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NAHOST/554: Presseerklärung zur kurdischen Friedensinitiative in der Türkei (Cenî)


Kurdisches Frauenbüro für Frieden - Cenî - 22. Oktober 2009

Presseerklärung für alle Menschen die Demokratie und Frieden fordern


Derzeit überschlagen sich die Ereignisse zur Lösung der Kurdischen Frage und für einen Frieden in der Türkei aufgrund eines neuen Vorschlags von Abdullah Öcalan; und es macht den Anschein, als würde erstmalig die Türkei Friedensdelegierte der kurdischen Guerilla sowie des kurdischen Volkes aus dem Flüchtlingslager in Maxmur, in dem Tausende von geflüchteten Kurden leben, akzeptieren. Voraussichtlich wird in den kommenden Tagen die dritte Friedensgruppe als Delegation von in Europa lebenden Kurden ihre Reise antreten.

Der Kurdische Volksrepräsentant Abdullah Öcalan hat bei dem Besuch seiner Anwälte am 9. Oktober 2009 erklärt, dass "die politischen und militärischen Bemühungen um die Lösung der kurdischen Frage an einem Punkt der Stagnation angelangt sind". Dies ist das bildliche Fazit, dass Abdullah Öcalan zog, nachdem die von ihm entworfene Road Map für einen Frieden in der Türkei und die Lösung der Kurdischen Frage noch immer nicht den entsprechenden Stellen überreicht, noch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Um die Stagnation zu überwinden, schlug er vor, ein weiteres Mal Friedensdelegierte zu entsenden, um "den Weg für die Politik freizumachen und zur Entwicklung eines demokratischen Friedensprozesses beizutragen".

Der Vorschlag für die Friedensdelegationen sind direkt von der kurdischen Bevölkerung aufgegriffen worden. So sind von der kurdischen Guerilla sowie aus dem Flüchtlingslager in Maxmur zwei Gruppen als Delegation für Friedensverhandlungen in die Türkei entsendet worden, um "den Friedens- und Demokratisierungsprozess mit großer Ernsthaftigkeit, Verständnis und kreativen Lösungsmethoden" voranzutreiben.
Die Gruppe aus Kandil besteht aus vier Frauen und vier Männer; die Gruppe aus Maxmur setzt sich auch jeweils zur Hälfte aus Frauen und Männer zusammen. Das Besondere ist, dass auch vier Kinder der Gruppe als Verhandlungspartner mitgekommen sind. Diese Gruppen sind bereits unter dem Jubel von mehreren 100.000 Menschen, 40 AnwältInnen und Mitgliedern der prokurdischen Partei für eine Demokratische Gesellschaft (DTP) an der türkisch-irakischen Grenze empfangen worden. Dies ist ein deutliches Zeichen der kurdischen Bevölkerung, die Abdullah Öcalan als ihren Repräsentanten begreift und die Forderungen nach Frieden klar unterstützen.

Der Versuch im Oktober 1999, Delegierte als VerhandlungspartnerInnen für den Frieden zu entsenden, endete für die mutigen TeilnehmerInnen direkt in den türkischen Gefängnissen, in denen sie sich teilweise noch heute befinden. Ebenso wie die einseitigen Waffenstillstände der kurdischen Guerilla sind dies nur Beispiele für zahlreiche Friedensbemühungen seitens der kurdischen Bewegung.

Trotz des physischen und kulturellen Genozid, konnte die reiche und vielfältige kurdische Kultur nicht vernichtet werden. Auch die Strategie der Assimilationspolitik - der sogenannte weiße Krieg - für die kurdische Bevölkerung blieb erfolglos. Die Kurden haben in allen vier Teilen Kurdistans (Türkei, Syrien, Irak und Iran) und auch im Exil stattdessen immer wieder den Wunsch nach Frieden und für friedliches Zusammenleben unter Beweis gestellt. Sie haben über die Jahrhunderte der Repression, Verfolgung, zerstörten Dörfern, Verleugnung und Genoziden immer wieder getrotzt und für ein freies und würdevolles Leben sei es im Widerstand oder mit demokratischen Forderungen gekämpft.

Aktuell werden die demokratischen und friedenspolitischen Bemühungen von kurdischen Abgeordneten, PolitikerInnen, AktivistInnen mit Gefängnisstrafen, Drohungen und Verfolgungen beantwortet. Zudem sind faschistische Übergriffe nicht selten. Die militärischen Angriffe gegen die kurdische Bevölkerung und Guerilla werden kontinuierlich fortgesetzt. Die gesellschaftspolitischen Aktivitäten von Frauen werden versucht mit den Androhungen von Gewalt oder gar sexuellen Übergriffen zu schwächen.

Deswegen wurde im Vorfeld viel darüber spekuliert, ob dieses Mal die Türkei die Delegierte akzeptieren wird. Doch die jetzigen Delegierten sind im Gegensatz zum letzten Mal nach einigen Stunden Gefängnis und Verhören tatsächlich wieder freigelassen worden.

Die Zusammensetzung der 16 köpfigen Gruppe aus Europa wird in den nächsten Tagen bekanntgegeben, allerdings ist davon auszugehen, dass auch diese zur Hälfte aus Frauen und zur Hälfte aus Männern bestehen wird, da es in den letzten Jahren eine enorme Stärkung der kurdischen Frauenbewegung gegeben hat und diese große Kraft für den politischen Dialog und den Aktivitäten für den Frieden entwickelt hat. Durch diesen Vernichtungskrieg, der nun schon 30 Jahren andauert, haben fast hunderttausend Menschen ihr Leben verloren. Es muss endlich eine friedliche Lösung her.


Voraussichtlich wird am 27.10.09 in Düsseldorf um 14:00 Uhr am Schadow-Platz eine große Kundgebung mit und anlässlich der Abfahrt der TeilnehmerInnen stattfinden.


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Erklärung des Kurdisches Frauenbüro für Frieden Cenî


Als Kurdisches Frauenbüro für Frieden Cenî, begrüßen wir die Friedensdelegationen aus Kandil, Maxmur und Europa. Wir stehen hinter den Zielen dieser Friedensgruppen stehen. Auch möchten wir erklären, dass wir die Forderungen in den 9 Punkten der Friedensgruppe unterstützen.

Die Friedensgruppe und wir fordern, dass

1. die Roadmap für eine friedliche und demokratische Lösung der kurdischen Frage, die Abdullah Öcalan verfasst hat, an ihre Adressaten ausgehändigt und veröffentlicht wird,

2. die militärischen und politischen Angriffe gestoppt werden, der Weg für eine friedliche und demokratische Lösung der kurdischen Frage freigemacht wird und diese Lösung im Rahmen einer tatsächlichen Demokratisierung der Türkei auf der Grundlage der Respektierung des freien Willens des kurdischen Volkes auf dem Wege von Dialog und Verhandlungen verwirklicht wird,

3. als ein Teil einer demokratischen Nation Türkei mit unsrer Identität als kurdisches Volk mit verfassungsmäßigen Garantien in Freiheit und Gleichheit zusammenleben,

4. Kurdisch, unsere Muttersprache, überall frei sprechen, lernen, weiterentwickeln und unsere geschichtlichen Werte, unsere Kultur und unsere Geografie in unserer Muttersprache kennen lernen,

5. unseren Kindern kurdische Namen geben, sie auf Kurdisch großziehen und ausbilden,

6. als kurdisches Volk unsere Geschichte, Kultur, Kunst und Literatur in Freiheit bewahren, erleben und weiterentwickeln,

7. mit unserer eigenen Identität unsere gesellschaftliche Organisierung entwickeln, demokratische Politik betreiben und uns frei ausdrücken,

8. in den Dörfern und Städten Kurdistans fern von Repression und Grausamkeiten von Spezialeinheiten, Dorfschützern und Polizei, in Sicherheit und bescheidenem Wohlstand leben,

9. die Demokratisierung der Türkei und dafür die Ausarbeitung einer zivilen, demokratischen Verfassung. Wir unternehmen diesen Schritt, um auf der Grundlage dieser Forderungen mit allen Menschen in der Türkei, die Frieden wollen, zu diskutieren und zusammenzuarbeiten.


Wir als Kurdisches Frauenbüro für Frieden Cenî - arbeiten seit Jahren in Deutschland, für einen Frieden in unserem Land. Nach unserer Meinung sind dies konkrete, humanitäre und menschliche Forderungen. Deswegen unterstützen wir die Forderungen und werden alle Aktionen unterstützen, die im Rahmen dieser Forderungen stattfinden.

Es ist uns klar, dass der Kampf um Frieden schwieriger ist als der des Krieges. Es ist uns aber auch genauso klar, dass der Frieden, nur durch die Mitwirkung von Frauen gestaltet und geschaffen werden kann.


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Quelle:
Presseerklärung vom 22. Oktober 2009
Kurdisches Frauenbüro für Frieden - Cenî
Corneliusstr.125, D-40215 Düsseldorf
Telefon: +49 (0) 211 59 89 251, Fax: +49 (0) 211 59 49 253
E-Mail : Ceni_Frauen@gmx.de
Internet: www.ceni-kurdistan.com


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Oktober 2009