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ITALIEN/022: Kehrt Romano Prodi auf die politische Bühne zurück? (Gerhard Feldbauer)


Kehrt der populäre Mitte Links-Politiker Romano Prodi auf die politische Bühne zurück?

Scharfe Kritik an "Deutsch"-Europa

Von Gerhard Feldbauer, 13. August 2012



Die Berliner Pläne, Kerneuropa jetzt auf "Nordeuropa" in Form einer Währungszone zu begrenzen und Italien auszuschließen, führen in Rom zu hektischen Reaktionen und zu einer regelrechten demagogischen Umkehrung der Fronten. Die unverhüllt betriebenen deutschen Vorherrschaftsbestrebungen in der EU verschärfen zusätzlich den Wahlkampf für Frühjahr 2013. Die rassistische Lega Nord und die Volksfreiheitspartei des faschistoiden Ex-Premiers Silvio Berlusconi, die sich schon hoffnungslos im politischen Abseits befanden, suchen Kapital aus der Kontroverse mit Berlin zu schlagen und erhoffen sich - nicht unbegründet - ein Comeback. Der faschistoide Ex-Premiers Silvio Berlusconi, in dessen Volksfreiheitspartei (PdL) die "Duce"-Enkelin Alessandra Mussolini, eine fanatische Anhängerin ihres Großvaters, noch 2008 als Spitzenkandidatin ins Parlament einzog, lässt in seinem Hausblatt "Il Giornale" aus der Hand des Chefredakteurs Alessandro Sallusti vor einem "Vierten Reich" warnen, vor der Rückkehr der Deutschen, die nicht wie 1943 mit Kanonen, sondern mit dem Euro zurückkämen, um die Italiener "dem neuen Kaiser namens Angela Merkel" zu unterwerfen. Da ist doch tatsächlich fast wörtlich vom kommunistischen Journal "Contropiano" abgeschrieben worden.


Bundesregierung begünstigt Abspaltung der reichen Nordregionen

Das rechtsradikale "Libero", einst ein Sprachrohr der AN-Faschisten schrieb: "Die Nazideutschen wollen uns Lektionen in Demokratie geben." Dass in Berlin die alten Pläne der Abspaltung der reichen Nordregionen Italiens und ihre spätere Einbeziehung in EU-"Nordeuropa", wie das Online Portal "German Foreign Policy" enthüllte, offen zur Sprache kommen, begünstigt die von der Lega Nord betriebene Sezessionspolitik. Selbst eine Kandidatur Berlusconis für eine Rückkehr in den Palazzo wird inzwischen nicht mehr ausgeschlossen. Als möglich wird auch gesehen, dass der nicht gewählte und nur als Übergangs-Premier vom Staatschef eingesetzte Mario Monti kandidieren könnte.


Rechte wollen Wahlsieg der Demokratischen Partei verhindern

In dieser Situation hat sich der Wirtschaftsprofessor und anerkannte Ökonom, langjähriger Chef des früheren größten Staatskonzerns für Industriellen Wiederaufbau (IRI), mehrmals Ministerpräsident von Mitte Links-Regierungen unter Teilnahme der Kommunisten (zuletzt 2006-08) und EU-Präsident (1999-2004) in einem "Bild"-Gespräch zu Wort gemeldet. Beobachter in Rom meinen, der populärste Mann der Centro Sinistra ergreife das Wort, um den Plänen der Rechten, die mit ihren Manövern einen Wahlsieg der Demokratischen Partei verhindern wollen, entgegen zu treten. Die Rechte fürchtet vor allem, die DP werde ein Bündnis mit der Linkspartei Umwelt und Freiheit (SEL) des Ministerpräsidenten von Apulien, Nicola Vendola, eingehen und möglicherweise auch einige Kommunisten (PRC und PdCI) auf ihrer Liste zulassen. Mit wenig Erfolg sucht DP-Chef Luigi Bersani Bedenken einer zu linken Ausrichtung durch die Einbeziehung des früheren Bündnispartners Berlusconis, der rechten Christdemokratischen Union (UDC) in seine buntscheckige Koalition auszuräumen. Es wird durchaus für möglich gehalten, dass Prodi, der nach seiner Wahlniederlage gegen Berlusconi 2008 eigentlich seinen Rückzug von der Politik angekündigt hatte, bei den Parlamentswahlen 2013 für die DP antreten könnte.


Prodi war schon bei Maastricht gegen Diktat der Deutschen Bank

1998-99 hatte Prodi sich als Premier schon beim Wiedereintritt Italiens ins Europäische Währungssystem (EWS) und dem Beitritt zum Maastrichtvertrag den von der Deutschen Bank diktierten Bedingungen, die Lira der DM als europäischer Leitwährung unterzuordnen - teilweise mit Erfolg - widersetzt. Er geht jetzt von der Realität der deutschen Vormachtstellung in der EU aus und hält fest, dass Deutschland zu klein sei, "um sich im Alleingang den weltweiten Herausforderungen zu stellen". Entschieden lehnt der linke Zentrumspolitiker ein "deutsches" Europa ab und warnt vor der "Schaffung eines 'Kern-Euro' unter Ausschluss der schwächeren Länder". Er setzt eine führende Rolle Deutschlands in den Rahmen der demokratischen und kulturellen Traditionen seiner großen Denker (Goethe, Kant und Schiller) als Vorkämpfer nationaler Identität, um zu fordern, es müsse an dieser großen Vergangenheit anknüpfen, um "Europa auf den Weg in eine bessere Zukunft zu führen", ein "demokratisches, föderal strukturiertes Europa" zu schaffen.


Schonungslose Abrechnung mit Schürung der Euro-Krise durch Berlin

Dazu verlangt Prodi von Berlin, die "Sprache der Wahrheit" zu sprechen. Angesichts "der geringen Glaubwürdigkeit" unter den Bevölkerungen der Mitgliedsländer müsse eine breite öffentliche Debatte geführt werden. Im Kontext des rigorosen Vorgehens Berlins verweist er auf die "enormen Vorteile" die Deutschland beispielsweise in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht ebenso wie im Handel, hier durch die Vervielfachung seiner Exporte in die restlichen EU-Länder, erreichte und plädiert für "eine intensivierte Harmonisierung der Haushaltspolitik und der wirtschaftspolitischen Steuerung". Vor allem aber nimmt Prodi zugleich - wenn auch höflich im Ton und teils durch die Blume ausgedrückt - eine schonungslose Abrechnung mit der Schürung der Euro-Krise durch Berlin und dem Vorgehen gegenüber den wirtschaftlich schwächeren Mitgliedsländern vor.


Premier Monti warnt vor "psychologischer Auflösung Europas".

Auch Premier Mario Monti, auf den Berlin und Brüssel große Hoffnungen bei der Unterwerfung unter ihre Linie setzten, tanzt plötzlich aus der Reihe. Gegenüber dem "Spiegel" warnte er, die Spannungen in der Eurozone trügen bereits die "Züge einer psychologischen Auflösung Europas". Kurioserweise spielt die Merkel-Regierung, die ständig gegen Parlamentsrechte verstößt und erst kürzlich wegen Missachtung des Grundgesetzes vom Obersten Verfassungsgericht gerügt wurde, sich als Verteidiger der Parlamentsdemokratie auf. "Jedes staatliche Handeln muss auch demokratisch legitimiert sein", wird die Kanzlerin in der "FAZ", dem Flaggschiff der deutschen Großbourgeoisie, zitiert.

Monti, dessen Parlamentsmehrheit schwankt, fordert dagegen, in der EU-Krisenauseinandersetzung mehr "Spielraum" für die Regierung. Noch deutlicher wurde der Eurogruppen-Vorsitzende und Regierungschef Luxemburgs, Jean-Claude Juncker, der äußerte, in Deutschland werde die Eurozone wie eine "Filiale" der Innenpolitik behandelt. Das seriöse römische Wirtschaftsblatt "Il Sole 24 Ore" hält fest, dass die deutsche Kanzlerin die "Kosten der Krise in die Höhe getrieben habe" und es zwischen ihr und dem katastrophalsten aller griechischen Ministerpräsidenten, Giorgos Papandreou, "keinen Unterschied" gebe.


Confindustria geht auf Distanz

Der im Mai neu ins Amt gekommene Präsident des Unternehmerverbandes Confindustria, Giorgio Squinzi, geht auf vorsichtige Distanz zur von Rechts geübten Deutschlandschelte meint aber auch, die Europäische Zentralbank müsse endlich eine "richtige Zentralbank" werden (als wenn hier nicht auch Berlin das Sagen habe). Der Chefökonom des Unternehmerverbandes sekundiert, Deutschland habe die Krise nicht rechtzeitig erstickt und den Großteil des Risikozuschlags für italienische Staatstitel bewirkt.

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Quelle:
© 2012 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. August 2012