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NAHOST/748: Israelische und palästinensische Eltern wollen Versöhnung, nicht Hass (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. Januar 2011

Nahost: Israelische und palästinensische Eltern wollen Versöhnung, nicht Hass

Von Mel Frykberg


Jerusalem, 4. Januar (IPS) - Während die Nahost-Gespräche zum Stillstand gekommen sind, engagiert sich eine Gruppe israelischer und palästinensischer Aktivisten für den Frieden. Gemein ist den Mitgliedern des 'Circle Families Forum' der Schmerz über den Verlust eines geliebten Menschen und der Wunsch, Hass- und Rachegefühlen zu trotzen.

Das Forum will als eine Brücke auf dem steinigen Weg zur Versöhnung verstanden werden. "Darauf zu warten, dass unsere jeweiligen Führungspersönlichkeiten für Frieden sorgen, dauert viel zu lange", meint der Aktivist Rami Elchanan. "Ein anderes Morgen lässt sich nur durch ganz normale Menschen schaffen."

"Wir wollen weitere schmerzhafte Verluste in Abwesenheit des Friedens verhindern und Einfluss auf die Öffentlichkeit und die Entscheidungsträger nehmen, damit sie den Weg des Friedens dem Weg des Krieges vorziehen und Frieden und Versöhnung vermitteln", sagte Elchanan. "Ebenso setzen wir uns dafür ein, dass die Feindlichkeiten ein Ende finden, ein politisches Abkommen erzielt wird und die Trauer nicht zum Zweck der Kriegstreiberei missbraucht wird.


Öffentlichkeitsarbeit

Jede Woche halten die insgesamt 13 Mitglieder der Gruppe an Schulen, Universitäten, in Hotels und anderen Orten, in denen sich Israelis, Palästinenser und Ausländer einfinden, ihre Versöhnungsvorträge. Auch veranstalten sie Sommerlager für Jugendleiter und werben in Fernseh- und Radioprogrammen und Dokumentationen für ihr Anliegen.

Darüber hinaus reisen sie in ausländische Konfliktzonen wie etwa ins spanische Baskenland oder nach Nordirland, um für den Frieden zu werben. Wilhem Verwoerd, Enkel des ehemaligen südafrikanischen Ministerpräsidenten und Apartheidsarchitekten Hendrik Verwoerd, der in Nordirland lebt, brachte der Gruppe bei ihrem Besuch seine Bewunderung entgegen.

Aziz Sara, ein Palästinenser aus Jerusalem, hat seinen Bruder verloren. Tayseer Sara war vor 15 Jahren infolge eines brutalen Verhörs durch israelische Sicherheitskräfte gestorben. "Damals war ich verbittert und schrecklich wütend", erinnert sich Aziz Sara. Und obwohl er erst zehn gewesen sei, sei ihm gleich klar gewesen, dass jemand für den Tod des Bruders verantwortlich war.

"Ich wollte Gerechtigkeit, ich wollte Rache", so der jüngere Bruder. Doch die Zusammenarbeit mit der Circle Families Forum habe das Geschwür des Hasses aufgelöst. Inzwischen verspürt der 25-Jährige den Drang, den erlittenen Schmerz für die Botschaft des Friedens einzusetzen. "Der Hass hätte mich zerstört", ist er überzeugt.

Auch die Friedensarbeit der US-Amerikanerin Moira Julani, Mutter dreier Töchter, wird durch den Schmerz des Verlustes angetrieben. "An manchen Tagen bin ich wütend und sinne auf Rache", gesteht sie. "Doch die meiste Zeit denke ich rational und kläre die Leute über die Situation der Palästinenser in den besetzten Gebieten auf. Ich möchte anderen, egal welcher Religion oder Nationalität sie auch angehören mögen, das ersparen, was ich selbst durchlitten habe."

Der 61-jährige Elhanan hat drei Söhne. Vor 13 Jahren erlebte er den Alptraum aller Eltern: den Tod eines Kindes. Smadar war ein fröhliches und lebhaftes Mädchen, das zum Zeitpunkt seines Todes 14 Jahre alt war. "Ich fuhr gerade zum Flughafen von Tel Aviv, als ich einen verzweifelten Anruf meiner Frau aus Jerusalem über einen Selbstmordanschlag erhielt und die Nachricht, dass unsere Tochter in der Nähe des Attentats gesehen worden war." Am Ende mussten die Eltern die Leiche identifizieren.


Tod allerorten

Drei junge Palästinenser aus dem Westjordanland hatten sich und fünf Israelis im September 1997 in die Luft gesprengt. Zu den Opfern gehörte Smadar, die mit einigen Schulfreundinnen unterwegs war, um Schulbücher zu kaufen. "Der Tag, an dem sie starb, starb auch ein großer Teil von mir", sagt der Vater.

Moira Julani beklagt den Tod ihres Mannes Ziad. "Es war ein herrlicher Tag und Ziad trug mir auf, die Mädchen fertig zu machen, damit wir nach seiner Rückkehr einen Familienausflug zum Toten Meer machen konnten."

Ziad hatte sich auf dem Weg zum Freitagsgebet befunden, als er in Ostjerusalem zwischen die Fronten von Steine werfenden jungen Palästinensern und schießenden Polizisten geriet. Als er versuchte, den Steinen auszuweichen, streifte er einen der Grenzpolizisten, die daraufhin das Feuer auf ihn eröffneten. Als er ausstieg und zu Boden fiel, näherte sich ein Polizist und schoss ihm mehrfach in den Kopf. Kurz danach erlag er im Krankenhaus seinen Schussverletzungen.

Der verantwortliche Polizist behauptete später, Ziad habe einen Bombengürtel getragen. "Mein Mann war in keiner Weise politisch aktiv", sagt Julani. Der Mörder ihres Mannes wurde nie rechtlich belangt. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Januar 2011