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ASIEN/883: Pakistan - Studenten fordern Stopp von Militäraktionen gegen Taliban (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Februar 2014

Pakistan: Studenten fordern Stopp von Militäraktionen gegen Taliban

von Ashfaq Yusufzai


Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Die pakistanische Parlamentsabgeordnete Ayesha Gullalai
Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Peshawar, 19. Februar (IPS) - Angesichts der zahlreichen zivilen Opfer und der Not der vielen Vertriebenen fordern Studenten aus den pakistanischen Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA) ein Ende der Armeeeinsätze gegen die Taliban in ihrer Region.

"Wir sind die Aktionen der Militärs in den FATA leid, konnten sie nichts gegen die Taliban ausrichten, sondern haben vielmehr dazu geführt, dass unschuldige Menschen getötet, verletzt und vertrieben wurden", erklärt Khan Bahadar, der Vorsitzende der lokalen Studentenvereinigung FSF. "Die Menschen machen schwere Zeiten durch, seit die pakistanische Armee 2004 die Kontrolle über die FATA übernommen hat. Die Armee, die in erster Linie die Taliban bekämpfen sollte, hat in dem Konfliktgebiet einen Massenexodus verursacht. Die Extremisten kamen dabei nicht zu Schaden."

Die Taliban hatten sich in das Gebiet an der 2.400 Kilometer langen durchlässigen Grenze zwischen Pakistan und Afghanistan zurückgezogen, nachdem ihre Regierung in Kabul 2001 von US-geführten Truppen gestürzt worden war. Als Frontstaat in dem von den USA vorangetriebenen 'Kampf gegen den Terrorismus' begann Pakistan 2004 damit, militärisch gegen die Taliban vorzugehen. Die Kämpfe lösten eine Massenflucht aus.


Mehr als zwei Millionen Menschen aus den FATA geflohen

"Etwa 2,1 Millionen Einwohner der FATA leben inzwischen in der angrenzenden Provinz Khyber Pakhtunkhwa. Ihnen geht es sehr schlecht, weil sie ihre Arbeit, ihre Geschäfte und ihre Landwirtschaft aufgeben mussten", berichtet der 19-jährige Bahadar, der an der Universität von Peshawar studiert.

Viele junge Leute aus den Stammesgebieten studieren in Khyber Pakhtunkhwa. Die Studentenvereinigung wurde im vergangenen Jahr mit dem Ziel gegründet, Druck auf die Regierung auszuüben, die Armeeeinsätze in allen sieben Bezirken der FATA zu beenden und den Vertriebenen somit die zügige Heimkehr zu ermöglichen. Laut Bahadar findet die Kampagne der Hochschüler immer mehr Unterstützer.

"Wir organisieren Demonstrationen in Peshawar und Isalamabad, um auf die Probleme unserer Leute hinzuweisen", so FSF-Vizevorsitzender Burhanuddin Chamkani. "Militäroperationen können gegen den anhaltenden Terror nichts ausrichten", betont der Student, der aus Nord-Waziristan stammt. Auch er kritisiert, dass durch die Einsätze vor allem Zivilisten getötet oder verletzt würden, die Taliban hingegen verschont blieben. So kamen am 21. Januar in Nord-Waziristan bei einem Vergeltungsschlag der Armee für ein Selbstmordattentat auf einen Militärkonvoi mit 22 Toten mindestens fünf Menschen ums Leben, unter ihnen Frauen und Kinder.

Die Studentenorganisation von Waziristan (WSF) will ihren Druck auf die Regierung verstärken. Wie einer ihrer Vertreter, Muhammad Irfan Wazir, erläutert, studieren etwa 20.000 junge Leute aus den FATA in Peshawar, der Hauptstadt von Khyber Pakhtunkhwa. Die meisten könnten wegen des Terrors ihre Familien nicht mehr besuchen. "Um in die FATA zu gelangen, müssten sie mehrere Militärkontrollpunkte passieren. Sie alle haben Heimweh."

WSF plant Protestmärsche, Kundgebungen und Seminare, um die breite Öffentlichkeit, die Armee und die Regierung für die Notsituation der Menschen in den FATA zu sensibilisieren. "An den Wochenenden führen wir an der Universität von Peshawar Demonstrationen durch", berichtet Wazir. "Und wir organisieren Musik- und Benefizveranstaltungen, um Gelder für die Vertriebenen zusammenzubringen, die in Lagern in Peshawar und anderswo leben."

Wie er betont, muss die föderale Regierung, die die direkte Kontrolle über die FATA ausübt, die Militäraktionen stoppen. "Wir haben bereits mindestens ein Dutzend Proteste am Sitz des Gouverneurs abgehalten, leider vergeblich", berichtet Wazir.


Dialog mit Taliban gefordert

Muhammad Javid, ein Dozent an der Gomal-Universität in Khyber Pakhtunkhwa, hält die Proteste der Studenten für berechtigt. "Die Armee hat diesen Gebieten keinen Frieden gebracht. Die Kampagnen sollen die Regierung zur Aufnahme von Gesprächen mit den Taliban drängen", sagt er.

Auch die in Khyber Pakhtunkhwa regierende Partei 'Pakistan Tehreek Insaf' (PTI) ist der Meinung, dass nur der Dialog mit den Extremisten das Leid der Zivilbevölkerung beenden kann. "Wir sind überzeugte Befürworter solcher Verhandlungen", sagt Ayesha Gullalai, die für die PTI im nationalen Parlament sitzt. Der Zentralregierung wirft sie vor, die Nöte der Menschen in ihrem Heimatgebiet Waziristan zu ignorieren.

"Es liegt in der Verantwortung der Regierung, Zivilisten vor Militäraktionen in Sicherheit zu bringen. Wenn Nicht-Kombattanten getötet oder verletzt werden, ist dies ein Verstoß gegen die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen", betont Gullalai. "Wir begrüßen die Kampagne der Studenten, die zur Stimme der FATA-Bevölkerung geworden sind." (Ende/IPS/ck/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/02/students-take-army/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Februar 2014