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ASIEN/957: Myanmar - UN-Generalsekretär kritisiert Hetze und Gewalt vor Wahlen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. November 2015

Myanmar: UN-Generalsekretär kritisiert Hetze und Gewalt vor Wahlen


NEW YORK (IPS/UN News Service) - Kurz vor den Wahlen in dem südostasiatischen Staat Myanmar am 8. November zeigt sich UN-Generalsekretär Ban Ki-moon beunruhigt über "extreme Elemente in der Mehrheitsgemeinschaft in Myanmar", die Hetzreden halten, zu Feindseligkeiten aufstacheln und Religion zu politischen Zwecken missbrauchen.

Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi, deren Partei politische Analysten einen Sieg zutrauen, wurde unterdessen in der Stadt Rangun von Zehntausenden Anhängern umjubelt. Überschattet wurde der Wahlkampfauftritt von dem brutalen Angriff auf einen Kandidaten ihrer Nationalen Liga für Demokratie (NLD), der wenige Tage zuvor mit einem Schwert schwer verletzt worden war.

In einer am 1. November verbreiteten Erklärung forderte Ban Ki-moon einen Verzicht auf alle Formen von Druck, Einschüchterung sowie von Verbreitung von Hass oder Gewalt gegen Einzelpersonen und Organisationen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Religionszugehörigkeit oder ihrer politischen Ansichten. Außerdem äußerte er sich besorgt über feindselige Haltungen gegenüber internationalen Organisationen einschließlich der Vereinten Nationen. "Die fortdauernde Straffreiheit für diejenigen, die sich auf diese Weise verhalten, könnte den Ruf des Landes in der Welt schwer beschädigen."


UN-Sonderberichterstatterin scharf attackiert

Insbesondere kritisierte Ban erneute verbale Angriffe auf die UN-Sonderberichterstatterin Yanghee Lee. In einem Schreiben an Präsident Thein Sein sprach er der unabhängigen Expertin vollstes Vertrauen aus und sicherte ihr Unterstützung zu.

Erst kürzlich hatte Lee alle an den Wahlen Beteiligten dazu aufgerufen, die Menschenrechte aller Bürger zu achten. "Dies ist ein Wendepunkt in der demokratischen Übergangsperiode in Myanmar", sagte sie. "Ich fordere alle Beteiligten auf, die Menschenrechte vor, während und nach den Wahlen zu respektieren. Es ist von größter Wichtigkeit, dass diese Wahlen in einer Atmosphäre verlaufen, die die Partizipation aller Teile der Gesellschaft fördert. Meinungsverschiedenheiten und Spannungen dürfen nicht zu politischen Zwecken ausgenutzt werden."

Lee hob hervor, dass die Wahrung der Meinungsfreiheit, der Versammlungsfreiheit und des Rechts auf Gründung von Vereinigungen im Vorfeld von Wahlen unverzichtbar sei. "Ich habe besorgniserregende Entwicklungen beobachtet, die den demokratischen Freiraum in Myanmar untergraben. Festnahmen, Verurteilungen sowie die Schikanierung von Vertretern der Zivilgesellschaft und der Medien sollten unverzüglich beendet werden. Unabhängige Stimmen sind unentbehrlich und müssen Teil einer öffentlichen Debatte sein."


Diskriminierung von Muslimen kritisiert

Die Sonderberichterstatterin äußerte sich beunruhigt über die Missachtung der Rechte hunderttausender Menschen in allen Gesellschaftsschichten des südostasiatischen Landes und den Ausschluss vieler muslimischer Kandidaten von den Wahlen. Religiös motivierte nationalistische Bewegungen erlangten zunehmend politischen Einfluss in Myanmar, hob Lee hervor. Religiösen Führern und Vertretern politischer Parteien warf sie vor, nicht entschieden genug gegen diejenigen anzugehen, die zum Hass gegen Minderheiten aufrufen wollten.

Am Rande einer Sitzung des so genannten 'Dritten Ausschusses' der Vereinten Nationen, der sich mit sozialen, humanitären und kulturellen Angelegenheiten befasst, nahm Lee zu den Auswirkungen des inneren Konflikts auf die Menschenrechte in Myanmar Stellung. Die muslimische Minderheit der Rohingya werde systematisch diskriminiert, und ihre Bewegungsfreiheit im Rakhine-Staat sei eingeschränkt, kritisierte sie. Weitere Missstände seien die verbreitete illegale Landnahme ('land grabbing'), Beschlagnahmungen von Grundstücken und Vertreibungen.

"Nach der kürzlich erfolgten Unterzeichung eines nationalen Waffenstillstandsabkommens und angesichts der bevorstehenden Wahlen wird die Zukunft Myanmars vor allem davon abhängen, inwieweit die Menschenrechte in dieser kritischen Phase respektiert und geschützt werden", erklärte Lee.


Aung San Suu Kyi genießt große Popularität

Myanmar stand fast ein halbes Jahrhundert unter der Herrschaft des Militärs. Nach dem haushohen Wahlsieg der von den Streitkräften gegründeten Partei USDP bei den Wahlen im Herbst 2010 wird das Land seit Februar 2011 von einem zivilen Präsidenten regiert. Die Junta hat in der Verfassung festschreiben lassen, dass ein Viertel der 664 Parlamentssitze für Militärvertreter reserviert sind.

Die Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin Suu Kyi, die während der Diktatur fast 15 Jahre lang unter Hausarrest gestanden hatte, wurde bei einem Wahlkampfauftritt am 1. November in einem Vorort von Rangun von Zehntausenden Anhängern gefeiert. Sie rief die Wähler dazu auf, für die NLD zu stimmen.

An den letzten Wahlen im Jahr 2010 hatte sich die NLD wegen inakzeptabler Auflagen nicht beteiligt. Politische Beobachter trauen ihr nun einen hohen Sieg zu. Um die Regierung bilden zu können, müsste die NLD mindestens 333 der 498 zu vergebenen Mandate gewinnen. Die regierende USDP benötigt nur 167 Sitze, um gemeinsam mit dem Militär die Mehrheit im Parlament zu erlangen. (Ende/IPS/ck/03.11.2015)


Links:

http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=52433#.VjdVElJn2wK
http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=52414#.VjdVtFJn2wI

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IPS-Tagesdienst vom 3. November 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. November 2015

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