Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

NAHOST/595: Gaza-Freiheitsmarsch, 01.01.10 - Ein Teilnehmer/PalAK HH


Ein Teilnehmer des Gaza-Freiheitsmarsches - Kairo, 02.01.2010

Kairo update 31.12 / 01.01


Das hier ist die letzte Mitteilung aus Kairo. Am Montag, den 11. Januar wird es im

Internationalen Zentrum B5
Brigittenstr. 5, St. Pauli (HH)
um 20 Uhr

einen etwas ausfuehrlicheren Bericht geben.


Obwohl die internationalen Delegationen zum Gaza Freedom March in der Stadt ziemlich auffaellig und von hoeheren Maechten sicherlich beobachtet sind, bzw. die Planung der Organisatoren, CODEPINK, sehr offen gehalten wird, schienen die Sicherheitskraefte von jeder Aktion ueberrascht zu sein.
Zwar war eine massive Polizeipraesenz innerhalb weniger Minuten vor Ort, aber der Anfang der Aktionen lief immer problemlos ab. So war es auch zum Jahreswende bzw. bei den Aktionen am 1. Januar.

Gegen Halb Zwoelf am 31.12 sammelten sich die Internationalisten in Kleingruppen auf dem Tehrir Platz und kamen dann wenige Minuten vor Mitternacht zusammen.
Es wurden Kerzen angezuendet und die US-amerikanischen Aktivisten sangen Lieder der Buergerrechtsbewegung. Das ganze lief sehr friedlich ab und war nach ca. einer Stunde beendet.

Wie immer, gab es eine starke Praesenz Zivilpolizisten und arabisch aussehende Menschen weggescheucht. Auch diesmal wurde die Sturmtruppe aufmarschiert, aber ein bisschen dezenter und unterhaltsamer als bei anderen Aktionen. Zuerst kam die erste Truppe angelaufen, wurde dann nach einigem hin und her schieben von einem Vorgesetzten schoen in Reih und Glied aufgestellt, anschliessend die zweite und der Prozess wiederholt.
Nachdem ihr Kommandant zufrieden war, wurden sie dann zum anderen Ende des Platzes marschiert, wo sie eine Stunde lang rumstanden bis die Aktion vorbei war.

Am 1. Januar fand eine von juedischen Menschen organisierte Protestaktion vor einer israelischen Vertretung statt. Die Vertretung ist in einem Wohnhochhaus untergebracht und liegt schraeg gegenueber vom Zoo, dorthin geht in der Regel kein Tourist. Also, das Auftauchen einer grossen Gruppe ueberwiegend nicht arabisch aussehender Menschen muesste eigentlich jedem Mensch ziemlich merkwuerdig vorkommen. Dennoch fing der Protest, wie alle anderen Aktionen vorher, problemlos an.

Es kann sein, dass die Polizei erwartet hatten, dass alle zu der seit vier Tagen dauernden Protestaktion vor der franzoesischen Botschaft, die nur einige Hundert Meter entfernt liegt, wollten.
Ueber die Protestaktionen haben die Lokal- und arabische Presse ziemlich ausfuehrlich berichtet. Ich will zum Zoo, sagte die eine Aktivistin, zum Taxifahrer, ach, sie wollen nach Gaza, erwiderte er.

Eine kleine Gruppe parolen rufender Aktivisten mit einem Transparent ueberquerte das Rondelle und ging ohne grosse Hast Richtung israelischer Botschaft. Alle anderen Aktivisten, die in der Gegend umher standen, folgten ihnen nach. Innerhalb weniger Minuten wuchs die Zahl der Anwesenden auf ca. 250 an.

Das uebliche Ritual folgt, das Auftauchen von Militaer und Polizei, Aktivisten von der Strasse gescheucht, arabisch aussehende Menschen verscheucht, Einkesselung.

Viele der vorbei fahrenden Autofahrer hupten und machten das zwei Finger Friedenszeichen. Einer der Bullen mit dem Auszeichnungssalat auf der Muetze gefiel das nicht und haute mit dem Faust auf ein paar der Autos.

Die Aktion dauerte ca. zwei Stunden. Ununterbrochen wurden Parolen, im variiernden Tempo und musikalisch begleitet, in verschiedener Sprachen gerufen wie:

Wir werden Gaza nicht vergessen / Boykott Israel

Was wollen wir / das Ende der Besatzung
Wann wollen wir es / jetzt!

1234 stop die Besatzung jetzt
5678 Israel terrorist / assassin

Nach zwei Stunden beendeten die Aktivisten den Protest.

Am Abend gab es denn ein (offizieller) Abschiedstreffen auf dem Tehrir Platz mit Beitraegen von Vertretern verschiedener Gruppierungen.

Vertreterinnen von CODEPINK sprachen ueber den Erfolg der Protestakionen, und dass es den Aktivisten gelungen ist, die Mauer des Schweigens um Gaza durchzubrechen, gestanden aber auch Fehler ein bei der Organisierung infolge des Verbots des Marschs, was auch zum Teil durch die vielen verschiedenen Delegationen und Meinungen bedingt war. Hedy Epstein, die mit ca. 30 anderen Menschen an einen fuenf Tage dauernden Hungerstreik teilnahm, bedankte sich fuer die grosse Solidaritaet und wurde mit tossendem Beifall verabschiedet.

Einige der Hungerstreikenden wollen den Hungerstreik wieder aufnehmen sobald sie heimgekehrt sind und ihn erst am 18. Januar, der Jahrestag des letzten Tages des israelischen Angriffs gegen Gaza von vor einem Jahr, beenden.

Der Vertreter der britischen Delegation nannte die isrealischen Belagerung von Gaza einen schleichenden Genozid. Die Hungerstreikenden in Kairo haben freiwillig gehungert, die Menschen in Gaza werden durch die Belagerung dazu gezwungen.

Der Delegationsvertreter der suedafrikanischen Gewerkschaftsdachverband COSATU praesentierte einen Deklarationentwurf, der als Basis fuer eine breite internationale Palaestina Solidaritaet dienen soll.


*


Quelle:
Ein Teilnehmer / Palästina-Solidaritätsbündnis Hamburg
Kairo, 02.01.2010


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Januar 2010