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EUROPA/746: Griechenland - Letzter Gefangener aus den Dezemberrevolten im Hungerstreik (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 23. Juli 2009

»Das einzige mir bleibende Mittel«

Griechenland:
Letzter Gefangener aus den Dezemberrevolten seit zwei Wochen im Hungerstreik

Von Heike Schrader, Athen


Thodoris Iliopoulos befindet sich seit fast zwei Wochen im Hungerstreik. Der 30jährige Arbeiter war am 18. Dezember vergangenen Jahres unter dem Vorwurf der versuchten Körperverletzung, des Widerstands gegen die Staatsgewalt sowie des Besitzes und Einsatzes von Brandbomben festgenommen worden.

Nachdem in Athen am 6. Dezember ein Polizist einen 15jährigen Schüler erschossen hatte, war es in ganz Griechenland zu zum Teil gewalttätigen Jugendrevolten gekommen, an denen anarchistische Kräfte beteiligt waren. Dutzende Menschen, darunter eine ganze Reihe Minderjähriger, wurden in den folgenden Tagen in Untersuchungshaft genommen. Dies geschah häufig lediglich auf Grundlage von Polizistenaussagen— Bis auf Iliopoulos sind inzwischen alle Verhafteten wieder freigekommen.

Der Fall Iliopoulos soll der Justiz offenbar als abschreckendes Beispiel dienen. Dem Arbeiter wird vorgeworfen, an einem Angriff auf Beamte der polizeilichen Sondereinheiten beteiligt gewesen zu sein. Diese seien aus einer Hochschule heraus mit Molotowbrandsätzen und Steinen beworfen worden. Festgenommen wurde Iliopoulos jedoch nicht zum Zeitpunkt des Geschehens, sondern erst Stunden später. Das geschah, obwohl mehrere Zeugen ausgesagt hatten, ihn am fraglichen Nachmittag mit Freunden in einem Café im Zentrum Athens gesehen zu haben. Unter den Zeugen befand sich auch die Bedienung des Cafés.

Trotzdem brachte ihn der Haftrichter hinter Gitter. Seine Verfügung wurde am 8. Juli bei einem Haftprüfungstermin um weitere sechs Monate verlängert. Dagegen wehrt sich Iliopoulos seit dem 10. Juli mit einem Hungerstreik. »Das ist das einzige mir bleibenden Mittel, um die Wahrheit herauszuschreien und diese riesige Ungerechtigkeit anzuklagen«, begründete er seinen Entschluß. »Wer weiß, daß Widerstand der einzige Weg zur Freiheit ist, wer sich gegen die Willkür der Justiz und ihre Schrecken auflehnt, wird mich verstehen und mir zur Seite stehen.«



Anmerkung der Schattenblick-Redaktion:
Zur aktuellen Situation teilte Heike Schrader am 30. Juli 2009 mit:
"Thodoris Iliopoulos ist immer noch im Hungerstreik und obwohl bereits Muskelmasse abgebaut wird, hat ihn die Gefängnisleitung bisher noch nicht einmal auf die Krankenstation verlegt."


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Quelle:
junge Welt vom 23.07.2009
mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der Redaktion
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Juli 2009