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LATEINAMERIKA/1438: Kolumbien - Bauern erhalten Friedenspreis für gewaltfreien Kampf um Agrarland (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. November 2013

Kolumbien: Gottes Wunder in Las Pavas - Bauern erhalten Friedenspreis für gewaltfreien Kampf um Agrarland

von Constanza Vieira


Bild: © Gerald Bermúdez/IPS

Carmen Moreno in der Gemeinschaftsküche von Las Pavas
Bild: © Gerald Bermúdez/IPS

Las Pavas/Bogotá, 18. November (IPS) - In kolumbianischen Agrarkonflikt ist ein kleines Dorf im Norden für viele Kleinbauern zum Symbol der Hoffnung geworden. Für ihren gewaltlosen Kampf um die auf der Insel Payapal in der Provinz Bolívar gelegene Finca 'Las Pavas', auf die auch ein Palmölunternehmen Anspruch erhebt, hat die kleinbäuerliche Gemeinschaft von Buenos Aires den Nationalen Friedenspreis erhalten.

Am 12. November, einen Tag vor der Preisverleihung, waren die im Bauernverband von Buenos Aires (ASOCAB) organisierten Farmer formell als Vertreibungsopfer anerkannt worden. Die Aufnahme in das staatliche Opfer-Register stärkt ASOCAB gegenüber dem kommerziellen Agrarunternehmen 'Aportes San Isidro SA'. Bis zum 1. Oktober waren in dem Register fast 5,1 Millionen Vertriebene aufgeführt. Insgesamt hat der bald 50-jährige Bürgerkrieg mehr als 5,8 Millionen Menschen seit 1985 geschädigt oder umgebracht.

Die Hazienda Las Pavas ist 1.338 Hektar groß. Die Bevölkerung der Region lebt vom Fischfang, vom Ackerbau und von der Viehzucht. Mit der Aufnahme ins Opferregister hat der der kolumbianische Staat seine vorherige Position korrigiert und anerkannt, dass die Dorfbevölkerung mindestens zwei Mal von ihrem Land vertrieben worden ist.

Wie Juan Felipe García von der Päpstlichen Xaverianischen Universität erklärte, wurde ein Irrtum der Justiz korrigiert, die zuvor nicht verstanden habe, dass durch den Landverlust die Menschen zudem um ihre Lebensgrundlage gebracht worden sind. "Jetzt hat die Wahrheit gesiegt", sagte der Jurist der universitären Rechtsberatungsstelle, der den ASOCAB rechtlich vertritt.


Eigentumsstreit kann noch Jahre dauern

Von der Entscheidung der Regierung profitieren die 464 Verbandsmitglieder. Besitzrechte an dem Land von Las Pavas haben sie aber dadurch noch lange nicht. Der Streit um die Hazienda wird separat in einem anderen Gerichtsverfahren vor dem Staatsrat ausgetragen und könnte sich gut zehn Jahre hinziehen.

"Wir müssen uns mit der Gemeinde beraten, welche Maßnahmen für sie Priorität haben: ob sie alle notwendigen Abkommen mit den unterschiedlichen Institutionen schließen oder Entschädigungen einfordern wollen", meinte die Direktorin der Rechtsberatungsstelle der Päpstlichen Xaverianischen Universität, Paula Gaviria.

Die Hazienda steht im Mittelpunkt eines größeren Landstreits in der für den Kokainschmuggel strategisch günstig gelegenen Region Magdalena Medio. Auf der nahegelegenen Farm 'Rancho Lindo' landeten und starteten bis 1983 ständig Drogenflugzeuge. Seit jenem Jahr gehörte Las Pavas offiziell Jesús Emilio Escobar Fernández, einem Cousin des berüchtigten Drogenbosses Pablo Escobar (1949-1993).

Vor 1963 war das Areal ungenutztes staatliches Ackerland gewesen. Nach der Zerschlagung von Escobars Rauschgiftkartell von Medellín wurde es nach 1992 in Las Pavas ruhig. Ein riesiger Baum, der aus einem Swimmingpool herauswuchs, zeugte von der Verlassenheit der Hazienda. Daraufhin beschlossen die Dorfbewohner von Buenos Aires, das Areal zu bewirtschaften. Sie gründeten die Vereinigung der Bäuerinnen von Buenos Aires.

Später erfuhren sie, dass einem Gesetz von 1994 zufolge private Landbesitzer ihre Eigentumsrechte verwirken, wenn sie ihr Land für den Drogenanbau missbrauchen oder aber mindestens drei Jahre brachliegen lassen. Seit der Gründung von ASCOAB 1997 kultivierten die Bauernfamilien auf dem Gelände Kakao und Bananen und pflanzten Eichen.

Die linken Rebellen, die 1964 entstanden sind, ließen Las Pavas auf dem Weg zu ihren Koka-Pflanzungen auf einem nahe gelegenen Hügel meist in Ruhe. Sporadisch verlangte sie von den Menschen 'Abgaben' in Form von Schweinen oder Hühnern. Ein Mal töteten sie einen Dorfbewohner, den sie verdächtigten, der Armee als Informant gedient zu haben.


Mordende Paramilitärs

Als rechte Paramilitärs 1998 das Gebiet längs des Payapal-Flusses erreichten und 20 Fußminuten von Buenos Aires entfernt ein Lager aufschlugen, machte sich die Guerilla aus dem Staub. Kurz darauf hätten die Paramilitärs damit begonnen, die Menschen zu ermorden, berichtete Carmen Moreno, eine Mitbegründerin der lokalen Bäuerinnenorganisation, deren Bruder damals 'verschwand'. Der Fluss habe Leichen und Leichenteile mit sich genommen. Sie kann sich noch gut erinnern, wie ihr die Kinder zugerufen hätten: "Mama, Mama, da schwimmt das Bein einer Frau, denn Fußnägel sind lackiert."

Doch schon der Hunger trieb die Menschen dazu, ihre Angst zu überwinden und das Land in Las Pavas zu bestellen. 2006 strengten sie ein Gerichtsverfahren an, um die alten Besitzverhältnisse für ungültig erklären zu lassen. Die Bauern erhielten sogar Agrardarlehen von staatlichen Institutionen. Doch im Jahr darauf wurde bekannt, dass Escobar Fernández das Land längst an die Firmen 'Aportes San Isidro' und 'CI Tequendama' verkauft hatte. Letzeres Unternehmen gehört zum Konzern 'Daabon'.

Die Unternehmen begannen mit der Erzeugung von Palmöl, legten Feuchtgebiete trocken, leiteten Flüsse um und sperrten Straßen. Unter Staatspräsident Andrés Pastrana (1998-2002) war die Palmölproduktion ein Grundpfeiler der staatlichen Agrarpolitik. Sein Nachfolger Álvaro Uribe (2002-2010) setzte die Politik fort und genehmigte den Anbau von Ölpalmen in Payapal auf einer Fläche von 66.000 Hektar. Auch der Bau einer Ölraffinerie zur Herstellung von Biosprit wurde beschlossen.

Insgesamt wachsen Ölpalmen in Kolumbien auf insgesamt 400.000 Hektar Land. Die Plantagen beschäftigen nach Angaben der internationalen Organisation 'Solidaridad' 130.000 Menschen. In Las Pavas wird inzwischen kein Palmöl mehr produziert, da sich der Rechtsstreit weiter hinzieht.

2009 hatten die die beiden Unternehmen die Vertreibung der Bauern durchgesetzt. Die Maßnahme kostete Daabon seinen Vertrag mit dem Naturkosmetikhersteller 'Body Shop', einer Schwesterfirma von 'L'Oréal'. Daabon zog sich daraufhin aus dem Projekt zurück, ohne mit ASCOAB zu verhandeln, wie dies Body Shop empfohlen hatte.


Von privatem Sicherheitspersonal bedroht

2011 kehrten die Bauern nach Las Pavas zurück und leben seitdem in behelfsmäßigen Unterkünften, an denen zwei unbefestigte Straßen vorbeiführen. In dem ehemaligen Gutsgebäude hat Aportes San Isidro ohne offizielle Genehmigung bewaffnete Männer postiert.

Die Bauern berichten über Drohungen, die Zerstörung ihrer Ernten, zerstochene Traktorenreifen, Viehdiebstahl und die Zerstörung von Saatgut. "Das Gebiet wird nun nicht mehr von illegalen bewaffneten Gruppen kontrolliert, sondern von privaten Firmen", kritisiert der ASOCAB-Vorsitzende Misael Payares. Der Dorfchronist Efraín Alvear schreibt seit Jahren an einem Buch über ASCOCAB mit dem Titel 'Eroberung ohne Gewehre'.

Nach der Entgegennahme des Friedenspreises blicken die Bauern nun mit neuer Hoffnung in die Zukunft. Sie haben vor, die Hazienda in 'Milagro de Dios' (Gottes Wunder) umzubenennen. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.unidadvictimas.gov.co/index.php/en/
http://www.secretariasenado.gov.co/senado/basedoc/ley/1994/ley_0160_1994_pr001.html
http://solidaridadnetwork.org/transition-palm-oil-sector-colombia
http://www.ipsnews.net/2013/11/las-pavas-extracts-a-miracle-from-god/
http://www.ipsnoticias.net/2013/11/campesinos-de-las-pavas-le-arrancan-un-milagro-dios/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 18. November 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. November 2013