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LATEINAMERIKA/1399: Kolumbien - Bürgerkriegsopfer fordern Mitsprache in Friedensverhandlungen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. März 2013

Kolumbien: Bürgerkriegsopfer fordern Mitsprache in Friedensverhandlungen

von Constanza Vieira


Bild: © Mit freundlicher Genehmigung von Cajar

Alirio Uribe vom Anwaltskollektiv 'José Alvear Restrepo' (Cajar)
Bild: © Mit freundlicher Genehmigung von Cajar

Bogotá, 7. März (IPS) - Während Vertreter der kolumbianischen Regierung und der linken Guerilla FARC versuchen, einen Friedensplan zu entwerfen, fühlen sich die Opfer des Bürgerkriegs übergangen. Sie fordern ein Mitspracherecht im Friedensdialog der beiden Konfliktparteien.

"Wir solidarisieren uns mit den Opfern der von der FARC ausgegangenen Gewalt", erklärte Franklin Castañeda, Präsident des Komitees der Solidarität mit politischen Gefangenen und Sprecher der Bewegung der Opfer von Staatsverbrechen (Movice). "Doch auch die vom Staat begangenen müssen vor Gericht gebracht werden."

Die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) wurden 1964 von Kleinbauern gegründet, die sich gegen die staatlich unterstützte Landnahme durch Großgrundbesitzer wehrten. Seitdem dauert der bewaffnete Konflikt an. Castañeda fordert nun in Vertretung der Opfer der Staatsgewalt, dass die Regierung die Verbrechen ihrer Vorgängerregierungen anerkennt und zugibt, dass der Staat rechte paramilitärische Einheiten gegründet hat, die die Unterstützung der offiziellen Streitkräfte genossen. Diese Strukturen müssten nun effektiv und endgültig zerstört werden, heißt es in einem am 6. März präsentierten Forderungskatalog.


Forderung nach Wahrheitskommission

Darüber hinaus wollen die Betroffenen, dass eine Wahrheitskommission eingerichtet wird, die relevante Informationen zusammenträgt und die Geschehnisse ausführlich untersucht. Sie soll auch Empfehlungen für die kolumbianischen Gerichte und die Politik aussprechen.

Gegenüber der Wahrheitskommission und gegenüber der Öffentlichkeit sollen sowohl die Regierung als auch die Guerilla ihre Verbrechen gestehen und "die Opfer, deren Angehörige und die gesamte kolumbianische Bevölkerung um Entschuldigung bitten", heißt es in dem Papier. Die Betroffenen erhoffen sich darüber hinaus, dass im Rahmen der Untersuchungen alle geheimen Grabstätten von Ermordeten aufgefunden werden. Die dort geborgenen menschlichen Überreste sollen identifiziert und den Angehörigen übergeben werden.

Weitere Forderungen der Bürgerkriegsopfer betreffen das Militär. Die Truppenstärke soll reduziert werden, die Polizei vom Militär entkoppelt und zu einem zivilen Organ gemacht werden. Darüber hinaus soll das gesellschaftliche Leben "entmilitarisiert" werden. Alle Militär-Archive, die Menschenrechtsverletzungen dokumentieren, sollen freigegeben werden, um die Aufklärung der Verbrechen sowie die Erinnerungsarbeit zu unterstützen.

Schließlich sollen alle Richtlinien für das Militär und die Geheimdienste, die soziale Bewegungen und Oppositionelle als "Staatsfeinde" darstellen, abgeschafft werden. Bereits abgeschlossene Fälle, die aber nicht zu Strafverfolgung geführt haben oder "von einer betrügerischen Justiz" behandelt [wurden] und zu geringen Strafmaßen geführt haben, sollen wieder aufgerollt werden.


Sämtliche Konfliktparteien zur Rechenschaft ziehen

"Unsere Forderung ist eindeutig: Wenn wir in unserem Land von Gerechtigkeit, Wahrheit und Wiedergutmachung sprechen wollen, dann müssen alle Konfliktparteien zur Rechenschaft gezogen werden", sagte der linke Abgeordnete Iván Cepeda.

Insgesamt elf Forderungen reichten Movice, die Vereinigung von Angehörigen Festgenommener/Verschwundener und mehrere andere Menschenrechtsorganisationen am 6. März beim Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNPD) ein, das die Friedensgespräche zwischen Regierung und FARC gemeinsam mit dem Zentrum für ein Fortführen des Friedensdialogs organisiert hatte. Das Zentrum war kurzfristig von der staatlichen Nationalen Universität Kolumbiens gegründet worden.

Federführend bei der Erstellung der 'Minimalforderungen' waren der kolumbianische Jesuitenpriester Javier Giraldo und der Menschenrechtsanwalt Federico Andreu von der nichtstaatlichen Kolumbianischen Juristen-Kommission.

Die derzeit auf Kuba stattfindenden Verhandlungen sind der bisherige Höhepunkt der sechsmonatigen Vorverhandlungen zwischen der Regierung und den Anführern der linksgerichteten FARC.

Im August hatte Präsident Juan Manuel Santos erstmals Gespräche mit der FARC angekündigt. Vorangegangen waren geheime Sondierungsgespräche zwischen den Konfliktparteien, die Kuba und Norwegen vermittelt hatten. Beide Staaten sind Garanten des Prozesses, Venezuela und Chile fungieren als Unterstützer.

Aus den Sondierungsgesprächen ist das Allgemeine Abkommen zur Beendigung des Konflikts und zur Bildung eines stabilen und dauerhaften Friedens hervorgegangen. Während die Regierung von der FARC verlangt, den bewaffneten Kampf aufzugeben, fordern die Rebellen die Einstellung aller größeren Bergbau- und Infrastrukturprojekte in den ländlichen Gebieten und die Umsetzung eines ehrgeizigen Agrarentwicklungsplans. (Ende/IPS/jt/2013)


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IPS-Tagesdienst vom 7. März 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. März 2013