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LATEINAMERIKA/1263: Kolumbien/Venezuela - Busen- oder Zweckfreundschaft? Honduras profitiert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. April 2011

Kolumbien/Venezuela: Busen- oder Zweckfreundschaft? - Honduras profitiert

Von Humberto Márquez


Caracas, 14. April (IPS) - Honduras ist seinem Ziel, in die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zurückzukehren, näher denn je. So konnte sich das zentralamerikanische Land die Unterstützung der ehemals verfeindeten Regierungen Kolumbiens und Venezuelas sichern, die sich seit acht Monaten mit Zugeständnissen und Freundschaftsbezeugungen umwerben.

Dass Kolumbiens Staatspräsident Juan Manuel Santos und sein venezolanischer Amtskollege Hugo Chávez den honduranischen Staatspräsidenten Porfirio Lobo zu ihrem Stelldichein in die nordkolumbianische Stadt Cartagena luden, wurde von den Medien als Zeichen interpretiert, dass eine Wiederaufnahme Honduras' in die OAS kurz bevorstehen könnte. Honduras war als Konsequenz des Putsches von innen gegen den damaligen Präsidenten Manuel Zelaya im Juni 2009 aus dem Staatenbund ausgeschlossen worden.

Es sei schon eine Überraschung gewesen, Lobo an der Seite von Santos und Chávez zu sehen, räumte der ehemalige venezolanische Botschafter Edmundo González ein, der inzwischen das Zentrum für diplomatische und strategische Analyse (CADE) leitet. Allerdings habe Lobo in den letzten Monaten emsig die OAS-Wiederaufnahme betrieben und Santos als Fürsprecher eingesetzt, was Venezuela offenbar nicht gestört hat.

Gegenüber der spanischen Presse ließ Kolumbiens Staatschef verlauten, dass die diplomatische Annäherung an Venezuela der richtige Weg und eine Bereicherung für sein Land sei. González zufolge hat Chávez inzwischen verstanden, dass es in der gesamten Region extreme Positionen gibt, die sich aufgrund ihrer Radikalität nicht verwirklichen lassen. Die Unterstützung für eine Rückkehr Honduras in die OAS, die von der OAS-Vollversammlung im Juni beschlossen werden könnte, sei das Ergebnis einer solchen Erkenntnis.


Interessen verbinden

Lobo und sein Außenminister Mario Canahuati zeigten sich überzeugt, dass der Gipfel in Cartagena am zweiten Aprilwochenende "die Wiederaufnahme Honduras in die OAS vorangebracht hat". Die venezolanische Unterstützung erklärt sich nach Ansicht von Beobachtern aus dem Umstand, dass Chávez als Motor der Bolivarischen Alternative für die Völker unseres Amerikas (ALBA) daran gelegen ist, möglichst viele lateinamerikanische Länder hinter seine Integrationsinitiative zu versammeln. Mitglieder des Staatenblock, dem bis zum Sturz Zelayas auch Honduras angehörte, sind neben Venezuela Antigua und Barbuda, Bolivien, Dominica, Ecuador, Kuba, Nicaragua und San Vinzent und die Grenadinen.

Den Ausschluss von Honduras aus der OAS hatten vor allem die Mitglieder Argentinien, Brasilien und Uruguay betrieben. Bis heute hat sich an ihrer Position nichts geändert. Politischen Beobachtern zufolge kommt es auf die Entscheidung im Juni an.

Zelaya, der sich in der Dominikanischen Republik im Exil aufhält, hatte an den Vorbereitungstreffen für Cartagena teilgenommen und seine Anhänger in Honduras aufgefordert, die Rückkehr des Landes in die OAS als "reelle Chance für die Wiederherstellung der demokratischen Institutionalität" zu betrachten.

Die Staatspräsidenten Santos und Chávez widmeten sich auf ihrem Treffen in Cartagena auch einer Reihe bilateraler Fragen. Sie vereinbarten eine Verlängerung ihrer gegenseitigen Handelserleichterungen, von denen vor allem Kolumbiens Exporteure profitieren. Bogotá wiederum erklärte sich bereit, den mutmaßlichen Drogenbaron Walid Makled an Venezuela auszuliefern, der Hinweise auf kriminelle venezolanische Militärs geben könnte. Gegen Makled liegt auch ein Auslieferungsantrag aus den USA vor.

Chávez ist "mein neuer bester Freund", erklärte Santos vor mehreren Monaten - eine Redewendung, die Chávez inzwischen seinerseits auf den kolumbianischen Präsidenten anwendet. Themen, die die binationalen Beziehungen überstrapazieren könnten, werden ausgespart, wie Santos freimütig bekannte.


Zugeständnisse

In einem Interview mit dem spanischen Fernsehen, das am 12. April ausgestrahlt wurde, machte der kolumbianische Präsident seinem venezolanischen Amtskollegen ein weiteres Geschenk, indem er erklärte, dass es auf venezolanischem Territorium keine Lager kolumbianischer FARC-Rebellen gebe. Der Vorwurf der Präsenz kolumbianischer Rebellen hatte unter Álvaro Uribe (2002-2010) zu Verstimmungen zwischen beiden Ländern geführt.

Santos stellte ferner heraus, dass Venezuela Kolumbien zwei Mitglieder der Nationalen Befreiungsarmee, der zweitgrößten kolumbianischen Rebellenorganisation überstellt habe. Ihnen wirft Kolumbien vor, drei Marineinfanteristen getötet zu haben.

Nach Ansicht von Víctor Mijares, Professor für geostrategische Studien an der Simon-Bolívar-Universität, ist die neue kolumbianisch-venezolanische Freundschaft eine Art Waffenstillstand, der aufgrund der ideologischen Differenzen nicht zwingend von Bestand sein muss. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2011