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ITALIEN/014: Linke in Italien vor schweren Aufgaben (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 14 vom 6. April 2012
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Linke in Italien vor schweren Aufgaben
Dem Partito della Rifondazione Comunista fehlt klare Orientierung

von Gerhard Feldbauer



Seit dem Amtsantritt des früheren EU-Kommissars und Wirtschaftsmanagers Mario Monti an der Spitze eines Übergangs-Kabinetts aus angeblich parteilosen Technikern sind rund vier Monate vergangen. Gegenüber dem Regierungskurs des gestürzten faschistoiden Berlusconi hat sich kaum etwas verändert. Monti setzt den sozialen Crash-Kurs fort, mit dem das EU-Diktat diverser Rettungs- und Sparpakete zur weiteren Beseitigung von Arbeiterrechten, Einsparungen an Sozialleistungen, kommunalen und anderen Verwaltungsaufwendungen durchgesetzt wird. Dabei hat sich schon jetzt das Bruttoinlandsprodukt um 10 bis 12 Prozent von den Löhnen hin zu den Profiten verschoben, was einem Reallohnverlust von jährlich 150 Mrd. Euro entspricht. "Italien erlebt einen Frontalangriff auf Arbeiterrechte", schätzte der Vorsitzende des größten Fachverbandes FIOM-CGIL, Maurizio Landini, ein.

Mit einer sogenannten "Arbeitsmarktreform" sollen vor allem der Kündigungsschutzartikel 18 beseitigt und die Tarifverträge "neu geregelt" werden. Artikel 18 sichert etwa 7,8 Millionen Arbeitern in Betrieben mit über 15 Beschäftigten Kündigungsschutz in ungerechtfertigten Fällen. Jährlich kommen rund 8.650 Fälle vor Arbeitsgerichte, in denen Kündigungen in der Regel zurückgenommen werden müssen. Der Artikel soll künftig nur noch bei "diskriminierenden Kündigungen" gelten, die Kurzarbeit auf 52 Wochen ausgedehnt werden.

Das variable Tarifsystem, in dem sich verschiedene Arbeitszweige, darunter die Metallarbeiter, bessere Bedingungen des Verkaufs ihrer Arbeitskraft gesichert haben, soll durch einen einheitlichen Arbeitsvertrag ersetzt werden, der "Sonderrechte" beseitigt. Das Ganze wird in haltlose Versprechungen verpackt, eine Arbeitslosenversicherung in Angriff zu nehmen und Arbeitslosen ein Existenzminimum zu sichern - beides bisher in Italien nicht vorhanden, aber seit Jahren immer wieder zugesagt.

Die Gewerkschaftsverbände CGIL, CISL und UIL lehnen bisher die "Arbeitsmarktreform" ab und haben das im März mit einem zweistündigem Generalstreik bekräftigt. Sollte Monti nicht nachgeben, haben sie einen weiteren achtstündigen Ausstand für Mai angekündigt. Es gibt aber auch kleinere und nachgiebigere Gewerkschaften wie beim Schiffsbaukonzern Fincantieri.

Parallel geht es um die künftige Regierung. Der Kampf um den Sturz Berlusconis wurde mit der Forderung nach vorgezogenen Neuwahlen geführt. Das hat bisher Staatspräsident Giorgio Napolitano, ein früherer führender Ex-Kommunist, heute liberale Demokratische Partei (DP), dem die Entscheidungsbefugnis (Parlamentsauflösung) darüber zusteht, verhindert. Napolitano stellt sich eindeutig auf die Seite der Rechtskräfte, die Monti bis zum Ende der Legislatur im Frühjahr 2013‍ ‍im Amt halten wollen. Der Staatschef übernimmt die Forderung des Industriellenverbandes Confindustria, die Arbeitsproduktivität zu steigern, was wie Landini klarstellte, hieße, die Arbeiter sollen für den gleichen Lohn länger arbeiten. Auf diesen Kurs drängt Napolitano seine DP, was ihr dazu verhelfen soll, 2013 die Parlamentsmehrheit zu gewinnen und dann eine große Koalition mit der Freiheitspartei (PdL) Berlusconis zu bilden. Es wird nicht ausgeschlossen, dass Monti für die DP kandidiert.

Monti plant mit Unterstützung der DP ein neues Wahlgesetz zu verabschieden, das an Stelle des Mehrheitswahlrechts von Berlusconi zum Proportionalsystem zurückkehrt, dazu aber die Sperrklausel von bisher 4 auf 5 Prozent erhöht, um die Linke (PRC und PdCI, Linkspartei, aber auch die linke Zentrumspartei Italien der Werte (IdV) des früheren Korruptionsermittlers Antonio Di Pietro) aus dem Parlament auszuschließen. Gleichzeitig erhalten Parteien, welche über 10‍ ‍Prozent erreichen, einen Bonus an Parlamentssitzen. Das soll die Rechten - Union Demokratischer Christen (UDC), die Partei Allianz für Italien (ApI) des ehemaligen Grünen-Politikers Francesco Rutelli und die vom früheren Führer der AN-Faschisten Gianfranco Fini mit seinen Anhängern neu gebildete Partei Zukunft und Freiheit (FeL) - begünstigen. Die genannten drei Parteien wollen sich zu einem rechten Gegenpol gegen DP und PdL zusammenschließen.

Die Linke steht vor sehr schwierigen Aufgaben. Die entscheidende Verantwortung liegt bei den Kommunisten. Um der anhaltenden Rechtsentwicklung entgegenzutreten und den Rechtskräften keine weitere Zeit zur Formierung ihrer Gegenoffensive zu lassen; müssten bis Juli vorzeitige Neuwahlen durchgesetzt werden, für die der Oktober 2012 laut Verfassung der letzte Termin wäre. Für die Wahlen sollten sich, so die Meinung zahlreicher Kommunisten, die PRC und die einst von ihr abgespaltene Partei der Kommunisten Italiens (PdCI) wieder vereinigen, um eine starke kämpferische linke Basis zu bilden. PRC-Chef Paolo Ferrero rief zwar auf, die Revolte gegen die Politik Montis "zu organisieren", lehnt aber eine Wiedervereinigung mit der PdCI ab. Damit fehlt ein wichtiges Signal der Ausstrahlung auf die Linkspartei Umwelt und Freiheit (SEL) Nicola Vendolas, derzeit Ministerpräsident von Apulien.

Es gibt keine klare Orientierung, um welche Regierung es gehen muss. Der PRC-Parteitag 2008, der Lehren aus der Wahlniederlage (nach der die Linke nicht mehr im Parlament vertreten ist) zog, beschloss eine entschiedene "Wende nach links" und dazu eine "Wiederbelebung des Klassenkampfes" mit kämpferischen Aktionen. Das gab der Basis die Kraft, entscheidend zum Sturz Berlusconis beizutragen. Aber dieser Schwung verpuffte, vom Kampfprogramm von 2008 ist heute keine Rede mehr. Es fehlt ein Forderungskatalog zur Wiederherstellung grundlegender demokratischer Freiheiten. Die Forderungen beschränken sich auf den sozialen Bereich. Dass sie ein Schwerpunkt sind, ist völlig richtig, aber das reicht nicht aus. Noch nicht einmal die starken Proteste gegen die Beteiligung am NATO-Krieg in Afghanistan, der bisher 46 italienischen Soldaten den Tod brachte, werden aufgegriffen und der sofortige Abzug verlangt. Die Manöver, der faschistoiden PdL-Partei Berlusconis und der FeL Finis ein demokratisches Outfit zu verschaffen, werden unwidersprochen hingenommen.

Die DP ist die wichtigste Stütze der Monti-Regierung und sie tritt unverändert für einen "demokratischen Pakt zwischen Arbeitern und Bourgeoisie" ein. Wahlen im Oktober nannte DP-Chef Bersani "eine Idiotie". Die PRC weicht der Auseinandersetzung aus, weil sie noch immer hofft, auf der Liste der DP bei den Wahlen einige Parlamentssitze zu erhalten. Sie passt sich hier der Linkspartei (SEL) an, in der auch überlegt wird, ob man auf einer eigenen Liste antritt oder sich mit der DP zusammentut. Eine eigene Liste der SEL hätte Chancen, wenn man ein Bündnis mit den Kommunisten einginge, die dann auf ihre Parteisymbole Hammer und Sichel verzichten sollen.

Es gibt Stimmen in der PRC wie auch in der PdCI, die Kommunisten sollten allein antreten, schon um zu sehen, auf wie viele Wähler sie noch zählen können. Selbst wenn dann der Wiedereinzug ins Parlament nicht gelänge, wäre das besser für den künftigen Kampf, als einer DP-geführten Regierung der Zusammenarbeit mit dem Kapital, die möglicherweise auch eine "Große Koalition" mit der PdL-Partei Berlusconis eingeht, als linkes Feigenblatt zu dienen. Für einen Alleingang könnten PRC und PdCI auch mit den Stimmen der dritten, kleinsten KP, der Kommunistischen Arbeiterpartei (PCL), rechnen, die ebenfalls eine Abspaltung von der PRC ist. Ihr Vorsitzender, der Philosophieprofessors Marco Ferrando, gehört der trotzkistischen IV. Internationale an, was jedoch die Partei nicht grundsätzlich charakterisiert. Ein Zusammengehen mit der PRC lehnt sie bisher wegen deren reformistischen Positionen ab. Die PCL erreichte 2008 0,57 Prozent Stimmen, das waren immerhin 208.394 Wähler. Ein Alleingang der Kommunisten wäre also nicht chancenlos.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 44. Jahrgang, Nr. 14 vom 6. April 2012, Seite 11
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. April 2012