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LATEINAMERIKA/1356: Honduras - Krieg gegen Drogen heizt Gewalt an, Experten geben USA Mitschuld (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Juli 2012

Honduras: Krieg gegen Drogen heizt Gewalt an - Experten geben USA Mitschuld

von Ethan Freedman



Washington, 3. Juli (IPS) - Der Kampf gegen den zunehmenden Rauschgifthandel in Honduras hat Experten zufolge zu einem starken Anstieg bei Gewalttaten geführt. Politische Beobachter gehen davon aus, dass die finanzielle und militärische Unterstützung der USA im Antidrogenkrieg dabei eine erhebliche Rolle spielt.

Mit anderen Staaten der Region ist Honduras zu einer Transitroute für Kokain und andere Drogen geworden, die in den USA gehandelt werden. Der Drogenkrieg wird immer hitziger geführt, und die Sicherheitskräfte werden der Lage nicht Herr. Zur Eindämmung des Handels wird gegen die Banden von Seiten des Staates immer mehr Gewalt eingesetzt.

So sind die Todeszahlen in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. Zwischen 2005 und 2010 schnellte die Zahl der Morde um 158 Prozent von 2.417 auf 6.239 in die Höhe.

"Der eskalierende Antidrogenkrieg ist ein weiteres Erbe des Staatsstreichs", sagte Mark Weisbrot, Ko-Direktor am 'Center for Economic and Policy Research'. 2009 führte ein Putsch zur Absetzung des damaligen Präsidenten Manuel Zelaya. "Der Coup hat zum Zusammenbruch wichtiger Institutionen in Honduras geführt", erklärte er. Vor allem die Polizei habe sich Übergriffe zuschulden kommen lassen.


Polizei und Militär von Verbrechern unterwandert

Die honduranischen Sicherheitskräfte sind zu einem erheblichen Teil von Drogenbanden unterwandert. Im vergangenen Jahr waren Polizisten an zahlreichen Straftaten wie Entführungen, Erpressung und Raubüberfällen beteiligt, wie die 'New York Times' berichtete.

94 Abgeordnete des Repräsentantenhauses in Washington forderten im März das US-Außenministerium auf, aufgrund der häufig unter dem Einfluss der Drogenkartelle begangenen Menschenrechtsverstöße die Unterstützung für Polizei und Militär in Honduras zurückzunehmen.

Menschenrechtsaktivisten vermuten, dass es weitere Gründe gibt, die ein erfolgreiches Eingreifen von Militär und Finanzbehörden verhindern. "Die aufgestockten Finanzhilfen sind angeblich für die Bekämpfung des Drogenhandels bestimmt. Ein Großteil der Gewalt in Honduras ist aber politisch motiviert und hat nichts mit dem Rauschgift zu tun", sagte Tanya Cole von der Menschenrechtsgruppe 'Witness for Peace Southwest'.

Die USA gehören in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht zu den größten Unterstützern von Honduras. Das Land wird von mexikanischen Kartellen als wichtiger Umschlagplatz genutzt. Von dort aus werden auch Verbindungen in andere zentralamerikanische Staaten ausgebaut. Die US-Regierung geht davon aus, dass von der honduranischen Nordküste aus eine Drogen-Pipeline in die Vereinigten Staaten führt.

Die USA sind der größte Handelspartner von Honduras. 2010 lieferten sie 34 Prozent der Importe und nahmen 41 Prozent der Exporte ab. Nach Angaben des US-Außenministeriums belief sich der Handel auf ein Gesamtvolumen von 8,3 Milliarden US-Dollar.

Im Zuge des Antidrogenkrieges trat die 'Joint-Task-Force-Bravo' in Aktion. Die US-Militäreinheit, die in der honduranischen Stadt Comayagua stationiert ist, vertritt mit Unterstützung der lokalen Behörden die Interessen der US-Drogenkontrollbehörde.

Die Tatsache, dass die zahlreichen Armen im Land von der Drogenwirtschaft abhängig sind, trägt zu einer Verschärfung des Kampfes gegen die Banden bei. Laut dem 'World Factbook' des US-Geheimdienstes CIA leben etwa 65 Prozent der Honduraner in Armut.

Wenige Einwohner sind zu Wohlstand gelangt und nutzen die Situation aus. Zu den mächtigen Unternehmern in Honduras gehört Miguel Facusse, der sich auf Biosprit spezialisiert hat und ebenfalls mit dem Drogenhandel in Verbindung stehen soll.

Auf der Internet-Plattform 'Wikileaks' wurde enthüllt, dass ein Flugzeug mit 1.000 Kilo Kokain an Bord auf Facusses Grundstück abstürzte und verbrannte. Zum dritten Mal binnen 15 Monaten seien Drogenhändler mit dem Unternehmer in Verbindung gebracht worden, hieß es.


Kleine Dealer fliehen aus Mexiko und Kolumbien

Kleine Drogenhändler, die vor Razzien in Mexiko und Kolumbien geflohen sind, sollen weiterhin in Scharen nach Honduras kommen. Nach Angaben der 'Joint-Task-Force-Bravo' werden zurzeit 84 Prozent aller für den US-Markt bestimmten Drogen durch Zentralamerika geschleust. Mexiko und Kolumbien gelten als die größten Lieferanten von Kokain für die Vereinigten Staaten.

Der Krieg gegen Rauschgift in Zentralamerika hat die Zahl der getöteten Zivilisten erheblich in die Höhe getrieben. Im Mai kamen bei einem US-Hubschrauberangriff auf Drogenhändler vier Honduraner, darunter zwei schwangere Frauen, ums Leben. Die Attacke löste heftige Proteste in dem abgelegenen nordosthonduranischen Gebiet Mosquito am Karibischen Meer aus.

Honduras gehört international zu den Ländern mit der höchsten Gewaltrate. Nach einem Bericht des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) kamen 2010 auf jeweils 100.000 Einwohner statistisch gesehen 82,1 Morde, mehr als anderswo auf der Welt. Im Vergleich dazu kommen in den USA auf 100.000 Einwohner fünf Morde.

Die USA unterhalten seit Längerem enge Beziehungen zu Honduras, das zu Beginn der so genannten 'Iran-Contra-Affäre' in den achtziger Jahren ein strategischer Partner war. 1990 gab der ehemalige US-Präsident Ronald Reagan zu, dass es seit Mitte der Achtziger ein Abkommen mit Honduras gab. Das Land erhielt demnach aus den USA militärische und wirtschaftliche Hilfe und verpflichtete sich im Gegenzug dazu, die gegen die linken Sandinisten kämpfenden Contra-Rebellen im benachbarten Nicaragua zu unterstützen. (Ende/IPS/ck/jt/2012)


Links:

http://www.cepr.net/
http://wikileaks.org/cable/2004/03/04TEGUCIGALPA672.html
http://www.witnessforpeace.org/section.php?id=26
http://www.unodc.org/
http://www.ipsnews.net/2012/06/drugs-and-violence-underscore-u-s-influence-in-honduras/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 3. Juli 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juli 2012