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LATEINAMERIKA/1113: Costa Rica - Streit um Referendum über Homo-Ehe, Einflussnahme der Kirche kritisiert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. August 2010

Costa Rica: Streit um Referendum über Homo-Ehe - Einflussnahme der Kirche kritisiert

Von Daniel Zueras


San José, 10. August (IPS) - Katholiken in Costa Rica treiben ein umstrittenes Referendum über die Rechtmäßigkeit der Homo-Ehe voran. Menschenrechtsorganisationen wollen die Abstimmung jedoch mit dem Argument verhindern, dass darüber nur das Parlament entscheiden dürfe. Sie werfen der katholischen Kirche vor, die Wähler zu manipulieren, um ein Scheitern des Gesetzes zu erreichen.

Das Einkammer-Parlament des zentralamerikanischen Staates berät bereits seit sechs Jahren über den Entwurf zu dem Gesetz, das gleichgeschlechtliche Partnerschaften legalisieren soll. Vier Rechtsanwälte sammelten in der Zwischenzeit 150.000 Unterschriften und erreichten, dass das oberste Wahlgericht (TSE) den Weg für eine Volksabstimmung am 5. Dezember dieses Jahres frei machte.

Dieser Vorstoß rief jedoch Kritiker auf den Plan, die Einspruch gegen das Urteil des TSE einlegten. Sie argumentierten damit, dass Menschenrechtsfragen gemäß der costaricanischen Verfassung nicht Gegenstand eines Referendums sein dürften. Dahinter stehen offenbar Befürchtungen, dass die Kirche in dem streng katholischen Land ihren Einfluss gezielt dazu ausnutzen würde, eine Entscheidung gegen die Homo-Ehe herbeizuführen.

Für das Referendum wirbt an vorderster Front die Organisation 'Observatorio Ciudadano', die maßgeblich von der katholischen Kirche unterstützt wird. So überrascht es wenig, dass die meisten Unterschriften für das Referendum in Kirchen gesammelt wurden. Wie Menschenrechtler kritisieren, fördert die Organisation einen "religiösen Fundamentalismus" und bietet Kirchenvertretern eine Plattform, auf der sie sich in politische Fragen einmischen können.


Staatspräsidentin auf der Seite der Kirche

Als die Kontroverse eskalierte, sah sich sogar die Staatspräsidentin Laura Chinchilla dazu genötigt, die Kontrahenten zur Mäßigung aufzurufen. Zugleich machte sie keinen Hehl daraus, dass sie ebenso wie die Kirche gegen die Homo-Ehe ist. Das Thema habe "keine Priorität", erklärte sie. Bekanntermaßen unterhält Chinchilla enge Kontakte zu hohen Kirchenvertretern.

Die Leiterin der costaricanischen Ombudsstelle, Ofelia Taitelbaum, warnte hingegen vor schwerwiegenden Konsequenzen, falls nicht das Parlament, sondern die Bevölkerung das letzte Wort über die Homo-Ehe sprechen sollte. Die Entscheidung dürfe nicht in der Hand "einer Gruppe homophober Katholiken" liegen, sagte sie im Gespräch mit IPS.

Schwule und Lesben bildeten eine Minderheit, deren Rechte verteidigt werden müssten, betonte Taitelbaum. Andernfalls drohe eine "Welle der Gewalt" gegen diese Gruppen. Damit betreffe die Legalisierung der Homo-Ehe letztlich auch die nationale Sicherheit.

Der Termin für das Referendum fällt mit den Kommunalwahlen zusammen. Die Initiatoren der Volksabstimmung erhoffen sich davon, dass sie dadurch die erforderliche Beteiligung von 30 Prozent der Wähler erreichen werden.

Meinungsumfragen haben ergeben, dass die meisten Costaricaner bereits damit rechnen, dass die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften von der Bevölkerung abgelehnt wird. Die Kirche übe massiven Druck aus, und die konservativen Bevölkerungsschichten seien nicht daran interessiert, die Rechte der Homosexuellen zu stärken, hieß es.

Die Gegner des Referendums haben sich unterdessen zu dem Bündnis Conodis zusammengeschlossen. Der Rechtsanwalt Esteban Quirós, der den Berufungsantrag beim TSE einreichte, ist zuversichtlich, dass das Referendum tatsächlich gestoppt wird. Costa Rica habe sich schließlich auch durch die Unterzeichnung internationaler Abkommen dazu verpflichtet, keine Volksabstimmungen über Menschenrechtsfragen abzuhalten, sagte er IPS.


Schwulenverbände haben auch einen 'Plan B'

Quirós verwies unter anderem auf die Universelle Erklärung der Menschenrechte, die Interamerikanische Menschenrechtserklärung sowie den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte. Sollte der Berufungsantrag scheitern, will der Jurist den Fall vor den Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof mit Sitz in der costaricanischen Hauptstadt San José bringen.

Schwulenverbände entwarfen indes einen 'Plan B'. Sollte der Entwurf zur Homo-Ehe gekippt werden, wollen sie eine neue Gesetzesinitiative einbringen, die eheähnlichen Gemeinschaften rechtlichen Schutz zusichern soll. Wie Abelardo Araya vom nichtstaatlichen 'Movimiento Diversidad' erklärte, würden darunter auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften fallen. Ein solcher Entwurf würde im Parlament vermutlich von vorn herein einen größeren Konsens finden. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.cipacdh.org/cipac_noticia_completa.php?not=106
http://movimientodiversidad.org/
http://www.dhr.go.cr/
http://observatoriociudadano.wordpress.com/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=96105

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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. August 2010