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LATEINAMERIKA/1176: Paraguay - Wirtschaftswachstum ohne Sickereffekt, Keine Vorteile für die Armen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. Oktober 2010

Paraguay: Wirtschaftswachstum ohne Sickereffekt - Keine Vorteile für die Armen

Von Natalia Ruiz Díaz


Asunción, 29. Oktober (IPS) - In Paraguay wächst die Wirtschaft derzeit schneller als in jedem anderen lateinamerikanischen Land. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet für 2010 mit einem Zuwachs von zehn Prozent. Die arme Bevölkerungsmehrheit allerdings spürt den Boom nicht.

"Das Wirtschaftswachstum hat die Gewinne einiger Weniger steigen lassen, das Gros der Arbeiter aber geht leer aus", sagt die Analaystin Lina Moliner im Gespräch mit IPS.

Vorangetrieben wird das paraguayische Wachstum in erster Linie von der Landwirtschaft und inbesondere vom Sojaanbau. Paraguay ist nach Brasilien, den USA und Argentinien der viertgrößte Sojaexporteur der Welt. Die letzte Sojaernte erbrachte 7,5 Millionen Tonnen, 1,5 Millionen Tonnen mehr als die vorletzte.

Nach Daten von 2008 werden Sojabohnen in Paraguay auf 2,4 Millionen Hektar angebaut. Auf weiteren 3,3 Millionen Hektar Land stehen andere Feldfrüchte. Die Einnahmen aus dem Sojaexport werden sich nach Schätzungen des Verbandes der Sojaproduzenten 2010 voraussichtlich auf 2,3 Milliarden US-Dollar belaufen.


Regionaler Spitzenreiter

Die international hohe Nachfrage nach Soja hat Paraguay in diesem Jahr zu einem Wachstumsschub verholfen, von dem andere Länder in der Region und auch die Industriestaaten nur träumen können. Gemessen am Wirtschaftswachstum lässt Paraguay Argentinien, Brasilien und Uruguay - seine Partner im Gemeinsamen Markt des Südens (MERCOSUR) - weit hinter sich, ebenso wirtschaftlich potente Staaten wie Chile und Peru.

Nach Angaben der paraguayischen Zentralbank wuchs die Wirtschaft in der ersten Jahreshälfte von 2010 im Vergleich zum selben Zeitraum des Vorjahres um 11,7 Prozent, im zweiten Quartal 2010 sogar um 12,2 Prozent.

Noch 2009 schrumpfte die Wirtschaft um 3,8 Prozent. Verantwortlich dafür waren die internationale Krise und schlechtes Wetter, das der Landwirtschaft massiv zusetzte. Für 2011 wird ein erneut durchschnittliches Wachtum erwartet. Um fünf Prozent soll die Wirtschaft zulegen und damit so schnell wachsen wie in den letzten sechs Jahren im Schnitt - 2009 nicht mitgerechnet.


Armut und soziale Ungleichheit

Trotz der insgesamt stabilen Lage und der hervoragenden Prognosen für 2010 gehört Paraguay zusammen mit Bolivien zu den ärmsten Ländern in Südamerika und leidet unter großer sozialer Ungleichheit. 36 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze, 20 Prozent von ihnen von weniger als einem Dollar am Tag. 80 Prozent des Landes liegt in der Hand von nur einem Prozent der Bevölkerung.

Gerade in der paraguayischen Landwirtschaft werden nur minimale Löhne gezahlt. Zudem sind die Arbeiter im primären Sektor sozial kaum abgesichert. Nur 17 Prozent der drei Millionen Werktätigen sind sozialversichert. Insgesamt leben in Paraguay 6,3 Millionen Menschen.


Staatssäckel bleibt leer

Auch die Staatskasse wird im übrigen nicht vom Wachstumsboom profitieren. Kein anderer Staat in Lateinamerika hat ein so geringes Steueraufkommen wie Paraguay. Einnahmen aus der wirtschaftlich so bedeutenden Landwirtschaft etwa werden mit nur 2,5 Prozent besteuert. Auch ist Paraguay der einzige Staat in der Region, der keine Einkommenssteuer erhebt. Der Haushalt 2011 wird einen Umfang von acht Milliarden Dollar haben, und damit nur eine Milliarde Dollar über dem des laufenden Jahres liegen. Sozialprogramme sind aus diesem Budget nicht zu bezahlen.

Die moderat linke Regierung von Staatspräsident Fernando Lugo - im Parlament in der Minderheit - kämpft um die Einführung einer Einkommenssteuer, wird aber von der rechten Colorado-Partei blockiert. Unter deren Einfluss hat der Senat die Entscheidung über eine Steuerreform bis 2013 vertagt. (Ende/IPS/hn/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Oktober 2010