, sagt er. Vielmehr ließen sie die Zahl der US-Gegner immer weiter in die Höhe schnellen, meint er.

Auch Isa Ahmed ist vor dem schier endlosen Drohnengewitter, aber auch vor den Talibananschlägen aus seinem Heimatdorf in Nord-Waziristan geflohen. Er lebt nun in Bannu, einem der 25 Bezirkskreise der Provinz Khyber Pakhtunkhwa. Wie er berichtet, sind die meisten Pakistaner erbitterte Gegner der Drohnenangriffe.

Der ehemalige Kricket-Star Imran Khan, Vorsitzender der Partei 'Pakistan Tehreek Insaf' (PTI), ist ebenfalls ein erbitterter Gegner der US-Drohnen. Wie er erläutert, versprechen sich die Menschen vor Ort vor allem von der internationalen Kritik ein Ende der US-Drohnenflüge. Weltweit bildet sich der Konsens heraus, dass Drohneneinsätze gegen die Menschenrechte und internationales Recht verstoßen.

Die jüngsten Verhandlungen des pakistanischen Ministerpräsidenten Nawaz Sharif mit US-Präsident Barack Obama hätten die Menschen in Pakistan maßlos enttäuscht, sagt Khan. Er erinnert daran, dass die All-Parteienkonferenz die Regierung am 27. September damit betraut habe, für eine Einstellung der Drohnenflüge zu sorgen.

Die Angriffe konzentrieren sich auf die Provinz Khyber Pakhtunkhwa (KP), in denen Khans PTI das Sagen hat. Hier verüben die Taliban die meisten ihrer Bomben- und Selbstmordattentate. Es bestehe der dringende Bedarf, mit den Taliban zu verhandeln, so der PTI-Chef.


Regierung Schwäche vorgeworfen

Den Taliban zufolge sind die fortgesetzten Drohnenflüge Ausdruck staatlicher Schwäche. "Solange sie nicht unterbunden sind, wird es keinen Dialog mit uns geben und wir werden unsere Angriffe auf die pakistanischen Sicherheitskräfte fortsetzen", warnt Taliban-Sprecher Shahidullah Shahid in einer Mitteilung vom 10. Oktober.

Internationale Menschenrechtsorganisationen wie 'Amnesty International' und 'Human Rights Watch' (HRW) haben die US-Drohnenangriffe ebenso kritisiert. Ihre Berichte hätten den Druck auf Ministerpräsident Nawaz Sharif erhöht, einen Stopp der Flüge in den FATA zu erreichen, meint Najamul Islam, ein Lehrer aus Nord-Waziristan.

HRW hatte sich in einer Untersuchung vom 26. Oktober mit der Identität von 1.500 Drohnenopfern befasst. Das Fazit: In gerade einmal 47 Fällen handelte es sich um Taliban. Die Drohnenangriffe auf unschuldige Menschen könnten den USA somit als Kriegsverbrechen angelastet werden. (Ende/IPS/kb/2013)


Link:

http://www.ipsnews.net/2013/11/drone-attack-kills-more-than-taliban-chief/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2013