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GRIECHENLAND/013: Ein heißer Herbst naht - Neue Proteste in Griechenland (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 38 vom 21. September 2012
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Ein heißer Herbst naht
Neue Proteste in Griechenland

von Udo Paulus



Der Sommer ist vorüber. Die sengende Juli- und August-Hitze weicht milderen Temperaturen. Im Schatten der Sommerpause haben Troika - bestehend aus EU, IWF und EZB - im Verein mit der griechischen Regierung unter Antonis Samaras, einer Koalition aus konservativer ND, sozialdemokratischer PASOK und sogenannter demokratischer Linker DIMAR, ein ganzes Paket neuer volksfeindlicher Maßnahmen geschnürt. Um zusätzlich 11,5 Milliarden Euro dem Finanzkapital als Geschenk zu servieren, haben die in Saus und Braus lebenden Vertreter des Monopolkapitals in Wirtschaft, Politik und Verwaltung neue "Kreativität" entwickelt, um die abhängig Arbeitenden, die einfachen Bauern, die kleinen Gewerbetreibenden, nicht zu vergessen die Rentner/ innen fortschreitend abzukassieren. So kündigte Finanzminister Giannis Stournaras unlängst an, die Fünftagewoche und den Achtstundentag abzuschaffen. Von den bisher übrig gebliebenen 132 staatlichen Kliniken will die Regierung nochmals 50 schließen mit dem Ziel das gesamte Krankenhauswesen zu privatisieren. Das Basiskapital der gesetzlichen Krankenversicherung IKA wird derart zusammengestrichen, dass Apotheken Medikamente nur noch gegen Barzahlung ausgeben. Erneute Kürzungen der Löhne und Renten werden die Ärmsten der Armen noch dramatischer in die Verelendung treiben. Zudem bleibt es bei der Ankündigung, bis Ende 2015 150 000 Stellen im öffentlichen Dienst ersatzlos zu streichen. Die Auflagen neu zu verhandeln, wie die regierenden Parteien im Wahlkampf vor wenigen Wochen noch dem Wahlvolk versprachen, ist Schnee von gestern. Allenfalls ein Gnadenbrot des Aufschubs bleibt in der Diskussion. Aleka Papariga, die Vorsitzende des ZK der KKE, nannte derartige Diskussionen leeres Geschwätz. Alle barbarischen Maßnahmen stellten feste Forderungen der griechischen Bourgeoisie dar und bewegten sich im vertraglichen Rahmen der EU, in der Konsequenz kapitalistischer Ausbeutung. Diese Maßnahmen führen u. dazu, a. dass sogar Arbeitslose Steuern zahlen, wenn sie ein Haus besitzen, Kranke keine Medikamente bekommen, Kinder nicht in Tagesstätten unterkommen und vieles mehr.

Die Folgen zu erahnen, bedarf keiner ausgeprägten Phantasie: Die Arbeitslosigkeit wird auch 2013 über das derzeit schon katastrophale Niveau von 24 Prozent steigen. Zusätzliche Bevölkerungsteile werden in die Verelendung gestürzt, das Lebensniveau der Bevölkerungsmehrheit wird drastisch sinken. Ebenfalls keiner Prophetie bedarf es, dass die einst hohe Lebenserwartung des Volkes abnimmt.


Neue Aktionen

Mit den ersten herbstlichen Regentropfen hat sich der landesweite Widerstand zurückgemeldet. Die verschiedenen Gruppen der Bewegung, die klassenbewussten, reformistischen sowie die sogenannten autonomen und anarchistischen, nahmen - wie alljährlich - die Eröffnung der Internationalen Messe in Thessaloniki zum Anlass, Massenveranstaltungen zu organisieren. Vom Podium der mit Abstand größten Kundgebung, die der klassenbewussten Gewerkschaftsfront PAME, rief Papariga das Volk auf, jetzt seine Angelegenheiten in die eigenen Hände zu nehmen. Es sei umgehend ein stabiles Bündnis der Arbeiterklasse mit den armen Bauern, den Selbstständigen, den Frauen und der Jugend zu entwickeln.

Der Ausweg aus der Krise zugunsten des Volkes sei heute absolut verbunden "mit der Forderung nach einem Austritt aus der EU und einer einseitigen Streichung der Schulden, mit dem Volk als Eigentümer des Reichtums, den es produziert.

Das vergangene Wochenende zog die Massen des Widerstandes in den Bann des traditionellen Festivals der Kommunistischen Jugend Griechenlands (KNE) nach Athen. Die Diskussionen, Gespräche und Begegnungen, die Konzerte und Lesungen, die Manifestationen zum Umsturz der monopolkapitalistischen Verhältnisse, nicht nur in Griechenland, fanden ihren Höhepunkt in der Massenkundgebung am vergangenen Samstag im Antonis-Tritsis-Park, als Aleka Papariga zum "volksfreundlichen Ausweg als Kampfspruch und Weg des gesamten Volkes aus der Krise" aufrief.

"Dieser Weg bedeutet Kampf, damit die Bedingungen für einen Entwicklungsweg ohne Monopole und ohne Ausbeutung entstehen, für Vergesellschaftung, Zentralplanung und Arbeiterkontrolle, für einen Austritt aus der EU und einer einseitigen Streichung der Schulden.

  • Arbeit für alle, Abschaffung der Arbeitslosigkeit.
  • Lückenlose Ernährung für das gesamte Volk.
  • Öffentliches kostenloses Gesundheitswesen, Fürsorge für alle mit Abschaffung der unternehmerischen Aktivität in diesen Bereichen.
  • Bildung für alle. Nutzung der wissenschaftlichen Ressourcen, der Forschung und der Technologie.
  • Kostenlose Fürsorge für Kinder, Alte und Menschen mit Behinderung.
  • Günstige und qualitativ hochwertige Wohnungen mit Strom, Heizung und Wasserversorgung.
  • Sport, Kultur und Ferien für alle, mit gut organisierten Infrastrukturen.
  • Die Regierung der Volksmacht wird die Initiative für internationale Wirtschaftsbeziehungen ergreifen, die das Kriterium des Nutzens für die Völker erfüllen."

Papariga verwies auf die Initiative der KKE und forderte das Volk auf, "den Gesetzesentwurf zur Abschaffung des Memorandums, der Kreditabkommen und aller volksfeindlichen Maßnahmen politisch und durch Kämpfe zu unterstützen."Es dürfe keiner allein in den Krallen der Finanzämter und der anderen Staatsmechanismen gelassen werden, keiner dürfe ohne Essen, Wohnung, Medikamente sein, mit unterernährten Kindern. "Keiner darf mit der Unterdrückung und Willkür des bürgerlichen Staates allein gelassen werden."

Am 26. September wird der nächste Generalstreik neue
Widerstandskräfte frei setzen.


Repressivere Politik

Die ständig sinkende Massenloyalität der herrschenden Klasse bindet maximal noch 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung an die Memorandumspolitik. Es sind die Nutznießer der Krisen- und Nachkrisenzeit bzw. diejenigen, die hoffen, als solche die Krise zu überstehen. Das verlangt zunehmend nach repressiven Politikvarianten.

Mit der Hatz auf Migranten/innen, ob in Athen, Thessaloniki, Korinth, Kalamata oder anderen griechischen Orten demonstriert der staatliche Gewaltapparat das Zusammenspiel mit den Faschisten der Chrysi Avgi, um Teile des Volkszorns keineswegs ohne Erfolg auf die Massen von Migranten/innen in Griechenland abzuwälzen. Hier buchten Justiz und Polizei tausende Migranten/innen in neu geschaffene Gefängnisse ein, dort bereiten sich nach Auffassung der KKE faschistische Banden auf dem Rücken der Schwächsten der Schwachen mit organisierter Gewalt und mörderischen Angriffen auf ihre wesentlichere Aufgabe vor: Sie sollen die Rolle von "Sicherheitsbataillonen" gegen die Arbeiter- und Volksbewegung übernehmen, mit dem Ziel, sie zu bekämpfen und die Interessen des kapitalistischen Systems zu verteidigen.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 44. Jahrgang, Nr. 38 vom 21. September 2012, Seite 7
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2012